Zwangsfusion: Unter sowjetischem Druck vereint Ulbricht SPD und KPD zur SED

Am 22. April 1946 schrieb Berlin ein neues Kapitel: Unter dem wachsamen Blick der sowjetischen Besatzungsmacht schlossen sich die ostdeutschen Zweige von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zusammen. An der Spitze dieses Kraftaktes stand Walter Ulbricht, frisch aus dem Moskauer Exil zurückgekehrt und vom sowjetischen Militärrat hofiert.

Bereits Wochen zuvor hatten Delegationen beider Parteien in Hinterzimmern und auf geheimen Treffen über eine Vereinigung diskutiert. Während die KPD eine solche Fusion lange gefordert hatte, zögerte die SPD – insbesondere die gemäßigte Führung um Ernst Reuter und Wilhelm Pieck –, sich auf einen Schulterschluss einzulassen. Doch in Berlin war Widerstand zwecklos: Politische Drohungen, offene Einschüchterung und der Entzug von Druckerlaubnissen setzten selbst zögernde Genossen unter Druck.

„Wer sich nicht fügt, wird kaltgestellt“, hieß es aus sowjetischen Offizierskreisen, die lokal immer wieder in Parteiversammlungen eindrangen. Ulbricht nutzte die Gelegenheit, um genüsslich das Einigungswerk voranzutreiben. Am Tag des Vereinigungsparteitags, dem 22. April, stimmten in der Werner-Seelenbinder-Halle fast alle Delegierten für den Zusammenschluss. Einmütig – zumindest auf dem Papier. Die wenigen SPD-Delegierten mit Bedenken sahen sich eingeschüchtert: Berichte von Festnahmen linker Sozialdemokraten und der Androhung, der ganzen SPD-Fraktion die Mandate zu entziehen, sorgten für Sprachlosigkeit.

Aus Bonn, wo Kurt Schumacher die West-SPD anführte, ertönte scharfe Kritik: „Dies ist keine Vereinigung auf Augenhöhe, sondern eine Zwangsfusion unter den Stiefeln des Besatzers“, warnte er vor dem Verlust demokratischer Strukturen. Tatsächlich markierte die Gründung der SED den Beginn der Einparteienherrschaft in der späteren DDR. Innerhalb weniger Jahre hatte die neue Partei Monopolstatus erlangt – eine Tatsache, die im Westen mit Besorgnis begleitet wurde, aber kaum Einfluss auf die Machtausübung im Osten hatte.

Heute, 79 Jahre später, wird dieser Tag als Wendepunkt gesehen. Er zeigt, wie schnell Hoffnung auf sozialdemokratische Mitbestimmung in brutale Realpolitik umschlagen kann – wenn aus Besatzungsdruck Parteizwang wird. Die SED blieb bis 1989 das unangefochtene Machtinstrument in der DDR und prägte das Leben von Millionen Menschen. Der 22. April 1946 bleibt Mahnung und historisches Lehrstück zugleich: Die Verschmelzung zweier Parteien unter Zwang kann Demokratie nachhaltig beschädigen.

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