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Aktuelle Stunde im Jenaer Stadtrat zum Öffentlichen Nahverkehr in Jena

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Die Aktuelle Stunde im Stadtrat widmete sich der angespannten Lage des Jenaer Nahverkehrs (JeNah), die durch Personalmangel, einen hohen Krankenstand und strukturelle Herausforderungen geprägt ist. Die Fraktion Die Linke hatte die Debatte beantragt, um auf die Probleme der Beschäftigten sowie die daraus resultierenden Einschränkungen im Fahrplan aufmerksam zu machen. Verschiedene Vertreter der Fraktionen und der Stadtverwaltung schilderten in der Diskussion ihre Sichtweisen und Lösungsansätze.

Jens Thomas von der Fraktion Die Linke führte die Problematik auf mehrere Faktoren zurück, die teils strukturell bedingt und teils auf akute Entwicklungen zurückzuführen seien. In Rücksprache mit dem Betriebsrat des JeNah identifizierte er unbesetzte Stellen und eine unzureichende Finanzierung im Wirtschaftsplan als Kernprobleme. Der Mangel an qualifiziertem Personal im öffentlichen Nahverkehr sei ein Symptom eines größeren Fachkräftemangels, während die Überlastung des verbleibenden Fahrpersonals durch unrealistische Fahrzeitprofile und den Wegfall von Wendezeiten verschärft werde. Darüber hinaus nannte er die zunehmende Angst vor Aggressionen und Gewalt gegenüber dem Fahrpersonal, eine Überlastung durch die Ausweitung des Nahverkehrsplans ohne entsprechendes Personal sowie eine mangelnde Priorisierung des ÖPNV im Straßenverkehr. Weitere kritische Punkte betrafen die fehlenden Investitionen in Infrastruktur und neue Busse, erschöpfte Reservekapazitäten in Werkstatt und Verwaltung sowie ungeliebte Diensteinteilungen, bei denen lange Pausen zwischen den Schichten die Attraktivität des Berufs zusätzlich minderten. Vorschläge des Betriebsrats zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen würden aus Kostengründen nur zögerlich umgesetzt. Thomas appellierte an Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche und den Aufsichtsrat der Stadtwerke Holding, ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und Fahrgästen gerecht zu werden und die Probleme ernsthaft anzugehen.

Denny Jankowski von der AfD betonte, dass die chaotischen und unregelmäßigen Arbeitszeiten ein Hauptgrund für den Personalmangel seien. Die wechselnden Schichtdienste schrecken seiner Meinung nach viele potenzielle Bewerber ab. Zudem kritisierte er eine verschlafene Personalplanung in den letzten Jahren, die zu einer ungesunden Altersstruktur im Fahrpersonal geführt habe. Der Wegfall der Wehrpflicht im Jahr 2011 habe zusätzlich einen wichtigen Pool an möglichen Fahrern mit der notwendigen Fahrerlaubnis eliminiert. Jankowski bemängelte außerdem, dass der Aufsichtsrat des JeNah nicht rechtzeitig auf die Probleme reagiert und die Geschäftsführung nicht zum Handeln bewegt habe.

Christian Gerlitz, Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt von der SPD, verteidigte die Bemühungen der Stadtverwaltung, die Situation zu verbessern. Er hob hervor, dass der Schülerverkehr bei den Fahrplaneinschränkungen oberste Priorität habe. Weiterhin verwies er auf Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie auf einen drastischen Tarifschritt, der die Gehälter erheblich erhöht habe, um den Beruf attraktiver zu machen. Gerlitz widersprach der These, dass der Personalmangel zu einer gestiegenen Belastung für das verbleibende Personal geführt habe, und präsentierte Zahlen, die zeigen, dass die Fahrleistung trotz der Personalengpässe nicht gestiegen sei.

Herr Beyer von der FDP schloss sich Gerlitz an und lenkte den Blick auf den allgemeinen Fachkräftemangel, der auch den Jenaer Nahverkehr betreffe. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viel in den Nahverkehr investiert und die Gehaltserhöhungen mitgetragen, um die Attraktivität des Berufs zu steigern. Dennoch seien die hohen Kosten für den Erwerb eines Busführerscheins ein erhebliches Hindernis, das auf Landesebene angegangen werden müsse. Beyer betonte, dass der Stadtrat die Herausforderungen des Nahverkehrs ernst nehme und weiterhin an Lösungen arbeite.

Vincent Leonhardi von der Fraktion Die Linke hob die Systemrelevanz des Nahverkehrs hervor und unterstrich die Bedeutung der Arbeit der Beschäftigten. Er wies darauf hin, dass ähnliche Probleme in vielen Städten auftreten und unter anderem durch saisonale Krankheitswellen, den Fachkräftemangel und die psychischen Belastungen der Fahrer verschärft werden. Laut Leonardi ergreife die Geschäftsführung verschiedene Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung, Qualifizierung und zur Verbesserung der psychischen Belastungen, etwa durch ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Gleichzeitig forderte er den Stadtrat auf, sich stärker auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen zu konzentrieren, anstatt die operativen Probleme des Nahverkehrs zu „mikromanagen“.

Herr Vietze von der SPD sah die Situation weniger dramatisch und betonte, dass mittlerweile alle offenen Stellen im Fahrpersonal besetzt seien. Der hohe Krankenstand sei das eigentliche Problem, der durch die aktuelle Erkältungswelle verstärkt werde. Er hob hervor, dass die Linieneinschränkungen bereits zurückgenommen worden seien und sich die Situation normalisiert habe. Herr Whydra von der CDU schloss sich dieser Einschätzung an und sprach den Beschäftigten seinen Dank aus. Er betonte, dass der Beruf des Fahrers schwierig sei und entsprechend vergütet werden müsse, um attraktiv zu bleiben. Er kritisierte die Linke dafür, die Situation zu überzeichnen und damit Unruhe bei Beschäftigten und Fahrgästen zu stiften.

Jürgen Häkanson-Hall von der Bürgerinitiative „Bürger für Jena“ kritisierte die schlechte Außendarstellung des Nahverkehrs. Häufige Berichte über ausgefallene Bahnen und reduzierte Linien schadeten dem Image. Ein funktionierender Nahverkehr sei jedoch essentiell für das Ziel einer autofreien Stadt. Häkanson-Hall sah die Geschäftsführung in der Verantwortung, die Motivation der Beschäftigten zu fördern und die Probleme nach außen besser zu kommunizieren.

Zusammenfassend zeigte die Aktuelle Stunde, dass die Probleme des Jenaer Nahverkehrs vielschichtig sind und sich sowohl auf strukturelle als auch auf kurzfristige Faktoren zurückführen lassen. Während Die Linke die Probleme der Beschäftigten und die strukturellen Defizite in den Vordergrund stellte, betonten Vertreter anderer Fraktionen die Bemühungen der Stadt, die Situation zu entschärfen, sowie die allgemeinen Herausforderungen des Fachkräftemangels. Alle Beteiligten waren sich einig, dass der Nahverkehr systemrelevant ist und dringend nachhaltige Lösungen gefunden werden müssen, um das Vertrauen der Fahrgäste und die Motivation der Beschäftigten zurückzugewinnen.

