Eine Brombeere macht noch keinen Ministerpräsidenten: Thüringen ringt um die Wahl

Die politische Landschaft in Thüringen steht erneut vor einem Wendepunkt, während CDU, Bündnis Soziale Wende (BSW) und SPD den nächsten Schritt ihrer Zusammenarbeit vorbereiten. Nach der Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrags rücken nun die Verhandlungen über die Wahl des Ministerpräsidenten in den Fokus. Geplant ist, dass CDU-Landeschef Mario Voigt das Rennen um das Amt antreten soll. Doch bevor es so weit ist, sind noch zahlreiche Details zu klären – angefangen bei der Terminfindung bis hin zur Vermeidung eines möglichen Patts bei der Abstimmung.

Widerstand gegen den Wahltermin
Die CDU setzt bei der Wahl auf einen zügigen Zeitplan. Bereits am Freitag schlug Andreas Bühl, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, den 11. Dezember als Termin für die Abstimmung vor. Doch dieser Vorschlag stieß auf Widerstand bei der SPD. Wie Janine Merz, SPD-PGF, erklärte, ist der Zeitplan für ihre Partei nicht umsetzbar. „Unsere Mitglieder entscheiden basisdemokratisch bis Montag, 9. Dezember, über den Koalitionsvertrag. Erst danach wird unser Landesvorstand ein Votum abgeben“, betonte Merz. Da ein Wahlvorschlag mindestens 48 Stunden vor der Sitzung bei der Landtagsverwaltung eingereicht werden muss, sei der von der CDU angedachte Termin nicht haltbar.

Merz betonte, dass es sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten um einen wichtigen Verfassungsakt handele, der Sorgfalt und Abstimmung erfordere. Gleichzeitig zeigte sie sich offen für eine Sondersitzung des Parlaments, falls die Terminfindung dies erfordere. Dennoch sei sie der Ansicht, dass es bei einer derart bedeutsamen Wahl nicht auf wenige Tage ankomme.

Interne Uneinigkeit bei den Koalitionspartnern
Auch innerhalb des Koalitionsbündnisses gibt es offene Fragen. BSW-PGF Tilo Kummer wies darauf hin, dass vor der Wahl des Ministerpräsidenten auch die Ressortverteilung geklärt werden müsse. Bislang herrscht hier keine Einigkeit unter den Parteivorsitzenden. „Ich bin dafür, sobald Einigkeit in allen noch offenen Fragen besteht, die Ministerpräsidentenwahl so schnell wie möglich durchzuführen“, erklärte Kummer.

Die CDU wiederum sieht Handlungsdruck. Am Samstag, 14. Dezember, findet der Landesparteitag der Christdemokraten statt, und dort möchte man den neuen Ministerpräsidenten Voigt idealerweise bereits offiziell vorstellen. Dies erhöht den Druck, die Wahl spätestens in der Woche davor abzuschließen.

Patt-Situation: Ein Verfassungsdilemma?
Ein zentrales Problem, das im Raum steht, ist die Frage, was passiert, wenn es bei der Abstimmung zu einem Patt kommt. Mario Voigt könnte im dritten Wahlgang auf 44 Ja- und 44 Nein-Stimmen kommen, wenn alle Abgeordneten von Linke und AfD mit „Nein“ stimmen. Der geschäftsführende Ministerpräsident und Linke-Politiker Bodo Ramelow sieht in einer solchen Situation jedoch keine verfassungsrechtlichen Unsicherheiten. „Der dritte Wahlgang ist genau so, dass Mario Voigt dann gewählt ist“, erklärte Ramelow.

Die Verfassung sieht vor, dass im dritten Wahlgang derjenige Kandidat gewählt wird, der die meisten Stimmen erhält. Im Fall eines Patts könnte Voigt also dennoch Ministerpräsident werden. Diese Auslegung ist jedoch nicht unumstritten. CDU-Chef Mario Voigt warnte davor, der AfD in der Abstimmung eine Bühne zu bieten, wie es 2020 der Fall war. Damals führte die Unterstützung des AfD-Kandidaten für den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zu einer Regierungskrise, die bundesweit für Empörung sorgte.

Die Rolle der Thüringer Linken
Noch unklar ist, wie sich die Thüringer Linke bei der Wahl des Ministerpräsidenten verhalten wird. Linke-Co-Chefin Ulrike Grosse-Röthig betonte, dass die Fraktion bisher keine Entscheidung getroffen habe, ob sie einen eigenen Kandidaten für den dritten Wahlgang aufstellen werde. Die Linke könnte mit einem solchen Schritt ihren Anspruch als stärkste Oppositionskraft unterstreichen, würde jedoch die politischen Spannungen im Landtag weiter verschärfen.

Ein Spiel auf Zeit
Die Wahl des Ministerpräsidenten steht sinnbildlich für die politischen Herausforderungen in Thüringen. Obwohl CDU, SPD und BSW mit ihrem Koalitionsvertrag einen wichtigen Schritt getan haben, zeigen die Diskussionen über den Wahltermin und die offenen Ressortfragen, wie komplex die Zusammenarbeit der Parteien ist. Die verschiedenen Fristen, Interessen und Verfassungsfragen machen das Verfahren zu einem Spiel auf Zeit.

Die CDU drängt auf Geschwindigkeit, nicht zuletzt, um ihren neuen Ministerpräsidenten beim eigenen Landesparteitag präsentieren zu können. Die SPD hingegen legt Wert auf Sorgfalt und die Klärung aller offenen Fragen. Das BSW sieht in der Ressortverteilung eine notwendige Grundlage, bevor die Wahl stattfinden kann. Diese unterschiedlichen Prioritäten könnten den ohnehin engen Zeitplan weiter unter Druck setzen.

Die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen ist mehr als ein formaler Akt. Sie steht exemplarisch für die politischen Herausforderungen in einem Land, in dem knappe Mehrheiten und ideologische Gegensätze den Alltag bestimmen. Ein möglicher Patt bei der Abstimmung könnte die Koalitionspartner vor eine Belastungsprobe stellen und die Verfassung auf die Probe. Während die Parteien versuchen, ihre Positionen zu koordinieren, bleibt die Frage, ob der angestrebte Wahltermin noch in diesem Jahr realistisch ist, offen.

In jedem Fall dürfte die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen nicht nur für das Land selbst, sondern auch bundesweit Signalwirkung haben. Sie könnte zeigen, wie stabile Koalitionen in Zeiten zunehmender politischer Polarisierung funktionieren – oder auch scheitern. Bis dahin bleibt jedoch ein erheblicher Klärungsbedarf bestehen, sowohl bei den Terminabsprachen als auch in der Frage, wie sich die einzelnen Fraktionen im Landtag positionieren werden.

Redakteur/Blogger/Journalist: Arne Petrich

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