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Die Geschichte der Straßenbahn in Jena

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100 Jahre Straßenbahn in Jena - 2001

Die Anfänge der Straßenbahn in Jena und ihr Ausbau bis 1934 sind eng mit der Entwicklung der städtischen Infrastruktur verbunden. Wie in vielen Städten jener Zeit, war der Bau einer Straßenbahn auch in Jena an die Errichtung eines Elektrizitätswerks gekoppelt. Ende des 19. Jahrhunderts gab es mehrere Bestrebungen, ein modernes Straßenbahnnetz aufzubauen, da gasmotorbetriebene Fahrzeuge inzwischen als veraltet galten. Schließlich unterzeichnete die Stadt 1899 einen Vertrag, der den Bau eines Elektrizitätswerks und eines Straßenbahnnetzes besiegelte.

Im Jahr 1901 wurden die ersten fünf Linien in Betrieb genommen. Diese Linien deckten zentrale Verkehrswege der Stadt ab und verbanden den Norden mit dem Süden. Eine wichtige Strecke führte von Zwätzen im Norden über das Stadtzentrum bis nach Winzerla im Süden. Zusätzlich gab es Verbindungen zu wichtigen Knotenpunkten wie dem Saalbahnhof und dem Westbahnhof. Schon ein Jahr nach der Inbetriebnahme konnte die Straßenbahn beachtliche Fahrgastzahlen vorweisen: 1902 wurden fast 850.000 Personen befördert.

Bereits in den ersten Jahren wurden jedoch Anpassungen am Streckennetz vorgenommen. Eine Paralleltrasse zur Hauptstrecke über den Holzmarkt durch die Leutrastraße wurde bereits 1909 wieder aufgegeben. Jena-Ost erhielt 1914 seinen Straßenbahnanschluss, der über die Camsdorfer Brücke führte. Bis 1934 wuchs das Streckennetz auf seine größte Ausdehnung von insgesamt 20 Kilometern, davon etwa anderthalb Kilometer zweigleisig. In diesem Jahr wurde die Strecke von Burgau bis zur Nachbargemeinde Lobeda eröffnet.

Der Ausbau der Straßenbahn ging jedoch nach 1934 nur langsam weiter. In den folgenden Jahrzehnten gab es lediglich kleinere Änderungen und Korrekturen am Netz. Beispielsweise wurde 1961 eine eingleisige Strecke in das Neubaugebiet Jena Nord I erweitert. Die drei Hauptlinien, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Betrieb gingen, blieben bis in die 1960er Jahre weitgehend unverändert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich das Netz recht schnell, und bereits in den 1950er Jahren verkehrten die Straßenbahnen im 10- bis 15-Minuten-Takt. Mit den neuen Straßenbahnen aus den Waggonbau-Fabriken in Werdau und Gotha konnten die Nachkriegsjahre überwunden werden, und Jena profitierte von einem modernen Fuhrpark. Besonders die Linie vom Holzmarkt nach Zwätzen wurde 1960 vollständig mit Nachkriegsfahrzeugen betrieben.

In den 1960er Jahren jedoch geriet die Straßenbahn in Jena zunehmend in Bedrängnis. Ähnlich wie in vielen anderen Städten der DDR wurde auch hier darüber nachgedacht, die Straßenbahn zugunsten von Bussen stillzulegen. Diesem Trend fielen einige Nebenlinien zum Opfer, wie etwa die Strecke zum Saalbahnhof, die 1963 auf Busbetrieb umgestellt wurde. Pläne, das gesamte Straßenbahnnetz bis 1985 abzuwickeln, konnten jedoch nicht umgesetzt werden, da die notwendigen Busse nicht rechtzeitig beschafft werden konnten. Stattdessen einigte man sich auf den Erhalt der wichtigsten Strecken, darunter die Nord-Süd-Relation und die Verbindung nach Jena-Ost.

Die Veränderungen nach der Wiedervereinigung brachten schließlich den entscheidenden Wendepunkt für die Straßenbahn in Jena. Neue rechtliche Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten ermöglichten den Ausbau des Netzes. 1993 wurde der erste Spatenstich für eine Neubaustrecke gefeiert, die die Verbindung vom Stadtzentrum nach Lobeda verbesserte. Bis 1997 wurden mehrere neue Streckenabschnitte eröffnet, darunter die Trassen nach Lobeda und Burgau sowie die Verbindung vom Holzmarkt zum Ernst-Abbe-Platz.

Besonders die südlichen Strecken zeichnen sich durch ihren modernen Stadtbahncharakter aus. Hier wurden vielfach niveaufreie Kreuzungen gebaut, um den Verkehr reibungslos zu gestalten. Die Linien 3, 4 und 5 verbinden seitdem Lobeda und Burgau mit dem Stadtzentrum, und 2009 wurde der Ring von Lobeda-West über Göschwitz nach Burgau geschlossen. Ein neuer Betriebshof in Burgau wurde 2008 nach elfjähriger Bauzeit eröffnet und beherbergt heute die modernen Niederflurfahrzeuge, die seit 1995 im Einsatz sind.

DDR Alltag / Die Straßenbahn in Jena

Matthias Domaschk aus Jena: Das ungeklärte Schicksal eines DDR-Opfers

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Matthias Domaschk war ein junger Mann, dessen Leben vielversprechend begann, aber tragisch endete. Mit nur 23 Jahren starb er 1981 unter mysteriösen Umständen in der Haft der Staatssicherheit (Stasi). Offiziell wurde sein Tod als Selbstmord durch Erhängen in einem Gefängnisprotokoll dokumentiert. Doch die Umstände seines Todes bleiben bis heute ungeklärt, und die Fragen zu den Geschehnissen, die zu seinem Tod führten, sind von großer Bedeutung.

Frühes Leben und Engagement
Matthias wurde in Jena geboren und wuchs in einem Umfeld auf, das von den Idealen der DDR geprägt war. Seine Mutter war in der evangelischen Kirche aktiv und brachte ihn früh mit der Religion in Berührung. Matthias war ein intelligenter und engagierter junger Mann, der bald aktiv in der Jungen Gemeinde der Evangelischen Kirche wurde. Hier fand er Gleichgesinnte und entwickelte eine starke Verbindung zu seinen Freunden, die in der gleichen politischen und sozialen Lage lebten. Zusammen suchten sie nach einem Ausweg aus der Eintönigkeit des Alltags in der DDR und fanden ihn in gemeinschaftlichen Aktivitäten wie Musik, Wanderungen und Diskussionen.

Die politischen Umstände
Anfang der 1970er Jahre kam es in der DDR zu einer wachsenden Unzufriedenheit unter den Jugendlichen. Viele von ihnen, darunter auch Matthias, fühlten sich von der Partei und dem Staat nicht mehr vertreten. In Jena formierte sich eine Gruppe von jungen Menschen, die das Bedürfnis verspürte, über Themen zu diskutieren, die von der Gesellschaft und der Regierung tabuisiert wurden. Dies führte zu politischen Treffen und Diskussionen, die von der Stasi genau beobachtet wurden.

Im Januar 1975 kam es zu einer massiven Repression seitens der Stasi, als ein Polizeikommando eine Feierlichkeit in der Gartenstraße in Jena auflöste. Matthias und seine Freunde wurden als staatsfeindlich eingestuft und verfolgt. Dies führte zu einer ersten Welle von Verhaftungen, die den Freundeskreis von Matthias in Angst und Schrecken versetzte. Trotz der Repressionen gab Matthias nicht auf und setzte sich weiterhin für die Anliegen seiner Generation ein.

Die Beziehung zu Renate
Inmitten dieser politischen Unruhen fand Matthias eine tiefe und bedeutende Beziehung zu Renate, einer Vikarin, die er in der Jungen Gemeinde kennenlernte. Ihre Liebe war für Matthias ein Lichtblick in einer dunklen Zeit. Die beiden lebten gemeinsam und hatten eine Tochter, Julia, die 1976 geboren wurde. Matthias war ein liebevoller Vater, der sich intensiv um die Erziehung seiner Tochter kümmerte und dafür sorgte, dass sie mit Musik und Kultur aufwuchs. Diese neue Verantwortung verlieh ihm zusätzlichen Antrieb, gegen das Unrecht in der Gesellschaft zu kämpfen.

