Der evangelische Pfarrer Lothar König ist am 21. Oktober 2024 im Alter von 70 Jahren in Jena verstorben. Als Stadtjugendpfarrer war er eine prägende Figur im Engagement gegen Rechtsextremismus und setzte sich unermüdlich für eine offene Jugendarbeit sowie die Integration von Ausländern ein. Weit über die Grenzen Jenas hinaus war er für seine unkonventionelle Art und seinen klaren moralischen Kompass bekannt. Ein Höhepunkt seines öffentlichen Wirkens war die bundesweite Aufmerksamkeit, die er nach einer Anklage wegen „schweren aufwieglerischen Landfriedensbruchs“ im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in Dresden erlangte. Diese Anklage löste eine Welle der Solidarität aus, die sich in ganz Deutschland verbreitete. Für sein Engagement erhielt König zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Thüringer Demokratiepreis und den Jenaer Preis für Zivilcourage.
Im Jahr 2022 porträtierte sein Sohn, der Filmemacher Tilman König, ihn in dem Film „König hört auf“, der einen Einblick in sein Leben und seine Arbeit gab. Der Trauergottesdienst zu Ehren von Lothar König wird am Reformationstag, dem 31. Oktober 2024, um 14 Uhr in der Stadtkirche St. Michael in Jena stattfinden.
Ein Leben im Widerstand gegen Unrecht und für Gerechtigkeit
Lothar König wurde am 11. März 1954 in Leimbach im Südharz geboren. Bereits in seiner Jugendzeit fiel er durch seine staatskritische Haltung in der DDR auf. Seine ersten Auseinandersetzungen mit den Behörden führten schon damals zu Hausdurchsuchungen durch die Staatssicherheit. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten erhielt er keine Zulassung zum Abitur und musste den Beruf des Zerspanungsmechanikers erlernen. Trotz dieser Widerstände verfolgte er weiterhin seine Berufung und begann 1975 eine zweijährige Ausbildung zum evangelischen Diakon in Eisenach. Anschließend studierte er Theologie in Erfurt und Jena.
Während seines Studiums knüpfte er intensive Kontakte zur oppositionellen Jungen Gemeinde Stadtmitte in Jena, die von der Staatssicherheit überwacht wurde. Diese Erfahrungen prägten sein weiteres Leben und legten den Grundstein für sein lebenslanges Engagement gegen staatliche Repressionen und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Ab 1986 arbeitete König als Pfarrer in Merseburg, wo er eine Junge Gemeinde aufbaute und Montagsdemonstrationen organisierte. In dieser Zeit schloss er sich dem basisdemokratischen Konzept der „Kirche von unten“ an, das eine Reform der Kirche von den Gemeindebasen aus propagierte. Im September 1989 engagierte er sich in der Bürgerbewegung Neues Forum und wurde Teil der friedlichen Revolution in der DDR.
Stadtjugendpfarrer in Jena: König gegen Neonazis
1990 übernahm Lothar König das Amt des Stadtjugendpfarrers der Jungen Gemeinde Jena (JG). Die damalige gesellschaftliche Lage war geprägt von den tiefen Umbrüchen nach der Wiedervereinigung, insbesondere in den neuen Bundesländern, wo der Zusammenbruch der DDR einen Nährboden für das Erstarken rechter Bewegungen bot. In Jenas Plattenbausiedlung Lobeda bildete sich eine zunehmend aggressive Neonazi-Szene heraus. König begegnete dieser zunächst mit einem integrativen Ansatz: Er wollte die Jugendlichen, die in die rechtsextreme Szene abdrifteten, erreichen und in die Gemeinschaft zurückholen.
Doch nach wiederholten Gewaltübergriffen, bei denen sowohl seine Tochter als auch er selbst von Neonazis attackiert wurden, änderte König seine Strategie. Eine tiefe Narbe an seiner Stirn, die ihm ein Neonazi mit einem Schlagring zugefügt hatte, war das sichtbare Zeichen dieses Wandels. Von da an wurde er zu einem leidenschaftlichen Kämpfer gegen die rechtsextreme Szene. In zahllosen Aktionen, Demonstrationen und Projekten machte er auf die Gefahr aufmerksam, die von der rechten Gewalt ausging, und setzte sich dafür ein, Jugendliche zu einem friedlichen, respektvollen Umgang miteinander zu erziehen.
Seine Arbeit ging jedoch weit über die Grenzen Jenas hinaus. Lothar König organisierte Konzerte, Workshops und Diskussionsrunden, bei denen er Menschen unterschiedlicher Meinungen zusammenbrachte, um Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern. Sein Engagement für Gewaltfreiheit und Menschenwürde prägte sein gesamtes Wirken. König stand für klare Werte, die er konsequent vertrat, auch wenn dies nicht immer leicht war.
Der „Aufrührer mit Sinn und Verstand“
Lothar Königs größter öffentlicher Konflikt entstand nach einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in Dresden im Jahr 2011. Im Zuge der Proteste zum Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden wurde er wegen „schweren Landfriedensbruchs“ angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. Die Anklage gegen ihn wurde von vielen als Versuch gesehen, die antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren. Das Verfahren zog sich über mehrere Jahre hin und führte zu einer breiten Solidaritätsbewegung, die sich hinter König stellte. Am Ende stellte sich heraus, dass entlastendes Videomaterial existierte, das die Polizei belastete. Die Anklage wurde 2014 fallengelassen.
In dieser Zeit wuchs Königs Bekanntheit über Thüringen hinaus. Er selbst bezeichnete sich später als „Aufrührer mit Sinn und Verstand gegen Unrecht in diesem Land“. Diese Selbstbeschreibung fasst sein Lebenswerk treffend zusammen: König war nicht nur ein Kritiker des Rechtsextremismus, sondern auch ein Mahner, der vor staatlichem Unrecht warnte und für soziale Gerechtigkeit kämpfte. Seine Stärke lag darin, Jugendliche für diese Themen zu sensibilisieren und ihnen eine Stimme zu geben.
Lothar König: Ein Leben für die Jugend und den Frieden
Im Jahr 2019, nach 30 Jahren unermüdlichen Einsatzes, ging Lothar König im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand. Doch auch im Ruhestand blieb er aktiv und nahm weiterhin an Demonstrationen teil, unterstützte Jugendprojekte und setzte sich für den Dialog ein. Er blieb bis zuletzt eine charismatische und polarisierende Persönlichkeit, die klare Kante gegen Rassismus, Gewalt und Ausgrenzung zeigte.
Sein Lebenswerk bleibt vor allem in Jena tief verankert. Der „König hört auf“ genannte Film seines Sohnes Tilman König gibt einen bewegenden Einblick in das Leben eines Mannes, der nie aufgehört hat, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Doch Lothar König hinterlässt auch ein Erbe, das weit über die Stadtgrenzen hinaus strahlt: Er war ein Vorbild für Zivilcourage, Einsatz für das Gute und den festen Glauben an die Kraft der Jugend.
Lothar König wird in den Herzen vieler Menschen weiterleben – als jemand, der immer bereit war, für das Richtige einzustehen und sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, doch sein Wirken wird noch lange nachklingen. Der Trauergottesdienst am 31. Oktober 2024 um 14 Uhr in der Stadtkirche St. Michael in Jena wird ein letzter öffentlicher Abschied von einem Mann sein, dessen Leben stets im Dienst des Friedens und der Menschlichkeit stand.