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„Oury Jalloh war kein Einzelfall“: Mahnwache erinnert an tragischen Todesfall

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Genau 20 Jahre nach dem Tod von Oury Jalloh versammelten sich mehrere hundert Menschen zu einer Mahnwache und Demonstration in der Innenstadt von Dessau, um an den Asylbewerber aus Sierra Leone zu erinnern. Der Fall, der weit über die Landesgrenzen hinaus für Entsetzen und Kritik sorgte, bleibt bis heute ungeklärt und steht symbolisch für systemisches Versagen und mögliche institutionelle Gewalt.

Der Fall Oury Jalloh: Ein tragisches Kapitel in der deutschen Geschichte
Am 7. Januar 2005 wurde der damals 36-jährige Oury Jalloh tot in einer Polizeizelle im Dessauer Polizeirevier aufgefunden. Laut offiziellen Berichten war er an Händen und Füßen auf einer feuerfesten Matratze fixiert, als ein Feuer ausbrach, das schließlich zu seinem Tod führte. Obwohl das Feuer zunächst als selbstverursacht eingestuft wurde, wurden im Laufe der Jahre zahlreiche Zweifel an dieser Darstellung laut. Unabhängige Gutachter wiesen darauf hin, dass die offizielle Version erhebliche Lücken aufweist. Fragen nach Fremdeinwirkung und Vertuschung stehen seither im Raum.

Die juristische Aufarbeitung des Falls verlief schleppend und endete trotz mehrfacher Wiederaufnahme der Ermittlungen ohne eindeutige Klärung. Für viele Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten ist der Fall ein Sinnbild für rassistische Strukturen innerhalb deutscher Sicherheitsbehörden.

Demonstration und Mahnwache: Zeichen gegen das Vergessen
Der Demonstrationszug begann am Vormittag und führte die Teilnehmenden durch zentrale Orte der Stadt Dessau-Roßlau. Stationen wie die Staatsanwaltschaft und das Justizzentrum symbolisierten die Forderung nach Gerechtigkeit und Transparenz. Im Stadtpark hielten die Demonstranten eine Schweigeminute ab. Viele Teilnehmer zückten ihre Handys und erzeugten mit den Lichtstrahlen eine eindrucksvolle und stille Mahnung an die Opfer staatlicher Willkür.

„Oury Jalloh war kein Einzelfall“, erklärte eine Sprecherin der Initiative, die seit Jahren für die Aufklärung des Falls kämpft. „Er steht für viele Menschen, deren Leben in Deutschland durch institutionellen Rassismus bedroht wurde. Wir gedenken heute nicht nur ihm, sondern allen Opfern von Polizeigewalt.“

Breite gesellschaftliche Resonanz
Auch 20 Jahre nach seinem Tod ist die Empörung über die Umstände von Oury Jallohs Tod nicht abgeklungen. Menschenrechtler, Politiker und Aktivisten fordern weiterhin eine unabhängige Untersuchung und kritisieren das Fehlen eines lückenlosen Aufklärungsprozesses. „Die Umstände, unter denen Oury Jalloh starb, müssen als Mahnung dienen“, sagte eine Vertreterin von Amnesty International, die ebenfalls an der Mahnwache teilnahm.

Neben der Forderung nach Gerechtigkeit stand auch die Erinnerung an die vielen Menschen im Fokus, die sich in Deutschland als Asylbewerber oder Migranten mit struktureller Benachteiligung konfrontiert sehen. Die Demonstranten mahnten, dass Rassismus nicht nur ein Problem der Vergangenheit sei, sondern auch heute noch tief in Gesellschaft und Institutionen verwurzelt sei.

Eine Forderung nach Veränderung
Die Mahnwache in Dessau zeigt eindrücklich, dass der Fall Oury Jalloh längst über ein einzelnes Schicksal hinausgeht. Er hat sich zu einem Symbol für die Notwendigkeit eines transparenten, gerechten und diskriminierungsfreien Rechtsstaats entwickelt. Die Demonstranten betonten, dass es nicht allein um das Gedenken an einen tragischen Tod gehe, sondern um eine umfassende gesellschaftliche Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus und Polizeigewalt.

Mit Transparenten, Kerzen und eindringlichen Worten erinnerten sie daran, dass Gerechtigkeit für Oury Jalloh nicht nur das Ziel einer Initiative sein sollte, sondern eine Forderung, die die gesamte Gesellschaft betrifft.

Dokumentation: Der Anschlag von Magdeburg – Eine Stadt verändert sich

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Der 20. Dezember 2024 – ein Tag, der die Stadt Magdeburg erschüttern wird und in die Geschichte eingeht. In nur drei Minuten verändert sich das Leben vieler Menschen für immer. Ein Anschlag, der sechs Menschen das Leben kostet und hunderte weitere Opfer fordert, wird die Gesellschaft auf eine harte Probe stellen. Wie der Anschlag sich auf das Leben der Betroffenen, der Helfer und die Gesellschaft insgesamt auswirkt, wird in dieser Dokumentation eindrucksvoll erzählt.

Der Augenzeugenbericht
Die Zeugen des Anschlags sprechen über ihre Erlebnisse an diesem verhängnisvollen Tag. In einem ersten Bericht schildert ein Augenzeuge, wie er, gemeinsam mit seinen Kollegen des Christopher Street Day-Teams, Waffeln backte und Glühwein ausschenkte. Es war der letzte Arbeitstag vor den Feiertagen, und viele freuten sich auf einen entspannten Abend auf dem Weihnachtsmarkt. Doch was dann passierte, schockierte die Anwesenden: ein lauter Knall, gefolgt von einer Sekunde der Stille, dann begannen die Menschen zu schreien. Sofort handelte der Zeuge und rief seinen Kollegen zu, alle schnell in Richtung Allee-Center zu fliehen.

„Was ist hier passiert?“ fragte er sich, als er Menschen am Boden sah, ohne zu wissen, was genau geschehen war. Schließlich entdeckte er, dass es kein Unfall war – das Chaos war weit größer als er es sich hätte vorstellen können. „Es war einfach nicht zu fassen, dass wir Zeugen eines solchen Verbrechens wurden.“

Die Rolle der Ersthelfer und der Notfallseelsorger
Schnell sind Ersthelfer und die Notfallseelsorger vor Ort. Corinna Pagels, Leiterin der ehrenamtlichen Notfallseelsorger im evangelischen Kirchenkreis Magdeburg, berichtet von ihrer ersten Reaktion: „Beistand leisten, damit Menschen nicht alleine sind, zu helfen, Ansprechpartner zu suchen oder einfach da zu sein.“ Ihre Arbeit bestand darin, Menschen Trost zu spenden, die in ihrer Verzweiflung Trost suchten. Besonders für die Opferangehörigen, wie den Witwer, der seine Frau am Tatort verlor, war die Unterstützung unersetzlich.