Politischer Aktivismus
In den späten 1970er Jahren wurde der politische Druck auf Matthias immer größer. Er schloss sich der Protestbewegung gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann an und beteiligte sich an Unterschriftensammlungen. Diese Aktivitäten führten schließlich zu seiner Festnahme im April 1981. Matthias war sich der Gefahren, die ihm drohten, bewusst, als er sich aktiv gegen die Stasi stellte. Während seiner Haftzeit wurde er von der Stasi gefoltert und erniedrigt. Die ständige Bedrohung durch die Stasi ließ ihn in einer ständigen Angst leben und führte zu einer tiefen inneren Zerrissenheit.

Die Umstände seines Todes
Die genauen Umstände von Matthias’ Tod sind bis heute nicht vollständig geklärt. Am 12. April 1981 wurde er unter dem Vorwurf festgenommen, staatsfeindliche Aktivitäten durchgeführt zu haben. Trotz der massiven Belastungen, die er erlitten hatte, wurde sein Tod von der Stasi als Selbstmord dargestellt. Es gibt jedoch viele, die an dieser offiziellen Darstellung zweifeln. Seine Freunde und Angehörigen sind überzeugt, dass Matthias ermordet wurde, um eine mögliche politische Bewegung im Keim zu ersticken.

Sein Tod löste in der Bevölkerung Empörung und Wut aus. Viele Menschen in Jena und darüber hinaus waren tief betroffen von dem Verlust eines jungen Lebens, das durch den repressiven Staat ausgelöscht wurde. Diese Empörung führte zu einer Vielzahl von Gedenkveranstaltungen und Protesten, in denen die Bürger für die Wahrheit kämpften.

Die Trauerfeier und das Erbe
Die Trauerfeier für Matthias Domaschk wurde schnell von der Stasi organisiert, und seine Leiche wurde prompt eingeäschert. Hunderte Freunde und Stasi-Agenten nahmen an der Beerdigung teil, was als direkte Provokation wahrgenommen wurde. Der Tod von Matthias wurde zum Symbol für die Repression und die willkürlichen Machenschaften der Stasi. Viele Menschen forderten nach seinem Tod eine Aufklärung und eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen des DDR-Regimes.

Sein Schicksal zeigt, wie schnell ein junger Mensch in der DDR Opfer der repressiven Strukturen des Staates werden konnte. Matthias Domaschk ist nicht nur eine tragische Figur der DDR-Geschichte, sondern auch ein Symbol für den Mut derjenigen, die sich gegen das Unrecht stellten.

Die Fragen, die sich um Matthias Domaschks Tod ranken, sind bis heute nicht beantwortet. Der Verlust eines Lebens voller Hoffnung und Möglichkeiten bleibt ein schmerzhaftes Erbe für seine Familie und Freunde. Die Aufarbeitung dieser Geschichte ist entscheidend, um die Verbrechen der Vergangenheit zu verstehen und zu verhindern, dass sich solche Tragödien wiederholen. Matthias Domaschk ist nicht vergessen, und sein Name wird weiterhin als Mahnmal für die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit stehen.

Vereint und doch verschieden – geht der Osten eigene Wege?

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phoenix-bürgertalk in Leipzig: Vereint und doch verschieden - geht der Osten eigene Wege?

Der Bürgertalk “Vereint und doch verschieden? Geht der Osten eigene Wege?” in Leipzig bot eine Plattform für Bürger und ostdeutsche Politiker, um am Tag der Deutschen Einheit über die Stimmung im Osten und drängende Themen zu diskutieren. Die Moderatoren Julia Grimm von Phoenix und Alexander Moritz vom Deutschlandfunk führten durch den Abend und sorgten für einen regen Austausch zwischen Publikum und Gästen.

Die Diskussionsteilnehmer:
• Carlos Kasper, (SPD), MdB
• Jouleen Gruhn (BSW), Kandidatin für den Brandenburgischen Landtag
• Dirk Neubauer, (parteilos), scheidender Landrat Mittelsachsen
• Petra Böhme (AfD), Kandidatin für den Sächsischen Landtag
• Christian Herrgott (CDU), Landrat Saale-Orla-Kreis und Generalsekretär der CDU-Thüringen.

Besonders deutlich wurden die unterschiedlichen Perspektiven beim Thema “Geht der Osten eigene Wege?”. Während einige Teilnehmer, wie Dirk Neubauer, befürchteten, dass der Osten mit seiner aktuellen Entwicklung, geprägt von einer Verrohung des Diskurses und Abkehr von demokratischen Werten, sich in eine negative Richtung bewegt, sahen andere, wie Petra Böhme von der AfD, keine separaten Wege, sondern lediglich einen anderen Blickwinkel, der auf die ostdeutsche Historie zurückzuführen sei. Carlos Kasper von der SPD betonte die anhaltenden Unterschiede in den Vermögensverhältnissen zwischen Ost und West und sah im Ostbeauftragten ein wichtiges Instrument, um diese Ungleichheiten zu beheben. Christian Hergort, CDU-Generalsekretär aus Thüringen, erkannte einen grundsätzlichen Wandel im politischen System und forderte die etablierten Parteien dazu auf, sich den neuen Wählergruppen und ihren Bedürfnissen anzupassen. Juline Grun vom Bündnis Sarah Wagenknecht interpretierte den Erfolg ihrer Partei als Beweis für den Bedarf an einer politischen Kraft, die die Sorgen und Ängste der Menschen im Osten ernst nimmt.

Die Diskussion um die Rolle Russlands und den Krieg in der Ukraine offenbarte tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten. Obwohl alle Teilnehmer den Krieg verurteilten, gab es unterschiedliche Ansichten darüber, wie Deutschland sich positionieren sollte. Während Juline Grun und der Sozialpädagoge Mark Franz aus dem Publikum für eine stärkere Friedensdiplomatie und ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine plädierten und die ihrer Ansicht nach einseitige Berichterstattung kritisierten, verteidigte Carlos Kasper die Entscheidung der Bundesregierung, die Ukraine zu unterstützen, da Russland keine Bereitschaft zu Verhandlungen zeige. Er bemängelte die Polarisierung der Debatte und den Mangel an Kompromissbereitschaft. Christian Hergort sprach sich für verstärkte diplomatische Bemühungen aus, um den Konflikt zu lösen, und betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Ländern wie China und Indien. Petra Böhme sah Deutschland durch die Sanktionen gegen Russland geschwächt und plädierte für die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Beziehungen. Claudia Jagan-Bose, eine Leipzigerin aus dem Publikum, widersprach Frau Böhmes Position vehement und warnte vor der Gefahr, die von Putin ausgehe, und forderte eine uneingeschränkte Unterstützung der Ukraine.

Auch die Rolle der AfD und die Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit führten zu kontroversen Diskussionen. Christian Hergort verteidigte die Entscheidung der CDU, eine Zusammenarbeit mit der AfD, die in Sachsen und Thüringen als rechtsextrem eingestuft wird, kategorisch auszuschließen, da diese Haltung vor der Wahl klar kommuniziert worden sei. Petra Böhme hingegen argumentierte, dass der Wählerwille respektiert und die AfD an der Regierung beteiligt werden müsse. Katrin Elsner aus Leipzig äußerte Zweifel an der Regierungsfähigkeit der AfD und befürchtete negative Konsequenzen für die Gesellschaft. Stefan Gon, ebenfalls aus Leipzig, hinterfragte die Position der AfD zur Abschaffung der GEZ-Gebühren und die daraus resultierenden Folgen für die Medienlandschaft.