Jenaer Bündnis „WirFahrenZusammen“ setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr ein

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Stadtrat Jena beschließt Überprüfung der Ampel-Vorrangschaltung für den Nahverkehr – Warum eine Allianz aus Klimaaktiven und ÖPNV-Beschäftigten dafür eintrat

Thema der Aktuellen Stunde der heutigen Stadtratssitzung war die unzureichende Personalsituation im ÖPNV. Später am Abend wurde beschlossen, die aktuellen Ampel-Vorrangschaltungen im Stadtgebiet zu überprüfen, mit dem Ziel eine Verbesserung des Verkehrsflusses von Bus und Bahn zu erreichen. Ebenso wurde der Oberbürgermeister beauftragt, im Städte- und Gemeindebund die Initiative für einen gemeinsamen Appell der Kommunen und ihren Verkehrsbetriebe an die Landes- und Bundesregierung zu ergreifen. Darin soll die Situation im ÖPNV beschrieben und mehr Investitionsmittel gefordert werden. Keine Zustimmung erhielten u.a. ein Verkehrsversuch am Löbdergraben und ein direkter Zuschuss für Investitionen in die Personalentwicklung.

In Gesprächen mit dem Fahrpersonal wurde immer wieder deutlich, dass die ungenügende Ausrichtung der Ampeln auf Bus und Bahn zu Verspätungen führen. „Wenn der Nahverkehr die erste Wahl als Verkehrsmittel der Stadt werden soll, muss in diesem Bereich dringend nachgebessert werden. Denn nur durch Pünktlich- und Zuverlässigkeit kann das gelingen. Außerdem bringt dies eine Stressreduzierung für das Fahrpersonal mit sich, und diese stehen schließlich jeden Tag im Jahr für die Mobilität unserer Stadt ein. Wir hoffen, dass das Personal, wenn es um Detailfragen geht, einbezogen wird, um eine optimale Abstimmung zu erreichen”, erläutert Toni Thielemann, Fahrer beim Jenaer Nahverkehr.

„Auch aus klimapolitischer Sicht bietet eine verbesserte Ampel-Vorrangschaltung Vorteile. Zuverlässigere Fahrpläne führen zu einer Attraktivitätssteigerung des ÖPNV. Wenn dadurch mehr Personen umsteigen, kann der städtische Verkehrsfluss insgesamt verbessert werden. Wir erwarten nun, dass die Überprüfung auch zu konkreten Verbesserungen führt”, ergänzt Sabrina Stangl, aktiv im Bündnis.

Weitere Punkte der beiden Beschlussvorlagen, die auf eine Verbesserung des Nahverkehrs abzielten, darunter Investitionen für die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für das Personal, wurden abgelehnt. „Wir halten das für ein sehr schlechtes Signal des Stadtrates. Will man ein gutes Mobilitätsangebot, müssen die nötigen Mittel für gute Arbeitsbedingungen bereitgestellt werden. Nur so kann neues Personal angeworben und bestehendes Personal im Betrieb gehalten werden.”, kommentiert Sabrina Stangl.

Den Beschlussvorlagen voraus ging ein langer Einsatz des Bündnisses WirFahrenZusammen aus Beschäftigten des ÖPNV, Klimaaktiven und der Gewerkschaft ver.di. Das Bündnis setzt sich seit den Tarifverhandlungen zu Beginn des Jahres für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Da der Stadtrat als Auftraggeber des Nahverkehrs agiert, sieht das Bündnis auch dort eine Verantwortung, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die das Personal vor Überlastung schützen.

Das Bündnis sammelte vergangenen Winter in Jena über 2.000 Unterschriften für Investitionen in den Nahverkehr, von denen auch das Personal profitiert. Diese wurden im Februar zusammen mit Forderungen der Beschäftigten an Kommunalpolitiker:innen übergeben. Einige der Vorschläge brachte die Fraktion DIE LINKE in Form von Beschlussvorlagen in den Stadtrat ein. Daraufhin folgten nicht nur Diskussionen in den Ausschüssen. „Wir haben uns auch persönlich und schriftlich mittels Briefen mit Mitgliedern des Stadtrates ausgetauscht, um die Dringlichkeit unseres Anliegen zu untermauern. Wir wissen, dass nicht alle Stadtratsmitglieder und deren Fraktionen das unterstützen. Diese haben das deutlich gemacht, indem sie nicht geantwortet oder auf Gespräche eingegangen sind. Umso wichtiger ist es uns, dass wir uns bei allen Unterstützern, die letztendlich auch zu Ihrem Wort standen, ganz herzlich bedanken“, berichtet Toni Thielemann.

Das Bündnis WirFahrenZusammen wird sich weiter für eine Verbesserung der Beschäftigungssituation im Nahverkehr einsetzen, sodass eine sozial-ökologische Verkehrswende gelingen kann.

Eine Brombeere macht noch keinen Ministerpräsidenten: Thüringen ringt um die Wahl

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Die politische Landschaft in Thüringen steht erneut vor einem Wendepunkt, während CDU, Bündnis Soziale Wende (BSW) und SPD den nächsten Schritt ihrer Zusammenarbeit vorbereiten. Nach der Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrags rücken nun die Verhandlungen über die Wahl des Ministerpräsidenten in den Fokus. Geplant ist, dass CDU-Landeschef Mario Voigt das Rennen um das Amt antreten soll. Doch bevor es so weit ist, sind noch zahlreiche Details zu klären – angefangen bei der Terminfindung bis hin zur Vermeidung eines möglichen Patts bei der Abstimmung.

Widerstand gegen den Wahltermin
Die CDU setzt bei der Wahl auf einen zügigen Zeitplan. Bereits am Freitag schlug Andreas Bühl, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, den 11. Dezember als Termin für die Abstimmung vor. Doch dieser Vorschlag stieß auf Widerstand bei der SPD. Wie Janine Merz, SPD-PGF, erklärte, ist der Zeitplan für ihre Partei nicht umsetzbar. „Unsere Mitglieder entscheiden basisdemokratisch bis Montag, 9. Dezember, über den Koalitionsvertrag. Erst danach wird unser Landesvorstand ein Votum abgeben“, betonte Merz. Da ein Wahlvorschlag mindestens 48 Stunden vor der Sitzung bei der Landtagsverwaltung eingereicht werden muss, sei der von der CDU angedachte Termin nicht haltbar.

Merz betonte, dass es sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten um einen wichtigen Verfassungsakt handele, der Sorgfalt und Abstimmung erfordere. Gleichzeitig zeigte sie sich offen für eine Sondersitzung des Parlaments, falls die Terminfindung dies erfordere. Dennoch sei sie der Ansicht, dass es bei einer derart bedeutsamen Wahl nicht auf wenige Tage ankomme.

Interne Uneinigkeit bei den Koalitionspartnern
Auch innerhalb des Koalitionsbündnisses gibt es offene Fragen. BSW-PGF Tilo Kummer wies darauf hin, dass vor der Wahl des Ministerpräsidenten auch die Ressortverteilung geklärt werden müsse. Bislang herrscht hier keine Einigkeit unter den Parteivorsitzenden. „Ich bin dafür, sobald Einigkeit in allen noch offenen Fragen besteht, die Ministerpräsidentenwahl so schnell wie möglich durchzuführen“, erklärte Kummer.