„Wir sind nicht nur Seelsorger, sondern auch Menschen, die selbst betroffen sind. Der Verlust von so vielen Menschen in so kurzer Zeit ist für uns alle schwer zu fassen“, erklärt Pagels. „Trauerbewältigung braucht Zeit, und sie wird Magdeburg für lange Zeit begleiten.“

Die Belastung der Helfer
Für die Helfer vor Ort war der Abend alles andere als gewöhnlich. Notärzte, Rettungskräfte und Krankenhauspersonal arbeiteten unter extremen Bedingungen. Medizinstudent Vorrat Tazkaya berichtet in einem Video, das er für seine TikTok-Follower postet: „Es war ein Albtraum. Wir hatten keine Zeit zum Nachdenken. Wir mussten handeln, immer schneller, immer mehr Patienten kamen ins Uniklinikum.“ Tazkaya beschreibt, wie er und seine Kollegen sich über Stunden im Krankenhaus abmühten, während mehr und mehr Verletzte eingeliefert wurden. „Die Belastung war immens. Aber wir arbeiteten Hand in Hand, und jeder wusste, was zu tun war.“

Der Blick auf den Täter
Wer war der Täter? Und was trieb ihn zu dieser grausamen Tat? Die Polizei konnte den Täter schnell identifizieren: Taleb A., ein Arzt aus Bernburg, der seit Jahren als radikal islamkritischer Einzelgänger in Erscheinung trat. Er hatte sich bereits mehrfach auffällig geäußert und wurde von verschiedenen Quellen als Bedrohung wahrgenommen. Es stellte sich heraus, dass die Behörden mehrfach gewarnt worden waren, doch die Warnungen wurden scheinbar nicht ernst genug genommen.

Der Journalist Tarek Kello, der Taleb A. schon 2019 in einer Recherche über saudische Flüchtlinge kennengelernt hatte, zeigt sich betroffen von den Entwicklungen: „Es gab viele Warnsignale, aber die Behörden haben nicht richtig reagiert. Es war ein fahrlässiges Versäumnis.“

Das Versagen der Behörden?
Im Nachhinein stellt sich die Frage, ob die Behörden ausreichend auf die Warnungen reagierten. 2023 wurden Hinweise aus den USA über die radikale Gesinnung von Taleb A. an die Polizei weitergeleitet. Es scheint, als seien diese Hinweise nicht ernst genommen worden. Während einige Ermittler die Ermittlungen zügig vorantrieben, blieb vieles unklar, was letztlich dazu beitrug, dass der Täter ungehindert handeln konnte.

Die Reaktionen in den sozialen Medien
Der Anschlag löste in den sozialen Medien eine Welle von Reaktionen aus. Die Kommentarsektionen vieler Online-Medien waren überschwemmt von Gerüchten und Spekulationen. Eine der auffälligsten Reaktionen war die Erwähnung der AfD, die in den sozialen Netzwerken in Zusammenhang mit dem Täter gebracht wurde. Die Reaktionen waren teils hitzig, und viele Kommentatoren sprachen von einer „rechtsextremen“ Tat. Doch dies änderte sich, als weitere Details bekannt wurden. Der Täter, so stellte sich später heraus, hatte keine klar definierte politische Zugehörigkeit, sondern bewegte sich in einem ideologischen Graubereich.

Die Analyse der Kommentarspalten zeigte, dass der Begriff „AfD“ in den ersten Stunden nach dem Anschlag weitaus häufiger erwähnt wurde als die Begriffe „Opfer“ oder „Beileid“. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Sivey analysierte die Reaktionen und stellte fest, dass die sozialen Medien die Wahrnehmung von Ereignissen erheblich beeinflussen können.

Die Gesellschaft nach dem Anschlag
Der Anschlag hat nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das Bild der Stadt Magdeburg verändert. Für viele Menschen war der Tag ein Wendepunkt. Was zuvor ein ruhiger, festlicher Ort war, wurde in kürzester Zeit zum Schauplatz einer Tragödie. Und obwohl der Täter gefasst wurde und die Ermittlungen nun weitergehen, wird die Erinnerung an diese schrecklichen Minuten Magdeburg noch lange begleiten.

Es ist eine Geschichte von Schmerz, Verlust und Solidarität. Es ist auch eine Geschichte über das Versagen und das Aufeinandertreffen von politischen, sozialen und persönlichen Perspektiven. Die Doku über den Anschlag von Magdeburg lässt uns mit der Frage zurück: Wie geht eine Gesellschaft mit solch einem Trauma um, und wie kann sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, um zukünftig besser vorbereitet zu sein?

In den kommenden Monaten und Jahren wird die Stadt versuchen, ihre Wunden zu heilen. Doch der 20. Dezember 2024 wird nie vergessen werden.

Entdeckt das Peenetal – die „Amazonaslandschaft des Nordens“!

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Das Peenetal, oft liebevoll als der „Amazonas des Nordens“ bezeichnet, gehört zu den beeindruckendsten Naturregionen Deutschlands. Hier fließt die Peene, einer der letzten nahezu unberührten Flüsse des Landes, durch eine Landschaft von seltener Schönheit und Vielfalt. Eine Kanutour auf der Peene ist nicht nur ein Abenteuer für Naturliebhaber, sondern auch eine Reise in eine Region voller Geschichte und Kultur.

Unberührte Natur hautnah erleben
Wer sich auf die sanften Wasser der Peene begibt, taucht ein in eine Welt, die geprägt ist von einer einmaligen Flora und Fauna. Seltene Tiere wie Seeadler, Fischotter und Biber können mit etwas Glück in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet werden. Die dichten Schilfgürtel, saftigen Wiesen und ausgedehnten Sumpflandschaften bieten zahlreichen Vogelarten Schutz und Lebensraum. Für Naturfotografen ist das Peenetal ein Paradies, in dem sich unvergessliche Motive finden lassen.

Die Peene schlängelt sich auf rund 85 Kilometern von der Mecklenburgischen Seenplatte bis zum Achterwasser. Ihr langsamer Flusslauf und die geringe Strömung machen sie besonders für Kanufahrer attraktiv – selbst Anfänger können hier mühelos paddeln und die friedliche Atmosphäre genießen. Einzigartig ist die Stille, die nur von Vogelrufen oder dem sanften Plätschern des Wassers durchbrochen wird.