Das Thema Migration zeigte die unterschiedlichen Perspektiven und Sorgen der Bürger auf. Christian Hergort beschrieb die Herausforderungen, vor denen Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen stehen, und plädierte für eine restriktivere Migrationspolitik und verstärkte Kontrolle der Außengrenzen. Juline Grun kritisierte die ihrer Ansicht nach unzureichende Unterstützung der Kommunen und forderte eine geordnetere Migrationspolitik. Dirk Neubauer warnte davor, die schwächsten Gruppen der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen, und plädierte für eine differenziertere Debatte über Migration. Er betonte den Wert der Integration und den Beitrag, den Migranten für die deutsche Gesellschaft leisten. Petra Böhme forderte eine strikte Trennung zwischen Kriegsflüchtlingen, Migranten und Arbeitskräften sowie eine konsequentere Durchsetzung des Asylrechts. Lydia TPE-Wiesinger, Studentin aus Westberlin, kritisierte den ihrer Meinung nach vorherrschenden Fremdenhass und die fehlende Bereitschaft, mit den Betroffenen in einen Dialog zu treten.

Abschliessend wurde die Attraktivität des Ostens als Wohnraum beleuchtet. Dirk Neubauer hob die Attraktivität des ländlichen Raums hervor und ermutigte dazu, die Chancen im Osten zu ergreifen. Pia Hofmann, die nach Leipzig gezogen war, berichtete von ihren positiven Erfahrungen, äußerte aber auch Bedenken hinsichtlich der politischen Stimmung, insbesondere in ländlichen Gebieten.

In der Abschlussrunde formulierten die Teilnehmer ihre wichtigsten Erkenntnisse und Wünsche für die Zukunft: Dirk Neubauer wünschte sich mehr Mut, die wahren Probleme anzugehen und Lösungen zu finden; Juline Grun plädierte für Offenheit und Respekt im Umgang mit anderen Meinungen; Carlos Kasper forderte mehr Mut zur Bewältigung der Zukunftsherausforderungen, insbesondere beim Klimaschutz; Petra Böhme plädierte für einen respektvollen Umgang im politischen Diskurs und Offenheit für andere Meinungen; Christian Hergort wünschte sich einen differenzierteren Diskurs und mehr Unterstützung für die Kommunen.

Der Bürgertalk in Leipzig zeigte eindrucksvoll die vielfältigen Perspektiven und Meinungen im Osten Deutschlands auf. Die Menschen im Osten wollen Gehör finden und ernst genommen werden. Die Diskussionen waren teils emotional, aber auch konstruktiv und boten die Gelegenheit, verschiedene Standpunkte kennenzulernen und sich auszutauschen. Der Bürgertalk war ein wichtiger Beitrag zum Dialog zwischen Politikern und Bürgern und bot die Chance, über Herausforderungen und Chancen im Osten Deutschlands zu diskutieren.

Stalinallee in Berlin: Eine dokumentarische Reise durch die Geschichte

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Geschichte einer Straße - Dokumentation (ganzer Film auf Deutsch) - DEFA

Der schwarz-weiß Dokumentarfilm „Stalinallee“ ist ein eindrucksvolles Zeitdokument, das die Entwicklung einer der bekanntesten Straßen Ostberlins dokumentiert. Anlässlich des 70. Geburtstags von Joseph Stalin wurde die alte Frankfurter Allee am 21. Dezember 1949 feierlich in „Stalinallee“ umbenannt. Durch eine Vielzahl historischer Fotos und Filmrückblicke wird die bewegte Geschichte dieser Straße sowie das Leben der Menschen, die dort lebten, von ihren Anfängen im 16. Jahrhundert bis zur Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im Jahr 1946 erzählt.

Die historische Entwicklung der Frankfurter Allee
Die Frankfurter Allee hat eine lange Geschichte, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Ursprünglich eine wichtige Verkehrsstraße, war sie im Laufe der Jahrhunderte Zeugin vieler gesellschaftlicher Veränderungen. Die Allee war nicht nur eine Verbindung zwischen Berlin und Frankfurt (Oder), sondern auch ein Ort, an dem verschiedene soziale Schichten lebten und arbeiteten. Mit dem Aufstieg des industriellen Zeitalters erlebte die Gegend eine verstärkte Urbanisierung. Fabriken und Arbeiterwohnungen entstanden, und die Bevölkerung wuchs rasant.

Die Umbenennung in Stalinallee stellte einen symbolischen Bruch mit der Vergangenheit dar und wurde zum Ausdruck der politischen Ideologie der neuen sozialistischen Regierung. Diese Umbenennung war jedoch nicht nur eine Namensänderung; sie markierte auch den Beginn eines ehrgeizigen städtebaulichen Programms, das die Ideale des Sozialismus verkörpern sollte.

Der Ausbau der Stalinallee und der nationale Aufbauplan
Im November 1951 schlug das Zentralkomitee (ZK) der SED ein nationales Aufbauprogramm für Berlin vor. Ein zentrales Element dieses Programms war der Ausbau der Stalinallee, der mit dem Bau neuer Wohnkomplexe nach sowjetischem Vorbild für die arbeitende Klasse verbunden war. Dies war nicht nur ein architektonisches Vorhaben, sondern auch ein sozialpolitisches Signal. Die Regierung wollte damit ihre Unterstützung für die Arbeiterklasse und die Ideale des Sozialismus verdeutlichen.

Mehr als 45.000 freiwillige Aufbauhelfer meldeten sich, um nach ihrer täglichen Arbeit bei der Enttrümmerung und dem Aufbau der Stalinallee zu helfen. Dies zeugt von einem hohen Maß an Engagement und Solidarität in der Bevölkerung. Die Aufbruchsstimmung dieser Zeit spiegelt sich in den Bildern und Kommentaren des Films wider, die die Entstehung der neuen Stadtlandschaft dokumentieren.

Feierliche Eröffnung der ersten Wohnungen
Am 7. Januar 1953 war es dann soweit: In einem feierlichen Akt konnten die ersten Bewohner ihre vergleichsweise luxuriösen Wohnungen auf der Stalinallee beziehen. Diese Neubauten, die nach sowjetischem Vorbild errichtet wurden, waren mit modernen Annehmlichkeiten ausgestattet und sollten ein Zeichen des Fortschritts und des Wohlstands im sozialistischen Berlin setzen. Der Film hält diese bewegenden Momente fest und vermittelt die Freude und den Stolz der neuen Bewohner.

Der Zeitgeist des Kalten Krieges
Die gewählten Kommentare und Bildunterschriften im Film spiegeln den Zeitgeist des Kalten Krieges wider. Sie sind geprägt von einer starken kritischen Haltung gegenüber der Westberliner Politik und Lebensweise. Die Konfrontation zwischen Ost und West, die Ideologisierung des Alltags und die ständige Propaganda gegen den kapitalistischen Westen sind zentrale Themen des Films. Die SED nutzte den Film auch als Mittel zur politischen Bildung und zur Stärkung des sozialistischen Bewusstseins in der Bevölkerung.

„Stalinallee“ ist mehr als nur ein Dokumentarfilm; es ist ein Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen in der frühen DDR. Durch die Kombination aus historischen Bildern, filmischen Rückblicken und zeitgenössischen Kommentaren wird ein umfassendes Bild der Entwicklung dieser wichtigen Straße in Berlin gezeichnet. Die Stalinallee steht nicht nur für den städtebaulichen Aufbruch der Nachkriegszeit, sondern auch für die Ideale und Herausforderungen einer Gesellschaft, die sich in einem Kalten Krieg zwischen Ost und West behaupten musste. Der Film bleibt ein wichtiger Bestandteil der deutschen Filmgeschichte und bietet wertvolle Einblicke in die Zeit der Entstehung der DDR und die Rolle der Stalinallee in diesem Prozess.

11. Oktober 1949: Der erste DDR Präsident Wilhelm Pieck und die Anfänge des sozialistischen Staates

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11. Oktober 1949: Der erste DDR Präsident Wilhelm Pieck und die Anfänge des sozialistischen Staates

Am 11. Oktober 1949 wurde Wilhelm Piek zum ersten Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gewählt. Piek ist eine Schlüsselfigur in der Geschichte der DDR und wird als Ikone des deutschen kommunistischen Widerstands gegen die Nazidiktatur angesehen. In diesem Text wird sein Werdegang, seine politische Karriere und sein Erbe in der DDR beleuchtet.