Die CDU wiederum sieht Handlungsdruck. Am Samstag, 14. Dezember, findet der Landesparteitag der Christdemokraten statt, und dort möchte man den neuen Ministerpräsidenten Voigt idealerweise bereits offiziell vorstellen. Dies erhöht den Druck, die Wahl spätestens in der Woche davor abzuschließen.

Patt-Situation: Ein Verfassungsdilemma?
Ein zentrales Problem, das im Raum steht, ist die Frage, was passiert, wenn es bei der Abstimmung zu einem Patt kommt. Mario Voigt könnte im dritten Wahlgang auf 44 Ja- und 44 Nein-Stimmen kommen, wenn alle Abgeordneten von Linke und AfD mit „Nein“ stimmen. Der geschäftsführende Ministerpräsident und Linke-Politiker Bodo Ramelow sieht in einer solchen Situation jedoch keine verfassungsrechtlichen Unsicherheiten. „Der dritte Wahlgang ist genau so, dass Mario Voigt dann gewählt ist“, erklärte Ramelow.

Die Verfassung sieht vor, dass im dritten Wahlgang derjenige Kandidat gewählt wird, der die meisten Stimmen erhält. Im Fall eines Patts könnte Voigt also dennoch Ministerpräsident werden. Diese Auslegung ist jedoch nicht unumstritten. CDU-Chef Mario Voigt warnte davor, der AfD in der Abstimmung eine Bühne zu bieten, wie es 2020 der Fall war. Damals führte die Unterstützung des AfD-Kandidaten für den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zu einer Regierungskrise, die bundesweit für Empörung sorgte.

Die Rolle der Thüringer Linken
Noch unklar ist, wie sich die Thüringer Linke bei der Wahl des Ministerpräsidenten verhalten wird. Linke-Co-Chefin Ulrike Grosse-Röthig betonte, dass die Fraktion bisher keine Entscheidung getroffen habe, ob sie einen eigenen Kandidaten für den dritten Wahlgang aufstellen werde. Die Linke könnte mit einem solchen Schritt ihren Anspruch als stärkste Oppositionskraft unterstreichen, würde jedoch die politischen Spannungen im Landtag weiter verschärfen.

Ein Spiel auf Zeit
Die Wahl des Ministerpräsidenten steht sinnbildlich für die politischen Herausforderungen in Thüringen. Obwohl CDU, SPD und BSW mit ihrem Koalitionsvertrag einen wichtigen Schritt getan haben, zeigen die Diskussionen über den Wahltermin und die offenen Ressortfragen, wie komplex die Zusammenarbeit der Parteien ist. Die verschiedenen Fristen, Interessen und Verfassungsfragen machen das Verfahren zu einem Spiel auf Zeit.

Die CDU drängt auf Geschwindigkeit, nicht zuletzt, um ihren neuen Ministerpräsidenten beim eigenen Landesparteitag präsentieren zu können. Die SPD hingegen legt Wert auf Sorgfalt und die Klärung aller offenen Fragen. Das BSW sieht in der Ressortverteilung eine notwendige Grundlage, bevor die Wahl stattfinden kann. Diese unterschiedlichen Prioritäten könnten den ohnehin engen Zeitplan weiter unter Druck setzen.

Die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen ist mehr als ein formaler Akt. Sie steht exemplarisch für die politischen Herausforderungen in einem Land, in dem knappe Mehrheiten und ideologische Gegensätze den Alltag bestimmen. Ein möglicher Patt bei der Abstimmung könnte die Koalitionspartner vor eine Belastungsprobe stellen und die Verfassung auf die Probe. Während die Parteien versuchen, ihre Positionen zu koordinieren, bleibt die Frage, ob der angestrebte Wahltermin noch in diesem Jahr realistisch ist, offen.

In jedem Fall dürfte die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen nicht nur für das Land selbst, sondern auch bundesweit Signalwirkung haben. Sie könnte zeigen, wie stabile Koalitionen in Zeiten zunehmender politischer Polarisierung funktionieren – oder auch scheitern. Bis dahin bleibt jedoch ein erheblicher Klärungsbedarf bestehen, sowohl bei den Terminabsprachen als auch in der Frage, wie sich die einzelnen Fraktionen im Landtag positionieren werden.

Analyse des Koalitionsvertrags zwischen SPD und BSW in Brandenburg

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SPD und BSW Brandenburg: Vorstellung des Koalitionsvertrags mit Dietmar Woidke und Robert Crumbach

Die Vorstellung des Koalitionsvertrags zwischen der SPD und dem Bündnis Soziale Wende (BSW) in Brandenburg markiert einen politischen Wendepunkt für das Bundesland und weckt Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus. Beide Parteien unterstreichen die Bedeutung von Stabilität und Sicherheit, insbesondere in Zeiten, die von Unsicherheiten geprägt sind. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verweist in diesem Zusammenhang auf die erste Koalition mit der Linken im Jahr 2009. Damals, so erinnert er, gab es ebenfalls große Vorbehalte, doch die Zusammenarbeit habe sich als stabil und erfolgreich erwiesen. Er zeigt sich zuversichtlich, dass dies auch mit dem BSW gelingen wird. Vertrauen und eine gute Teamarbeit stehen dabei für Woidke im Mittelpunkt, um eine stabile Regierungsbasis für Brandenburg zu schaffen.

Ein besonderes Merkmal des Koalitionsvertrags ist dessen bewusste Kürze. Wie Kathrin Lange (SPD) betont, wurde das Dokument kompakt gehalten, um den Koalitionspartnern in den kommenden Jahren politische Flexibilität zu ermöglichen. Dieser Ansatz unterscheidet sich deutlich von den oft übermäßig detaillierten Koalitionsvereinbarungen auf Bundesebene, die nicht selten zu Konflikten und Blockaden führen. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Vertrags liegen auf Wirtschaftsentwicklung, Bildung, innerer Sicherheit und einer sozial ausgewogenen Migrationspolitik. Themen wie die Förderung der Tariftreue, die Stärkung der Schulbildung und eine solide Finanzpolitik verdeutlichen, dass pragmatische und zukunftsorientierte Lösungen im Mittelpunkt der Vereinbarungen stehen.

Für den BSW bedeutet der überraschende Wahlerfolg und die Möglichkeit zur Regierungsbildung eine besondere Verantwortung. Der Vorsitzende Robert Grumbach reflektiert, dass die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen nicht immer einfach waren, hebt jedoch den respektvollen Umgang und die konstruktive Zusammenarbeit mit der SPD hervor. Der BSW konnte einige seiner zentralen Programmpunkte in den Vertrag einbringen, darunter die Tariftreue-Regelung, Maßnahmen zur Bildungsgerechtigkeit und eine nachhaltige Finanzpolitik. Auch der stellvertretende Vorsitzende Nils Lüders betont die Bedeutung des Vertrauens zwischen den Partnern und kritisiert gleichzeitig die Detailversessenheit anderer Koalitionen, wie sie in der Ampelregierung auf Bundesebene deutlich wird.

