Die Gründung des Arbeiter-Samariter-Bundes in Magdeburg

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) hat sich im Laufe von mehr als 100 Jahren zu einer der größten Hilfsorganisationen und führenden Wohlfahrtsverbände Deutschlands entwickelt. Diese bemerkenswerte Entwicklung ist eng mit der sozialen und wirtschaftlichen Geschichte des Landes verbunden, die von der Industrialisierung, den beiden Weltkriegen und politischen Umbrüchen geprägt ist. Dieser Bericht beleuchtet die Ursprünge des ASB, seine Gründung, die Herausforderungen, die er überstand, und seinen Einfluss auf die soziale Struktur Deutschlands.

Die Anfänge des Arbeiter-Samariter-Bundes
Die Geschichte des Arbeiter-Samariter-Bundes beginnt in den 1880er Jahren, einer Zeit, in der die Industrialisierung in Deutschland auf ihrem Höhepunkt war. In dieser Phase erlebte das Land einen rasanten wirtschaftlichen Wandel, der mit einer Vielzahl von sozialen Problemen und katastrophalen Arbeitsbedingungen einherging. Die meisten Arbeiter waren in Fabriken, Bergwerken und auf Baustellen beschäftigt, wo Arbeitsunfälle an der Tagesordnung waren. Doch während die Zahl der Unfälle stetig zunahm, war die Versorgung der Verletzten meist unzureichend. Ärzte waren oft unerreichbar, und Erste-Hilfe-Maßnahmen waren bestenfalls rudimentär.

Die Arbeiterklasse wurde in dieser Zeit häufig im Stich gelassen. Verbandkästen gab es kaum, und wenn sie vorhanden waren, hatten sie oftmals nicht die nötige Ausstattung, um im Falle eines Unfalls effektiv zu helfen. Die Zustände waren katastrophal, und die Verletzten wurden vielfach ihrem Schicksal überlassen. Ein besonders tragischer Unfall trug jedoch dazu bei, dass sich die ersten Initiativen zur Verbesserung der Lage formierten.

Im Jahr 1884 stürzte in Erkner bei Berlin beim Bau einer Lagerhalle eine 40 Meter lange Seitenwand ein, unter der viele Zimmerleute begraben wurden. Die Verletzten wurden auf Güterwaggons nach Berlin transportiert, was die öffentliche Aufmerksamkeit auf die prekären Arbeitsbedingungen lenkte. Der Verband der Berliner Zimmerleute reagierte schnell auf dieses Ereignis und beschloss, aktiv zu werden. Vorstandsmitglied Gustav Dietrich und fünf weitere Kollegen wendeten sich an den sozial engagierten Arzt Alfred Bernstein und baten ihn, Erste-Hilfe-Kurse zu organisieren.

Die Gründung der Arbeiter-Samariter-Kolonnen
Unter der Leitung von Alfred Bernstein begannen die Berliner Zimmerleute, Erste-Hilfe-Kurse anzubieten. Diese Kurse orientierten sich an den Prinzipien des Kieler Chirurgen Friedrich von Esmarch, der sich in ganz Deutschland für die Verbreitung von Erste-Hilfe-Ausbildung stark gemacht hatte. Esmarch gründete die sogenannten Samariter-Schulen, die als Vorbilder für die Berliner Kurse dienten. In Anlehnung an diese Schulen wurden die Erste-Hilfe-Kurse in Berlin „Samariter-Kurse“ genannt.

Am 29. November 1888 legten die Berliner Zimmerleute mit der Gründung der ersten Arbeiter-Samariter-Kolonne den Grundstein für eine landesweite Bewegung. Diese Kolonnen leisteten auf verschiedenen Veranstaltungen Sanitätsdienste und versorgten Verletzte. Ihre Ausstattung bestand aus Sanitätstaschen, Zelte und Rädertragen, die den Abtransport von Verletzten ermöglichten. Diese ersten Arbeiter-Samariter-Kolonnen waren die Pioniere einer neuen Form der organisierten Hilfe.

Die Initiative fand rasche Nachahmung in anderen Städten. Schon 1901 gründete sich in Dresden eine weitere Arbeiter-Samariter-Kolonne, gefolgt von Köln und Leipzig drei Jahre später. Auch in anderen Städten wie Meißen, Hamburg, Elberfeld (heute Wuppertal) und vielen weiteren entstand die Idee, Sanitätsdienste durch die Arbeiterschaft zu organisieren. Doch trotz der raschen Ausbreitung des ASB wussten die einzelnen Kolonnen nur wenig voneinander. Jede Kolonne beschränkte ihre Tätigkeit auf ihr eigenes Umfeld, was die Notwendigkeit einer zentralen Organisation deutlich machte.