Frühes Leben und Widerstand gegen die Nazidiktatur
Wilhelm Piek wurde am 28. März 1893 in der Stadt Schlesien geboren. Seine politischen Aktivitäten begannen in den frühen 1920er Jahren, als er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wurde. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 erlebte Piek die brutalen Repressionen des Regimes am eigenen Leib. Nachdem Ernst Thälmann, der damalige Vorsitzende der KPD, verhaftet wurde, übernahm Piek den Vorsitz der Partei. In dieser Funktion leitete er die Untergrundarbeit der KPD, zunächst von Paris aus, später aus dem Exil in Moskau.

Piek war ein entschlossener Kämpfer gegen das NS-Regime und setzte alles daran, den Widerstand zu organisieren. 1943 gehörte er zu den Initiatoren des Nationalkomitees „Freies Deutschland“, das zum Ziel hatte, den Widerstand gegen Hitler und den Krieg zu verstärken. Diese Organisation versuchte, die zerstreuten und oft isolierten kommunistischen Kräfte zu vereinen, um einen effektiven Widerstand gegen das NS-Regime zu mobilisieren.

Rückkehr nach Deutschland und die Gründung der DDR
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Wilhelm Piek 1945 nach Deutschland zurück. In der Zeit des Wiederaufbaus und der politischen Neuordnung setzte er sich vehement für einen Vereinigungsprozess zwischen der KPD und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ein. 1946 wurde er zusammen mit dem Sozialdemokraten Otto Grotewohl Vorsitzender der neu gegründeten Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die aus der Fusion der KPD und der SPD hervorging.

Die SED spielte eine entscheidende Rolle bei der Gründung der DDR, die am 7. Oktober 1949 ausgerufen wurde. Wilhelm Piek wurde am 11. Oktober 1949 zum ersten Präsidenten der DDR gewählt, was seine Bedeutung in der politischen Landschaft der jungen DDR unterstrich. In dieser Zeit war die DDR stark von der sowjetischen Einflussnahme geprägt, und Piek war bestrebt, die sozialistische Ideologie im Land zu verankern.

Wahlkampfrede Wilhelm Pieck, 1946 (Audio)

Präsidentschaft und politische Herausforderungen
Piek wurde 1953 und erneut 1957 in seinem Amt als Präsident bestätigt. Während seiner Amtszeit war er mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter wirtschaftliche Schwierigkeiten, gesellschaftliche Unruhen und die Notwendigkeit, die Loyalität zur Sowjetunion aufrechtzuerhalten. Piek verstand sich als Repräsentant eines sozialistischen Deutschlands und bemühte sich um den Aufbau eines funktionierenden sozialistischen Staates.

In seiner Funktion als Staatsoberhaupt hatte er die Gelegenheit, mit verschiedenen Größen der kommunistischen Hemisphäre zu interagieren. Unter anderem traf er den vietnamesischen Revolutionsführer Ho Chi Minh und den sowjetischen KP-Chef Nikita Chruschtschow. Diese Treffen zeugen von der internationalen Dimension der Politik, die Piek während seiner Präsidentschaft verfolgte, und von der Rolle, die die DDR in der globalen kommunistischen Bewegung spielte.

Erbe und Tod
Wilhelm Piek blieb bis zu seinem Tod am 7. September 1960 im Amt. Sein Erbe ist komplex. Er wird als ein Kämpfer gegen den Nationalsozialismus und als einer der Architekten der DDR angesehen. Gleichzeitig ist er auch Teil der Geschichte eines Staates, der zunehmend mit autoritären Methoden regierte und die Menschenrechte einschränkte.

Seine Präsidentschaft ist ein Beispiel dafür, wie die ideologischen Überzeugungen der Kommunisten in der DDR die politischen Entscheidungen prägten und wie die Geschichte des Widerstands gegen das NS-Regime in der frühen Geschichte der DDR fortwirkte. Wilhelm Piek bleibt eine Figur, die die Geschichte der DDR und die Kämpfe ihrer Gründer geprägt hat, und sein Leben ist ein eindringliches Zeugnis für den langen Weg des kommunistischen Widerstands in Deutschland.

Wer war eigentlich Wilhelm Pieck

Erich Honnecker – “Daraus, liebe Kameraden, wird allerdings nichts.”

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Auferstanden Aus Ruinen DDR Hymne 40 Jahre DDR & The Internationale

Im Festsaal des Zentralkomitees versammeln sich Anfang Oktober die Veteranen der Arbeiterbewegung, eine Gruppe von Menschen, die ihr Leben dem Ideal der sozialen Gerechtigkeit und der Revolution gewidmet haben. Mit gesenkten Köpfen und ernsten Mienen schauen sie auf die Bühne, auf der sich das Rednerpult befindet. Sie tragen die Zeichen ihres langen Kampfes, die sichtbaren und unsichtbaren Narben, die sie in Zuchthäusern, im Exil oder im Untergrund erlitten haben.

Die Veranstaltung beginnt mit der vertrauten Melodie eines revolutionären Liedes. Die Stimmen der Veteranen vereinen sich in einem letzten gemeinsamen Gesang – vielleicht zum letzten Mal besingen sie die Ideale, die sie einst vorangetrieben haben. Ein Leben, das im Zeichen der internationalen Arbeiterbewegung stand, steht symbolisch auf dieser Bühne. Diese Männer und Frauen, viele von ihnen älter und gebrechlich, haben die schwersten Prüfungen überstanden, um ihre Ideale zu verteidigen. Sie haben in Konzentrationslagern gelitten, im Exil ums Überleben gekämpft und gegen eine scheinbar übermächtige Unterdrückung ihren Widerstand organisiert. Die Geschichte dieser Menschen ist eine Geschichte des Mutes, der Entschlossenheit und der Hingabe.

Heute aber ist der Anlass, der sie zusammengeführt hat, nicht nur von Erinnerung geprägt. Vielmehr geht es auch um die gegenwärtige Lage der Deutschen Demokratischen Republik, um die Herausforderungen, denen sich die Arbeiterklasse und die Führung des Staates stellen müssen. Die DDR steht unter Druck – sowohl von außen als auch von innen. Der Gedanke, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Glaube herrscht, die DDR sei durch einen umfassenden Angriff zu destabilisieren, ist ein zentrales Thema der Rede, die heute gehalten wird. In den Fluren des Zentralkomitees wird gemunkelt, dass die westlichen Medien über das Ende der DDR spekulieren. Doch in diesem Saal herrscht ein anderer Ton. Hier versammeln sich die Veteranen der Arbeiterbewegung, um Mut zu fassen und sich gegenseitig daran zu erinnern, dass ihre Überzeugungen und Ideale auch in schwierigen Zeiten unerschütterlich sind.

Als die Lieder verstummen und die Versammlung zur Ruhe kommt, erhebt sich der erste Redner. Es ist der Bezirkssekretär, ein Mann von kräftiger Statur und mit einer klaren, fest entschlossenen Stimme. Er steht stellvertretend für eine Generation von Menschen, die das Fundament der DDR gelegt haben. Seine Worte zielen nicht nur auf die Vergangenheit ab, sondern auch auf die Zukunft – eine Zukunft, die ungewiss ist, aber dennoch in den Händen der Arbeiterklasse liegt.

„Liebe Genossen“, beginnt er, seine Stimme hallt durch den Saal. „Wir stehen an einem Wendepunkt. Die Angriffe auf unsere Republik sind real, und es gibt Kräfte, die glauben, uns zu schwächen und unsere Errungenschaften zu zerstören.“ Ein Raunen geht durch den Raum. Die meisten Anwesenden wissen, dass die politischen Spannungen sich zuspitzen, doch die Klarheit in den Worten des Redners macht die Situation noch greifbarer.

„Doch lassen wir uns nicht täuschen! Unsere Stärke liegt in unserer Einheit, in unserer Solidarität und in unserem unerschütterlichen Glauben an die Sache der Arbeiterklasse. Wir haben Schlimmeres überstanden und sind heute noch hier. Gemeinsam haben wir gekämpft, und gemeinsam werden wir auch diese Herausforderung meistern.“

Die Augen der Veteranen sind auf ihn gerichtet, ihre Gesichter ernst und konzentriert. Diese Worte wecken Erinnerungen an die Zeiten des Widerstands, als der Kampf gegen den Faschismus und die kapitalistische Unterdrückung das Leben dieser Menschen prägte. Sie haben schon so viel geopfert, und dennoch spüren sie, dass der Kampf noch nicht vorbei ist. In ihren Herzen brennt immer noch die Flamme der Revolution.