Die Koalition hat jedoch nicht nur auf Landesebene Signalwirkung. Politikwissenschaftler Emanuel Richter sieht in der Zusammenarbeit zwischen SPD und BSW ein potenzielles Erfolgsmodell, das insbesondere für Thüringen von Bedeutung sein könnte, wo derzeit ähnliche Koalitionsverhandlungen zwischen der Linken und dem BSW laufen. Richter weist darauf hin, dass die knappe Mehrheit im Brandenburger Landtag eine Herausforderung darstellt, da sie von beiden Parteien große Disziplin und eine geschlossene Zusammenarbeit erfordert. Dennoch sieht er Chancen für eine erfolgreiche Amtsperiode, da die Partner aufgrund ihrer politischen Nähe und ihrer geteilten Werte eine solide Basis für die Zusammenarbeit haben.

Die Koalition aus SPD und BSW setzt ein klares Zeichen für die politische Landschaft in Brandenburg und möglicherweise auch darüber hinaus. Sie zeigt, dass neue politische Konstellationen und Allianzen in Ostdeutschland nicht nur möglich, sondern auch zukunftsweisend sein können. Der Erfolg dieser Koalition wird jedoch maßgeblich davon abhängen, wie effektiv die Partner ihre Ziele umsetzen und gleichzeitig die Herausforderungen der knappen Mehrheitsverhältnisse bewältigen. Mit einem klaren Fokus auf Stabilität, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung legt der Koalitionsvertrag die Grundlage für eine Regierung, die den Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen sein möchte. Die politische Praxis wird zeigen, ob die Koalition den hohen Erwartungen gerecht werden kann und ob sie ihrem Anspruch, eine stabile und zukunftsorientierte Politik für Brandenburg zu gestalten, gerecht wird.

BSW in der Krise: Wohin führt der Streit zwischen Wagenknecht und Wolf?

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Der innerparteiliche Konflikt innerhalb des Bündnis Zukunft Thüringen (BSW) zwischen der Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht und der Thüringer Landesvorsitzenden Katja Wolf hat die junge Partei in eine schwierige Lage gebracht. Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke sieht in dieser Auseinandersetzung und der daraus resultierenden Uneinigkeit eine zentrale Ursache für die sinkenden Umfragewerte der Partei auf Bundesebene. Doch wie konnte es dazu kommen, und welche Folgen hat dieser Streit für die politische Zukunft des BSW?

Optimismus in Thüringen trotz schwacher Umfragewerte
Während das BSW bundesweit zunehmend unter Druck gerät, versucht Steffen Schütz, Co-Landesvorsitzender in Thüringen, die Lage zu beruhigen. Auf die jüngsten Umfragewerte angesprochen, die die Partei nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde sehen, zeigt sich Schütz gelassen: „Ich finde das jetzt nicht so dramatisch“, erklärt er. Seiner Ansicht nach habe das BSW noch ausreichend Zeit, sich bis zur nächsten Wahl zu konsolidieren und wieder an Boden zu gewinnen. „Ich bin mir sicher, dass wir das gut schaffen werden.“

Dieser Optimismus steht im Kontrast zu den Einschätzungen externer Beobachter. Oliver Lembcke, Politikwissenschaftler und Experte für Parteienforschung, sieht die Situation deutlich kritischer. Für ihn spiegelt der Abwärtstrend der Partei ein fundamentales Problem wider: „Man kann sagen, das BSW hat sein Momentum verloren.“ Lembcke verweist auf die fehlende Fähigkeit der Partei, thematische Schwerpunkte zu setzen und klare Botschaften zu formulieren.

Profillosigkeit und interne Konflikte als Problem
Lembcke analysiert, dass das BSW nicht nur an medialer Aufmerksamkeit eingebüßt habe, sondern auch inhaltlich schwächele. „Die Partei lebt von der Aura ihrer Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht, aber sie hat es bislang nicht geschafft, eigenständige programmatische Schwerpunkte zu entwickeln.“ Insbesondere außerhalb der Themen Krieg und Frieden habe die Partei kaum klare Positionen bezogen. Dies sei ein Versäumnis, das zunehmend von Wählerinnen und Wählern bemerkt werde.

Früher habe das BSW vom sogenannten Ampelfrust profitiert, als es als Protestpartei gegen die Politik der Bundesregierung wahrgenommen wurde. Doch inzwischen stehe die Partei vor der Herausforderung, sich zu profilieren und konkret zu zeigen, was sie zu bieten habe. „Was im Kopf bleibt, ist ein Bild der Uneinigkeit“, fasst Lembcke zusammen. Der parteiinterne Streit zwischen Wagenknecht und Wolf verstärke diesen Eindruck zusätzlich.

Der Streit zwischen Wagenknecht und Wolf
Nach den Landtagswahlen in Thüringen eskalierte der Konflikt zwischen Katja Wolf und Sahra Wagenknecht. Während Wolf auf eine Zusammenarbeit mit CDU und SPD hinarbeitete, kritisierte Wagenknecht diesen Kurs scharf. Sie bezeichnete das von Wolf mit CDU-Chef Mario Voigt und SPD-Landesvorsitzendem Georg Maier ausgehandelte Sondierungspapier als „Fehler“ und forderte Nachbesserungen.

Für die Landesvorsitzende Katja Wolf war diese Einmischung eine klare Belastung, da sie das Vertrauen in ihre Verhandlungsführung untergrub. Auch Oliver Lembcke sieht dies kritisch: „Solche öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten schaden der Glaubwürdigkeit der Partei.“ Für die Wählerinnen und Wähler entstehe der Eindruck, dass die Partei innerlich zerrissen sei und keine klare Linie verfolge. Dies könne langfristig das Vertrauen in das BSW weiter untergraben.

Drei Koalitionsverhandlungen – drei verschiedene Ergebnisse
Zusätzlich zu den internen Konflikten belastet auch die uneinheitliche Koalitionspolitik des BSW das öffentliche Bild der Partei. In den vergangenen Monaten führten die unterschiedlichen Ergebnisse der Koalitionsgespräche in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu Irritationen:

Sachsen:
In Sachsen scheiterte das BSW an einer Regierungsbeteiligung mit der CDU und SPD, da keine Einigung erzielt werden konnte.

Thüringen:
In Thüringen entschied sich die Partei nach intensiven internen Debatten für eine Zusammenarbeit mit CDU und SPD. Dieser Schritt wurde von Teilen der Basis kritisch gesehen, da er als Abkehr von ursprünglichen Positionen wahrgenommen wurde.

Brandenburg:
In Brandenburg koaliert das BSW hingegen mit der SPD, was wiederum eine andere strategische Ausrichtung zeigt.

Diese unterschiedlichen Ergebnisse führen laut Lembcke dazu, dass die Partei als opportunistisch wahrgenommen werde. „Das BSW ist von einer Partei, die eigentlich etwas verändern wollte, zu einer Partei geworden, die Mehrheiten beschafft.“ Ein solcher Eindruck könne bei den Wählerinnen und Wählern zu Verunsicherung und Enttäuschung führen.