Die Gründung des Arbeiter-Samariter-Bundes
Die Idee einer zentralen Leitung für die verschiedenen Arbeiter-Samariter-Kolonnen wurde von Oskar Schaumburg, einem engagierten Aktivisten aus Elberfeld, vorangetrieben. 1908 wandte er sich in einem Aufruf an die Kolonnen in ganz Deutschland und rief sie zu einer Konferenz auf. Der Aufruf fand großen Zuspruch, und es meldeten sich Delegierte aus Städten wie Berlin, Dresden, Köln, Hamburg und Elberfeld. Die Konferenz wurde auf Ostern 1909 anberaumt, und als Tagungsort wurde das Lokal Luisenpark in Magdeburg gewählt.

Die Konferenz, die am 10. Dezember 1908 begann, sollte die Weichen für die Gründung des Arbeiter-Samariter-Bundes stellen. Eröffnet wurde die Konferenz von Oskar Schaumburg. Es folgten Berichte aus den verschiedenen ASB-Kolonnen, und im Verlauf der Veranstaltung wurde die Notwendigkeit einer gemeinsamen Bundesorganisation klar. Am Ende der Konferenz wurde Emil Stein aus Berlin zum ersten Vorsitzenden des neuen Bundes gewählt, und Alexander Frankenstein wurde als Kassierer sowie Georg Helmut als Vorsitzender der Bundesrevisoren benannt. Der Sitz des Bundes wurde in Berlin festgelegt, und ein Mitgliedsbeitrag von 50 Pfennigen pro Jahr wurde beschlossen. Das offizielle Bundesabzeichen sollte ein weißes Kreuz im roten Feld sein, und eine Armbinde wurde als Kennzeichen für den Dienst eingeführt.

Am Ostermontag 1909 endete die Konferenz, und die Delegierten fuhren mit großen Hoffnungen und dem gemeinsamen Ziel nach Hause, den Arbeiter-Samariter-Bund weiter auszubauen und zu etablieren.

Herausforderungen und Schicksalsschläge
Der Arbeiter-Samariter-Bund entwickelte sich in den ersten Jahren nach seiner Gründung sehr erfolgreich und setzte sich für die Verbesserung der sanitären Versorgung in Deutschland ein. Doch wie viele andere Organisationen wurde auch der ASB von den dramatischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts erschüttert.

Der Erste Weltkrieg (1914-1918): Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte zu einer drastischen Umstrukturierung des ASB. Die Arbeit der Kolonnen wurde erheblich eingeschränkt, da die meisten Mitglieder zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Viele ASB-Aktivitäten kamen während des Krieges zum Erliegen, und der ASB konnte nur in geringem Maße humanitäre Hilfe leisten.

Die Inflation von 1923 und die Weltwirtschaftskrise von 1929: Nach dem Krieg kam es zu einer schweren wirtschaftlichen Krise. Die Hyperinflation von 1923 und die Weltwirtschaftskrise von 1929 belasteten die Ressourcen des ASB stark. Doch trotz dieser Rückschläge versuchten die Mitglieder des Bundes, ihre Arbeit wieder aufzunehmen und auszubauen.

Die Auflösung durch die Nationalsozialisten (1933): 1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde der Arbeiter-Samariter-Bund durch die neuen Machthaber aufgelöst. Der ASB, der in seiner ursprünglichen Form eine unabhängige und freiwillige Hilfsorganisation war, passte nicht in das totalitäre System der Nazis. Zahlreiche ASB-Mitglieder wurden verfolgt, und viele mussten ins Exil fliehen oder wurden in Konzentrationslagern internieret.

Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges musste der ASB in Westdeutschland neu aufgebaut werden. In der sowjetischen Besatzungszone (später DDR) war der ASB jedoch nicht zugelassen und konnte dort nicht tätig werden. In Westdeutschland gelang es der Organisation, sich neu zu formieren und ihre Dienste erneut anzubieten.

Der ASB in der heutigen Zeit
Seit seiner Neugründung in Westdeutschland hat der Arbeiter-Samariter-Bund eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. 1965 zog der ASB-Bundesverband nach Köln um, wo er seinen heutigen Sitz hat. Der ASB wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einer der größten und bekanntesten Hilfsorganisationen Deutschlands. Heute engagieren sich mehr als 1,5 Millionen Mitglieder und Helfer in verschiedenen Bereichen der sozialen und gesundheitlichen Versorgung.

Der ASB bietet nicht nur Erste-Hilfe-Kurse an, sondern ist auch in der Katastrophenhilfe, der Altenpflege, der Rettungsdienstarbeit und der Pflege von Flüchtlingen aktiv. Zudem setzt sich der ASB stark für die Förderung von Ehrenamt und freiwilligem Engagement ein und ist auf nationaler sowie internationaler Ebene tätig.

Im Jahr 2009 feierte der Arbeiter-Samariter-Bund sein 100-jähriges Bestehen und blickte auf eine bewegte Geschichte zurück. Trotz aller Herausforderungen, Rückschläge und politischen Umwälzungen hat der ASB seine Mission, Menschen in Not zu helfen, nie aufgegeben. Heute steht der ASB als eine der führenden Hilfsorganisationen Deutschlands und setzt sich weiterhin für soziale Gerechtigkeit und die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen in Not ein.