„Wir dürfen nicht vergessen“, fährt der Bezirkssekretär fort, „dass die Weltrevolution nicht gestorben ist. Die Ideale, für die wir unser Leben riskiert haben, sind lebendig. Sie leben in jedem Arbeiter, in jeder Genossin, die weiterhin an unsere Sache glaubt. Die Welt verändert sich, aber unser Ziel bleibt das gleiche: die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung.“

Die Veteranen nicken zustimmend. Sie wissen, dass sie in dieser Sache nicht allein sind. Viele von ihnen haben die Revolution in verschiedenen Teilen der Welt unterstützt, haben Solidarität mit den Kämpfen anderer Arbeiterbewegungen gezeigt. Der Internationale Kampfgeist war stets eine treibende Kraft für sie, und auch heute wird er in ihren Herzen lebendig gehalten.

„Die Bundesrepublik mag glauben, dass sie uns besiegen kann“, ruft der Redner, „aber sie unterschätzt unsere Entschlossenheit. Die Arbeiterklasse der DDR ist stark, und sie wird nicht zulassen, dass unsere Republik von den Mächten des Kapitalismus zerschlagen wird. Wir haben Widerstand geleistet, und wir werden es wieder tun, wenn es nötig ist!“

Ein kräftiger Applaus bricht aus. Die Veteranen, viele von ihnen gezeichnet von den Jahren des Kampfes, klatschen in die Hände und rufen unterstützend. Diese Menschen haben den schlimmsten Sturm überstanden, sie haben den Nationalsozialismus besiegt und den Wiederaufbau ihres Landes miterlebt. Jetzt sehen sie sich erneut einer Bedrohung gegenüber, aber sie sind bereit, sich ihr zu stellen.

Der Bezirkssekretär beendet seine Rede mit einem letzten Appell an die Versammelten: „Genossen, wir haben die Pflicht, das Vermächtnis der Revolution zu bewahren. Es liegt an uns, die Werte der Arbeiterbewegung an die kommenden Generationen weiterzugeben. Lasst uns gemeinsam die Zukunft der DDR sichern!“

Mit diesen Worten verlässt der Redner das Podium, und die Versammlung bricht in Gespräche und Diskussionen aus. Die Veteranen der Arbeiterbewegung, gestärkt durch die Worte des Bezirkssekretärs, diskutieren über die nächsten Schritte, über ihre Verantwortung und die Herausforderungen, die vor ihnen liegen. Auch wenn sie sich ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst sind, wissen sie, dass ihre Ideale weiterleben werden – in den kommenden Generationen, die den Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit fortsetzen.

Im Festsaal des Zentralkomitees wird an diesem Tag nicht nur die Vergangenheit gefeiert, sondern auch die Zukunft vorbereitet. Die Veteranen wissen, dass ihr Kampf noch nicht vorbei ist, und sie sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, damit die Ideale der Revolution weiterleben.

Faszination Wissenschaft: Jena öffnet seine Labore und Forschungseinrichtungen

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Einblicke in die Angebote der Langen Nacht der Wissenschaften Jena 2024

Die Lange Nacht der Wissenschaften in Jena ist ein wissenschaftliches Großereignis, das alle zwei Jahre zahlreiche Besucher anzieht und die Stadt in eine Bühne für Forschung und Innovation verwandelt. Im November, wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden, entfaltet sich in Jena eine lebendige Atmosphäre, die zum Erkunden und Staunen einlädt. Das Event richtet sich an alle – von kleinen Nachwuchsforschern über Wissenschaftsfans bis hin zu neugierigen Nachtschwärmern. Dabei haben Besucher die einzigartige Möglichkeit, in eine faszinierende Welt der Forschung einzutauchen und dabei direkt von den ExpertInnen zu lernen.

Ein Event für alle Sinne
Die Lange Nacht der Wissenschaften erstreckt sich über vier Stadtgebiete, die in Jena zu wahren Erlebnisstätten werden. Hier treffen Wissenschaft, Forschung und Technologie auf ein breites Publikum. In Laboren, Vorlesungssälen und auf öffentlichen Plätzen wird Wissenschaft lebendig gemacht, und das in einem abwechslungsreichen Programm. Das Spektrum reicht von spannenden Vorträgen und Mitmachaktionen bis hin zu Vorführungen und Experimenten, die Wissenschaft verständlich und hautnah erlebbar machen.

Das diesjährige Motto lautet “Göschwitz ans Licht”. Insgesamt 14 Unternehmen und Institute aus den Gewerbegebieten Göschwitz und Jena21 gestalten die Eröffnungsveranstaltung und laden ab 17 Uhr zur offiziellen Auftaktveranstaltung ein. Dabei sind renommierte Firmen wie Jena Optronik, Wacker Biotech und Zeiss vertreten, die durch ihre innovativen Entwicklungen und Technologien schon längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind.

Jena Optronik: Die Welt der Raumfahrt
Als eines der führenden Unternehmen im Bereich der Raumfahrt ist Jena Optronik auch dieses Jahr wieder ein Highlight der Veranstaltung. Die Firma gewährt Einblicke in die Entwicklung und Fertigung ihrer Produkte und bietet Live-Vorführungen sowie spannende Vorträge an. Besonders beeindruckend ist die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden: An verschiedenen Stationen können die Besucher Experimente durchführen und dabei die Faszination Raumfahrt hautnah erleben.

Ein besonderes Highlight dieses Jahr ist das mobile Planetarium im Innenhof von Jena Optronik. Hier können Besucher den Sternenhimmel erkunden und in die unendlichen Weiten des Weltalls eintauchen. Die Spacebar, die kreative Cocktails rund um das Thema Raumfahrt serviert, sorgt für das leibliche Wohl der Gäste und macht den Besuch zu einem besonderen Erlebnis.

Wacker Biotech: Hightech aus der Biopharmazie
Ein weiteres Unternehmen, das an der Langen Nacht der Wissenschaften teilnimmt, ist Wacker Biotech. Als Tochterunternehmen der Wacker Chemie AG produziert es biopharmazeutische Wirkstoffe, die weltweit Menschen helfen. Besonders interessant ist der Einblick in die Prozesse, die zur Herstellung dieser Wirkstoffe führen. E. coli-Bakterien spielen dabei eine zentrale Rolle – kleine Organismen, die in unseren Körpern vorkommen und in der Biotechnologie zur Produktion von Medikamenten genutzt werden.

Neben der wissenschaftlichen Tiefe wird auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Wacker Biotech hat viele kleine Experimente vorbereitet, die den Besuchern das Thema Biotechnologie näherbringen sollen und sicherlich den einen oder anderen “Aha-Moment” hervorrufen werden. Besonders für Kinder und Jugendliche bietet sich hier die Gelegenheit, mitzumachen und spielerisch die Welt der Biowissenschaften zu entdecken.

Zeiss: Optik und Mikroskopie
Natürlich darf auch Zeiss, ein global führendes Unternehmen im Bereich der Optik und Optoelektronik, bei der Langen Nacht der Wissenschaften nicht fehlen. Zeiss präsentiert in der Mensa des Studierendenwerks an der Karl-Zeiss-Promenade eine Vielzahl von Attraktionen und Aktivitäten. Im Fokus stehen dabei die Mikroskopie, Halbleitertechnologie, künstliche Intelligenz und Spektroskopie.

Besonders interessant sind die neuen Entwicklungen im Bereich der Phasenmikroskopie, die Zeiss vorstellen wird. Dabei handelt es sich um eine Technik, die es ermöglicht, Objekte zu beobachten, die unter normalen Bedingungen unsichtbar wären. Für die Besucher gibt es die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen und einige der hochmodernen Mikroskope von Zeiss zu testen.