Sinkende Umfragewerte auf Bundesebene
Die Auswirkungen dieser Entwicklungen zeigen sich deutlich in den Umfragewerten der Partei. Während das BSW bei seiner Gründung noch von einer hohen medialen Aufmerksamkeit profitierte, hat sich die Unterstützung auf Bundesebene inzwischen auf ein Minimum reduziert. Aktuelle Umfragen sehen die Partei nur noch knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, was die Gefahr eines Scheiterns bei der nächsten Bundestagswahl real erscheinen lässt.

Oliver Lembcke sieht die Hauptursachen in der fehlenden Programmatik und der mangelnden Geschlossenheit der Partei. „Die Menschen wissen nicht, wofür das BSW eigentlich steht“, sagt er. Die ursprüngliche Positionierung als Protestpartei habe sich abgenutzt, und ohne klare Alternativen zu den bestehenden politischen Strukturen könne das BSW keine neuen Wählergruppen gewinnen.

Was muss sich ändern?
Um den Abwärtstrend zu stoppen, müsse das BSW laut Lembcke dringend an seiner Profilbildung arbeiten. Die Partei müsse klare inhaltliche Schwerpunkte setzen und ein geschlossenes Bild nach außen vermitteln. Insbesondere Sahra Wagenknecht und Katja Wolf seien gefordert, ihre Differenzen beizulegen und ein gemeinsames strategisches Ziel zu verfolgen.

Auch Steffen Schütz, der Co-Landesvorsitzende in Thüringen, appelliert an die Partei, sich auf ihre Stärken zu besinnen. „Wir haben die Chance, echte Veränderungen zu bewirken, wenn wir unsere Energie auf die wichtigen Themen richten“, sagt er.

Eine Partei auf der Kippe
Das BSW steht an einem Scheideweg. Die innerparteilichen Konflikte, die uneinheitliche Koalitionspolitik und die fehlende programmatische Ausrichtung haben die junge Partei in eine schwierige Lage gebracht. Ob es dem BSW gelingt, diese Herausforderungen zu meistern, wird maßgeblich davon abhängen, ob die Partei ihre internen Streitigkeiten überwinden und ein klares Profil entwickeln kann. Sollte dies nicht gelingen, droht der Partei ein weiteres Abrutschen in die politische Bedeutungslosigkeit.

Neues Saaltor in Jena: Markantes Bauprojekt trifft auf Kritik

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Mit einem symbolischen Spatenstich begann am vergangenen Donnerstag der Bau des Neuen Saaltors im Zentrum von Jena. Die städtische Wohnungsgesellschaft Jenawohnen plant hier bis 2026 die Errichtung eines modernen Gebäudeensembles mit 24 Wohnungen und fünf Gewerbeeinheiten. Ziel ist es, Platz für Arztpraxen, Büros oder Gastronomie zu schaffen und mit einem markanten Turmgebäude einen neuen Eingang zur östlichen Innenstadt zu gestalten. Doch während das Projekt von vielen Seiten Lob erhält, entzündet sich an den geplanten Mietpreisen und der allgemeinen Ausrichtung des Bauvorhabens auch deutliche Kritik.

Hohe Mieten sorgen für Unmut
Die geplanten Mietpreise von 18 Euro pro Quadratmeter kalt stoßen bei Teilen der Jenaer Bevölkerung auf Widerstand. Auf der Facebook-Seite der Redaktion der Ostthüringer Zeitung kommentierte Nutzerin Ramona Kinner, das Vorhaben passe nicht mehr in die Realität vieler Menschen: „Ich glaube, sie wollen, dass wir Klein-München werden.“ Für Menschen mit niedrigen Einkommen, wie Mindestlohnbeziehende, sei es unmöglich, sich solche Wohnungen leisten zu können.Auch Tom Binder kritisierte in einem Kommentar, dass solche Neubauprojekte zunehmend am Bedarf vorbeigehen würden: „Freistehende Wohnungen jenseits von 2000 Euro monatlicher Miete gibt es in der Lichtstadt genug, und dann auch noch diese Lage.“Ein weiteres zentrales Argument der Kritiker ist der mögliche Einfluss des Neuen Saaltors auf die Mietentwicklung in der Stadt. Nutzer „Unser Jena“ äußerte sich besorgt: „Da werden sich die anderen Mieter im Umkreis warm anziehen dürfen.“ Christa Geyer zeigte sich skeptisch gegenüber der Entscheidung, das Bauprojekt zu fördern: „Das bedeutet, die durchschnittlichen Mieten steigen, der Mietspiegel steigt, und die Bestandsmieten, auch in anderen Stadtteilen, werden höher.“

Jenawohnen verteidigt die hohen Preise
Tobias Wolfrum, Geschäftsführer von Jenawohnen, verteidigte die Mietpreise mit Verweis auf die gestiegenen Baukosten. Ursprünglich waren für das Projekt Kosten von etwa 15 Millionen Euro geplant. Doch aufgrund allgemeiner Preissteigerungen im Bauwesen belaufen sich die veranschlagten Ausgaben mittlerweile auf 18,9 Millionen Euro.Wolfrum erklärte: „Wir möchten keine hohen Mieten verlangen, aber wir müssen es, um das Projekt wirtschaftlich refinanzieren zu können.“ Sozialwohnbau sei angesichts mehrfach abgelehnter Fördermittel durch das Land Thüringen keine realistische Option gewesen.

Debatte über Stadtentwicklung und sozialen Wohnungsbau
Die Diskussion um das Neue Saaltor wirft ein Schlaglicht auf eine breitere Debatte über den Wohnungsmarkt und die Stadtentwicklung in Jena. Während Neubauten wie das Hochhaus K1 in Lobeda-Ost oder das Saaltor insbesondere auf gutverdienende Zielgruppen ausgerichtet scheinen, wird der Ruf nach mehr bezahlbarem Wohnraum immer lauter. Kritiker wie Ramona Kinner und Christa Geyer sehen in den Neubauten eine Gefahr für die soziale Durchmischung der Stadt.Andere Stimmen sehen Projekte wie das Neue Saaltor hingegen positiv. Thoralf Groh argumentiert: „Ein Professoren-Paar kann sich die Wohnungen leisten. Da ist schon genug Kaufkraft im Spiel.“ Für ihn stehen solche Neubauten auch für eine Aufwertung der Stadt, die von einer gut verdienenden Bevölkerung profitieren könnte.

