Erinnerungen an Robert Enke: Teresa Enke über Depression, Trauer und Hoffnung

Robert Enke - Unvergessen

Am 10. November 2009 kam es zu einer Tragödie, die die Fußballwelt erschütterte: Robert Enke, der damalige Torwart der deutschen Nationalmannschaft, nahm sich das Leben. Der plötzliche Verlust eines der populärsten und talentiertesten Torhüter Deutschlands hinterließ nicht nur seine Familie, sondern auch eine ganze Nation in tiefer Trauer. Die Nachricht machte auf die Erkrankung aufmerksam, die Enke über viele Jahre hinweg begleitet hatte: Depressionen. Seine Witwe, Teresa Enke, entschied sich nach dem Schicksalsschlag dafür, das Thema offen anzugehen, um anderen Betroffenen zu helfen und ein Bewusstsein für psychische Erkrankungen zu schaffen. Sie gründete die „Robert Enke Stiftung“, die seitdem Aufklärungsarbeit leistet und sich dafür einsetzt, Menschen mit Depressionen zu unterstützen.

Im Interview, das Teresa Enke kürzlich gegeben hat, sprach sie über die Herausforderungen, die der Verlust mit sich brachte, und über ihre persönliche Trauerbewältigung. Sie beschreibt, wie sie und Robert versucht hatten, die Krankheit zu verstehen, obwohl Informationen und gesellschaftliche Akzeptanz damals knapp waren. Was sie bis heute quält, ist der Gedanke, dass Robert sich möglicherweise gar nicht wirklich das Leben nehmen wollte. „Er war ein lebensfroher Mensch, der in eine verzweifelte Situation geriet und keinen Ausweg sah“, erinnert sie sich. Seine Depression, die ihn über Jahre begleitete, war dabei eine ständige Belastung, die auch die glücklichen Momente überschatten konnte.

Auf die Frage, wie sie mit dem Tod ihres Mannes umgeht, erklärt Teresa, dass sie versucht, bestimmte Tage und Erinnerungen zu verdrängen. „Jedes Jahr, wenn Roberts Todestag näher rückt, vermeide ich, darüber nachzudenken“, sagt sie. Dabei empfindet sie das als eine Art Selbstschutz, eine natürliche Reaktion des Körpers, die es ihr ermöglicht hat, nach Roberts Tod für ihre Tochter und für sich selbst stark zu bleiben.

Eine prägende Episode in ihrer Trauerarbeit ereignete sich zwei Jahre nach Roberts Tod. Sie erinnert sich an einen Wintertag, an dem sie mit ihrer kleinen Tochter Leila im Schnee spazieren ging. Trotz der Schönheit des Moments fühlte sie eine tiefe Traurigkeit, bis ihre Tochter sagte: „Mama, nicht weinen.“ Dieser unschuldige Trost bewegte Teresa dazu, sich professionelle Hilfe zu suchen. In der Klinik empfahl ihr ein Therapeut, dass sie das Andenken an Robert bewahren, aber dennoch ihren eigenen Weg weitergehen könnte. Diese Worte gaben ihr den Anstoß, ihre Trauer anders zu verarbeiten und sich allmählich zu lösen.

Teresa berichtet, wie schwer es für sie war, eine gesunde Distanz zu finden, da Robert omnipräsent in ihrem Leben geblieben war – durch das Haus, das Umfeld und durch die Stiftung, die sie zu seinem Gedenken ins Leben gerufen hatte. Diese ständige Erinnerung war für sie einerseits eine Quelle der Stärke, andererseits machte sie es ihr schwer, sich emotional zu distanzieren. Erst in der Klinik wurde ihr bewusst, dass sie für ihre eigene seelische Gesundheit mehr Abstand finden musste.

Im Rückblick erkennt sie, dass Robert stets mit enormen inneren und äußeren Erwartungen zu kämpfen hatte. Besonders herausfordernd war für ihn die Zeit beim FC Barcelona, wo er sich nicht genügend unterstützt fühlte. Robert hatte es immer schwer, mit einem Umfeld zurechtzukommen, das ihn nicht ausreichend stützte. Teresa erklärt, dass dieser fehlende Rückhalt eine Rolle bei der Verschlimmerung seiner Depression spielte. „Er war hochmotiviert, doch der Trainer Louis van Gaal bevorzugte einen einheimischen Spieler, was Roberts Position gefährdete und ihn tief verunsicherte“, beschreibt sie. Die Erfahrung in Barcelona hatte sich nachhaltig auf sein Selbstbewusstsein ausgewirkt und den Grundstein für seine innere Zerrissenheit gelegt. Ein Gefühl der Wertschätzung fand er dann später auf Teneriffa, wo er als Star gefeiert wurde und ein zufriedenes Leben führen konnte – bis zur Geburt der gemeinsamen Tochter Lara, die schwer herzkrank war und nach nur zwei Jahren verstarb.