Ein weiteres Highlight ist das firmeneigene Planetarium, in dem die Besucher durch die Weiten des Weltalls reisen und die neuesten Fortschritte in der Projektionstechnik von Zeiss erleben können. Die Sternenshow ist nicht nur für Astronomie-Fans ein Erlebnis, sondern auch für alle, die sich für moderne Projektionstechnologien und die Erforschung des Universums interessieren.

Wissenschaft für Jung und Alt
Neben den großen Unternehmen, die sich an der Langen Nacht der Wissenschaften beteiligen, bieten auch zahlreiche Institute und Forschungseinrichtungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein spannendes Programm. Besonders für Kinder und Jugendliche gibt es viele Workshops und Mitmachaktionen, bei denen sie selbst zu kleinen Forschern werden können. Ob beim Bau eines eigenen Roboters, bei chemischen Experimenten oder beim Testen von Virtual-Reality-Brillen – die Vielfalt der Angebote ist groß und für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Ein wichtiger Aspekt der Langen Nacht der Wissenschaften ist es, Wissenschaft zugänglich zu machen. Viele der Themen, die während der Veranstaltung behandelt werden, mögen auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, doch durch die interaktiven Formate werden sie verständlich und greifbar gemacht. Dies ist auch eine hervorragende Gelegenheit, jungen Menschen die faszinierende Welt der Wissenschaften näherzubringen und sie vielleicht für eine Karriere in Forschung und Entwicklung zu begeistern.

Ein Erlebnis für die ganze Stadt
Die Lange Nacht der Wissenschaften in Jena ist nicht nur eine Veranstaltung für Wissenschaftsinteressierte, sondern ein echtes Stadtereignis, das die Bewohner von Jena und Gäste aus der Umgebung zusammenbringt. Die Atmosphäre ist einzigartig: Eine Mischung aus Neugier, Entdeckerlust und Wissensdurst liegt in der Luft, und die Stadt erstrahlt in einem besonderen Licht.

Mit über 14 Unternehmen und Instituten, die an der Veranstaltung teilnehmen, und einer Vielzahl von Programmpunkten ist die Lange Nacht der Wissenschaften ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Wissenschaft und Gesellschaft miteinander in Verbindung treten können. Es ist eine Nacht, in der jeder die Möglichkeit hat, tief in die Welt der Wissenschaften einzutauchen und dabei zu erleben, wie spannend und vielfältig Forschung sein kann.

Die Lange Nacht der Wissenschaften in Jena ist ein einzigartiges Event, das Wissenschaft auf spannende und interaktive Weise erlebbar macht. Unternehmen wie Jena Optronik, Wacker Biotech und Zeiss bieten faszinierende Einblicke in ihre Arbeit und laden Besucher dazu ein, selbst zu experimentieren und die Welt der Wissenschaften aus nächster Nähe zu entdecken. Ein Event, das nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Spaß macht und zum Mitmachen animiert – für Jung und Alt gleichermaßen.

Ob mit einem Blick in die Sterne im mobilen Planetarium, einem selbst durchgeführten Experiment oder einfach dem Staunen über die Errungenschaften der Wissenschaft – die Lange Nacht der Wissenschaften bietet für jeden etwas. Am 17. November wird Jena wieder einmal zur leuchtenden Wissenschaftsstadt und lädt alle Neugierigen ein, Teil dieser faszinierenden Nacht zu werden.

Sport, Stimme, Legende: Das Leben von Heinz-Florian Oertel

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Nachruf Heinz-Florian Oertel

Heinz-Florian Oertel (geboren am 11. Dezember 1927 in Cottbus; gestorben am 27. März 2023 in Berlin) war zweifellos eine herausragende Persönlichkeit der DDR-Medienlandschaft. Er prägte als Sportreporter, Moderator und Autor Generationen von Menschen und wurde für seine markante Stimme und seinen einzigartigen Stil berühmt. Durch seine Tätigkeit als Kommentator der Friedensfahrt, einer jährlich stattfindenden Radrundfahrt der sozialistischen Länder, avancierte er zu einem der bekanntesten Reporter in der DDR. Neben seiner Rolle als Reporter führte er auch unterhaltsame Schlagersendungen, schrieb Bücher und widmete sich später opulenten Stadtporträts sowie seinem eigenen Talk-Format „Porträt-per-Telefon“.

Heinz-Florian Oertel schaffte es, sich in einem Land, das stark durch staatliche Vorgaben reglementiert war, eine Sonderstellung zu erarbeiten. Anders als viele seiner Kollegen wählte er sich die sportlichen Höhepunkte, die er kommentierte, oft selbst aus, was seine Autonomie und seinen Status in der DDR unterstrich. Die Sportwelt war sein Zuhause, und er war nicht nur ein einfacher Berichterstatter, sondern formte das Bild des DDR-Sports durch seine Stimme und seine Erzählweise maßgeblich mit.

Die Friedensfahrt: Oertels Durchbruch zum Superstar
Die Friedensfahrt, die ab 1948 regelmäßig stattfand und als „Tour de France des Ostens“ galt, war Oertels erste große Bühne. Mit seiner lebendigen und emotionalen Berichterstattung begeisterte er Millionen von DDR-Bürgern, die die Etappen gespannt am Radio oder später im Fernsehen verfolgten. Oertel verstand es wie kein anderer, die Spannung der Rennen in Worte zu fassen und die Erfolge der DDR-Sportler mit seiner charismatischen Stimme unvergesslich zu machen. Dabei war er immer mehr als ein neutraler Kommentator. Seine tiefe Verbundenheit mit dem Sport und den Sportlern der DDR ließ ihn die Ereignisse mit Herz und Hingabe schildern. So wurde er zum „Stimmengeber“ des DDR-Sports.

„Liebe Zuschauer zu Hause, das ist ein einmaliger Triumph!“ – solche Sätze prägten Oertels Kommentatorstil. Er verstand es, die Emotionen der Menschen im Land aufzugreifen und sie durch seine Wortwahl zu verstärken. Besonders der Erfolg von Waldemar Cierpinski bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976, als er sensationell die Goldmedaille im Marathonlauf gewann, blieb vielen Zuschauern unvergessen. Oertel, der selbst von diesem Erfolg überrascht war, machte Cierpinski mit seiner Berichterstattung endgültig zur Legende.

Der Aufstieg zum „Fernsehliebling“
Nicht nur im Sportbereich, sondern auch als Moderator von Unterhaltungssendungen erreichte Heinz-Florian Oertel eine breite Beliebtheit. Mit seiner schlagfertigen und humorvollen Art führte er durch verschiedene Formate und wurde zu einem festen Bestandteil der DDR-Fernsehlandschaft. Zwischen 1963 und 1988 wurde er 17 Mal in Folge zum „Fernsehliebling“ der DDR gewählt – eine außergewöhnliche Auszeichnung, die seinen Status als Superstar des DDR-Fernsehens untermauerte. Oertel war dabei nicht nur der Vermittler von sportlichen Erfolgen, sondern auch eine Art moralische Instanz für viele DDR-Bürger, die sich an seinem Optimismus und seiner Lebensfreude orientierten.

Wandel und Herausforderungen nach der Wende
Mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung 1989 veränderte sich auch die Medienlandschaft radikal. Heinz-Florian Oertel, der bis dahin fest in der DDR verankert war, fand sich in einem neuen Deutschland wieder, in dem seine Rolle als Reporter infrage gestellt wurde. Während er in der DDR als Stimme des Sports gefeiert wurde, musste er nach der Wende feststellen, dass in der Bundesrepublik für ihn und seine Art der Berichterstattung wenig Platz war. Die politische Wende brachte auch für ihn persönliche Herausforderungen mit sich.

In der neuen deutschen Medienlandschaft war seine Nähe zur DDR und zu deren Sportpolitik plötzlich ein Stigma. Die Erfolge von DDR-Sportlern, die er so oft gefeiert hatte, wurden nun in einem neuen Licht betrachtet, auch aufgrund der Doping-Vorwürfe, die die DDR-Sportpolitik belasteten. Oertel selbst betonte stets, dass er nichts von den Dopingpraktiken gewusst habe und sein Fokus immer auf dem sportlichen Erfolg und der Freude am Sport gelegen habe. Dennoch war die Stimmung im vereinigten Deutschland gegenüber vielen ehemaligen DDR-Persönlichkeiten kritisch, und so musste auch Oertel sich aus dem Rampenlicht zurückziehen.