Politische und soziale Verantwortung gefordert
Die Debatte um das Neue Saaltor zeigt, wie stark die Themen Wohnraum und soziale Gerechtigkeit die Stadtgesellschaft beschäftigen. Insbesondere in einer Stadt wie Jena, deren Bevölkerungszahl stetig wächst und deren Wirtschaftskraft mit innovativen Unternehmen und der Universität stark ist, klafft die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt weit auseinander.Das Bauvorhaben stellt damit auch die politischen Kräfte in der Stadt vor Herausforderungen. Wie kann die Balance zwischen städtebaulicher Entwicklung und sozialem Ausgleich gelingen? Welche Rolle spielt die Stadt selbst als Akteur, wenn öffentliche Unternehmen wie Jenawohnen Bauprojekte realisieren, die von weiten Teilen der Bevölkerung nicht als erschwinglich angesehen werden?Für die Zukunft bleibt offen, wie die Stadt Jena mit diesen Spannungsfeldern umgeht. Eines ist jedoch sicher: Das Neue Saaltor wird nicht nur architektonisch ein markantes Zeichen setzen, sondern auch in der Debatte um Wohnen und Leben in Jena weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

LIGA Thüringen zum Koalitionsvertrag: Licht und Schatten für den Sozialsektor

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(v.l.): Thomas Zirkel (Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes); Stefan Werner (stellvertretender Vorsitzende der LIGA Thüringen); Michael Rudolph (Vorsitzender DGB Hessen-Thüringen)
(v.l.): Thomas Zirkel (Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes); Stefan Werner (stellvertretender Vorsitzende der LIGA Thüringen); Michael Rudolph (Vorsitzender DGB Hessen-Thüringen)
(v.l.): Thomas Zirkel (Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes); Stefan Werner (stellvertretender Vorsitzende der LIGA Thüringen); Michael Rudolph (Vorsitzender DGB Hessen-Thüringen)
(v.l.): Thomas Zirkel (Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes); Stefan Werner (stellvertretender Vorsitzende der LIGA Thüringen); Michael Rudolph (Vorsitzender DGB Hessen-Thüringen)

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen e. V. und die in ihr organisierten Verbände AWO, Caritas, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Jüdische Landesgemeinde haben den am vergangenen Freitag vorgelegten Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD kritisch unter die Lupe genommen. Im Ergebnis stehen viele gute Ansätze, einige kritische Punkte und vor allem die Forderung nach einem Landeshaushalt 2025.

“Wir erkennen an vielen Stellen des Koalitionsvertrages Ansätze für wichtige Vorhaben der kommenden Jahre, um eine bedarfsgerechte Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur für alle Bürger und Generationen zu sichern. Das klare Bekenntnis zur Augenhöhe und zur Achtung des Subsidiaritätsprinzips erachten wir für sehr wichtig“, so LIGA-Geschäftsführer Tino Grübel, verbunden mit einer Mahnung, was der soziale Sektor nun am dringendsten benötigt: „Nun heißt es aber, die Vorhaben und Zusagen des Koalitionsvertrages im Landeshaushalt 2025 und im Handeln sichtbar zu machen. Ein fehlender Landeshaushalt setzt die soziale Infrastruktur massiv unter Druck und gefährdet Personalstellen und somit wichtige Angebote für die Thüringer.“

Besonders positiv bewertet die LIGA die im Koalitionsvertrag enthaltenen Aussagen zum Pflege-Bereich. Hier ist eine große und dringend nötige Personal- und Strukturoffensive vorgesehen. „Nun braucht es proaktive Vorschläge zur gemeinsamen Umsetzung“, so Grübel weiter. „Die Wohlfahrtsverbände stehen hier jederzeit beratend zur Verfügung.“ Ebenso begrüßt die LIGA die Aussage, die Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur auch für kommende Generationen bedarfsgerecht zu sichern und dabei ganz besonders das Bekenntnis zur Augenhöhe und zur Achtung des Subsidiaritätsprinzips.

Kritisch betrachten die Wohlfahrtsverbände verschiedene Passagen, die das Thema Migration und Integration betreffen. „Es gibt unklare Formulierungen, die einige Fragen nach sich ziehen“, analysiert der LIGA-Geschäftsführer. So vermitteln verschiedene Passagen den Eindruck, dass ohne Bleibeperspektive kein Zugang zu einem Sprachkurs bestehen könnte. Auch die Art der Unterbringung von Geflüchteten sowie der Zugang zu behördenunabhängiger Rechtsberatung, Asylverfahrensberatung und Rückkehrberatung bleiben unklar. Ebenso braucht es dringend eine Konkretisierung der Aussagen zu einer neuen Landesausländerbehörde, die auch zentral die Rückführungen koordinieren soll. „Wir dürfen keine zentrale Abschiebe-Stelle schaffen“, mahnt Grübel, „damit wäre keine menschenwürdige Rückkehr von Migrantinnen mehr gewährleistet.“

Erste Jenaer Herztransplantation am 28. November 1999 am UKJ

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Hans Kurzhauer (links) wird vom Team um Prof. Dr. Torsten Doenst (rechts), Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am UKJ, regelmäßig seit seiner Transplantation untersucht. Foto: UKJ
Hans Kurzhauer (links) wird vom Team um Prof. Dr. Torsten Doenst (rechts), Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am UKJ, regelmäßig seit seiner Transplantation untersucht. Foto: UKJ
Hans Kurzhauer (links) wird vom Team um Prof. Dr. Torsten Doenst (rechts), Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am UKJ, regelmäßig seit seiner Transplantation untersucht. Foto: UKJ
Hans Kurzhauer (links) wird vom Team um Prof. Dr. Torsten Doenst (rechts), Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am UKJ, regelmäßig seit seiner Transplantation untersucht. Foto: UKJ

Mit 72 Jahren transplantiert zu werden, das hätte sich der jetzt 83-jährige Hans Kurzhauer damals überhaupt nicht vorstellen können. Doch sein Spenderherz schlägt auch über zehn Jahre nach der Transplantation kräftig. Das Team um Prof. Dr. Torsten Doenst, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Jena (UKJ), transplantierte ihm das Spenderherz erfolgreich. Bis heute ist er der älteste Patient, der in den vergangenen 25 Jahren in der Herzchirurgie in Jena ein neues Herz erhielt.

Prof. Dr. Torsten Doenst blickt zurück. „Es war Anfang Januar, als die Nachricht kam und es musste dann alles schnell gehen. Ich wusste, dass dieses Angebot die einzige Option für Hans Kurzhauer war, sodass ich das Spenderherz selbst geholt und es dann gemeinsam mit unserem Team vor Ort implantiert habe. Für uns alle ist dies eine Herzensangelegenheit. Ihn nach all den Jahren weiterhin so agil zu sehen, erfüllt uns daher mit Stolz und Freude. Denn in diesem Alter transplantiert zu werden, ist etwas Besonderes und das Langzeitergebnis spricht für sich.“ Da das Herz des Saalfelders nach einem Herzinfarkt trotz Bypass-Operation nicht mehr die nötige Pumpleistung aufbringen konnte, erhielt er am UKJ zunächst ein dauerhaftes Herzunterstützungssystem, ein sogenanntes Kunstherz. „Die damaligen Systeme hatten aber nur eine begrenzte Haltbarkeit, so dass Hans Kurzhauer für eine Transplantation gelistet wurde, ohne dass wir wirklich geglaubt haben, dass er ein Organangebot bekommen würde“, führt der Herzchirurg weiter aus.

