Walter Ulbricht wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, geboren in eine Arbeiterfamilie, in der das harte Alltagsleben und die sozialen Ungerechtigkeiten schon früh spürbar waren. Obwohl er als fleißiger und talentierter Schüler galt, die Bedeutung von Bildung als Schlüssel zum persönlichen und gesellschaftlichen Fortschritt erkannte, wurde seine Jugend durch familiäre Probleme überschattet – insbesondere durch das Alkoholproblem seines Vaters, das ihm das Aufwachsen erschwerte. Diese frühen Erfahrungen prägten Ulbrichts Blick auf die soziale Realität und führten zu einem tief verwurzelten Unverständnis gegenüber Ausbeutung und sozialer Ungerechtigkeit.
Noch bevor er in das politische Rampenlicht rückte, war Ulbricht als wandernder Tischlergeselle unterwegs. Auf seinen Reisen durch Europa, unter anderem in der Schweiz und in den Niederlanden, entwickelte er ein sensibles Interesse für Kunst und Kultur. Dabei verband er seine praktischen Erfahrungen mit einer wachsenden politischen Überzeugung, die ihm später den Weg in die revolutionäre Bewegung ebnen sollte. Diese prägenden Erlebnisse, vor allem auch die intensiven Eindrücke aus dem Ersten Weltkrieg – in dem er gleich zweimal desertierte – machten ihm die Grausamkeiten und die Sinnlosigkeit des Krieges auf schmerzliche Weise bewusst. Dabei engagierte er sich in Soldatenräten, um den Krieg von innen heraus zu bekämpfen und versuchte, den Nationalismus zu überwinden. Gleichzeitig entwickelte er jedoch eine intensive Gläubigkeit an Russland, wobei er die Figur Stalins als ideologisches und politisches Idol in sein Weltbild integrierte.
Politischer Aufbruch: Eintritt in die KPD und erste Erfolge
Im Jahr 1919 trat Ulbricht der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei – ein Schritt, der seine politische Karriere nachhaltig prägen sollte. Schon früh bewies er ein außergewöhnliches Gespür für die Macht der politischen Organisation und erarbeitete sich innerhalb der Partei schnell eine Position, die es ihm erlaubte, maßgeblich an der Gestaltung der politischen Agenda mitzuwirken. Mit nur 30 Jahren fand er seinen Platz in der Parteizentrale und konnte sich durch seine Fähigkeit, auch unangenehme und herausfordernde Aufgaben gewissenhaft zu übernehmen, als unverzichtbarer Akteur etablieren. Seine politische Schärfe und taktisches Geschick machten ihn dabei oft zum besser Informierten als selbst der Parteivorsitzende Ernst Thälmann.
Die 1930er Jahre markierten für Ulbricht eine Phase intensiver politischer Auseinandersetzungen. In den hitzigen Debatten im Reichstag attackierte er die Sozialdemokraten und machte sich dadurch sowohl nationale als auch internationale Feinde. Mit der Machtergreifung Hitlers änderte sich die politische Landschaft in Deutschland dramatisch: Ulbricht sah sich gezwungen, in den Untergrund zu gehen, und floh aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Sein Engagement für die kommunistische Sache führte ihn zunächst nach Paris, wo er für die KPD-Auslandsleitung tätig war, und später nach Moskau. In der sowjetischen Hauptstadt erlebte er hautnah die brutalen Säuberungsaktionen unter Stalins Herrschaft und war sogar in Kommissionen eingebunden, die als Vorstufe zur Tätigkeit der Geheimpolizei dienten. In dieser Zeit war er direkt an der Verhaftung und Liquidierung Hunderter beteiligt, was später zu einem umstrittenen Kapitel in seiner Biografie werden sollte.