Dennoch betont Teresa, dass Laras Krankheit und Tod nicht die Ursache für Roberts Depression waren. Sie stellt klar, dass Menschen mit Depressionen keine „schwachen“ Menschen seien; es handle sich vielmehr um eine komplexe Krankheit, die oft ohne erkennbare Ursache ausbreche. Mit der Erkrankung ihrer Tochter sei das Paar stark umgegangen und habe diese Zeit gemeinsam überstanden. Teresa hebt hervor, dass Robert ein starker Mann war, der die dunklen Phasen seiner Krankheit allein durchlebte und dennoch seine Rolle im Profifußball meisterte. Dass psychische Krankheiten damals ein Tabuthema waren, habe Robert jedoch daran gehindert, offen über seine Probleme zu sprechen, aus Angst, als schwach oder weniger leistungsfähig wahrgenommen zu werden.

Teresa Enke - So schlecht ging es Robert (†32) wirklich

Die Gründung der Robert Enke Stiftung war für Teresa ein wichtiger Schritt auf ihrem Weg, mit dem Verlust ihres Mannes umzugehen und etwas Positives aus der Tragödie zu schöpfen. Die Stiftung verfolgt das Ziel, die Gesellschaft für das Thema Depression zu sensibilisieren und dazu beizutragen, dass psychische Probleme nicht länger stigmatisiert werden. Teresa sieht in der Stiftung eine Art „Trauerarbeit“, die ihr hilft, Roberts Vermächtnis zu bewahren und zugleich andere Menschen zu unterstützen. Zahlreiche Zuschriften, die sie über die Jahre erhalten hat, bestätigen ihr, dass Roberts Geschichte vielen anderen Menschen das Leben gerettet hat. „Heute“, so Teresa, „muss sich niemand mehr alleine fühlen oder schämen.“

Auch im Profisport hat sich seit Roberts Tod einiges verändert. Inzwischen legen Vereine großen Wert darauf, ihre Spieler nicht nur physisch, sondern auch psychisch zu betreuen. Psychologen gehören heute zum Standard in der sportlichen Betreuung, und psychische Probleme sind kein Tabu mehr. Diese Entwicklung betrachtet Teresa mit Erleichterung. Sie ist überzeugt, dass Robert heute vielleicht noch leben würde, wenn er zu seiner Zeit dieselbe Unterstützung erhalten hätte wie Sportler heutzutage.

Teresa hat es geschafft, den Mut zu finden, nach vorn zu blicken und neue Wege zu gehen. Inzwischen ist sie wieder verheiratet und hat ein weiteres Kind bekommen. Der Verlust von Robert bleibt schmerzhaft, aber sie hat gelernt, ihn als Teil ihrer Vergangenheit anzunehmen, während sie ihr Leben weiterlebt. Die Worte ihres Therapeuten, die sie während ihrer Klinikaufenthalts gehört hatte, begleiten sie noch immer: „Du kannst sagen, dass Robert jetzt woanders ist und einen neuen Lebensabschnitt beginnen.“

Für Teresa ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, die sie aus ihrer Trauerarbeit mitgenommen hat, dass es kein „richtiges“ oder „falsches“ Trauern gibt. Sie hat gelernt, dass jeder Mensch auf seine eigene Weise trauern darf. Diese Freiheit in der Trauer ist für sie entscheidend, und sie rät auch anderen Angehörigen, sich nicht von gesellschaftlichen Erwartungen unter Druck setzen zu lassen. Angehörigen von Depressiven rät sie, einfühlsam und unterstützend zu sein und niemals Druck auszuüben. Wichtig sei es, dem Betroffenen zu signalisieren, dass er oder sie nicht allein ist.

Dass sich die Einstellung zur Depression und psychischen Krankheiten seit dem Tod ihres Mannes geändert hat, empfindet Teresa als eine positive Entwicklung. Sie wünscht sich, dass der Fortschritt im Umgang mit Depressionen und psychischen Problemen weiter voranschreitet und kein Mensch sich jemals wieder allein und unverstanden fühlen muss. Roberts Leben, so tragisch es endete, hat einen Wandel angestoßen – für Teresa und für viele andere Menschen, die durch seine Geschichte Hoffnung und Verständnis gefunden haben.

Robert Enke - Ich kann ja nur Fußball (Vollständige Doku - NDR)

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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