Schwerin ringt um Lenin-Statue – Letztes Denkmal im früheren Ostblock

Im Schweriner Stadtteil Großer Dresch an der Hamburger Allee steht seit 1985 eine 3,50 Meter hohe Bronzestatue Wladimir Iljitsch Lenins. Fast vier Jahrzehnte nach ihrer Enthüllung bestimmt sie erneut die Debatte über Erinnerungskultur und Umgang mit DDR-Vergangenheit.

Seit 1989 unaufhörlicher Widerstand
Der CDU-Stadtvertreter Georg‑Christian Riedel hat sich bereits kurz nach dem Fall der Mauer dem Kampf gegen das Denkmal verschrieben. Bei einem Termin vor Ort am 26. März 2025 erklärte Riedel: „Na, der hat hier nichts zu suchen. Lenin war Diktator, verantwortlich für Millionen Tote.“ Riedel beruft sich nicht nur auf Lenins Rolle als Wegbereiter stalinistischer Gewalt und theoretische Vorlage für späteren Staatsterrorismus – er verweist auch auf ganz persönliche Erfahrungen seiner Familie mit Repression und Enteignung in der Sowjetzone.

Seine Großeltern besaßen in der Nähe von Grimmen einst 15 Hektar Ackerland, „und wurden dann ruckzuck enteignet – ohne jede Entschädigung“, berichtet Riedel. Auch seine Eltern seien nach 1945 politischem Druck ausgesetzt gewesen. „Andersdenkende wurden verfolgt, zum Teil mit dem Leben bedroht“, erinnert er an die Atmosphäre jener Jahre.

Schmale Mehrheit bremst Abriss-Bestrebungen
Trotz wiederholter Abstimmungen im Schweriner Stadtparlament blieb die Statue bislang unangetastet. Gleich nach der Wiedervereinigung gab es erste Vorstöße, die dann aber an den Mehrheitsverhältnissen scheiterten. Eine Einigung führte 1990 zur Anbringung einer Informationstafel, die jedoch nach kurzer Zeit wieder verschwand – bis Riedel 2018 durchsetzte, dass sie erneut angebracht wurde. Für ihn ist der aktuelle Text „nicht deutlich genug“, um auf Lenins Verantwortung für Enteignung und politisches Unrecht hinzuweisen.

Befürworter des Denkmals sehen genau hierin den Wert: Als „Zeitzeugnis der DDR-Geschichte“ regt die Statue ihrer Ansicht nach zur Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit an. Eine klare Mehrheit im Stadtrat für den Abriss konnte Riedel bislang jedoch nicht gewinnen.

Protestaktion 2014 und öffentliche Resonanz
Ein besonders sichtbares Signal setzten Kritiker 2014, als der Kopf der Statue symbolisch verhüllt wurde. Der Initiator, Alexander Bauersfeld – einst politischer Gefangener in der DDR – wollte damit an die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft erinnern. Die Aktion löste breite Debatten in lokalen Medien aus, hatte aber keinen dauerhaften Effekt auf die politische Mehrheit.

Letztes Lenin-Denkmal im früheren Ostblock
Das Schweriner Lenin-Denkmal ist heute das einzige seiner Art in einer ehemals sowjetisch beeinflussten Region Deutschlands. Während in Polen, Tschechien oder Ungarn in den frühen 1990er Jahren zahlreiche Lenin-Statuen weichen mussten, entschied sich Schwerin für den Erhalt. Die Kontroverse zeigt, wie unterschiedlich die Regionen mit ihrer sozialistischen Vergangenheit umgehen.

Museum statt Sockel?
Georg‑Christian Riedel spricht sich dafür aus, die Statue vom Sockel zu nehmen und wenn überhaupt in ein Museum zu überführen: „Die massive Bronze gehört ins Museum – mit Erläuterungen, die deutlich machen, was hier gefeiert wird und was nicht.“ Ein aktueller Antrag im Stadtrat zur Prüfung einer solchen Lösung soll in den kommenden Monaten diskutiert werden. Ob er diesmal eine Mehrheit findet, bleibt offen – die Debatte in Schwerin ist jedenfalls noch lange nicht beendet.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Anzeige
Beitrag finden? Einfach die Suche nutzen!
0
Would love your thoughts, please comment.x