Von Stolpe bis Menzlin – Natur trifft Geschichte
Eine Kanutour auf der Peene ist nicht nur ein Naturerlebnis, sondern auch eine Entdeckungsreise in die Vergangenheit. In Stolpe thront die imposante Klosterruine des Zisterzienserordens, die an das mittelalterliche Leben der Region erinnert. Weiter flussabwärts liegt Menzlin, eine der bedeutendsten frühmittelalterlichen Wikingerstätten Deutschlands. Hier können Besucher Spuren skandinavischer Händler und Krieger entdecken, die sich einst in dieser Region niederließen. Archäologische Funde wie Schmuck und Werkzeuge erzählen spannende Geschichten aus der Vergangenheit.

Wer die Kanutour noch informativer gestalten möchte, sollte das Besucherzentrum „Flusslandschaft Peenetal“ in der Nähe von Stolpe besuchen. Hier gibt es interaktive Ausstellungen über die Geologie, Flora und Fauna des Gebiets sowie Informationen zur nachhaltigen Nutzung der Region.

Regionale Küche und historische Gasthäuser
Nach einem langen Paddeltag laden gemütliche Gasthäuser entlang der Peene zum Verweilen ein. Historische Gebäude, oft mit Reetdächern versehen, beherbergen Restaurants, die regionale Spezialitäten wie frisch gefangenen Fisch, Wildgerichte oder mecklenburgische Suppen servieren. Kulinarischer Genuss und ursprüngliche Gemütlichkeit gehen hier Hand in Hand.

Warum das Peenetal besuchen?
Das Peenetal ist ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Hier können Besucher die Hektik des Alltags hinter sich lassen und sich ganz der Schönheit der Natur hingeben. Die Kombination aus unberührter Landschaft, faszinierender Tierwelt und spannender Geschichte macht eine Tour auf der Peene zu einem unvergesslichen Erlebnis. Egal, ob ihr allein, zu zweit oder mit der ganzen Familie reist – diese „Amazonaslandschaft des Nordens“ wird euch begeistern.

Tipps für eure Kanutour
Beste Reisezeit: Von Mai bis September ist die Region besonders reizvoll. In dieser Zeit zeigen sich viele Pflanzen in voller Blüte, und zahlreiche Tiere sind aktiv.
Ausrüstung: Neben dem Kanu sollte ein Fernglas nicht fehlen, um Tiere aus der Distanz beobachten zu können. Wasserdichte Kleidung und Sonnenschutz sind ebenfalls empfehlenswert.
Übernachtung: Zahlreiche Campingplätze und Ferienwohnungen entlang der Peene bieten Möglichkeiten zur Übernachtung. Einige sind direkt am Wasser gelegen und perfekt für eine Pause mitten in der Natur.

Entdeckt die Magie des Peenetals und lasst euch von der einzigartigen Mischung aus Natur und Geschichte verzaubern!

Die DB-Neubaustrecke Dresden-Prag im Überblick

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Die Zugstrecke zwischen Dresden und Prag wird durch ein hochmodernes und grenzüberschreitendes Infrastrukturprojekt neu gestaltet, das eine schnellere und effizientere Verbindung zwischen Deutschland und Tschechien ermöglichen soll. Die Planungen sind weit fortgeschritten, und eine Visualisierung der Bauvorhaben gibt nun Einblick in die umfassenden Veränderungen, die diese Strecke in den kommenden Jahren erfahren wird. Ziel ist es, die Reisezeit zwischen den beiden Städten auf nur eine Stunde zu verkürzen, die Kapazität für Personen- und Güterzüge zu erhöhen und die Strecke mit modernster Technologie auszustatten, um eine zukunftssichere Bahnverbindung zu gewährleisten.

Im ersten Abschnitt zwischen Dresden und Heidenau stehen Modernisierung und Ausbau im Vordergrund. Insgesamt werden in diesem Bereich 92 Weichen und 46 Kilometer Gleise erneuert oder neu gebaut. Die Arbeiten beginnen bereits im Dresdner Hauptbahnhof, wo alte Gleise angepasst und neue Gleise gebaut werden. Dies ermöglicht eine Anhebung der Höchstgeschwindigkeit für Güterzüge von 60 auf 80 Kilometer pro Stunde, wodurch mehr Züge gleichzeitig und schneller verkehren können. Zwischen Dresden-Reick und Dresden-Strehlen wird ein zusätzliches Überholgleis entstehen, das schnelleren Zügen erlaubt, langsamere zu überholen. Dieser Abschnitt wird besonders wichtig für die Effizienz der gesamten Strecke, da er einen flüssigeren Verkehr ermöglicht. In Dresden-Niedersedlitz wird die Strecke zudem auf vier Gleise erweitert, um die Kapazität noch weiter zu erhöhen. Der Bahnhof Heidenau wird zu einem Überholbahnhof ausgebaut, was insbesondere den schnellen Personenzügen zugutekommt. Hier können Güterzüge vor dem Tunnel überholt werden, was die Gesamtstrecke weiter entlastet und die Pünktlichkeit der Züge steigert. Auch Anpassungen am Haltepunkt Dresden-Tschachwitz sowie der Neubau der Bahnbrücke Geschwister-Scholl-Straße sind Teil dieses umfassenden Ausbauplans.

Ein zentrales Element der Neubaustrecke ist der Erzgebirgstunnel, der mit etwa 30 Kilometern Länge der längste Eisenbahntunnel Deutschlands sein wird. Dieser Tunnel wird eine Entwurfsgeschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde ermöglichen und besteht aus zwei eingleisigen Röhren, die bis zu 600 Meter unter dem Geländer verlaufen. Die Errichtung dieses Bauwerks stellt eine technologische Meisterleistung dar. Die Tunnelröhren werden durch eine Kombination aus Spritzbetonvortrieb und dem Einsatz von Tunnelbohrmaschinen gebaut. Von einem Zwischenangriffspunkt bei Niederseidewitz aus werden die Bauarbeiten in zwei Richtungen vorangetrieben. In Richtung Heidenau wird der Tunnel aufgrund geologischer Gegebenheiten mit Spritzbetonvortrieb erstellt, während Tunnelbohrmaschinen für den Vortrieb in Richtung Tschechien genutzt werden. Diese Maschinen gelangen über einen Stollen zu ihren Startkavernen, bevor sie mit einem Durchmesser von 10 Metern und aus über 150.000 Tübbingen bestehenden Röhren die Tunnel vorantreiben. Parallel dazu wird auch von tschechischer Seite aus ein ähnlicher Bauprozess durchgeführt. Die Tunnelröhren sowie die Erkundungsstollen, die an den Portalen in Chabařovice beginnen und am Erzgebirgsabbruch enden, werden ebenfalls durch Spritzbetonvortrieb hergestellt. Ab diesem Punkt übernehmen zwei Tunnelbohrmaschinen den Vortrieb in Richtung der deutschen Grenze.

