Schon als Rügen noch schwedisch war, hatten die Putbuser Grafen im frühen 18. Jahrhundert auf einem der höchsten Berge der Insel inmitten des Waldgebietes der Granitz ein Fachwerk-Belvedere errichten lassen. Zu diesem Aussichtsturm gehörte ein unweit davon liegendes Jagdhaus, das 1726 erbaut worden war. Dieser schlichte Bau bildete den Ausgangspunkt für eine lange Tradition fürstlicher Jagden in der Granitz. Im 19. Jahrhundert reichte den 1815 preußisch gewordenen und schon 1807 gefürsteten Putbuser Grafen der alte Jagdsitz aber nicht mehr. Sie mussten ihren Status zeigen und so reifte bei Fürst Wilhelm Malte I. die Idee für einen prachtvollen Neubau auf der höchsten Erhebung der Granitz. Und ganz nebenbei tat der Fürst auch etwas für die Stärkung des inzwischen angewachsenen einheimischen Bäder- und Ausflugstourismus. Denn schon bald zog der auf der Granitz wachsende Neubau als das „schönste Jagdschloß Deutschlands“ Besucher in Scharen an.
Fürst Wilhelm Malte I. war ein politisch geschickt agierender und auch im Königreich Preußen einflussreicher Mann. Er wusste von der flammenden Vorliebe des preußischen Kronprinzen für Pommern und insbesondere Rügen. Zudem war dessen ausgeprägtes Talent für Architektur allseits bekannt. Wilhelm Malte hatte sich zwar Anfang der 1830er Jahre schon einige Entwürfe für den gedachten Neubau vorlegen lassen, doch so recht zündend war offensichtlich keine dieser Zeichnungen. Daher bat er wohl den Kronprinzen, seine Idee zu Papier zu bringen. Und voilà: Diese überlieferte Skizze von 1830 zeigt im Grunde genommen jenen Bau, der heute die Krone Rügens ist.
Fürst Wilhelm Maltes Jagdschloss war keine preiswerte Angelegenheit. Er selbst stöhnte wohl auch unter den Kosten des von ihm als „Luxusbau“ titulierten Anwesens. Insbesondere seine prätentiose Innendekoration konnte sich sehen lassen und gehorchte ganz den Standards fürstlicher Repräsentation um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Bedauerlicherweise hat sich aufgrund der Nachkriegsereignisse nur wenig von der historischen Ausstattung des Jagdschlosses erhalten, aber historische Fotografien zeugen von der dichten Fülle von Möbeln, Gemälden, Nippes und Stoffdraperien. Da das Schloss bis 1945 im Besitz der Familie blieb, hatte bis dato keine museale „Bereinigung“ des Inventars stattgefunden, sondern der über die Jahrzehnte gewachsene Zustand blieb bis zum Ende des Krieges weitgehend als Dokument historistischer fürstlicher Einrichtungskultur erhalten.
Die Pracht des Inneren
Betritt man das Schloss heute, erhält man noch immer einen Eindruck von der einstigen prächtigen Gestaltung. Besonders beeindruckend ist die pompöse Eingangshalle, die mit ihrer aufwändigen Gestaltung die Besucher in eine andere Zeit versetzt. Der Rittersaal zeugt von der feudalen Jagdtradition der Familie und ist mit imposanten Trophäen geschmückt. Das Jagdzimmer vermittelt eine rustikale Atmosphäre, die einst den hohen Gästen des Fürsten vorbehalten war.
Der Empfangssalon, in dem einst Adelige und hochrangige Persönlichkeiten empfangen wurden, beeindruckt durch seine kunstvollen Wandverzierungen. Ebenso prächtig präsentiert sich das Speisezimmer, in dem opulente Tafeln ausgerichtet wurden. Hier spiegelt sich der hohe Anspruch der fürstlichen Familie an Stil und Eleganz wider.
Heute ist das Jagdschloss Granitz eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Rügens. Es dient als Museum und zieht mit seinem markanten Mittelturm, von dem aus sich ein einzigartiger Blick über die Insel bietet, jährlich Tausende Besucher an. Wer sich für Architektur, Geschichte und fürstlichen Prunk interessiert, findet hier einen einzigartigen Einblick in die Vergangenheit Rügens.