Rückkehr in die sowjetische Besatzungszone und Etablierung der DDR
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Ulbricht in die von den Sowjets besetzte Zone Deutschlands zurück, um dort beim Aufbau einer neuen, antifaschistischen Ordnung mitzuwirken. In dieser Phase stand er in engem Austausch mit sowjetischen Offizieren und war maßgeblich an der Errichtung einer Zivilverwaltung beteiligt, die darauf abzielte, die politische und wirtschaftliche Macht der Sowjetunion in der neu entstehenden DDR zu festigen. Mit rascher Entschlossenheit löste er spontan entstandene antifaschistische Bürgerkomitees auf, welche er als potenzielle Störfaktoren ansah. Um den sowjetischen Interessen zu dienen, holte er vertraute Weggefährten aus früheren Zeiten – wie Jürgen Kuczynski – an seine Seite, wodurch er ein Netzwerk von loyale Gefolgsleuten aufbaute, die ihm in der oft turbulenten Nachkriegszeit den Rücken stärkten.
Ulbricht wurde als treuer Gefolgsmann Moskaus wahrgenommen und setzte konsequent die sowjetischen Vorgaben um. Mit der Gründung der Einheitsgewerkschaft und der Umwandlung der bestehenden Parteienstrukturen gelang es ihm, das politische System zu reorganisieren und die Macht in der DDR nachhaltig zu zentralisieren. Besonders prägnant war hierbei die Vereinigung der KPD mit der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), ein Schritt, der nicht nur den politischen Gegnern, insbesondere den Sozialdemokraten, erheblichen Schaden zufügte, sondern auch den Weg für ein autoritäres Regime ebnete. Ulbricht tolerierte in dieser Zeit auch die systematische Verfolgung und Inhaftierung von politischen Gegnern, was maßgeblich dazu beitrug, jeglichen Dissens im Keim zu ersticken.
Die Ära der Herrschaft und der Aufbau des sozialistischen Staates
Nachdem sich die Grundlagen der neuen DDR gelegt hatten, begann für Ulbricht die Zeit des umfassenden Umbruchs und des tiefgreifenden Umbaus der Gesellschaft. Er verfolgte konsequent die Umwandlung der SED in eine Partei eines neuen Typs, die sich am sowjetischen Modell orientierte und den Personenkult um Stalin in den Mittelpunkt rückte. Indem er selbst als allwissende und unfehlbare Figur inszeniert wurde, schuf er ein politisches Klima, in dem persönliche Loyalität und blinder Gehorsam über ideologischer Diskussion standen. Seine öffentliche Inszenierung als „Freund des Lebens und der Jugend“ diente dazu, sein Image als volksnahen und modernen Politiker zu unterstreichen, auch wenn hinter dieser Fassade autoritäre und repressiven Maßnahmen standen.
Im Juni 1952 leitete Ulbricht einen tiefgreifenden Einschnitt in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der DDR ein, indem er den Übergang in den forcierten Sozialismus vorantrieb. Diese Maßnahmen führten zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen und einer wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Der aufkommende Unmut gipfelte im Aufstand vom 17. Juni 1953, als steigende Normerhöhungen und weitere sozialistische Reformen in zahlreichen Städten und Gemeinden in offene Proteste umschlugen. Trotz der spontanen und weitreichenden Unruhen gelang es der SED in Verbindung mit sowjetischen Truppen, den Aufstand brutal niederzuschlagen – ein Ereignis, das die autoritäre Herrschaft Ulbrichts weiter untermauerte, gleichzeitig jedoch auch seine Position in der Bevölkerung zu schwächen drohte.
Nach dem Niederschlag des Aufstands zog sich Ulbricht – zunächst symbolisch und strategisch – in den Bezirk Karlshorst zurück. Trotz der Schwächung durch die Proteste gelang es ihm, sein politisches Standing zu stabilisieren. In den darauf folgenden Jahren nutzte er geschickt die Medien, um sein Image neu zu inszenieren: Er präsentierte sich als volksnah und familienfreundlich, inszenierte sich als Verfechter der nationalen Einheit und als Garant für Sicherheit und Fortschritt. Dabei gelang es ihm, die Geschichte zu seinen Gunsten umzudeuten – so ließ er etwa Filme über den verstorbenen Ernst Thälmann retuschieren, um kritische Fragen zu seiner eigenen Rolle in der Vergangenheit zu vermeiden.