Neben der technischen Umsetzung spielt auch die Sicherheit eine zentrale Rolle in diesem Projekt. Entlang des Tunnels werden Evakuierungs- und Rettungspunkte eingerichtet, um im Havariefall eine sichere Evakuierung zu gewährleisten. Auf Höhe von Göppersdorf entsteht beispielsweise ein unterirdischer Rettungsbereich, in dem Personen in einem gesicherten Umfeld Schutz finden können. Rettungsfahrzeuge werden über einen Rettungsstollen Zugang erhalten, um Betroffene zu evakuieren und zu einem oberirdischen Rettungsplatz zu bringen. Die Tunnelportale in Heidenau und Chabařovice werden mit speziellen Haubenbauwerken versehen, um den sogenannten Sonic-Boom-Effekt, der beim Austritt eines Zuges aus einem Tunnel auftreten kann, zu minimieren.

Die gesamte Strecke wird mit dem European Train Control System (ETCS) ausgestattet, einem europaweit einheitlichen Zugbeeinflussungssystem. Dieses System erlaubt eine effizientere Steuerung der Züge und sorgt dafür, dass in einem Streckenabschnitt mehr Züge gleichzeitig sicher verkehren können. Dies erhöht nicht nur die Kapazität, sondern auch die Zuverlässigkeit der Strecke erheblich.

Die Neubaustrecke beginnt beim Haltepunkt Heidenau-Süd, wo eine Rampe errichtet wird. Ein Kreuzungsbauwerk ermöglicht es, die Neubaustrecke auf Höhe des Informationszentrums über die bestehende Strecke zu führen. Zusätzlich wird eine Brücke über die Bundesstraße S172 gebaut. Der Erzgebirgstunnel setzt direkt an die Neubaustrecke an und wird auf beiden Seiten mit modernster Technik realisiert. Die Fertigstellung dieses Projekts wird die Verbindung zwischen Deutschland und Tschechien grundlegend verändern und einen neuen Standard für den grenzüberschreitenden Schienenverkehr setzen.

Neben der verbesserten Reisezeit und der gesteigerten Kapazität wird diese Strecke auch eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen und effizienten Nutzung von Infrastruktur einnehmen. Das Projekt vereint technologische Innovation, internationale Kooperation und zukunftsweisende Mobilität. Es ist ein Symbol für die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tschechien und ein bedeutender Schritt in Richtung einer stärker vernetzten und leistungsfähigeren europäischen Verkehrsinfrastruktur.

Das geltende Wahlrecht zur Bundestagswahl nach der Reform 2023

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Die Bundestagswahl ist das Herzstück der deutschen Demokratie. Sie findet alle vier Jahre statt und regelt die Zusammensetzung des Bundestages, dem wichtigsten Gesetzgebungsorgan der Bundesrepublik Deutschland. Grundlage für die Durchführung der Wahl ist das Bundeswahlgesetz. 2023 wurde dieses Gesetz in wesentlichen Punkten reformiert, um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.

Hintergründe der Reform
Die Reform des Wahlrechts war lange ein kontrovers diskutiertes Thema. Der Bundestag stand vor dem Problem eines kontinuierlichen Anwachsens seiner Mitgliederzahl. Vor der Reform bestand die Gefahr, dass die Zahl der Abgeordneten auf 800 oder sogar 900 steigen könnte, was das Parlament ineffizient und kostspielig machen würde. Ursache dafür war das bisherige Wahlsystem, das durch die Kombination aus Direktmandaten und Verhältniswahlrecht häufig zu Überhang- und Ausgleichsmandaten führte.

Die Notwendigkeit der Reform wurde besonders nach der Bundestagswahl 2021 deutlich, bei der der Bundestag mit 736 Abgeordneten so groß wie nie zuvor war. Ziel der Reform war es daher, die Größe des Bundestages auf ein arbeitsfähiges Maß zu reduzieren und gleichzeitig die Grundsätze der demokratischen Legitimität zu wahren.

Die wesentlichen Änderungen
Die Wahlrechtsreform 2023 brachte einige bedeutende Änderungen mit sich:

  • Begrenzung der Abgeordnetenzahl
    Die Zahl der Bundestagssitze wurde auf 630 festgelegt, rund 100 weniger als zuvor. Diese Begrenzung sorgt dafür, dass der Bundestag handlungsfähiger wird und die Kosten für den Betrieb des Parlaments sinken.
  • Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten
    Das neue Wahlrecht sieht keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr vor. Stattdessen spiegelt die Sitzverteilung im Bundestag künftig das Ergebnis der Zweitstimmen exakt wider. Dieses Prinzip stellt sicher, dass die proportionalen Mehrheitsverhältnisse gewahrt bleiben.
  • Streichung der Grundmandatsklausel
    Besonders kontrovers war die Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel. Diese ermöglichte es Parteien bisher, auch dann in den Bundestag einzuziehen, wenn sie weniger als 5 % der Zweitstimmen erreicht hatten, sofern sie mindestens drei Direktmandate gewannen. Ziel der Reform war es, die 5 %-Hürde ohne Ausnahme durchzusetzen und so die Fragmentierung des Parlaments zu verhindern.
  • Kritik und Verfassungsklagen
    Die Reform stieß auf heftige Kritik, insbesondere von der CDU/CSU und der Partei Die Linke, die gegen die Änderungen vor dem Bundesverfassungsgericht klagten. Im Zentrum der Kritik stand die Abschaffung der Grundmandatsklausel. Kritiker argumentierten, dass diese Regelung kleinere Parteien wie Die Linke oder regionale Parteien benachteilige und so die politische Vielfalt im Bundestag gefährde.

Im Juli 2024 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die vollständige Streichung der Grundmandatsklausel verfassungswidrig sei. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Grundmandatsklausel einen wichtigen Bestandteil der Repräsentationsfunktion des Bundestages darstelle. Bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung bleibt die bisherige Klausel bestehen, sodass Parteien mit mindestens drei Direktmandaten weiterhin in den Bundestag einziehen können, auch wenn sie die 5 %-Hürde nicht überschreiten.

Auswirkungen auf die Bundestagswahl 2025
Für die Bundestagswahl 2025 gelten daher sowohl die neuen Regelungen zur Sitzbegrenzung als auch die alte Grundmandatsklausel. Die Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate wird voraussichtlich zu einem deutlich kleineren Bundestag führen. Dennoch bleibt die Frage offen, wie die Grundmandatsklausel in Zukunft gestaltet wird, da eine endgültige Einigung im Bundestag bislang nicht erreicht wurde.

