Berlin – Im Schatten der ikonischen Großbauten der 1970er Jahre, die einst als Symbole des Optimismus und Fortschritts West-Berlins galten, formiert sich eine Vision, die weit über das Bekannteste hinausreicht. Das Internationale Congress Centrum (ICC) – ein Bauwerk, das nicht nur durch seine architektonische Kühnheit, sondern auch durch seinen ambivalenten Ruf auffiel – soll nun in ein pulsierendes kulturelles Herz verwandelt werden. Unter dem Motto „Suddenly Wonderful – Die Zukunft des ICC“ wird deutlich, dass aus historischen Überresten etwas völlig Neues erwachsen kann.
Ein historischer Blickpunkt
Schon als Jugendlicher beeindruckte das ICC zahlreiche Berliner, und wer sich an die Anfangssequenz von Wim Wenders’ Der Himmel über Berlin erinnert, weiß: Das imposante Bauwerk fungierte als fast schon mythischer Vorbote einer Zukunft, die damals noch in weiter Ferne lag. Das ICC, das in den 70er Jahren als eine Art Kommunikationsmaschine errichtet wurde, stand damals wie heute im Zentrum von Diskussionen. Während das ausgeklügelte Design und die architektonische Präzision vieler Betrachter Faszination hervorriefen, blieb das Gebäude gleichzeitig ein Monstrum aus Beton, das gerade für Kinder unheimlich wirkte.
Der Wandel vom umstrittenen Giganten zum Kulturerbe
Die Zeiten des negativen Beifalls sollen laut den Initiatoren des Projekts angehören. Bereits 2019 wurde das ICC unter Denkmalschutz gestellt – eine Anerkennung, die sowohl die außergewöhnliche Baukunst als auch den symbolträchtigen Charakter des Gebäudes unterstreicht. „Es war lange umstritten, wirtschaftlich nie selbsttragend und ästhetisch gewöhnungsbedürftig, aber heute gilt es als ein technisches und künstlerisches Meisterwerk“, resümiert Ursula Müller, Kuratorin und Leiterin der Architektursammlung der Berlinischen Galerie.
Vision ICCC: Kultur und Innovation vereinen
Die Zukunft des ICC ist untrennbar mit der Idee verknüpft, das Gebäude als International Center for Contemporary Culture (ICCC) neu zu definieren. In der aktuellen Ausstellung „Suddenly Wonderful. Westberliner Großbauten der 1970er Jahre“ wird nicht nur die technische Raffinesse des Bauwerks zelebriert – vielmehr wird ein radikaler Perspektivwechsel aufgezeigt: weg vom konventionellen Messebau hin zu einem multifunktionalen Kulturzentrum.
Die architektonischen Konzepte, die hier präsentiert werden, umfassen weit mehr als rein ästhetische Umbauten. Sie stellen einen konzeptionellen Brückenschlag zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dar. Neben der Umwandlung in ein Kulturzentrum soll das ICC zukünftig 24 Stunden täglich und an 365 Tagen im Jahr genutzt werden. Dies geschieht im Bestreben, den räumlichen und wirtschaftlichen Nutzen zu maximieren: ob als Veranstaltungsort für Konferenzen, als Forum für internationale Begegnungen, als Ausstellungsraum oder sogar als innovative Festivalfläche.
Zwischen Technik, Design und gesellschaftlicher Integration
Ein zentrales Element der Umbauvision ist die technische Raffinesse des Gebäudes – architektonische Besonderheiten wie das schwingungsfrei aufgehängte Innenleben und die massive Tragstruktur gelten noch immer als technisch wegweisend. Zugleich sollen neue Ideen integriert werden, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Vorschläge wie eine Biosphärenhülle zur natürlichen Belüftung oder ein Klimacampus als Lern- und Forschungszentrum markieren den Weg in eine nachhaltige Zukunft. Diese innovative Herangehensweise vereint den Geist der 70er-Jahre mit modernen Ansprüchen an Energieeffizienz und Multifunktionalität.
Der Blick in die Zukunft
Das Projekt, das in den kommenden Legislaturjahren in einem offenen Wettbewerbsverfahren konkretisiert werden soll, richtet sich nicht nur an internationale Investoren. Es appelliert an das Lebensgefühl Berlins: an die Verbundenheit mit einer Stadt, die stets im Wandel begriffen ist und deren kulturelle Identität auf der Integration von Alt und Neu fußt. Die wagemutige Umnutzung des ICC soll dabei nicht nur ein architektonisches, sondern auch ein gesellschaftspolitisches Signal senden – ein Aufruf, historische Bauten als lebendige Orte der Begegnung und des Austauschs zu begreifen.
In einer Stadt, in der kulturelle Vielfalt und ständige Erneuerung an der Tagesordnung stehen, könnte das neu interpretierte ICC zu einem Leuchtturmprojekt für Europa werden. Ein Ort, an dem Geschichte nicht statisch verharrt, sondern sich in einem fortwährenden Dialog mit der Zukunft befindet. Diese ganzheitliche Vision macht „Suddenly Wonderful“ zu weit mehr als nur einer Ausstellung – sie lädt dazu ein, über den kulturellen und städtebaulichen Wandel Berlins nachzudenken und aktiv an der Transformation teilzuhaben.
Das ICC, einst als umstrittenes Riesenbauwerk betrachtet, ist auf dem besten Weg, sich als innovatives Kulturzentrum zu etablieren. Mit einem Mix aus technischem Können, künstlerischem Anspruch und zukunftsgerichteten Konzepten zeigt sich Berlin bereit, sein historisches Erbe neu zu beleben und als Inspirationsquelle für kommende Generationen zu nutzen. Dabei wird deutlich: Manchmal muss man gewaltige Strukturen erst hinterfragen, um darin schließlich die Samenkörner der Zukunft zu entdecken.