Drei Jahre später erfolgte die Transplantation, von der er sich sehr gut erholte und durch sein Spenderherz eine ganz neue Lebensqualität gewonnen hat. Die Transplantation sieht er als Geschenk. Denn mit seinem neuen Motor läuft’s wieder rund. „Mir wurde ein zweites Leben ermöglicht. Ich feiere sozusagen meinen zweiten Geburtstag jährlich im Januar. Heute kann ich beispielsweise wieder spazieren gehen, Krafttraining absolvieren und gehe in der Ostsee baden. Dafür bin ich dem Jenaer Team und dem Spender unendlich dankbar. Wenn ich nach Jena zur Untersuchung komme, sehe ich meine zweite Familie.“

Vor 25 Jahren, am 28. November 1999, fand am UKJ die erste Herztransplantation statt. Für Torsten Doenst ein Meilenstein in der Geschichte der Klinik: „Mein Vorgänger und damaliger Klinikdirektor Prof. Thorsten Wahlers hat hiermit das Herztransplantationsprogramm am UKJ begründet und für Patienten wie Hans Kurzhauer die Anlaufstelle für Herztransplantationen in Thüringen geschaffen.“ Mittlerweile sind hier über 400 Organe transplantiert und mehr als 300 Kunstherzsysteme implantiert worden. Mit immer besseren Ergebnissen. „Obwohl der Verlauf bei Hans Kurzhauer aufgrund seines Alters sicher besonders ist, liegt die durchschnittliche Lebenserwartung nach einer Herztransplantation international bei 11 bis 13 Jahren. Unsere Langzeitergebnisse liegen aktuell sogar etwas über dem Durchschnitt“, so Dr. Tim Sandhaus, der im Team von Torsten Doenst derzeit das Transplantationsprogramm leitet. „Hans Kurzhauer hat damit also noch eine gute Perspektive.“ Aber auch bei den Kunstherzsystemen hat es wesentliche Verbesserungen gegeben, so dass viele Patienten mittlerweile eine gute Lebensqualität über viele Jahre hinweg erhalten, was besonders auch bei älteren Patienten, die nicht mehr für eine Transplantation in Frage kommen, eine Option darstellt.

Hans Kurzhauer kommt regelmäßig zur Nachsorge zum Jenaer Herzteam. Man kennt sich. Immerhin ist er seit über einem Jahrzehnt ein häufig gesehener Patient der Klinik. „Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben. Ich kenne die Ärzte, das Pflegepersonal und sie mich.“ Der individuelle Patient steht dabei im Mittelpunkt und dessen Lebensqualität wiederherzustellen. Torsten Doenst: „Wir führen in Jena nicht nur Operationen durch, sondern betreuen unsere Patienten auch nach dem Eingriff in unserer Transplantationsambulanz. Ich bin überzeugt, dass diese individuelle Betreuung durch unser erfahrenes Team der Schlüssel für die guten Langzeitergebnisse ist“.

Brombeer-Koalition: Umbau der Thüringer Ministerien im Fokus

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Die geplante Regierungskoalition von CDU, Bündnis Zukunft Thüringen (BSW) und SPD in Thüringen hat ehrgeizige Ziele: Mit einem „Ruck“ soll das Land wirtschaftlich, sozial und strukturell neu ausgerichtet werden. So formulierte es CDU-Landeschef Mario Voigt bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Doch während die Inhalte festgelegt sind, herrscht bei der Ressortverteilung und der Neuaufteilung der Ministerien noch Unsicherheit. Insbesondere die Verteilung des Wirtschaftsministeriums sorgt für Spannungen.

Wer erhält das Wirtschaftsministerium?
Das Wirtschaftsministerium gilt als Schlüsselressort, das entscheidend für den versprochenen wirtschaftlichen Aufschwung im Freistaat ist. Doch sowohl CDU, BSW als auch SPD beanspruchen dieses Ministerium für sich.

Die CDU, deren wirtschaftspolitische Kompetenz in Umfragen als am höchsten eingeschätzt wird, sieht sich als natürlichen Träger dieses Ressorts. Laut einem CDU-Vertreter erwarten Unternehmen und Wirtschaftsverbände „neue Pflöcke“, die in Thüringen eingeschlagen werden sollen. Eine Fortführung der bisherigen rot-rot-grünen Politik sei für die CDU nicht akzeptabel.
Die SPD, angeführt von Georg Maier, Thüringens dienstältestem Innenminister, hat ebenfalls Interesse angemeldet. Maier selbst wird als potenzieller Wirtschaftsminister gehandelt und könnte auch die Zuständigkeit für Energie in dieses Ressort integrieren.
Das BSW, mit seinem Co-Vorsitzenden Steffen Schütz, sieht sich ebenfalls als geeigneten Kandidaten. Schütz, der im Wahlkampf wiederholt seine wirtschaftliche Expertise betonte, könnte als Minister ein Zeichen für unternehmerfreundliche Reformen setzen.
Hinter den Kulissen: Neue Zuständigkeiten und strategische Überlegungen
Hinter geschlossenen Türen wird derzeit über die Neuverteilung der Ministerien verhandelt. Dabei gibt es mehrere Modelle, die auf eine effizientere Struktur abzielen:

Zusammenlegung von Ressorts:
So könnte das Umweltministerium künftig auch für Landwirtschaft zuständig sein – eine Konstellation, die unter Rot-Rot-Grün nicht realisiert wurde. Die Linke hatte damals argumentiert, dass Bauern eine grüne Ministerin nicht akzeptieren würden.

Neues Bildungsministerium:
Ein Bildungsministerium, das zusätzlich Hochschulen und Wissenschaft umfasst, ist im Gespräch. Für die CDU wäre die Übernahme dieses Ressorts besonders wichtig, da sie im Wahlkampf verstärkt auf Bildungsreformen gesetzt hat. Eine Nichteinhaltung dieses Anspruchs könnte als Widerspruch zu den Wahlversprechen interpretiert werden.

Infrastrukturministerium mit erweiterten Zuständigkeiten:
Das bestehende Infrastrukturministerium könnte mit den Bereichen Digitalisierung und Entbürokratisierung gestärkt werden. Allerdings ist noch unklar, ob Digitalisierung nicht doch besser als Chefsache in der Staatskanzlei aufgehoben wäre.

Die Rolle der einzelnen Parteien
Die Verteilung der Ministerien ist stark von der parteipolitischen Gewichtung innerhalb der Koalition abhängig. Die CDU wird als stärkste Partei das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen, wobei Mario Voigt selbst als Favorit gilt. Darüber hinaus stehen der CDU vier weitere Ressorts zu. Das BSW erhält drei Ministerien, und die SPD, der kleinste Partner, wird zwei Ministerien führen.

BSW:
Katja Wolf, Co-Vorsitzende des BSW, könnte Finanzministerin werden. Damit würde ein zentrales Ressort an den zweitstärksten Koalitionspartner gehen. Dies würde auch das große Budget und die Gestaltungsspielräume des Ministeriums unterstreichen.

SPD:
Für die SPD scheint das Sozialministerium mit den Bereichen Arbeit und Gesundheit gesetzt. Als Kandidatin für dieses Schlüsselressort wird Katharina Schenk, ehemalige Kommunalstaatssekretärin, gehandelt. Georg Maier könnte als Innenminister verbleiben, wobei er das Flüchtlingsmanagement abgeben würde – ein Bereich, mit dem er sich in der Vergangenheit nur schwer identifizieren konnte.