Politische und gesellschaftliche Bedeutung
Die Wahlrechtsreform von 2023 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des deutschen Parlaments. Einerseits bietet die Reform die Chance, das politische System effizienter zu gestalten, andererseits bleibt sie ein Zankapfel zwischen den Parteien. Die Debatte zeigt die Spannungen zwischen dem Wunsch nach Reformen und der Wahrung der politischen Vielfalt und Gerechtigkeit.

Die Reform illustriert zudem, wie schwierig es ist, grundlegende Änderungen im Wahlrecht durchzusetzen, da sie stets tief in das demokratische Gefüge eingreifen. Umso wichtiger ist es, dass zukünftige Änderungen breite Mehrheiten im Bundestag finden und die Zustimmung der Bevölkerung genießen.

Weitere Informationen zur Reform und den aktuellen Regelungen finden Interessierte auf der offiziellen Webseite des Deutschen Bundestages unter bundestag.de.

Aufräumarbeiten am Gedenkort der Johanniskirche in Magdeburg

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Nach dem schweren Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im vergangenen Dezember, bei dem sechs Menschen getötet und fast 300 weitere verletzt wurden, hat die Stadt Magdeburg mit den Pflegearbeiten am provisorischen Gedenkort vor der Johanniskirche begonnen. Seit Wochen ist der Platz vor dem Westportal der Kirche mit Blumen, Kerzen, Plüschtieren und Botschaften übersät, die von trauernden Menschen hinterlassen wurden. Nun wird dieser Ort behutsam aufgeräumt, ohne seine Funktion als Trauerstätte zu verlieren.

Am Dienstag begannen Mitarbeiter der Stadt damit, die zahlreichen abgebrannten Kerzen zu entfernen und verwelkte Blumen vorsichtig einzusammeln. Auch Plüschtiere, die in großer Zahl niedergelegt worden waren, wurden aufgenommen. Die Stadtverwaltung hat angekündigt, die Blumen pietätvoll auf einer Wiese des Westfriedhofs abzulegen. Die Plüschtiere werden zunächst eingelagert. Ein Teil der Erinnerungsstücke, darunter besonders berührende Botschaften und ausgewählte Stofftiere, sollen jedoch im Alten Rathaus ausgestellt werden. „Es ist uns ein Anliegen, an zentraler Stelle in der Stadt einen dauerhaften Ort des Gedenkens zu schaffen“, erklärte Oberbürgermeisterin Simone Borris. Dieser Ort im Alten Rathaus, direkt am Alten Markt, soll Raum für stille Reflexion bieten und die Erinnerung an die Opfer lebendig halten.

Der Gedenkort bleibt erhalten – aber in reduzierter Form
Der Platz vor der Johanniskirche wird weiterhin als Trauerort bestehen bleiben, jedoch in verkleinerter Form. Die Stadtverwaltung hat entschieden, den Ort so zu gestalten, dass sowohl der Fußweg als auch die rechte Spur der Jakobstraße wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sind. „Es ist ein Balanceakt zwischen der notwendigen Verkehrsführung und dem Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen“, so Borris. Die Johanniskirche war von Beginn an ein zentraler Ort für die Trauerbewältigung gewesen. Zahlreiche Menschen aus Magdeburg und darüber hinaus hatten hier Kerzen angezündet, Blumen niedergelegt und persönliche Nachrichten hinterlassen. Für viele war es ein Ort, um dem unfassbaren Leid Ausdruck zu verleihen und Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen.

Ein Anschlag, der die Stadt verändert hat
Der Anschlag hat tiefe Spuren in der Magdeburger Gesellschaft hinterlassen. Neben den direkten Opfern sind auch zahlreiche Augenzeugen und Helfer traumatisiert. Der Angriff, dessen Hintergründe weiterhin untersucht werden, hat das Sicherheitsgefühl der Stadtbewohner erschüttert. Zugleich hat die große Anteilnahme gezeigt, wie sehr die Menschen in Zeiten der Krise zusammenstehen können. „Die Solidarität und die Menschlichkeit, die wir in den vergangenen Wochen erleben durften, waren überwältigend“, sagte ein Sprecher der Johanniskirche. Dennoch bleiben viele Fragen: Wie konnte es zu diesem Anschlag kommen? Welche Maßnahmen können zukünftig getroffen werden, um Weihnachtsmärkte und andere öffentliche Veranstaltungen besser zu schützen? Diese Debatten sind in vollem Gange und werden die Stadt auch in den kommenden Monaten begleiten.

Ein Symbol für die Zukunft
Mit der Ausstellung im Alten Rathaus möchte die Stadt ein Zeichen setzen. „Der Schmerz über den Verlust ist tief, aber wir dürfen die Erinnerung nicht verblassen lassen. Die Ausstellung wird ein Ort sein, an dem wir innehalten und reflektieren können“, sagte Simone Borris. Gleichzeitig soll der verkleinerte Gedenkort vor der Johanniskirche Raum für spontane Trauerbekundungen bieten.

Die Stadt plant zudem, langfristig an einer größeren Gedenkinitiative zu arbeiten. Ob dies in Form eines Denkmals, einer jährlichen Gedenkveranstaltung oder einer anderen dauerhaften Maßnahme geschieht, ist derzeit noch unklar. Fest steht jedoch, dass der Anschlag die Magdeburger Stadtgemeinschaft nachhaltig geprägt hat. Viele Menschen, die mit den Opfern in Kontakt standen, betonen, wie wichtig es sei, dass ihre Geschichten erzählt und ihre Namen nicht vergessen werden.

Magdeburg steht vor der Herausforderung, den Schmerz zu verarbeiten und gleichzeitig den Blick nach vorne zu richten. Der behutsame Umgang mit dem Gedenkort und die geplanten Ausstellungen im Alten Rathaus sind Schritte in diese Richtung. Sie erinnern daran, dass auch aus tiefem Leid eine Botschaft der Hoffnung und des Zusammenhalts erwachsen kann.

Geburtenzahl in Thüringen erreicht 2024 historisches Tief

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Im ersten Halbjahr 2024 hat Thüringen einen weiteren Rückgang der Bevölkerungszahl verzeichnet. Laut den vorläufigen Ergebnissen des Thüringer Landesamtes für Statistik lebten zum 30. Juni 2024 insgesamt 2.108.294 Menschen im Bundesland, was einem Rückgang von 6.576 Personen oder -0,31 Prozent im Vergleich zum 31. Dezember 2023 entspricht. Diese Zahl markiert einen weiteren Schritt in eine demografische Entwicklung, die Thüringen bereits seit Jahren prägt. Besonders auffällig ist dabei der starke Rückgang bei der Geburtenzahl und der vergleichsweise geringe Zuzug von Menschen aus dem Ausland.

