Die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP), die im Januar 1990 in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannt wurde, spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte der politischen Wende in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Gegründet am 7. Oktober 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, wurde die SDP von einer Gruppe von Reformern initiiert, die eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft anstreben. In den folgenden Monaten entwickelte sich die Partei zu einem wichtigen Akteur in den politischen Veränderungen der DDR, bevor sie schließlich mit der westdeutschen SPD fusionierte.
Gründung der SDP
Die Gründung der SDP war das Ergebnis eines breiten Reformwillens innerhalb der Gesellschaft der DDR. Die Hauptinitiatoren, Martin Gutzeit und Markus Meckel, waren evangelische Theologen, die die inhaltliche und organisatorische Vorarbeit leisteten. Im April 1989 wurde ein erster Entwurf für einen Gründungsaufruf verfasst, der am 26. August 1989 in der Berliner Golgathagemeinde präsentiert wurde. Dieser Aufruf wurde von führenden Persönlichkeiten wie Gutzeit, Meckel, dem Studentenpfarrer Arndt Noack und dem Regisseur Ibrahim Böhme unterschrieben.
Die Gründungsversammlung fand im Pfarrhaus in Schwante, unweit von Berlin, statt und versammelte zwischen 40 und 50 Personen, darunter wichtige Akteure wie Angelika Barbe, Ibrahim Böhme und Konrad Elmer. Bei dieser Versammlung wurde Stephan Hilsberg als erster Sprecher der Partei gewählt, während Ibrahim Böhme die Position des Geschäftsführers übernahm.
Politische Entwicklung zwischen 1989 und 1990
Nach der Gründung entstanden in verschiedenen Städten der DDR Regionalgruppen der SDP. Im Oktober 1989 erhielt die SDP zwei Sitze am Zentralen Runden Tisch der DDR, einem wichtigen Forum für den politischen Dialog zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften. Ab dem 13. Januar 1990 beschloss die Partei, die Abkürzung SPD zu übernehmen, was eine klare Hinwendung zur westdeutschen Sozialdemokratie signalisierte.
Im Januar 1990 entsandte die SPD der DDR mit Walter Romberg einen Minister ohne Geschäftsbereich in die Regierung von Hans Modrow. Diese Phase war geprägt von der Bestrebung, sich als ernstzunehmende politische Kraft im neuen Deutschland zu etablieren. Der erste Parteitag der SPD fand vom 22. bis 25. Februar 1990 in Leipzig statt. Hier wurde Ibrahim Böhme zum Vorsitzenden gewählt, und es wurden ein Grundsatzprogramm sowie ein Statut verabschiedet. Willy Brandt wurde zum Ehrenvorsitzenden der SPD der DDR ernannt, was die historische Verbindung zur westdeutschen Sozialdemokratie unterstrich.
Volkskammerwahl 1990
Die Volkskammerwahl am 18. März 1990 brachte für die SPD der DDR eine Enttäuschung. Statt einer erhofften absoluten Mehrheit erzielte die Partei 21,7 Prozent der Stimmen und zog in das Parlament ein. Besonders stark war die Unterstützung in den Bezirken Berlin (34,9 %), Potsdam (34,4 %) und Frankfurt (Oder) (31,9 %), während die SPD im Bezirk Dresden nur 9,7 % erhielt.
Die SPD entschied sich nach internen Debatten, in Koalitionsverhandlungen mit den Wahlsiegern der Allianz für Deutschland, bestehend aus CDU, DSU und Demokratischem Aufbruch, einzutreten. Diese Entscheidung spiegelte den Wunsch wider, an der politischen Gestaltung des neuen Deutschlands mitzuwirken.
Skandal um Ibrahim Böhme und Machtwechsel
In die Zeit der Koalitionsverhandlungen fiel der Skandal um den Vorsitzenden Ibrahim Böhme, der als langjähriger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit enttarnt wurde. Trotz seiner Dementis trat Böhme am 1. April 1990 von allen Parteiämtern zurück, und 1992 wurde er aus der SPD ausgeschlossen. Die Partei geriet dadurch in eine schwierige Lage, die ihren Ruf und ihre Glaubwürdigkeit stark beeinträchtigte.
Am 8. April 1990 wurde Markus Meckel zum Interims-Vorsitzenden der SPD der DDR bestimmt. Bei einem Sonderparteitag in Halle (Saale) am 9. Juni wurde Wolfgang Thierse als neuer Vorsitzender gewählt. Diese Veränderungen führten zu einer Stabilisierung der Partei und einer Neuausrichtung ihrer politischen Agenda.
Vom 12. April bis zum 20. August 1990 war die SPD der DDR an der Regierung unter Christdemokrat Lothar de Maizière beteiligt. In dieser Zeit stellte die Partei sechs Minister, darunter prominente Namen wie Markus Meckel (Äußeres), Regine Hildebrandt (Soziales) und Walter Romberg (Finanzen). Reinhard Höppner wurde Vizepräsident der Volkskammer, was die Integration der SPD in die neue politische Landschaft der DDR weiter festigte.
Vereinigung mit der westdeutschen SPD
Die politischen Entwicklungen und die fortschreitende Wiedervereinigung Deutschlands führten schließlich zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen der SPD der DDR und der westdeutschen SPD. Auf dem Parteitag am 26. September 1990 in Berlin kam es zur Vereinigung der beiden Parteien. Dies war ein historischer Moment, der das Ende der politischen Teilung in Deutschland symbolisierte und die sozialdemokratische Bewegung in einem vereinten Deutschland stärken sollte.
Die Vereinigung wurde von den Mitgliedern der SDP als notwendig erachtet, um die sozialdemokratischen Werte und Ziele in einem neuen politischen Kontext zu vertreten. Der Zusammenschluss mit der SPD war nicht nur eine organisatorische Entscheidung, sondern auch ein Bekenntnis zu den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte.
Die SDP in der DDR spielte eine entscheidende Rolle während der Wendezeit und trug maßgeblich zu den politischen Veränderungen in der DDR bei. Gegründet von einer Gruppe von Reformern, die eine demokratische Gesellschaft anstrebten, konnte die Partei in kurzer Zeit an Bedeutung gewinnen und war in der Lage, einen Teil der Regierung zu stellen. Die Herausforderungen, die sie während dieser Zeit erlebte, insbesondere der Skandal um ihren ersten Vorsitzenden, waren jedoch nicht zu unterschätzen.
Die Vereinigung mit der westdeutschen SPD markierte das Ende eines bedeutenden Kapitels in der Geschichte der DDR und die Geburt eines neuen politischen Subjekts im vereinten Deutschland. Die SDP, später SPD, wurde zu einem Symbol für die Wiedervereinigung und die Integration der sozialen Demokratie in der neuen deutschen Gesellschaft. Sie stellte sich der Herausforderung, die sozialen und politischen Bedürfnisse der Bevölkerung in einer sich verändernden Welt zu vertreten und bleibt bis heute ein wichtiger Bestandteil der deutschen politischen Landschaft.