Thüringen als völkischer Aufmarschraum in den 1920ern und 2020ern

Aus der Geschichte nichts gelernt? Thüringen als völkischer Aufmarschraum in den 1920ern und 2020ern

1924 kam erstmals eine bürgerliche Regierung in Thüringen an die Macht, die von völkischen Abgeordneten geduldet wurde. Diese politische Konstellation markierte den Beginn einer Phase, in der nationalistische und völkische Ideologien zunehmend an Einfluss gewannen. Bereits 1930 konnte die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) ihren ersten bedeutenden politischen Erfolg in Thüringen verbuchen. In diesem Jahr trat die erste Landesregierung unter Beteiligung der NSDAP ihr Amt an, und Wilhelm Frick wurde der erste nationalsozialistische Landesminister in Deutschland. Seine Ernennung war ein bedeutender Schritt für die NSDAP auf dem Weg zur Machtübernahme.

Wilhelm Frick, der später als Innenminister im Dritten Reich eine Schlüsselrolle spielte, begann seine politische Karriere in Thüringen. Als Landesminister für Inneres und Volksbildung nutzte er seine Position, um den Einfluss der NSDAP zu stärken und die ideologischen Grundlagen des Nationalsozialismus in die politische und gesellschaftliche Struktur Thüringens einzubringen. Unter seiner Führung wurden antisemitische Maßnahmen ergriffen und politische Gegner verfolgt. Diese Maßnahmen schufen ein Klima der Angst und Unterdrückung, das den weiteren Aufstieg der NSDAP förderte.

Thüringen entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem „Mustergau“ unter der NS-Herrschaft. Dieser Begriff wurde verwendet, um das vorbildliche und effiziente Funktionieren der nationalsozialistischen Verwaltung und Politik in Thüringen zu beschreiben. Das Land wurde zu einem Experimentierfeld für nationalsozialistische Ideen und Praktiken, die später im gesamten Deutschen Reich Anwendung fanden. Die Verwaltung wurde zentralisiert, und es wurden umfassende Maßnahmen zur Kontrolle und Indoktrination der Bevölkerung ergriffen. Bildungsinstitutionen, Kultur und Medien wurden gleichgeschaltet, um die nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten.

Die nationalsozialistische Herrschaft in Thüringen war geprägt von Repression und Verfolgung. Politische Gegner, Juden, und andere als „unwert“ betrachtete Gruppen wurden systematisch ausgegrenzt, verfolgt und ermordet. Thüringen war Schauplatz zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im weiteren Verlauf des Dritten Reiches in den Holocaust mündeten.

Der Aufstieg der NSDAP in Thüringen und die Rolle, die das Land unter der nationalsozialistischen Herrschaft spielte, sind wichtige Kapitel der deutschen Geschichte. Sie zeigen, wie politische und ideologische Extremismen sich durchsetzen können und welche verheerenden Auswirkungen dies auf die Gesellschaft hat. Diese historische Phase dient als Mahnung und Erinnerung an die Notwendigkeit, demokratische Werte und Menschenrechte zu verteidigen und extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken.

Und 100 Jahre später? Wieder ist Thüringen der Rückzugsraum völkischer Kräfte, wo sie überdurchschnittliche Wahlerfolge erzielen. Sind das tatsächlich Parallelen? Und wenn ja: woher kommen sie? Wann enden sie? Wurden die nötigen Lektionen aus der Geschichte gelernt oder verpasst?

Podiumsgespräch im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Angegriffen und abwehrbereit? Die Demokratie im Wahljahr 2024“ (siehe Video)

Referent*innen: Dennis Lay, M.A. (Institut für Politikwissenschaft, FSU Jena), Dr. Justus H. Ulbricht (Historiker, Germanist; Dresden / Weimar)
Moderation: Dr. Andreas Braune
Veranstalter: Forschungsstelle Weimarer Republik an der FSU Jena, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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