Die Ursachen für den Bevölkerungsrückgang im ersten Halbjahr 2024 sind vielfältig. Zum einen ist das Geburtendefizit von 9.432 Personen zu nennen, das durch die Wanderungsgewinne von 3.060 Personen nicht ausgeglichen werden konnte. Dies zeigt einen Trend, der in vielen ländlichen Regionen Deutschlands zu beobachten ist: eine sinkende Geburtenrate und ein hoher Wanderungsverlust. Thüringen ist hiervon nicht ausgenommen. Besonders auffällig ist, dass im ersten Halbjahr 2024 mit nur 5.874 Geburten ein historisches Tief erreicht wurde, das sogar unter dem Geburtenniveau von 1994 liegt, als nur 12.721 Geburten in Thüringen registriert wurden.

Der Rückgang der Geburtenrate stellt Thüringen vor große Herausforderungen. Die Zahl der Geburten sank im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 um rund 9,4 Prozent. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die demografische Entwicklung, sondern auch auf die langfristige Wirtschaftsstruktur und die Altersvorsorge im Land. Mit weniger Geburten werden weniger junge Menschen in die Arbeitswelt eintreten, was langfristig zu einem Mangel an Fachkräften und einer alternden Gesellschaft führen könnte. Darüber hinaus ist auch zu befürchten, dass der zunehmende Mangel an jungen Menschen die sozialen Strukturen in ländlichen Gebieten weiter schwächen könnte, da Familien mit Kindern zunehmend in größere Städte oder andere Bundesländer abwandern.

Im Bereich der Wanderungsbewegungen zeigt sich ebenfalls ein negativer Trend. Zwar gab es insgesamt einen Wanderungsgewinn von 3.060 Personen, dieser fiel jedoch im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringer aus – um 3.630 Personen. Besonders auffällig ist, dass die Zuzüge aus dem Ausland stark zurückgegangen sind. Im ersten Halbjahr 2024 gab es 3.872 weniger Zuzüge aus dem Ausland, was einem Rückgang von -19,1 Prozent entspricht. Dies könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, darunter politische und wirtschaftliche Unsicherheiten in den Herkunftsländern oder eine veränderte Migrationspolitik auf europäischer Ebene. Gleichzeitig sind auch die Fortzüge ins Ausland gesunken, jedoch nur um -3,0 Prozent. Der Wanderungssaldo mit dem Ausland zeigt also noch ein positives Ergebnis, allerdings fällt dieses deutlich geringer aus als im Vorjahr. Die Gründe für diesen Rückgang könnten in einer insgesamt angespannten globalen Situation liegen, in der viele Migrantinnen und Migranten von der Möglichkeit der Rückkehr oder einer Migration in andere europäische Länder abgehalten werden.

Gegenüber den anderen Bundesländern ist die Wanderungsbilanz weitgehend stabil geblieben. Der Wanderungssaldo mit den anderen Bundesländern blieb nahezu unverändert und betrug ein Minus von 1.959 Personen, was nur einen marginalen Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum darstellt. Diese Entwicklung zeigt, dass Thüringen zwar weiterhin Menschen aus anderen Teilen Deutschlands verliert, jedoch keine signifikanten Veränderungen in den innerdeutschen Wanderungsbewegungen zu verzeichnen sind. Hier könnten vor allem die großen Städte wie Erfurt und Jena eine stabilisierende Wirkung auf den Zuzug aus anderen Bundesländern haben.

Die regionale Betrachtung innerhalb Thüringens offenbart interessante Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung. Die kreisfreie Stadt Weimar verzeichnete mit einem Anstieg von 0,26 Prozent bzw. 169 Personen den größten relativen Einwohnerzuwachs im ersten Halbjahr 2024. Auch der Ilm-Kreis konnte ein kleines Plus von 22 Personen und 0,02 Prozent verbuchen. Diese Städte und Kreise profitieren möglicherweise von ihrer Nähe zu Jena und Erfurt, die als Bildungs- und Wirtschaftsstandorte zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese Städte sind für junge Menschen, die eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, attraktive Anlaufstellen und bieten gute berufliche Perspektiven.

Im Gegensatz dazu mussten viele ländliche Regionen Thüringens im ersten Halbjahr 2024 Einwohnerverluste hinnehmen. Besonders betroffen war die kreisfreie Stadt Suhl, die einen dramatischen Rückgang von -2,73 Prozent bzw. -991 Personen erlebte. Auch der Landkreis Sonneberg verlor -0,86 Prozent bzw. 484 Personen, während der Landkreis Hildburghausen mit -0,57 Prozent und einem Verlust von 348 Personen ebenfalls unter einem negativen Trend litt. Diese Gebirgslagen und ländlichen Regionen kämpfen seit Jahren mit einer Abwanderung von jungen Menschen und einer alternden Bevölkerung. Die Gründe hierfür liegen oft in der fehlenden Arbeitsmarktperspektive und einer unzureichenden Infrastruktur, die in vielen ländlichen Gegenden nicht ausgebaut oder modernisiert wurde.

Insgesamt zeigt sich, dass Thüringen mit einer demografischen Krise konfrontiert ist, die nicht nur die Geburtenzahlen, sondern auch die Wanderungsbewegungen betrifft. Die sinkenden Geburtenzahlen und die rückläufigen Zuzüge aus dem Ausland stellen das Land vor erhebliche Herausforderungen, sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Angesichts dieser Entwicklung ist es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Attraktivität des Landes zu steigern und die Abwanderung aus ländlichen Regionen zu verhindern. Hierbei könnte insbesondere der Ausbau der Infrastruktur, die Förderung von familienfreundlichen Maßnahmen sowie die Verbesserung der beruflichen Perspektiven eine zentrale Rolle spielen. Auch die langfristige Gestaltung einer nachhaltigen Migrationspolitik könnte entscheidend dazu beitragen, den demografischen Wandel abzufedern und Thüringen als Standort für junge Menschen und Familien zu erhalten.

Einwohneranfragen in Jena ab sofort online beantragen

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Neues Webformular bringt Erleichterungen für Antragsteller und Bearbeiter mit sich
Ob zu Parkplätzen, Kitagebühren oder Sportanlagen – Bürgerinnen und Bürger können Fragen, Anregungen und Vorschläge zu unterschiedlichsten städtischen Angelegenheiten einreichen. Diese werden in der 30-minütigen Einwohnerfragestunde zu Beginn jeder öffentlichen Stadtratssitzung behandelt. Jedes Anliegen muss schriftlich im Büro Stadtrat beantragt werden. Dank eines neuen Webformulars können Interessierte ihre Anfragen ab sofort auch online einreichen.