Kulturpolitik, Städtebau und die Gestaltung des öffentlichen Raums
Ein weiterer zentraler Aspekt von Ulbrichts Herrschaft war sein umfassender Einfluss auf Kultur, Städtebau und öffentliche Inszenierung. Bereits früh erkannte er, dass die Architektur und der städtebauliche Umbau der DDR nicht nur funktionale, sondern auch ideologische Zwecke erfüllen mussten. Er befürwortete den Bau breiter Paradestraßen, die dem sowjetischen Vorbild entsprachen, und sah in der Zerstörung historisch gewachsener Bausubstanz – wenn diese nicht der sozialistischen Ideologie entsprach – ein notwendiges Mittel, um die Vergangenheit zu bereinigen und einen neuen, sozialistischen Raum zu schaffen. Dabei war es ihm ein zentrales Anliegen, den sozialistischen Realismus als einzige zulässige Kunstform zu propagieren und so sicherzustellen, dass Kunst und Kultur stets im Dienste der Staatsideologie standen.
Auch in der Kulturpolitik selbst mischte sich Ulbrichts Ehefrau Lotte Ulbricht ein, was die enge Verflechtung von Politik und persönlichem Umfeld unterstrich. Ihre Beteiligung an künstlerischen Fragestellungen verdeutlicht, wie weitreichend und allumfassend der Einfluss der herrschenden Elite in der DDR tatsächlich war. Die enge Überwachung und Steuerung der kulturellen Produktion diente nicht nur der ideologischen Festigung des Regimes, sondern auch der gezielten Formung des öffentlichen Bewusstseins – ein Prozess, der sich in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens widerspiegelte.
Die Krise der Entstalinisierung und der Bau der Berliner Mauer
Die Ereignisse rund um den XX. Parteitag der KPdSU im Jahr 1956 sowie Chruschtschows berüchtigte Geheimrede über Stalins Verbrechen stellten Ulbricht vor erhebliche ideologische und politische Herausforderungen. Während in der Sowjetunion und in anderen sozialistischen Staaten erste Schritte in Richtung einer Entstalinisierung unternommen wurden, versuchte Ulbricht vehement, diese Tendenzen in der DDR zu verhindern. Er reagierte mit harter Hand gegen Kritiker innerhalb der Partei, etwa gegen Persönlichkeiten wie Karl Schirdewan, und bemühte sich, die Verherrlichung Stalins – und damit auch den damit verbundenen Personenkult – aufrechtzuerhalten.
Inmitten dieser innerparteilichen Spannungen kam es schließlich am 13. August 1961 zum Bau der Berliner Mauer, einem symbolträchtigen und zugleich strategisch kalkulierten Akt, der in der Geschichte der DDR einen Wendepunkt markierte. Der Mauerbau diente primär dazu, die massenhafte Abwanderung der Bevölkerung in den Westen zu stoppen und somit die Machtposition der SED zu sichern. Gleichzeitig stand er für die Bereitschaft des Regimes, mit allen Mitteln – auch mit dem Einsatz von Gewalt und politischen Repressionen – die sozialistische Ordnung zu verteidigen. Ulbricht trug dabei die Verantwortung für zahlreiche politische Entscheidungen, die nicht selten Todesurteile und das Leid unzähliger Menschen zur Folge hatten.
Konsolidierung, wirtschaftliche Maßnahmen und der Versuch des Fortschritts
Nach dem Mauerbau erlebte die DDR in mancherlei Hinsicht einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Bevölkerung begann, sich – wenn auch widerwillig – mit den bestehenden Verhältnissen zu arrangieren. Ulbricht setzte in dieser Phase verstärkt auf technologische Neuerungen und forderte ambitionierte, wenn nicht gar unrealistische Wachstumsraten, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Staates zu steigern. Dennoch blieb die Planwirtschaft ein zweischneidiges Schwert: Während sie einerseits als Garant für eine zentral gesteuerte Entwicklung propagiert wurde, führte sie andererseits zu tiefgreifenden strukturellen Problemen und Ineffizienzen, die die Wirtschaft der DDR über Jahrzehnte hinweg prägten.
