In Jena steht eine weitreichende Entscheidung bevor: Die Festlegung neuer Hebesätze für die Grundsteuer sorgt in der Stadt für Spannung. Hintergrund sind Änderungen im bundesweiten Steuersystem, die Eigentümer und Mieter gleichermaßen betreffen könnten. Vor allem nach Berichten über drastische Erhöhungen in anderen Städten – beispielsweise von „1000 Prozent mehr Grundsteuer“ – stellt sich die Frage, ob solche Szenarien auch in Jena Realität werden könnten.
Hebesätze: Der entscheidende Faktor für die Grundsteuer
Der zu zahlende Grundsteuerbetrag hängt maßgeblich von den sogenannten Hebesätzen ab. Diese geben an, mit welchem Faktor der Grundsteuerwert multipliziert wird. Dieser Wert setzt sich aus Bodenrichtwerten und der Bebauung des Grundstücks zusammen, wie es die neue Berechnungsgrundlage vorschreibt. Eine Anpassung der Hebesätze ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Grundsteuerregelung 2019 als verfassungswidrig erklärt hatte. Die alte Berechnung entsprach nicht mehr den realen Werten von Grundstücken und Gebäuden.
Aktuell liegt der Hebesatz für die Grundsteuer B, also für bebaute Flächen in Jena, bei 495 Prozent. Doch dieser Wert könnte sich bald ändern. Ziel ist es, eine sogenannte „aufkommensneutrale“ Lösung zu finden. Das bedeutet, die Einnahmen der Stadt aus der Grundsteuer sollen trotz neuer Berechnungsgrundlagen insgesamt nicht steigen. Ob dies gelingen kann, bleibt abzuwarten, da die genaue Verteilung der Steuerlast auf verschiedene Grundstücksarten von den neuen Bewertungsgrundlagen abhängt, die das Finanzamt ermittelt hat.
Entscheidung verzögert sich
Eine Entscheidung über die neuen Hebesätze steht bisher aus. In der Tagesordnung der Ratssitzung am heutigen Mittwoch taucht das Thema nicht auf. Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) begründet die Verzögerung mit den laufenden Haushaltsverhandlungen der Stadt, die einen hohen Abstimmungsbedarf erfordern. Bis Dezember soll die Verwaltung dem Stadtrat jedoch einen Vorschlag für eine neue Satzung zur Abstimmung vorlegen. Dabei wird auch eine Senkung des Hebesatzes auf 400 Prozent diskutiert, um die finanziellen Auswirkungen für Bürger abzumildern.
Betroffen sind nicht nur Eigentümer
Die Grundsteuer betrifft nicht nur Grundstückseigentümer. Auch Mieter spüren die Auswirkungen, da die Steuer als Teil der Betriebskosten auf sie umgelegt wird. „Aktuell spielt die Grundsteuer bei den Nebenkosten nur eine untergeordnete Rolle“, erklärt Diana Gelbhaar vom Mieterbund Jena. Derzeit zahlen Mieter im Schnitt etwa 13 bis 20 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche für die Grundsteuer. Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung entspricht das einer monatlichen Belastung von etwa 10 Euro.
Trotzdem könnte eine deutliche Erhöhung der Grundsteuer gerade in Kombination mit anderen Kostensteigerungen für Probleme sorgen. Bereits jetzt machen die hohen Energiepreise vielen Mietern zu schaffen. Laut Gelbhaar bereiten insbesondere die Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2024 Sorgen, da sie aufgrund gestiegener Energiepreise deutliche Nachzahlungen erwarten lässt. Ein deutschlandweiter Vergleich der Nebenkosten für das Jahr 2022 zeigte, dass Jena bereits damals Spitzenwerte erreichte: Laut einem Immobilienportal stiegen die Nebenkosten in der Stadt um 82 Prozent.
Neues System: Gewinner und Verlierer
Die Reform der Grundsteuer bringt Gewinner und Verlierer mit sich. Grundstücke in begehrten Lagen oder mit hohen Bodenrichtwerten werden künftig teurer besteuert. Gleichzeitig könnten weniger attraktive Grundstücke von einer geringeren Steuerlast profitieren. Die Stadt Jena hat dabei keinen direkten Einfluss darauf, welche Grundstücke teurer oder günstiger werden. Diese Entscheidungen basieren auf den durch das Finanzamt ermittelten Grundlagen. Aufgabe der Stadt ist es lediglich, die Hebesätze so anzupassen, dass das Gesamtaufkommen gleich bleibt.
Wie geht es weiter?
Im Dezember wird erwartet, dass die Stadtverwaltung dem Stadtrat eine neue Satzung mit konkreten Hebesätzen vorlegt. Bis dahin bleibt die Unsicherheit für Eigentümer und Mieter groß. Ob Jena sich für eine moderate Lösung entscheidet oder ob die Belastungen für viele Bürger steigen, wird sich erst dann zeigen. Bürgermeister Gerlitz betont die Notwendigkeit, die Änderungen transparent zu gestalten und die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen.
Klar ist, dass die Diskussion um die Grundsteuer in Jena noch lange nicht abgeschlossen ist. Sie wird nicht nur die städtische Haushaltsplanung, sondern auch die finanzielle Situation vieler Einwohner beeinflussen. Die anstehenden Entscheidungen werden zeigen, ob Jena einen Weg findet, die Belastungen für seine Bürger gerecht zu verteilen.