Der ASB hat sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil des sozialen Gefüges in Deutschland entwickelt und spielt eine zentrale Rolle in der Bewältigung von Krisen und der Bereitstellung von Hilfe, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

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Der letzte Versuch: Wie aus der Staatspartei die SED-PDS wurde

MASTER-PROMPT HOOK Der Parteitag zur Umbenennung in SED-PDS im Dezember 1989 Am späten Sonntagnachmittag treten die Delegierten in Berlin vor die Öffentlichkeit und präsentieren einen Doppelnamen, der die Brücke zwischen alter Macht und neuer Identität schlagen soll. MASTER-PROMPT Teaser JP Die Suche nach dem dritten Weg Gregor Gysi steht am Rednerpult und beschwört die Gefahr eines politischen Vakuums, während im Saal die Hoffnung auf eine eigenständige DDR noch lebendig ist. Manche glaubten in diesen Tagen des Dezembers 1989 fest daran, dass ein demokratischer Sozialismus jenseits der Profitwirtschaft möglich sei. Am 18.12.1989 verabschiedete der Parteitag unter Gysis Führung ein Statut, das den Erhalt der staatlichen Eigenständigkeit zum obersten Ziel erklärte. MASTER-PROMPT Teaser Coolis Außerordentlicher Parteitag beschließt neuen Namen und Statut Nach intensiven Beratungen entscheiden die Delegierten am 17. Dezember 1989 in Berlin, die Partei künftig unter dem Namen SED-PDS weiterzuführen. Der Vorsitzende Gregor Gysi betont in seinem Referat den Willen zur Regierungsverantwortung und warnt vor einem Erstarken rechter Kräfte. Mit der Verabschiedung eines vorläufigen Statuts positioniert sich die Partei für den beginnenden Wahlkampf und bekennt sich zur Eigenstaatlichkeit der DDR.

Der Entwurf für ein freies Mediengesetz im Dezember 1989

Journalistischer Text - Profil Zehn Thesen für eine neue Medienordnung der DDR Am 21. Dezember 1989 wird ein Text öffentlich, in dem Journalisten und Künstler gemeinsam formulieren, wie eine freie Presse in Zukunft rechtlich abgesichert werden soll. Wenn ich heute diesen Entwurf lese, sehe ich darin den Versuch jener Generation, die Deutungshoheit über die eigene Wirklichkeit zurückzugewinnen. Man spürt beim Betrachten der Punkte, dass es einigen Akteuren nicht nur um Reformen ging, sondern um eine fundamentale Neudefinition des Verhältnisses zwischen Staat und Öffentlichkeit, getragen von der Erfahrung jahrelanger Gängelung. Es scheint, als hätten viele Beteiligte in diesen Wochen die seltene historische Lücke erkannt, in der man Strukturen schaffen wollte, die immun gegen Machtmissbrauch sind. Für den heutigen Betrachter wirkt der Text wie ein Dokument des Übergangs, in dem die Hoffnung auf eine selbstbestimmte, demokratische DDR-Gesellschaft noch greifbar ist. Journalistischer Text - Seite 1 Das Ende der staatlichen Informationskontrolle Der Gesetzentwurf postuliert eine gerichtliche Einklagbarkeit von behördlichen Informationen und verbietet jegliche staatliche Einmischung in die redaktionelle Arbeit der Medien. Ich stelle mir vor, wie befreiend diese Forderung für jene gewirkt haben muss, die jahrelang gegen Wände aus Schweigen und Propaganda angelaufen sind. Es wirkt in der Rückschau so, als wollte man mit diesen Paragrafen ein für alle Mal verhindern, dass Informationen jemals wieder als Herrschaftswissen missbraucht werden können. Journalistischer Text - Seite 2 Mitbestimmung in den Redaktionen Die Thesen verlangen, dass Chefredakteure und Intendanten nur durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitarbeiter und nur auf Zeit in ihr Amt berufen werden dürfen. Beim Lesen dieses Abschnitts denke ich an die tiefgreifende Skepsis gegenüber Autoritäten, die viele Medienschaffende in jener Zeit geprägt haben muss. Dieser Passus zeugt von dem Wunsch einiger, die Demokratisierung nicht an der Pforte des Betriebes enden zu lassen, sondern sie direkt in die Hierarchien der Redaktionen hineinzutragen. Weitere Überschriften Verfassungsrang für die Informationsfreiheit Quellenschutz und Gewissensfreiheit für Autoren Öffentliche Kontrolle statt staatlicher Zensur Der Weg zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk Medienvielfalt als Spiegel der Gesellschaft Unabhängiger Medienrat als Kontrollinstanz

Die Semantik der Eskalation: Warum wir uns im Netz nur noch anschreien

Teaser: Wer heute durch seine Timeline scrollt, blickt oft in einen Abgrund aus unversöhnlichem Hass. Auf der einen Seite fliegt die „Nazi-Keule“, auf der anderen wird alles als „links-grün versifft“ beschimpft. Doch diese Verrohung ist kein Zufall. Eine soziologische Tiefenbohrung zeigt, wie psychologische Ekel-Reflexe und algorithmische Belohnungssysteme unsere Debattenkultur gezielt zerstören.