In der aktuellen politischen Landschaft Thüringens ist die Regierungsbildung eine äußerst komplexe Angelegenheit. Das mögliche Bündnis zwischen CDU, BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) und SPD steht im Fokus der öffentlichen Debatte. Doch dieses Dreierbündnis fehlt genau eine entscheidende Stimme, um im Landtag eine Mehrheit zu erreichen. In diesem Zusammenhang kursieren Gerüchte, dass der BSW versucht habe, Abgeordnete der Linken für einen Parteiwechsel zu gewinnen, um die benötigte Mehrheit zu sichern. Aber was ist dran an diesen Gerüchten, und wie reagieren die betroffenen Parteien auf die Vorwürfe?
Linke wehrt sich gegen Abwerbegerüchte
Die Fraktion der Linken im Thüringer Landtag reagiert auf die Gerüchte klar und unmissverständlich: Es werde keinen Übertritt von Linken-Abgeordneten zum BSW geben. Christian Schaft, Abgeordneter der Linken, betont, dass seine Fraktion geschlossen stehe und sich durch „gestreute Gerüchte und Abwerbeversuche anderer Fraktionen nicht auseinanderdividieren“ lasse. Konkrete Informationen darüber, wer angeblich solche Angebote erhalten habe, bleiben jedoch aus. Ein Parteisprecher der Linken äußert sich auf Nachfrage nicht weiter dazu, wer möglicherweise Ziel dieser Abwerbeversuche gewesen sein könnte.
Anja Müller: „Ich nehme das nicht ernst“
Eine der wenigen, die konkret über eine solche Kontaktaufnahme berichtet, ist die Linken-Abgeordnete Anja Müller. Im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigt sie, eine E-Mail erhalten zu haben, in der ihr ein Parteiwechsel zum BSW nahegelegt wurde. „Ja, ich habe eine Mail bekommen. Ich weiß aber nicht, wer der Absender ist, und sowas nehme ich nicht ernst“, sagt Müller. Die E-Mail liegt unserer Redaktion vor. Darin fordert der Absender, dass Müller zum BSW übertrete, um „eine regierungsfähige linke Politik zu ermöglichen“.
BSW: „Kein aktiver Abwerbeversuch“
Von Seiten des BSW distanziert man sich deutlich von der angeblichen E-Mail und den darin formulierten Abwerbeversuchen. Pressesprecher Steffen Quasebarth erklärt, dass der Absender der E-Mail dem BSW nicht bekannt sei und weder als Mitglied noch als Unterstützer geführt werde. „Von der Partei gehen keine aktiven Abwerbeversuche aus“, betont Quasebarth. Das BSW wehrt sich also gegen die Vermutung, gezielt Abgeordnete der Linken abwerben zu wollen, um die Mehrheitsverhältnisse im Landtag zu verändern.
Geschlossenheit in der Linken-Fraktion
Anja Müller stellt klar, dass sie zu keinem Zeitpunkt einen Wechsel in Erwägung gezogen habe. Auch der Rest der Linken-Fraktion scheint von derartigen Versuchen nicht betroffen zu sein. Auf eine Anfrage bei allen neu gewählten Linke-Abgeordneten ergab sich, dass niemand sonst von einem Abwerbeversuch betroffen sei. Sollten solche Angebote doch gemacht werden, betonen alle Befragten, dass sie diese entschieden ablehnen würden.
So erklärt die Landesvorsitzende der Linken in Thüringen, Ulrike Grosse-Röthig, dass sie sich bereits bei der Gründung des BSW „als unpassend erwiesen“ habe und daher wohl keine Abwerbeversuche an sie gerichtet wurden. Auch sie unterstreicht die Geschlossenheit ihrer Fraktion: „Es wird keine Übertritte geben.“
Ramelow bleibt der Linken treu
Besondere Aufmerksamkeit gilt den Spekulationen um den scheidenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Es kursierten Gerüchte, dass er einen Wechsel zum BSW in Erwägung ziehe, doch Ramelow wies diese bereits kurz nach der Wahl entschieden zurück. „Ich-AGen haben wir schon viel zu viele. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt vor, meine Partei zu verlassen“, betont er. Ramelow, eine der prominentesten politischen Persönlichkeiten in Thüringen, hat sich somit klar zur Linken bekannt und sieht keine Veranlassung, die Partei zu wechseln.
Weitere Abgeordnete reagieren gelassen
Auch andere Linke-Abgeordnete äußern sich zu den Gerüchten. Lena Saniye Güngör etwa vermutet hinter den Spekulationen eine bewusste Ablenkungstaktik: „Vielleicht will man so davon ablenken, dass jetzt eigentlich die CDU in der Verantwortung steht.“ Sie betont zudem, dass niemand versucht habe, sie abzuwerben, und sie sich darüber freue.
Katharina König-Preuss, ebenfalls Abgeordnete der Linken, sagt, sie habe noch nie ein Abwerbeangebot einer anderen Partei erhalten: „Und das ehrt mich.“ Auch Katja Mitteldorf und Ronald Hande, zwei weitere Mitglieder der Linken-Fraktion, erklären, dass sie keine Abwerbeversuche erlebt hätten und dass ihre Loyalität zur Linken unerschütterlich sei. „Ich bin und bleibe Linke“, lautet ihre klare Botschaft.
Genervte Reaktionen auf die Gerüchte
Einigen Linke-Abgeordneten scheint das Thema Abwerbeversuche bereits lästig zu werden. Andreas Schubert etwa erklärt, dass er von den Gerüchten nur durch Journalisten erfahren habe und keine Motivation verspüre, zum BSW zu wechseln. Er wolle lieber wieder über politische Inhalte sprechen. Jens Thomas, ein weiterer Abgeordneter, bezeichnet die Diskussion als „hanebüchen“ und stellt klar, dass er sein Direktmandat nicht durch einen Übertritt zu einer anderen Partei gefährden werde.
Die Gerüchte um Abwerbeversuche des BSW bei den Linken haben zwar für Aufsehen gesorgt, doch sowohl die Linken-Fraktion als auch das BSW weisen die Vorwürfe entschieden zurück. Die Linken betonen ihre Geschlossenheit und Loyalität, während das BSW jegliche Verantwortung für die kursierenden Abwerbegerüchte von sich weist. Ob es sich hierbei um gezielte Störmanöver in der angespannten politischen Lage Thüringens handelt oder ob einzelne Überläufer tatsächlich in Erwägung gezogen werden, bleibt unklar. Eines jedoch ist sicher: Die Regierungsbildung in Thüringen bleibt auch weiterhin eine Herausforderung, und es wird spannend sein, wie sich die politischen Verhältnisse in den kommenden Wochen entwickeln.