In seinen wirtschaftspolitischen Maßnahmen versuchte Ulbricht, den sozialen Fortschritt mit einer starken staatlichen Kontrolle zu verbinden. Er initiierte zahlreiche Projekte im Bereich des Städtebaus und der Infrastruktur, die den modernen, sozialistischen Staat symbolisieren sollten. Gleichzeitig blieb die Realität jedoch von Einschränkungen und Mängeln geprägt, was in der Bevölkerung häufig zu Unzufriedenheit führte – auch wenn diese in der offiziellen Darstellung selten zur Sprache kam.
Innere Konflikte, politische Isolation und der Niedergang Ulbrichts
Im Laufe der 1960er Jahre begannen innere Konflikte innerhalb der SED und der breiteren kommunistischen Führung immer stärker an Ulbrichts Machtbasis zu rütteln. Sein zunehmend selbstherrliches Auftreten, gepaart mit einem deutlichen Realitätsverlust, ließ nicht nur seine politischen Gegner, sondern auch Verbündete im Parteiapparat an seiner Führung zweifeln. Die Spannungen zwischen ihm und einflussreichen Persönlichkeiten wie Leonid Breschnew, aber auch internen Gruppierungen innerhalb der SED, eskalierten mit der Zeit. Kritiker warfen ihm vor, zu starr an alten, sowjetischen Modellen festzuhalten und sich den wandelnden Anforderungen der Zeit nicht anzupassen.
Bereits vor dem Bau der Mauer waren immer wieder Überlegungen im Raum, Ulbrichts Stellung innerhalb der Partei zu untergraben oder ihn gar durch andere Führungskräfte, wie beispielsweise Otto Grotewohl, zu ersetzen. Diese Intrigen fanden jedoch erst später ein greifbareres Ende: Im Mai 1971 wurde Walter Ulbricht als Erster Sekretär der SED abgesetzt und durch Erich Honecker ersetzt. Obwohl er formell weiterhin als Staatsratsvorsitzender fungierte, war sein politischer Einfluss in den folgenden Jahren stark eingeschränkt. Seine schwindende Macht und der zunehmende politische Isolation mündeten letztlich in einem tiefgreifenden Bruch zwischen dem einst charismatischen Führer und der Realität eines sich wandelnden Staates.
Tod und das ambivalente Erbe eines umstrittenen Patriarchen
Die letzten Lebensjahre Ulbrichts waren von Krankheit, Machtverlust und wachsender politischer Bedeutungslosigkeit geprägt. Am 1. August 1973 starb er nach langer und schmerzhafter Krankheit – ein Ereignis, das in der Bevölkerung der DDR kaum Trauer hervorrief, sondern vielmehr als ein Ende einer Ära betrachtet wurde. Die Ambivalenz seines politischen Erbes zeigt sich bis heute: Einerseits wird ihm der unermüdliche Aufbau des sozialistischen Staates und die Festigung der sowjetischen Einflusssphäre zugeschrieben, andererseits stehen seine autoritären Methoden, die Unterdrückung von Oppositionellen und die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen, die die DDR prägten, in einem kritischen Licht.
Ulbrichts Vermächtnis ist somit geprägt von widersprüchlichen Bewertungen: Er war ein Politiker, der mit eiserner Hand und strategischem Kalkül den Staat formte, zugleich aber auch bereit war, über Leichen zu gehen, um seine Vision eines sozialistischen Gesellschaftsmodells durchzusetzen. Seine Rolle als Ideengeber, Reformer und gleichzeitig als Unterdrücker von freiem Denken und politischem Widerspruch macht ihn zu einer schillernden, aber auch zutiefst ambivalenten Figur der deutschen Geschichte.
Ein Leben zwischen Macht, Ideologie und persönlicher Widersprüchlichkeit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Walter Ulbricht als zentrale Gestalt in der Geschichte der DDR sowohl als Architekt eines neuen, sozialistischen Staates als auch als Inbegriff autoritärer Machtmechanismen angesehen werden muss. Sein politisches Wirken begann in bescheidenen Verhältnissen und entwickelte sich über zahlreiche Krisen und Wandlungen zu einem Symbol für den autoritären Sozialismus. Die frühen Erfahrungen in einer von Entbehrungen geprägten Arbeiterfamilie, die prägenden Erlebnisse des Ersten Weltkriegs und seine aktive Mitgestaltung in revolutionären Bewegungen bildeten den Ausgangspunkt für eine Karriere, die sowohl von intellektueller Brillanz als auch von skrupelloser Machtpolitik gekennzeichnet war.