Bücher und gesellschaftliche Beiträge
Trotz der politischen Veränderungen blieb Oertel jedoch aktiv und engagierte sich weiterhin im gesellschaftlichen Diskurs. In mehreren Büchern setzte er sich kritisch mit den Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland auseinander und bot seinen Lesern zugleich Lebenshilfe und Orientierung. Dabei behandelte er nicht nur den Sport, sondern auch gesellschaftliche Themen, wie die Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland, die er aus seiner Perspektive als Zeitzeuge kommentierte.

In seinen späteren Jahren veröffentlichte er zudem mehrere Schriften zum Thema Fußball und kritisierte offen die Kommerzialisierung des Sports. Oertel war ein Verfechter des „ehrlichen Sports“, und es fiel ihm schwer, sich mit der neuen Realität des Profi-Fußballs abzufinden, in der Millionengagen und Marketingstrategien im Vordergrund standen. „Mir würde es schwerfallen, für einen 20-jährigen Fußballmillionär Bravo zu rufen“, äußerte er in einem Interview und verdeutlichte damit seine Abneigung gegenüber der Entwicklung des Sports in den 1990er-Jahren.

Sein Erbe: Eine unvergessliche Stimme
Als Heinz-Florian Oertel am 27. März 2023 im Alter von 95 Jahren in Berlin verstarb, hinterließ er eine bedeutende Lücke in der deutschen Medienlandschaft. Viele DDR-Bürger erinnern sich bis heute an seine emotionalen Sportreportagen und an seine Stimme, die ihnen große Momente des Sports und der Freude vermittelt hat. Oertel war mehr als nur ein Reporter – er war eine Identifikationsfigur für Millionen Menschen und eine Brücke zwischen dem Sport und dem Alltag der DDR-Bürger.

Sein Erbe lebt in den Erinnerungen derer weiter, die seine Reportagen hörten, seine Bücher lasen und sich von seiner positiven Lebenshaltung inspirieren ließen. Auch wenn die Zeiten sich geändert haben, bleibt Heinz-Florian Oertel ein Symbol für eine Ära, in der Sport nicht nur Wettkampf, sondern auch ein Mittel zur Völkerverständigung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt war.

Oertel hat es geschafft, seine Begeisterung für den Sport mit den Menschen zu teilen und ihnen dadurch Momente der Freude und des Stolzes zu schenken. Trotz der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen bleibt er unvergessen – als eine der prägenden Stimmen der DDR und als ein Mann, der es verstand, die Kraft des Sports in Worte zu fassen.

Ein Abend für Heinz-Florian Oertel

Der Polytechnische Unterricht in der DDR: Praxisnahes Lernen für die Arbeitswelt

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Polytechnischer Unterricht in der DDR - Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsleben (1967)

In der DDR spielte die Polytechnische Ausbildung eine zentrale Rolle in der Schulausbildung und stellte sicher, dass Schülerinnen und Schüler ab der siebten Klasse praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt sammelten. Ein Tag in der Woche war dem sogenannten polytechnischen Unterricht gewidmet, der überwiegend in Betrieben durchgeführt wurde. Dieser Unterricht diente dazu, die Schüler auf das Arbeitsleben vorzubereiten, sie mit modernen Arbeitsmethoden vertraut zu machen und ihnen erste berufliche Fertigkeiten zu vermitteln.

In vielen Betrieben waren die Arbeitsbedingungen für diese Art von Unterricht jedoch nicht ideal. Einige Betriebe, wie zum Beispiel ein Waschgerätewerk, das eine eigene Schüler-Produktionsabteilung hatte, boten den Schülern jedoch optimale Lernmöglichkeiten. Die Schüler lernten in diesen Produktionsabteilungen verschiedene handwerkliche Fähigkeiten wie Schleifen, Bohren, Gewindeschneiden oder das Herstellen von Schraubverbindungen. Ziel war es, die Schüler mit modernen Produktionsmethoden vertraut zu machen und ihnen zu zeigen, wie ein Produktionsprozess im Kollektiv abläuft.

Der polytechnische Unterricht diente nicht nur der Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten, sondern sollte auch den Schülern die Bedeutung des Kollektivs verdeutlichen. Jeder Schüler hatte im Produktionsprozess eine bestimmte Aufgabe, die er zu erfüllen hatte. Erst wenn alle Schüler ihre Aufgaben erledigt hatten, war der gesamte Produktionsprozess abgeschlossen. Dies sollte das Gemeinschaftsgefühl und die Zusammenarbeit unter den Schülern stärken.

Ab dem neunten Schuljahr wurde der polytechnische Unterricht zur beruflichen Grundausbildung. Dabei sollten die Schüler moderne Arbeitsmethoden erleben, und die Arbeit am Fließband unterstrich die Bedeutung des Kollektivs. Jeder Schüler hatte bestimmte Bauelemente zu montieren, und sobald eine Tätigkeit abgeschlossen war, waren auch die anderen Schüler mit ihrer Arbeit fertig, sodass der gesamte Prozess voranschreiten konnte. Der Unterricht im Kombinat – einem staatlichen Produktionsbetrieb – war eng mit dem theoretischen Unterricht verknüpft. So konnte der Schüler beispielsweise seine Kenntnisse in Elektrotechnik, die er im Physikunterricht erworben hatte, in der Praxis anwenden.

Ein typischer Arbeitsablauf in einem solchen Kombinat könnte wie folgt aussehen: Die Schüler arbeiten zwölf bis dreizehn Wochen lang in einem Betrieb und durchlaufen dabei verschiedene Arbeitsstationen. An jeder Station lernen sie eine andere Fähigkeit, die für den gesamten Produktionsprozess wichtig ist. Die Arbeitsplätze werden so ausgewählt, dass die Schüler den gesamten Produktionsablauf überblicken können. Rund 400 Schüler kamen täglich mit Bussen aus der Umgebung in diese Produktionsstätten, um dort von Facharbeitern und Meistern unterrichtet zu werden.

Ein typischer Auftrag für die Schüler der siebten Klasse war das Trennen und Zerspanen von Metall. Diese Arbeit war relativ einfach und stellte keine allzu hohen Anforderungen an die praktischen Fähigkeiten der Schüler. Dennoch war dies ein erster Schritt, um die Grundlagen der modernen Produktion zu erlernen. Während westliche Pädagogen der Meinung waren, dass solche Tätigkeiten für Schüler dieses Alters verfrüht seien, war die DDR überzeugt, dass diese frühe berufliche Bildung den Schülern wertvolle praktische Kenntnisse vermittelte.

Im zehnten Schuljahr sollten die Schüler in der Lage sein, drei verschiedene Maschinen sicher zu beherrschen. Dazu gehörten unter anderem die Bohrmaschine, die Drehmaschine und je nach Ausbildungsrichtung eine Fräsmaschine oder eine Hobelmaschine. Schüler wie Jürgen und Erika lernten, diese Maschinen zu bedienen und ihre Fertigkeiten weiter zu verbessern. Jürgen arbeitete an der Bohrmaschine, eine Tätigkeit, die er bereits im siebten Schuljahr erlernt hatte, während Erika ein Werkstück nach einer technischen Zeichnung spannte.

Erikas Ausbildung stand dabei symbolisch für die Bemühungen der DDR, die völlige Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsleben schon in der Schule vorzubereiten. Interessanterweise zeigten in der DDR relativ mehr Mädchen als im Westen Interesse an technischen Berufen. Dennoch war auch in der DDR das Interesse an traditionell weiblichen Berufen nach wie vor größer als an technischen Berufen.

Die Polytechnische Ausbildung der DDR war Teil einer größeren ideologischen Ausrichtung, die das Ziel hatte, die Schüler möglichst früh auf ein kollektives Arbeitsleben vorzubereiten. Es ging dabei nicht nur darum, den Schülern technische Fertigkeiten zu vermitteln, sondern auch eine bestimmte Arbeitsmoral und Einstellung zu fördern. Die Tätigkeit in einem Produktionsbetrieb war ein wichtiger Teil dieser Erziehung. Dabei sollte der Unterricht stets theoretisches Wissen mit praktischer Erfahrung verbinden, um die Schüler bestmöglich auf das spätere Berufsleben vorzubereiten.

