Blueser in der DDR – Engerling (Der Film): Sound einer rebellischen Generation

Der Film „Blueser in der DDR – Engerling“ zeigt einen eindrucksvollen Ausschnitt aus der lebendigen, aber oft wenig dokumentierten Blues-Szene der ehemaligen DDR. In einem ungezwungenen, fast vertraulichen Gespräch werden nicht nur musikalische Techniken und Improvisationen thematisiert, sondern auch Lebenswege, die von den damaligen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten geprägt waren. Der Film liefert einen seltenen Einblick in das Innenleben einer Band, die – trotz divergierender Berufe und Schicksale – durch ihre Leidenschaft für den Blues zusammenhält.

Historische Hintergründe und der Sound der Freiheit
Die DDR war lange Zeit nicht gerade als Wiege des experimentellen Musikgeschehens bekannt. Dennoch fanden in den Hinterzimmern, in kleinen Proberäumen und bei informellen Zusammenkünften Menschen zusammen, die sich der Freiheit der Musik verschrieben hatten. Wie aus dem Film hervorgeht, begannen einige der Musiker ihre gemeinsame Karriere bereits in den 1970er Jahren. Ihre Wurzeln reichen zurück zu einer Zeit, in der Rock und Blues in der DDR als rebellische Ausdrucksformen galten – Ausdrucksformen, die oft im Widerspruch zu den offiziellen staatlichen Kulturvorgaben standen. Die Bandmitglieder, die aus ganz unterschiedlichen beruflichen Kontexten stammen – vom AL-Zusteller über Grafiker bis hin zu Elektromechanikern und Haushandwerkern – fanden im Blues nicht nur ein musikalisches Ventil, sondern auch eine Möglichkeit, ihre eigene Identität zu definieren.

Das Bandgefüge: Zwischen Alltag und musikalischer Leidenschaft
Ein zentraler Aspekt des Films ist die authentische Darstellung des Zusammenspiels zwischen Beruf und Musik. Während der Alltag der Protagonisten von routinemäßigen Tätigkeiten geprägt ist, steht der Blues als gemeinsamer Nenner im Vordergrund. Die Erzählungen über gemeinsame Bandprojekte, etwa aus Zeiten, in denen sie noch in einer „eisenharten Rockband“ spielten, offenbaren den langen Atem und die unerschütterliche Bindung der Mitglieder. Dabei mischt sich die nüchterne Realität des Lebens in der DDR – mit ihren oftmals pragmatischen Berufen – mit der Sehnsucht nach künstlerischem Ausdruck. Die Stimmen im Film erinnern an vergangene Zeiten, in denen das Treffen in einem einfachen Proberaum und das Zusammenspiel von Gitarren, sparsamen Klavierklängen und gelegentlichen experimentellen Einlagen zum Alltag gehörten.

Der Blues als Spiegel der Seele
Im Gespräch wird deutlich, dass der Blues für die Musiker weit mehr war als nur ein Musikstil. Ursprünglich als melancholischer Ausdruck von Weltschmerz und innerer Traurigkeit verstanden, entwickelte sich der Blues in den Händen dieser Künstler zu einem facettenreichen Medium. Einer der Protagonisten erzählt von seinen ersten Begegnungen mit der Musik in den 60er Jahren – in einem kleinen Plattenladen in Freienwalde, als er die Platte „American Heart“ entdeckte, die von bekannten Blues-Legenden wie Willie Dixon und anderen beeinflusst war. Dieser Moment entfachte in ihm einen Funken, der ihn nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich prägte. Später erkannten die Musiker, dass der Blues ebenso viel Raum für Lebensfreude, Witz und eine fast schon sentimentale Leichtigkeit bot. Die Fähigkeit, innerhalb eines Stücks von schweren, fast melancholischen Tönen zu einer optimistischeren Stimmung überzugehen, verleiht der Musik eine besondere Dynamik und macht sie zu einem Spiegel des Lebens selbst.

Zwischen Militär und Musik: Der lange Weg der Band
Ein weiterer faszinierender Aspekt, den der Film beleuchtet, ist der Einfluss des Militärdienstes auf den musikalischen Werdegang der Bandmitglieder. So mussten einige für ihre musikalische Karriere temporär pausieren, um ihren Wehrdienst abzuleisten – ein Umstand, der in der DDR gang und gäbe war. Dennoch gelang es der Band, trotz Unterbrechungen und personellen Veränderungen stets zusammenzuhalten. Neue Mitglieder wurden rekrutiert, und die musikalische Identität blieb erhalten. Diese wechselvollen Zeiten spiegeln nicht nur die Herausforderungen des Alltags in der DDR wider, sondern auch den unermüdlichen Willen der Musiker, ihre Leidenschaft fortzuführen – gegen alle Widerstände.

Fazit: Ein Film, der berührt und verbindet
„Blueser in der DDR – Engerling (Der Film)“ ist mehr als nur eine musikalische Dokumentation. Er ist ein lebendiges Zeitdokument, das den Geist einer Generation einfängt, die in einer eingeschränkten, aber dennoch kreativen Umgebung nach Freiheit und Ausdruck strebte. Die Mischung aus persönlichen Anekdoten, authentischen Proben und der Darstellung einer Musik, die sowohl von Schmerz als auch von Lebensfreude erzählt, macht den Film zu einem wichtigen Beitrag, um die kulturelle Vielfalt und den künstlerischen Mut der DDR-Zeit zu würdigen.

In einer Zeit, in der offizielle Narrative oft den Blick auf das Wahre und Menschliche verdeckten, ermöglicht dieser Film einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen – ein Blick, der zeigt, dass Musik immer auch ein Mittel war, sich selbst treu zu bleiben und gemeinsam neue Wege zu gehen.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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