Die zahlreichen Stationen seines Lebens – von der Zeit als wandernder Handwerker über den rasanten Aufstieg in den Reihen der KPD, den erzwungenen Exilaufenthalt in Moskau und Paris, bis hin zur Rückkehr in die sowjetische Besatzungszone und dem Aufbau der DDR – verdeutlichen, wie eng persönliche Biografie und ideologische Überzeugungen miteinander verwoben waren. Ulbrichts Haltung gegenüber dem Nationalismus, seine bewusste Hinwendung zu einem internationalistischen, russlandzentrierten Weltbild und sein unerschütterlicher Glaube an den Sozialismus prägten nicht nur seine politische Karriere, sondern auch das Selbstverständnis eines gesamten Staates.
Besonders markant ist sein Umgang mit den politischen Herausforderungen der Zeit: Während er in den frühen Jahren der DDR als unermüdlicher Organisator und Visionär galt, der bereit war, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um die Macht der SED zu konsolidieren, offenbarte sich später seine Unfähigkeit, sich den wandelnden politischen und wirtschaftlichen Realitäten anzupassen. Die Ereignisse des Aufstands vom 17. Juni 1953, der Bau der Berliner Mauer und die darauf folgenden Maßnahmen zur Sicherung der sozialistischen Ordnung sind dabei Ausdruck einer Politik, die sich immer mehr von den ursprünglichen Idealen entfernt hatte.
Zudem zeigt der Umgang mit kulturellen und architektonischen Fragen, wie stark die staatliche Propaganda in allen Bereichen des öffentlichen Lebens eingriff. Die gezielte Inszenierung von Kunst und Architektur, die Auflösung historischer Strukturen und die Durchsetzung des sozialistischen Realismus waren Teil eines umfassenden ideologischen Projekts, das den Geist der Zeit einfangen und kontrollieren sollte. Ulbrichts Einfluss reichte somit weit über die rein politische Sphäre hinaus und prägte nachhaltig die kulturelle Identität und das Selbstverständnis der DDR.
Die letzten Jahre seines Lebens, geprägt von internen Machtkämpfen, persönlicher Isolation und letztlich dem Verlust der politischen Kontrolle, verdeutlichen, wie die einst unerschütterliche Figur durch den fortschreitenden Wandel in der internationalen und nationalen Politik an Bedeutung verlor. Der Machtwechsel im Jahr 1971 und sein späterer Rückzug aus dem aktiven politischen Geschehen markieren den Niedergang eines einst so mächtigen Akteurs, dessen Vermächtnis bis heute kontrovers diskutiert wird.
Walter Ulbrichts Leben und Wirken lassen sich somit als ein ständiger Balanceakt zwischen revolutionärem Idealismus und der kompromisslosen Durchsetzung von Machtinteressen beschreiben. Sein politisches Erbe ist geprägt von beeindruckenden Errungenschaften im Aufbau eines neuen Staates, aber auch von den Schattenseiten autoritärer Herrschaft, die sich in Unterdrückung, wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und dem Verlust individueller Freiheiten manifestierten. Die widersprüchlichen Aspekte seines Lebens – als Idealist und als kompromissloser Politiker, als Förderer der Bildung und Kultur und gleichzeitig als strenger Repressor – machen ihn zu einer der komplexesten und faszinierendsten Persönlichkeiten der DDR-Geschichte.
