Thüringer FDP-Basis wendet sich gegen Kemmerich & Co und fordert Rücktritt

Nach der verheerenden Niederlage bei der Landtagswahl in Thüringen sehen sich Mitglieder der FDP-Basis erstmals mit ernsthaften Forderungen nach Rücktritten innerhalb der Partei konfrontiert. Der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich steht dabei im Zentrum der Kritik, da die Partei am Sonntag lediglich 1,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte und somit den Einzug in den Landtag verpasst hat. Diese enttäuschenden Wahlergebnisse haben zu einer innerparteilichen Krise geführt, bei der insbesondere die Basis der FDP lautstark gegen die aktuelle Führung aufbegehrt.

Eine prominente Gruppe innerhalb der Partei, die sich als „Gruppe Freier Demokraten aus Erfurt-Süd“ bezeichnet, fordert öffentlich den Rücktritt von Thomas Kemmerich. Zusätzlich sollen auch der Landesgeschäftsführer Tim Wagner sowie der gesamte Landesvorstand ihre Ämter niederlegen. Marc Frings aus Erfurt, der Sprecher dieser Gruppe, äußerte in einem offenen Brief scharfe Kritik an der strategischen Ausrichtung des Wahlkampfes. Er wirft Kemmerich und seinen Mitstreitern vor, einen personenzentrierten Wahlkampf geführt zu haben, der maßgeblich zur Niederlage der FDP beigetragen habe. Frings argumentiert, dass die übermäßige Fokussierung auf Kemmerichs persönliche Darstellung die Partei geschwächt und von ihren eigentlichen politischen Zielen abgelenkt habe.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Geschichte von Kemmerichs gescheiterter Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten im Februar 2020. Damals wurde er kurzfristig mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt, konnte jedoch keine stabile Regierung bilden, was das Vertrauen in seine Führung weiter untergrub. Mike Wündsch, ehemaliger Landesgeschäftsführer der Thüringer FDP, ergänzt diese Kritik und betont, dass diese öffentlichen Pannen die Partei nachhaltig geschädigt haben. Die mangelnde Unterstützung der Bundespartei und die starke Fokussierung auf Kemmerich während des Wahlkampfes werden als Hauptursachen für das enttäuschende Wahlergebnis identifiziert.

Dorothee von Hoff, eine Unternehmerin und Mitglied des Kreisverbands Erfurt, bemängelt ebenfalls die schwache Sichtbarkeit und den ineffektiven Auftritt der FDP während des Wahlkampfes. Sie weist darauf hin, dass die Partei bei der Europawahl im Mai zwar ebenfalls schlecht abgeschnitten habe, aber ohne intensive Kampagnenaktivitäten doch bessere Ergebnisse erzielt hätte. Dies unterstreicht die Problematik eines Wahlkampfes, der zu stark auf persönliche Effekte setzt und die strukturellen Schwächen der Partei offenlegt.

Ein weiterer Aspekt der Kritik betrifft den allgemeinen Bedeutungsverlust der FDP in Thüringen. Mike Wündsch konstatiert, dass in Thüringen kein organisierter Liberalismus mehr existiere und die Partei nur noch aus wenigen Ortsverbänden, einigen Stadträten und Kreistagsmitgliedern bestehe, die oftmals kaum mit der Parteiführung verbunden seien. Diese dezentrale und schwache Struktur habe die Fähigkeit der FDP, auf Landesebene effektiv zu agieren, erheblich eingeschränkt. Der Verlust an organisatorischer Stärke und die fehlende Präsenz in wichtigen politischen Gremien haben die Position der FDP in Thüringen erheblich geschwächt.

Thomas Kemmerich selbst hat sich nach der Wahl auf eine Erklärung konzentriert, in der er die Gründe für die herbe Niederlage an äußere Faktoren anführt. In einem Brief an die Mitglieder betont er die Ablehnung der Ampel-Koalition auf Bundesebene als Hauptursache für das schlechte Wahlergebnis der FDP. Zudem führt er „taktisches Wählen“ an, bei dem viele Thüringer ihre Stimmen gezielt auf andere Parteien, insbesondere die CDU, verlagert hätten, was zu einem erheblichen Stimmenverlust für die FDP geführt habe. Konkret geht er davon aus, dass rund 16.000 Stimmen, die ursprünglich der FDP zugedacht gewesen wären, zur CDU gewechselt sind.

Trotz der erheblichen Kritik innerhalb der Partei zeigt sich Kemmerich in seinem Schreiben zurückhaltend, wenn es um eine mögliche persönliche Verantwortung oder die Notwendigkeit eines Rücktritts geht. Dies hat bei vielen Mitgliedern und Unterstützern den Eindruck erweckt, dass der Parteiführer wenig Bereitschaft zeigt, die Führung abzugeben, um der Partei einen Neuanfang zu ermöglichen. Jens Panse, ein langjähriges Mitglied der Erfurter FDP, erinnert sich an den Rücktritt von Uwe Barth im Jahr 2014 nach einer ähnlichen Wahlkatastrophe und unterstützt ebenfalls die Forderung nach einem Führungswechsel unter Kemmerich.

Mit Blick auf den kommenden Landesparteitag im Oktober, der in Ilmenau stattfinden soll, sind viele Mitglieder und Kritiker der FDP in Thüringen skeptisch, ob ein Neuanfang unter der aktuellen Führung gelingen wird. Die Stimmen der Basis zeigen deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um das Vertrauen in die Partei wiederherzustellen und zukünftige Wahlerfolge zu sichern. Die Forderungen nach Rücktritten von Schlüsselpersonen der Partei deuten darauf hin, dass ohne tiefgreifende Veränderungen die Thüringer FDP weiterhin mit internen Spannungen und einem schwachen Wahlergebnis konfrontiert sein wird. Der bevorstehende Parteitag könnte entscheidend dafür sein, ob die FDP in Thüringen ihre Struktur und Führungsriege reformiert, um sich für kommende Wahlen neu zu positionieren und die verlorene Unterstützung der Wähler zurückzugewinnen.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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