Hans-Peter Klarowitz, geboren im Juni 1942, hat sein gesamtes Leben in Riesa verbracht. Als Zeitzeuge hat er den tiefgreifenden Wandel vom sozialistischen System der DDR zur Bundesrepublik miterlebt und geprägt. Seine Erzählungen geben Einblicke in eine Karriere unter planwirtschaftlichen Bedingungen, die Herausforderungen und Konflikte des alten Systems sowie die oft turbulenten Jahre des Übergangs nach 1989.
Klarowitz‘ beruflicher Weg begann in Riesa, wo er zunächst als Handwerker oder später im Stahlwerk tätig war. Parallel zur Arbeit bildete er sich intensiv weiter: Er studierte im Abendstudium zum Diplomingenieur und absolvierte die Handwerksmeisterschule. Über 15 Jahre arbeitete er im Betrieb „Schneider“, der später in Volkseigentum überging. Anfang der 1970er Jahre, im Zuge der „großen Kombinatsbildung“, wurde er zum Betriebsdirektor ernannt. In dieser Funktion war er auch als Sachbearbeiter für Ersatzteile tätig und konnte dafür viel in der DDR herumreisen.
Trotz seiner Position und persönlichen Entwicklung war Klarowitz kein stiller Beobachter. Er betont zwar, dass es ihm in der DDR „nicht schlecht gegangen“ sei und er die DDR nicht wiederhaben wolle, aber er wünscht sich „vieles Gute aus der DDR“ zurück. Er gehörte zu denen, die „viel Eingaben und Beschwerden gemacht“ haben. Im Betrieb sah er die Probleme deutlich: Die Planerfüllung war schwierig, die Zielzahlen wurden nicht erreicht. Der Betrieb hatte einen Plan von 37 Millionen Mark, kam aber nur auf 20 Millionen. Gründe dafür waren unter anderem weniger Arbeitskräfte und die Unmöglichkeit, selbstständig zu investieren. Die Technik, die vom Kombinat kam, war oft „marode“. Klarowitz ging sogar so weit, einen Brief an Erich Honecker zu schreiben. Daraufhin wurde er eingeladen, aber das Gespräch endete jäh mit der Frage, ob er „denn überhaupt noch von Frieden“ sei – für Klarowitz ein „Schlagargument“, das die Aussichtslosigkeit der Kritik im System verdeutlichte. Obwohl „Kritik und Selbstkritik“ als Parteigesetz galten, wurde Kritik in der DDR nicht geduldet; es hieß „entweder Ruhe oder Raus“. Auch von der Kreisleitung gab es keine Anleitung oder Information mehr; jeder sei sich selbst überlassen gewesen. Dennoch organisierte er Veranstaltungen, bei denen offen geredet und kritisiert werden konnte, auch wenn viele Kollegen Angst hatten.
Mit der Wende begann die Zeit der Reprivatisierung. Klarowitz entschied sich, mit einem Teil der Belegschaft einen eigenen Betrieb zu gründen. Zunächst war dies ein Treuhandbetrieb. Man sei gut zurechtgekommen, auch weil man noch unvollendete Produktionen aus DDR-Zeiten hatte, die man nun abrechnen konnte. Obwohl man sich im neuen Rechtssystem zurechtfand, fühlten sich viele Bürger der DDR, so Klarowitz, „naiv gutgläubig und dumm“ im Umgang mit Rechtsanwälten und den neuen Regeln. Er suchte einen Investor aus dem Westen und fand die Firma Fuchs aus Nürnberg. Diese beschreibt er als „Kapitalisten“, die nur Geld machen wollten. Persönlich lebte er zu dieser Zeit in einem Haus der Stadt, das „runtergewirtschaftet“ war und ein Trockenklo besaß. Die Organisation der Ersatzteilbeschaffung war im neuen System eine andere als in der DDR, wo man versuchte, sich auf wenige Sortimente zu konzentrieren.
Bei einem Treffen in Dresden wurde Klarowitz nach dem jährlichen Gewinn seines Betriebs gefragt, der über 10 Prozent lag. Man legte ihm nahe, sich nicht selbstständig zu machen. Er empfand die Gesprächspartner als „klein geistig“ und hatte das Gefühl, dass man mit ihnen machen konnte, was man wollte, weil man sich nicht traute, Widerworte zu geben. Schließlich wurde ihm eine Abfindung von knapp 200.000 D-Mark angeboten und er „durfte gehen“. Eigenen Angaben zufolge ging es ihm danach gut; er erhielt 32 Monate lang 3200 D-Mark Arbeitslosengeld.
Heute blickt Hans-Peter Klarowitz differenziert auf die Zeit zurück. Er wünscht sich die DDR nicht zurück, vermisst aber bestimmte Aspekte. Dazu zählt er das Gesundheitswesen, wo es keine Zwei-Klassen-Medizin gab. Auch das Bildungswesen und das Sportwesen hebt er positiv hervor. Sehr kritisch sieht er das heutige Beamtensystem. Er ist der Meinung, jeder solle sein Geld selbst verdienen. Er kritisiert, dass Beamte heute „Bomben Geld“ bekämen, während Arbeiter ihre Stellen verlören und sich niemand darum kümmere. Das sei für ihn keine soziale Gerechtigkeit.
Hans-Peter Klarowitz‘ Erzählung ist ein persönliches Zeugnis des Wandels und zeigt, wie die Erfahrungen aus beiden Systemen das heutige Urteil prägen.