Das Formular ist im Serviceportal der Stadt Jena zu finden: jena.de/einwohneranfrage

Im ersten Schritt fragt das Formular nach der Anschrift, um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um einen Einwohner oder eine Einwohnerin der Stadt Jena handelt. Liegt die Adresse nicht im Stadtgebiet, kann der Antrag nicht weiter ausgefüllt werden. Nach der Eingabe der persönlichen Daten kann das Anliegen kurz erläutert und in maximal drei Teilfragen formuliert werden. Anschließend wird abgefragt, ob der Bürger oder die Bürgerin das Anliegen selbst vortragen möchte. Falls ein Vertreter geschickt werden soll, muss dessen Name angegeben werden. Wichtig ist auch die Frage, ob gewünscht wird, dass die Anfrage schriftlich beantwortet wird.

Bisher haben Einwohneranfragen das Büro Stadtrat per E-Mail oder per Post erreicht. Da im ersten Schritt oft nicht alle notwendigen Informationen vorlagen, musste häufig mehrfach nachgefragt werden. Das Onlineformular bedeutet daher für beide Seiten eine Erleichterung: Für die Bürgerinnen und Bürger, weil sie wissen, welche Informationen vorliegen müssen. Und für die Bearbeitenden, weil sie alles Wichtige gleich gebündelt erhalten. Ist der Antrag erfolgreich ausgefüllt worden, erhält der Anfragende direkt per E-Mail eine Eingangsbestätigung sowie für seine Unterlagen alle von ihm im Formular angegebenen Daten.

Das Onlineformular ist ein zusätzliches Angebot zu den bisherigen Antragswegen. Die Fristen sind jedoch für alle Varianten gleich: Das Anliegen muss spätestens 14 Tage vor der Stadtratssitzung bis 14 Uhr schriftlich vorliegen.

Denny Jankowski (AfD): Stellungnahme zum Jenaer Doppelhaushalt 2025/2026

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In einer emotional aufgeladenen Stadtratssitzung äußerte sich Stadtrat Denny Jankowski entschieden gegen die geplante Verabschiedung des Doppelhaushalts 2025/2026. Die Umstände der Haushaltsaufstellung, die inhaltlichen Schwerpunkte und die zugrundeliegenden Annahmen wurden von Jankowski scharf kritisiert. Dabei sprach er zentrale demokratische Prinzipien, die finanzielle Verantwortung und die wirtschaftliche Realität an.

Demokratische Prinzipien und die Verantwortung des Stadtrats
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen“, begann Jankowski seine Rede. „Die Haushaltsaufstellung für die kommenden beiden Jahre ist in vielerlei Hinsicht einzigartig – leider nicht im positiven Sinne.“ Besonders kritisch sah er den Zeitrahmen, innerhalb dessen der Haushaltsentwurf vorgelegt und diskutiert werden soll.

Der Haushalt eines Jahres, so Jankowski, sei das wichtigste politische Steuerungsinstrument des Stadtrats. Er lege fest, welche Prioritäten gesetzt werden, welche Investitionen getätigt und welche Einsparungen vorgenommen werden. „Das ist das Königsrecht des Stadtrats“, betonte er. Doch durch die vorliegenden Umstände sei dieses Recht erheblich eingeschränkt worden.

Die Verwaltung habe ihre Pflicht, einen Haushaltsentwurf rechtzeitig vorzulegen, nicht ausreichend erfüllt, so Jankowski. Zwar zeigte er Verständnis dafür, dass Verzögerungen auftreten können, dennoch kritisierte er, dass den Stadträten zu wenig Zeit gelassen werde, sich mit dem umfangreichen Dokument auseinanderzusetzen. „Rund 500 Seiten Haushalt sowie Nachreichungen von weiteren 300 Seiten innerhalb weniger Tage durchzuarbeiten, ist schlichtweg unmöglich – besonders, wenn man bedenkt, dass wir alle dieses Amt ehrenamtlich ausüben“, erklärte er.

Fehlende Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten
Jankowski kritisierte auch die mangelnde Transparenz des Prozesses. „Bis auf vage Aussagen, wo nicht gekürzt werden soll, wurden wir als Stadträte nicht weiter informiert.“ Diese Informationspolitik erschwere es, fundierte Entscheidungen zu treffen. „Es ist ein Armutszeugnis, dass wir in einer demokratischen Gesellschaft in eine Situation geraten, in der nicht einmal der Anschein demokratischer Mitbestimmung gewahrt wird.“

Der enge Zeitrahmen habe nicht nur die Diskussion innerhalb der Fraktionen erschwert, sondern auch die Möglichkeit, Änderungsanträge einzubringen, nahezu ausgeschlossen. „So etwas habe ich in dieser Form noch nie erlebt“, erklärte Jankowski. „Das erinnert mich an ein früheres Zitat: ‚Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.‘ Jetzt macht man sich nicht mal mehr die Mühe, dass es demokratisch aussieht.“

Unsichere Rahmenbedingungen: Haushaltsplanung in turbulenten Zeiten
Neben den prozessualen Kritikpunkten stellte Jankowski auch die grundsätzliche Sinnhaftigkeit eines Doppelhaushalts infrage. Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien momentan zu unsicher, um eine verlässliche Planung für zwei Jahre aufzustellen.

„Wir haben seit letzter Woche eine neue Landesregierung, deren Haushalt frühestens im März oder April verabschiedet wird. Auf Bundesebene stehen im Februar Neuwahlen an. Niemand kann sagen, wann dort ein Haushalt verabschiedet wird“, erklärte er. Diese Unsicherheiten könnten massive Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen haben.

Ein Einjahreshaushalt, so Jankowski, wäre die weitaus vernünftigere Option gewesen. Dieser hätte es ermöglicht, auf Entwicklungen auf Landes- und Bundesebene zu reagieren. „Mit dem hier vorgelegten Doppelhaushalt riskieren wir, dass wir für 2026 ohnehin alles über den Haufen werfen müssen.“

Kritik an den inhaltlichen Schwerpunkten des Haushalts
Jankowski ging anschließend detailliert auf die Inhalte des Haushaltsentwurfs ein. Besonders kritisch bewertete er das geplante Defizit von insgesamt 55 Millionen Euro für die beiden Jahre. „Wir leben in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten. Ob die Steuereinnahmen wirklich so positiv ausfallen, wie im Entwurf angenommen, halte ich für äußerst fraglich“, sagte er.