Die Dokumentation „Der kalte Patriarch“ gelingt es, diese facettenreiche Persönlichkeit in all ihren Widersprüchen darzustellen. Durch die Einbeziehung vielfältiger Zeitzeugenberichte und die detaillierte Rekonstruktion historischer Ereignisse wird deutlich, wie eng das Schicksal eines einzelnen Politikers mit dem Schicksal eines ganzen Staates verknüpft war. Dabei wird nicht nur die öffentliche Fassade Ulbrichts beleuchtet, sondern auch die verborgenen Mechanismen und persönlichen Konflikte, die hinter den Kulissen des Machtapparats wirkten. Das Resultat ist ein differenziertes Bild eines Mannes, der trotz – oder gerade wegen – seiner umstrittenen Entscheidungen maßgeblich die Richtung der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert mitbestimmte.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Walter Ulbricht als Symbol einer Ära betrachtet werden muss, in der Ideologie und Macht untrennbar miteinander verknüpft waren. Sein Leben und seine Taten bieten ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie persönliche Biografien und politische Ideologien im Kontext großer historischer Umwälzungen miteinander verwoben werden. Die umfassende Darstellung in „Der kalte Patriarch“ liefert nicht nur historische Fakten, sondern fordert den Betrachter dazu auf, sich mit den tiefgreifenden Fragen von Gerechtigkeit, Macht und Verantwortung auseinanderzusetzen – Fragen, die weit über die Grenzen der DDR hinausreichen und auch in der heutigen Zeit von großer Bedeutung sind.
Diese vielschichtige Analyse und die detaillierte Aufarbeitung der verschiedenen Lebensphasen Ulbrichts tragen dazu bei, ein differenziertes Verständnis für die komplexe Geschichte der DDR zu entwickeln. Es wird ersichtlich, dass der Aufbau eines sozialistischen Staates nicht nur von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen geprägt war, sondern auch von den persönlichen Schicksalen und den ideologischen Überzeugungen jener, die an der Macht waren. Die Geschichte Walter Ulbrichts lehrt uns, dass Macht immer auch mit Verantwortung einhergeht und dass die Ideale, die den politischen Aufstieg ermöglichen, häufig in einem Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Unterdrückung stehen. Die ambivalente Bilanz seiner Taten bleibt dabei eine stete Mahnung an die Gefahren, die mit einer zu unkritischen Verehrung von Autorität verbunden sind – und gleichzeitig ein Zeugnis der historischen Komplexität, die das 20. Jahrhundert in Deutschland prägte.
Insgesamt zeichnet der Dokumentarauszug ein umfassendes Porträt eines Mannes, der in vielen Hinsichten wegweisend war und dessen Wirken in der deutschen Geschichte bis heute nachhallt. Die detaillierte Darstellung seiner frühen Prägung, seines Aufstiegs in der kommunistischen Bewegung, seiner zentralen Rolle im Aufbau und in der Führung der DDR sowie seines späteren Niedergangs bietet einen tiefen Einblick in die Mechanismen autoritärer Systeme und in die Herausforderungen, die sich aus der Verbindung von persönlicher Macht und staatlicher Ideologie ergeben. Die dargestellten Ereignisse und Persönlichkeitskontraste machen deutlich, wie eng die persönliche Geschichte eines Einzelnen mit den historischen Entwicklungen einer ganzen Nation verknüpft sein kann – ein Umstand, der sowohl faszinierend als auch lehrreich ist.
Diese Zusammenfassung des Dokuments „Der kalte Patriarch“ vermittelt somit nicht nur einen chronologischen Überblick über die verschiedenen Lebensabschnitte Walter Ulbrichts, sondern beleuchtet auch die komplexen Wechselwirkungen zwischen individueller Biografie, ideologischer Überzeugung und politischem Handeln. Es wird klar, dass die Figur des Ulbricht mehr ist als nur der Inbegriff eines autoritären Staatschefs – sie steht sinnbildlich für die Ambivalenzen eines politischen Systems, das zwischen Fortschritt und Rückschritt, zwischen idealistischer Vision und realpolitischem Überlebenskampf oszillierte. In diesem Spannungsfeld prägte er nicht nur das politische System der DDR, sondern hinterließ auch ein Vermächtnis, das bis in die Gegenwart nachwirkt und zum Nachdenken über die Rolle von Macht und Verantwortung in jeder Gesellschaft anregt.
Letztlich zeigt die detaillierte Darstellung in diesem Dokument, wie eng das persönliche Schicksal eines Menschen mit den historischen Umbrüchen verbunden sein kann, die über Generationen hinweg die politische Landschaft prägen. Die Figur Walter Ulbrichts bleibt – trotz aller Widersprüche und kritischer Bewertungen – ein zentrales Element in der Geschichte der DDR, dessen Leben und Wirken auch in Zukunft Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen und Interpretationen bleiben wird.