Die CDU und ihre Herausforderung
Für die CDU ist die Herausforderung doppelt. Einerseits müssen zentrale Wahlversprechen – wie der Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik – eingelöst werden. Andererseits muss die Ressortverteilung innerhalb der Koalition ohne größere Konflikte über die Bühne gehen. Besonders bei der kommenden Abstimmung über den Koalitionsvertrag am Samstag möchte die Partei keine Unzufriedenheit riskieren. Die Zuweisung des Bildungsministeriums oder des Wirtschaftsministeriums wird dabei als entscheidend angesehen, um die Parteibasis zu überzeugen.

Ein Blick nach vorne: Der Zeitplan
In den kommenden Tagen wollen die Parteivorsitzenden weiter verhandeln, um eine Einigung bei der Ressortverteilung zu erzielen. Frühestens in der nächsten Woche wird jedoch mit einer finalen Entscheidung gerechnet. Besonders die CDU wird am Wochenende ihren kleinen Parteitag nutzen, um interne Absprachen zu treffen und den Koalitionsvertrag zu ratifizieren.

Die Anzahl der Ministerien soll dabei konstant bleiben. Diese Festlegung ist ein Kompromiss, um die Verwaltungsstruktur schlank zu halten und gleichzeitig die Gestaltungsspielräume der neuen Regierung zu sichern.

Der Umbau als Signal des Aufbruchs
Die geplanten Veränderungen in den Thüringer Ministerien stehen symbolisch für einen politischen Neubeginn. Mit dem Koalitionsvertrag haben CDU, BSW und SPD ein Fundament gelegt, das auf wirtschaftliche Erneuerung und soziale Gerechtigkeit abzielt. Doch die eigentliche Herausforderung liegt noch vor ihnen: Eine Ressortverteilung, die sowohl die parteipolitischen Interessen als auch die Erwartungen der Bürger erfüllt, könnte sich als entscheidender Lackmustest für die neue Koalition erweisen.

Steigende Grundsteuer in Jena: Was kommt auf Eigentümer und Mieter zu?

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In Jena steht eine weitreichende Entscheidung bevor: Die Festlegung neuer Hebesätze für die Grundsteuer sorgt in der Stadt für Spannung. Hintergrund sind Änderungen im bundesweiten Steuersystem, die Eigentümer und Mieter gleichermaßen betreffen könnten. Vor allem nach Berichten über drastische Erhöhungen in anderen Städten – beispielsweise von „1000 Prozent mehr Grundsteuer“ – stellt sich die Frage, ob solche Szenarien auch in Jena Realität werden könnten.

Hebesätze: Der entscheidende Faktor für die Grundsteuer
Der zu zahlende Grundsteuerbetrag hängt maßgeblich von den sogenannten Hebesätzen ab. Diese geben an, mit welchem Faktor der Grundsteuerwert multipliziert wird. Dieser Wert setzt sich aus Bodenrichtwerten und der Bebauung des Grundstücks zusammen, wie es die neue Berechnungsgrundlage vorschreibt. Eine Anpassung der Hebesätze ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Grundsteuerregelung 2019 als verfassungswidrig erklärt hatte. Die alte Berechnung entsprach nicht mehr den realen Werten von Grundstücken und Gebäuden.

Aktuell liegt der Hebesatz für die Grundsteuer B, also für bebaute Flächen in Jena, bei 495 Prozent. Doch dieser Wert könnte sich bald ändern. Ziel ist es, eine sogenannte „aufkommensneutrale“ Lösung zu finden. Das bedeutet, die Einnahmen der Stadt aus der Grundsteuer sollen trotz neuer Berechnungsgrundlagen insgesamt nicht steigen. Ob dies gelingen kann, bleibt abzuwarten, da die genaue Verteilung der Steuerlast auf verschiedene Grundstücksarten von den neuen Bewertungsgrundlagen abhängt, die das Finanzamt ermittelt hat.

Entscheidung verzögert sich
Eine Entscheidung über die neuen Hebesätze steht bisher aus. In der Tagesordnung der Ratssitzung am heutigen Mittwoch taucht das Thema nicht auf. Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) begründet die Verzögerung mit den laufenden Haushaltsverhandlungen der Stadt, die einen hohen Abstimmungsbedarf erfordern. Bis Dezember soll die Verwaltung dem Stadtrat jedoch einen Vorschlag für eine neue Satzung zur Abstimmung vorlegen. Dabei wird auch eine Senkung des Hebesatzes auf 400 Prozent diskutiert, um die finanziellen Auswirkungen für Bürger abzumildern.

Betroffen sind nicht nur Eigentümer
Die Grundsteuer betrifft nicht nur Grundstückseigentümer. Auch Mieter spüren die Auswirkungen, da die Steuer als Teil der Betriebskosten auf sie umgelegt wird. „Aktuell spielt die Grundsteuer bei den Nebenkosten nur eine untergeordnete Rolle“, erklärt Diana Gelbhaar vom Mieterbund Jena. Derzeit zahlen Mieter im Schnitt etwa 13 bis 20 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche für die Grundsteuer. Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung entspricht das einer monatlichen Belastung von etwa 10 Euro.

Trotzdem könnte eine deutliche Erhöhung der Grundsteuer gerade in Kombination mit anderen Kostensteigerungen für Probleme sorgen. Bereits jetzt machen die hohen Energiepreise vielen Mietern zu schaffen. Laut Gelbhaar bereiten insbesondere die Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2024 Sorgen, da sie aufgrund gestiegener Energiepreise deutliche Nachzahlungen erwarten lässt. Ein deutschlandweiter Vergleich der Nebenkosten für das Jahr 2022 zeigte, dass Jena bereits damals Spitzenwerte erreichte: Laut einem Immobilienportal stiegen die Nebenkosten in der Stadt um 82 Prozent.

Neues System: Gewinner und Verlierer
Die Reform der Grundsteuer bringt Gewinner und Verlierer mit sich. Grundstücke in begehrten Lagen oder mit hohen Bodenrichtwerten werden künftig teurer besteuert. Gleichzeitig könnten weniger attraktive Grundstücke von einer geringeren Steuerlast profitieren. Die Stadt Jena hat dabei keinen direkten Einfluss darauf, welche Grundstücke teurer oder günstiger werden. Diese Entscheidungen basieren auf den durch das Finanzamt ermittelten Grundlagen. Aufgabe der Stadt ist es lediglich, die Hebesätze so anzupassen, dass das Gesamtaufkommen gleich bleibt.

Wie geht es weiter?
Im Dezember wird erwartet, dass die Stadtverwaltung dem Stadtrat eine neue Satzung mit konkreten Hebesätzen vorlegt. Bis dahin bleibt die Unsicherheit für Eigentümer und Mieter groß. Ob Jena sich für eine moderate Lösung entscheidet oder ob die Belastungen für viele Bürger steigen, wird sich erst dann zeigen. Bürgermeister Gerlitz betont die Notwendigkeit, die Änderungen transparent zu gestalten und die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen.

Klar ist, dass die Diskussion um die Grundsteuer in Jena noch lange nicht abgeschlossen ist. Sie wird nicht nur die städtische Haushaltsplanung, sondern auch die finanzielle Situation vieler Einwohner beeinflussen. Die anstehenden Entscheidungen werden zeigen, ob Jena einen Weg findet, die Belastungen für seine Bürger gerecht zu verteilen.