Er warnte vor den langfristigen Folgen einer solchen Planung: „Mit einem derart hohen Defizit steuern wir sehenden Auges auf eine Situation zu, in der wir in zwei Jahren drastische Kürzungen vornehmen müssen. Das ist weder nachhaltig noch verantwortungsbewusst.“

Fragwürdige Ausgaben und Einsparungen
Jankowski nannte zahlreiche Beispiele für Ausgaben, die er für überflüssig oder zumindest diskussionswürdig hält. Dazu zählen:

  • Klimaschutzagentur: 500.000 Euro pro Jahr
  • Neues Amtsblatt mit redaktionellem Teil: 200.000 Euro pro Jahr
  • Taubenhäuser und Nachhaltigkeitskampagnen: 200.000 Euro pro Jahr
  • Hauptwohnsitzkampagne: 90.000 Euro pro Jahr

„Zusammengenommen summieren sich diese Posten erheblich. Seit Jahren steigen die Ausgaben im Sozial- und Kulturbereich immer weiter an, ohne dass ernsthaft über Einsparungen nachgedacht wird“, kritisierte er.

Gleichzeitig bemängelte er, dass an falschen Stellen gespart werde – etwa im Bereich des Nahverkehrs. Hier seien Einsparungen von 500.000 Euro geplant, die als „verkraftbare Einschränkungen“ bezeichnet wurden. „Das ist in meinen Augen ein Widerspruch: Einerseits sollen die Bürger durch höhere Parkgebühren zum Umstieg auf den Nahverkehr bewegt werden, andererseits wird genau dieser Nahverkehr eingeschränkt.“

Appell an die Verantwortung der Stadtführung
Abschließend richtete Jankowski einen Appell an die Stadtführung und seine Kollegen im Stadtrat. „Wir sollten keine Schnellschüsse produzieren, sondern die Zeit nehmen, den Haushalt gründlich zu überarbeiten“, forderte er. Eine solche Überarbeitung sei nicht nur im Interesse der Stadträte, sondern auch der Bürgerinnen und Bürger von Jena.

„Ein verantwortungsvoller Haushalt muss die Bedürfnisse der Gegenwart mit den Anforderungen der Zukunft in Einklang bringen. Das bedeutet auch, dass wir nicht über unsere Verhältnisse leben dürfen“, erklärte er.

Jankowski kündigte an, dem vorliegenden Entwurf nicht zuzustimmen: „Dieser Haushalt ist in seiner aktuellen Form nicht tragbar. Wir müssen zurück an den Verhandlungstisch und nach Lösungen suchen, die langfristig tragfähig sind.“

Vera Lengsfeld: „Ohne Merkel’s Politik, würde es die AfD heute nicht geben“

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Vera Lengsfeld, ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete, bietet in ihrem Buch „Ist mir egal, wie Angela Merkel die CDU und Deutschland ruiniert hat“ eine tiefgehende Analyse der politischen Karriere und Persönlichkeit Angela Merkels. Lengsfeld beschreibt Merkels politischen Aufstieg als geprägt von Opportunismus und taktischem Geschick. Ihre Karriere begann im Herbst 1989, unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer. Merkels Ziel war von Anfang an nicht der Einstieg an der Basis, sondern der schnelle Zugang zu einer Führungsposition.

Ein erster Versuch, sich der SPD anzuschließen, scheiterte, da ihr dort keine ausreichenden Möglichkeiten geboten wurden. Stattdessen fand sie beim Demokratischen Aufbruch eine Plattform, wo sie zur Pressesprecherin aufstieg. Diese Position ebnete den Weg für ihre spätere politische Karriere. Nach der Volkskammerwahl 1990 wurde sie stellvertretende Regierungssprecherin und durch Lothar de Maizière als ostdeutsche Vertreterin in Helmut Kohls Kabinett vorgeschlagen. Der Schutz und die Förderung durch Kohl waren entscheidend für ihren weiteren Aufstieg. Später nutzte sie ihre Position, um sich von Kohl und Wolfgang Schäuble zu lösen und sie politisch zu verdrängen.

Merkels Machtausübung beschreibt Lengsfeld als strategisch und rücksichtslos. Ideologische Überzeugungen spielten in ihrer Politik eine untergeordnete Rolle. Stattdessen wählte sie Positionen, die ihr den größten Vorteil verschafften. Ihre Entscheidungen waren sorgfältig geplant und wurden erst dann getroffen, wenn der Erfolg nahezu sicher war. Sie zeichnete sich durch ihre Fähigkeit aus, politische Wendepunkte wie den Sturz Kohls gezielt für sich zu nutzen, während sie ihre eigene Position stets absicherte.

Interessant ist auch Merkels Verhältnis zur CDU. Anfangs distanzierte sie sich von der Partei und äußerte sogar Ablehnung, doch später nutzte sie sie gezielt für ihren Aufstieg. Lengsfeld betont, dass Merkel die CDU pragmatisch als Kanzlerwahlpartei instrumentalisiert habe. Durch strategische Inszenierungen und den Einsatz von Regionalkonferenzen konnte sie den CDU-Vorsitz erlangen und sich als traditionelle CDU-Politikerin präsentieren.

Merkels Politikstil war geprägt von einer bewussten Inszenierung. Sie nutzte weibliche Attribute, um sich von ihren männlichen Konkurrenten abzuheben, und inszenierte sich als sachlich, kühl und analytisch. Diese Eigenschaften halfen ihr, besonders in einer Zeit, in der feministische Themen zunehmend an Bedeutung gewannen. Medien spielten eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung ihres öffentlichen Images. Merkel agierte in einem unideologischen politischen Umfeld, das ihre frühen Regierungsjahre prägte. Später setzte sie jedoch gezielt auf grüne und sozialdemokratische Ziele, wie den Atomausstieg und die Grenzöffnung 2015. Lengsfeld vermutet, dass Merkel bereits in der DDR reformkommunistischen Kreisen nahestand, was ihre spätere Nähe zu grünen Positionen erklären könnte.

In der Coronapandemie zeigte sich laut Lengsfeld ein Hang zu autoritären Maßnahmen, der von Panik geprägt war. Merkel habe sich zunehmend als „Führerin der freien Welt“ gesehen, was jedoch häufig an mangelnder internationaler Unterstützung scheiterte. Ihre Politik habe zudem wirtschaftliche Strukturen in Deutschland geschwächt und eine Deindustrialisierung vorangetrieben. Lengsfeld kritisiert, dass Merkels Sprache zunehmend unklar wurde, was sie als bewusstes Mittel zur Verschleierung politischer Entscheidungen interpretiert.

In der Rückschau sieht Lengsfeld Merkels politische Laufbahn ambivalent. Obwohl sie es schaffte, ihre Kanzlerschaft selbstbestimmt zu beenden, hinterlässt sie eine zwiespältige Bilanz. Lengsfeld beschreibt sie als außergewöhnliche Figur der Geschichte, deren Politikstil auf taktischem Geschick und Opportunismus basierte, aber Deutschland nachhaltig verändert hat. Merkels Erbe bleibt umstritten, und ihre Rolle in der Geschichte wird auch in Zukunft intensiv diskutiert werden.