Gedenken am 9. November an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft

Seit 2007 erinnern die „Stolpersteine“ in Jena an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft, die in der Stadt lebten und aufgrund ihrer Herkunft, Religion, politischen Überzeugung, sexuellen Orientierung oder körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen verfolgt und ermordet wurden. Diese besonderen Gedenksteine, die als Symbol für die Erinnerung an die Verfolgten des Nationalsozialismus dienen, wurden von dem Kölner Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen. Demnig begann 1992 mit dem Projekt, um das individuelle Schicksal der Opfer auf eine persönliche Weise zu bewahren und die Erinnerung an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte wachzuhalten.

Die Stolpersteine bestehen aus Messingplatten, auf denen die Namen und Daten der Verfolgten eingraviert sind. Auf diese Weise wird der unschätzbare Wert des Lebens jedes Einzelnen betont und der Verlust durch die Verfolgung und Ermordung dieser Menschen greifbar gemacht. Das Projekt hat sich mittlerweile über 1.200 deutsche Städte hinaus ausgebreitet und ist in 21 europäischen Ländern präsent. Insgesamt wurden bis heute mehr als 70.000 Stolpersteine verlegt. In Jena erinnern 59 dieser Steine an die tragischen Schicksale, die die Stadt während der NS-Zeit prägten.

Die Stolpersteine in Jena wurden mit Unterstützung der Stadt und zahlreicher privater Spender verlegt. Das Jenaer Arbeitskreis Judentum hat maßgeblich dazu beigetragen, die Verlegung der Stolpersteine für die jüdischen Opfer zu initiieren. Verschiedene lokale Initiativen und Organisationen, darunter auch Schulen, engagieren sich kontinuierlich für die Aufrechterhaltung des Gedenkens. Es ist ein gemeinsames Bestreben, die Erinnerung an die Opfer nicht nur zu bewahren, sondern auch die jüngeren Generationen mit der Geschichte zu konfrontieren, um das Bewusstsein für Toleranz und Menschenrechte zu stärken.

Ein besonders bedeutender Teil des Gedenkens ist die jährliche Reinigung der Stolpersteine und die Zierde mit Blumen und Kerzen. Diese Tradition findet am 9. November statt, dem Tag der Reichspogromnacht 1938, als in ganz Deutschland jüdische Synagogen zerstört, Geschäfte geplündert und Tausende von jüdischen Bürgern misshandelt und ermordet wurden. Dieser Tag ist für das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus von zentraler Bedeutung, und in Jena ist er ein wichtiger Moment, um innezuhalten und an die Verfolgten zu erinnern. Die Stolpersteine symbolisieren den individuellen Verlust, während die feierliche Zierde und die Gedenkveranstaltungen ein kollektives Gedenken fördern.

Eine besondere und kreative Form des Gedenkens, die in Jena seit 2017 gepflegt wird, ist der „Klang der Stolpersteine“. Bei dieser politisch-künstlerischen Aktion finden an verschiedenen Orten in der Stadt Kurzkonzerte und kleine Performances statt, die eine einzigartige Möglichkeit bieten, das Gedenken in eine zeitgenössische künstlerische Form zu übersetzen. Mehr als 400 Künstler und Helfer tragen jedes Jahr dazu bei, dass die Stolpersteine zum Leben erweckt werden und eine lebendige Erinnerung an die Opfer bewahrt bleibt. Die Veranstaltung ist nicht nur eine musikalische Auseinandersetzung mit der Geschichte, sondern auch ein soziales und kulturelles Event, das Jenaer Bürger in den Mittelpunkt stellt.

Ein weiterer interessanter Aspekt des Projektes in Jena ist die aktive Beteiligung der Schulen an der Verlegung und Pflege der Stolpersteine. Das Adolf-Reichwein-Gymnasium ist ein gutes Beispiel für das Engagement der jüngeren Generation. Die Schule hatte vor Jahren bereits einen Stolperstein für einen ihrer ehemaligen Schüler gestiftet, der in der NS-Zeit ermordet wurde. In diesem Jahr plant die Schule, einen weiteren Stolperstein zu verlegen, um erneut an die Opfer der Verfolgung zu erinnern und die Werte von Freiheit und Toleranz zu bewahren. Das Adolf-Reichwein-Gymnasium ist nicht die einzige Schule, die sich in dieser Form für die Erinnerungskultur einsetzt. Die Schüler der Waldorfschule in Jena erinnern ebenfalls an ein Sinti-Mädchen, das in der NS-Zeit ermordet wurde. Zudem engagieren sich Kinderärztinnen des Jenaer Uni-Klinikums für die Erinnerung an sieben ermordete Kinder, deren Namen auf den Stolpersteinen in der Kochstraße zu finden sind.

Die Bedeutung der Stolpersteine geht über das bloße Gedenken hinaus. Sie sind ein sichtbares und dauerhaftes Mahnmal für die grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus. Es ist eine Form der Erinnerung, die sich an die Einzelpersonen richtet und deren Schicksale in den Mittelpunkt stellt. Auf diese Weise wird der abstrakte Begriff „Holocaust“ zu einer konkreten Erinnerung an die verlorenen Leben. Jeder Stolperstein ist ein persönliches Gedenken, das dazu einlädt, innezuhalten und über die Opfer und ihre Geschichten nachzudenken. Die Stolpersteine sind ein starkes Zeichen gegen das Vergessen und ein Appell an die heutige Gesellschaft, sich für Toleranz, Menschenrechte und den Schutz vor Diskriminierung einzusetzen.

weitere Informationen zu den Jenaer Stolpersteinen gibt es: HIER  

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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