In der Deutschen Demokratischen Republik war ein Auto nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern oft ein halbes Leben lang Wartezeit – ein Versprechen auf individuelle Freiheit und einen Hauch von Luxus, der selten war. Doch einige dieser Fahrzeuge wurden zu wahren Legenden, schneller, exklusiver oder einfach begehrter als manches Westauto. Sie prägten das Straßenbild und die Geschichten ihrer Besitzer. Begleiten Sie uns auf eine Fahrt zu fünf unvergesslichen Autos, die nur diejenigen kennen, die das Leben in der DDR miterlebt haben.
1. Der Trabant 601: Die „Rennpappe“ als Lebensgeschichte auf Rädern Sein heiseres Knattern war unverwechselbar, ein Zweitakter, der sich durch die Plattenbausiedlungen fräste. Der liebevoll „Rennpappe“ genannte Trabant 601, ab 1964 in Zwickau vom VWB Sachsenring gebaut, war für fast jeden im Osten mehr als nur ein Auto – er war eine Lebensgeschichte auf Rädern. Wer einen bestellte, wartete oft 15 Jahre, manchmal hieß es: bestellen Sie heute, bekommen Sie es 2040. Trotzdem waren die Menschen stolz und pflegten ihren „Trabbi“ wie ein Familienmitglied.
Technisch simpel mit einem Zweizylinder-Motor, 600 Kubikzentimetern Hubraum und 26 PS, erreichte er maximal 100 km/h, wenn der Wind von hinten kam. Die Heizung war ein Gerücht, Sicherheitsgurte fehlten – denn die Karosserie bestand aus Duroplast, einem Material aus Baumwollresten und Phenolharz, das weder rostete noch glänzte, aber Charakter hatte. Der „Trabbi“ war federleicht, daher der Spitzname „Rennpappe“. Er symbolisierte Freiheit, ermöglichte Reisen bis nach Ungarn, ans Meer, zur Verwandtschaft. Ersatzteile? Man bastelte mit Gummiband, Draht und Hoffnung. Nach der Wende fast vergessen, ist der Trabant heute Kult, begehrt als Oldtimer, Hochzeitswagen oder Touristenattraktion, und gut erhaltene Exemplare erzielen Preise von über 20.000 Euro.
2. Der Wartburg 353: Der „große Bruder mit Verantwortung“ War der Trabant ein Symbol für Geduld, so war der Wartburg 353 der „große Bruder mit Verantwortung“. Er war das Auto für Familien, für mehr Gepäck, für mehr Wünsche. Zwischen 1966 und 1988 in Eisenach gebaut, galt er für DDR-Verhältnisse fast als Luxus im Vergleich zum Trabant. Der Wartburg war lang, breit und souverän, seine kantige Karosserie und das weiche Fahrverhalten brachten ihm den Spitznamen „Sofa auf Rädern“ ein. Im Fond konnte man sich strecken und ausruhen.
Unter der Haube knatterte ein Dreizylinder-Zweitakter mit 50 PS, der auch fünf Personen, zwei Koffer, drei Fahrräder und einen Bollerwagen transportierte. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 130 km/h. Lehrer, Ärzte, LPG-Vorsitzende und Familienväter, die nicht 15 Jahre auf einen Trabi warten wollten, wählten oft den Wartburg. Später wurde sogar ein leiserer und saubererer VW-Motor als Viertakter eingebaut – fast ein Abschiedsgeschenk. Besonders begehrt war der Kombi, offiziell „Tourist“ genannt, in den alles passte. Heute ist der Wartburg seltener als der Trabant, aber solider und ruhiger, und lässt auf Oldtimertreffen an lange Urlaubsfahrten ohne Klimaanlage erinnern.
3. Der Barkas B1000: Das „Rückgrat des Sozialismus auf Rädern“ Der Barkas B1000 war nie ein Auto zum Angeben, aber stets ein treuer Begleiter, der von der Baustelle bis zum Bäcker unermüdlich seinen Dienst verrichtete. Von 1961 bis 1991 lief er in Karl-Marx-Stadt vom Band. Er war ein wahres Multifunktionstalent: Bus, Krankenwagen, Feuerwehrfahrzeug, Polizeiwagen, Verkaufsstand oder Kindergartentransport – der Barkas konnte alles sein. Sein Design war rundlich und freundlich, die Frontantriebskonstruktion ermöglichte einen flachen Einstieg und einen niedrigen Laderaum.