Doch auch wenn diese Art der Ausbildung aus Sicht der DDR-Führung effektiv erschien, wurde sie von westlichen Pädagogen und Kritikern oft hinterfragt. Der polytechnische Unterricht war Teil des staatlichen Systems und stand im Kontext einer zentralisierten Planwirtschaft, in der die Jugendlichen als Arbeitskräfte für die Volkswirtschaft ausgebildet wurden. Dabei war die individuelle Entwicklung der Schüler nicht immer im Fokus, sondern vielmehr deren Integration in das System der sozialistischen Gesellschaft.

Für die Schüler selbst stellte der polytechnische Unterricht jedoch oft eine Möglichkeit dar, ihre praktischen Fähigkeiten zu erproben und erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. Die Arbeitsmethoden und Techniken, die sie im Betrieb erlernten, konnten sie später in ihrem Beruf anwenden. Auch die enge Verbindung von theoretischem und praktischem Wissen war für viele Schüler eine wertvolle Vorbereitung auf das spätere Arbeitsleben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der polytechnische Unterricht in der DDR ein zentrales Element der Schulausbildung war, das darauf abzielte, die Schüler möglichst früh auf das Arbeitsleben vorzubereiten und sie in die sozialistische Produktionsweise einzuführen. Trotz der Kritik von außen war dieses System fest in der Ideologie des Staates verankert und wurde als wichtige Voraussetzung für die Schaffung einer kollektiven und arbeitsfähigen Gesellschaft angesehen.

Ein Gespräch über die Deutsche Einheit und den Graben zwischen Ost und West

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Helga & Marianne - Tag der deutschen "Einheit" 😡🫸🇩🇪

„Bist du da, Helga?“ – „Ja, was ist los?“ Mit diesen Worten beginnt ein humorvolles, aber auch tiefgründiges Gespräch zwischen Helga und ihrer Freundin Morianne. Der Anlass? Der Tag der Deutschen Einheit. Doch statt Feierlichkeiten und guter Laune herrscht bei den beiden Frauen eher eine gespaltene Meinung darüber, was dieser Tag bedeutet und ob er wirklich ein Grund zum Feiern ist.

Morianne beginnt fröhlich: „Einen schönen Tag der Deutschen Einheit!“ Helga reagiert skeptisch: „Findest du wirklich, dass das ein Tag zum Feiern ist? Ich finde, das sollte eher ein Trauertag sein.“ Für Helga ist die Wiedervereinigung Deutschlands kein Anlass zur Freude, vielmehr ist sie der Meinung, dass Ost- und Westdeutschland bis heute nicht wirklich zusammengewachsen sind.

Ost- und Westdeutschland: Zwei Welten, die noch immer getrennt sind?

Die Diskussion dreht sich schnell um die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Kulturen der Menschen in Ost- und Westdeutschland. Helga hat dabei eine klare Meinung: „Die Ost- und Westdeutschen, das sind doch zwei ganz unterschiedliche Kulturen.“ Sie glaubt, dass die Ostdeutschen auch heute noch nicht vollständig in das gesamtdeutsche Gesellschaftsbild integriert sind.

Morianne, die sich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben scheint, fragt: „Warst du denn schon mal in Ostdeutschland?“ Helga antwortet halbherzig, dass sie 1997 in Berlin gewesen sei, um sich an der Hüfte operieren zu lassen, doch das zählt in ihrer Vorstellung nicht als „richtige“ Begegnung mit dem Osten. Morianne versucht, sie davon zu überzeugen, dass der Osten Deutschlands viele schöne Ecken habe, wie die Altstadt von Dresden, Erfurt oder Eisenach. Helga bleibt unbeeindruckt: „Das Schönste am Osten ist, wenn du wieder zurück in den Westen fahren kannst.“

Die Unzufriedenheit der Ostdeutschen: Nur „Meckerei“ oder berechtigter Frust?

Ein weiteres Thema, das die beiden Freundinnen beschäftigt, ist die wahrgenommene Unzufriedenheit der Ostdeutschen. Helga zeigt wenig Verständnis für die Frustrationen der Menschen, die nach der Wende nicht den erhofften Aufschwung erlebten. „Die sind doch immer nur am Meckern!“, sagt sie. Morianne kontert mit einer Erklärung: „Vielleicht solltest du da mal eine Zeitlang leben und sehen, dass du für die gleiche Arbeit im Osten weniger Geld bekommst als im Westen.“

Die ökonomischen Unterschiede zwischen Ost und West sind ein zentrales Thema in ihrer Diskussion. Helga spricht in Stereotypen über die „meckernden Ossis“, während Morianne versucht, die Situation differenzierter zu betrachten. Sie weist darauf hin, dass die Menschen im Osten 40 Jahre lang in einer Diktatur gelebt hätten, in der sie überwacht und in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt wurden. Dies habe tiefgreifende Spuren hinterlassen und sei einer der Gründe, warum viele Menschen dort bis heute skeptisch gegenüber dem Staat und politischen Veränderungen sind.

Arroganz und Missverständnisse zwischen Ost und West

Ein weiteres Problem, das Morianne anspricht, ist die westdeutsche Arroganz gegenüber den Ostdeutschen. Sie erinnert daran, dass viele Westdeutsche nach der Wiedervereinigung das Gefühl hatten, den „dummen Ossis“ die Welt erklären zu müssen. „Als die Mauer gefallen ist, haben die uns in den Supermärkten die Bananen weggeklaut“, sagt Helga. Morianne nutzt dies als Symbol für die Missverständnisse und die fehlende Empathie, die in den 1990er Jahren zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen herrschte.

Die Notwendigkeit von Empathie und Zuhören

Der Dialog zwischen Helga und Morianne endet mit einem Appell für mehr gegenseitiges Verständnis und Empathie. Morianne stellt fest, dass die Menschen in Deutschland sich wieder mehr aufeinander einlassen und einander zuhören sollten. „Wir müssen aufhören, immer zu verallgemeinern und in Extremen zu denken“, sagt sie. Für sie ist es entscheidend, dass Menschen lernen, andere Meinungen auszuhalten und Kompromisse einzugehen.

Morianne stellt klar, dass die Mauern, die die Ostdeutschen 1989 friedlich niedergerissen haben, nicht durch Vorurteile und Spaltung wieder errichtet werden dürfen. Sie plädiert für mehr Toleranz, sowohl zwischen Ost- und Westdeutschen als auch gegenüber unterschiedlichen politischen Meinungen und Lebensentwürfen. „Nur weil sich jemand wegen der Einwanderungspolitik Sorgen macht, ist er noch lange kein Nazi“, betont sie. Genauso wenig sei jemand ein „linksgrüner Vegetarier“, nur weil er eine humanitäre Haltung vertrete.

Fazit: Ein Dialog, der zum Nachdenken anregt

Das Gespräch zwischen Helga und Morianne ist eine Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit. Während Helga mit ihren Vorurteilen und ihrer teils sarkastischen Art eher die stereotype Sichtweise vieler Westdeutscher vertritt, bringt Morianne einen differenzierten Blick auf die Wiedervereinigung und die bestehenden Probleme zwischen Ost und West ein. Ihre Forderung nach mehr Empathie und gegenseitigem Verständnis ist aktueller denn je.

Zum Schluss wünscht Morianne Helga einen „fröhlichen Tag der Wiedervereinigung“ und betont die Bedeutung von „mehr Liebe, mehr Empathie und mehr Bananen“ für die Zukunft des Landes. Helga verabschiedet sich mit einem ironischen Kommentar: „Mehr Bananen!“

Das Gespräch der beiden Frauen zeigt auf, wie tief die Spaltung zwischen Ost und West auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch ist. Doch es gibt auch Hoffnung: Wenn sich die Menschen mehr aufeinander einlassen und bereit sind, voneinander zu lernen, könnte der Graben zwischen Ost und West allmählich überwunden werden.