Technisch war er ein verlässlicher Kumpel mit einem Dreizylinder-Zweitaktmotor und knapp 45 PS, der unbeladen etwa 95 km/h schaffte. Sein Klang war kein Knattern, sondern ein sonores Ringen mit der Last, als würde er kurz durchatmen und dann weitermachen. Der Barkas war das „Rückgrat des Sozialismus auf Rädern“, unverzichtbar für den Transport von Material und Menschen. Viele DDR-Kinder erlebten ihre ersten Fahrten im Barkas, sei es im Kindergartenbus oder im Krankenwagen. Selbst nach der Wende wurde er weiter genutzt, umgebaut zu Wohnmobilen oder Marktständen. Heute ist der Barkas auf Oldtimertreffen ein Relikt aus einer Zeit, in der Zweckmäßigkeit Ehrensache war.
4. Der Melkus RS 1000: Der „rote Blitz der Republik“ Der Melkus RS 1000 war ein Auto wie ein Gerücht, der „rote Blitz der Republik“. Er wurde nicht in einem großen Werk, sondern in einer kleinen Garage in Dresden von Heinz Melkus gebaut, einem Mann, der Rennen fuhr, baute und träumte. Es war keine Massenproduktion; nur 101 Stück wurden handgefertigt, individuell für Rennfahrer, Parteifunktionäre und Technikfreaks mit Verbindungen. Der Melkus war der einzige Sportwagen der DDR, ausgestattet mit Flügeltüren und einem schnittigen Design.
Ein Dreizylinder-Zweitakter mit 70 PS, der sich beim Gasgeben wie ein Wespennest im Rausch anhörte, ermöglichte eine Spitze von 165 km/h – eine beeindruckende Leistung in einer Zeit, in der die meisten Trabis auf der Autobahn rechts blinkten. Die Karosserie bestand aus GFK (glasfaserverstärktem Kunststoff), leicht und futuristisch. Der Melkus war ein Wagen für Träumer mit Zugangsberechtigung, ein Mythos, den die meisten DDR-Bürger nie im Alltag sahen. Trotzdem dominierte er Rennen in der DDR-Serie Formel Easter. Er war ein Beweis dafür, dass auch im Osten Visionen auf vier Rädern möglich waren. Heute ist er ein echtes Sammlerstück, das ausgestellt wird und Geschichten vom letzten echten Sportwagen der DDR erzählt.
5. Der IFA F9: Das „erste Familienauto der Republik“ Die Nachkriegsjahre waren grau und kalt, doch dann erschien der IFA F9 – ein Fahrzeug, das nicht nur fuhr, sondern Hoffnung verkörperte. Ab 1949 in Zwickau gebaut, basierte er auf dem geplanten DKW F9, der kriegsbedingt nie auf die Straße kam. Er wurde zum Symbol des Aufbruchs in der DDR, sah nicht nach Notbehelf aus, sondern wie ein Statement mit stromlinienförmigem Design und glänzender Oberfläche.
Unter der Haube arbeitete ein Dreizylinder-Zweitakter mit knapp 28 PS, ausreichend für 110 km/h. Der F9 war das „erste Familienauto der Republik“ und fuhr sich erstaunlich gut, mit Frontantrieb – damals fast revolutionär. Er war robust und hatte einen Innenraum, der wie eine kleine Lounge wirkte. Beliebt war er bei Ärzten, Ingenieuren und Parteifunktionären – kein Auto für jedermann, aber für all jene, die sich etwas Eigenes aufgebaut hatten. Es gab ihn als Limousine, später als Kombi und selten sogar als Cabrio-Prototyp. Er prägte das Straßenbild der frühen 50er Jahre und war der Großvater des Wartburg 311, ein technologisches Bindeglied zwischen Vor- und Nachkriegszeit. Heute ist der IFA F9 eine Rarität, die nur wenige überlebt und wirklich gekannt haben.
Diese fünf Fahrzeuge sind mehr als nur alte Autos; sie sind Symbole einer vergangenen Ära, Zeugen des Alltags, von Mangelwirtschaft und Erfindungsreichtum, aber auch von Freiheit und Stolz. Sie sind die Legenden, die die Straßen der DDR erzählten.