Alexanderplatz 1989 – Der letzte Ruf zur Freiheit

Am 4. November 1989 versammelten sich in der Mitte von Ost-Berlin ca. 500.000 Menschen zum bislang größten, nicht staatlich gelenkten Demonstrationszug in der Geschichte der DDR. Unter dem Titel „Demonstration gegen Gewalt und für verfassungsmäßige Rechte“ forderte das Volk – initiiert vom Neuen Forum und verschiedenen Künstlerverbänden – Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Achtung verfassungsmäßiger Rechte.

Ein Meilenstein der friedlichen Revolution
Die Alexanderplatz-Demonstration war ein entscheidender Moment in der Geschichte der DDR. Als erste offiziell genehmigte, aber vom Volk ausgerichtete Demonstration, setzte sie ein kraftvolles Zeichen gegen die jahrzehntelange staatliche Repression. Unter dem wachsamen Auge eines live im DDR-Fernsehen übertragenen Ereignisses zeigte sich, dass der Ruf nach Freiheit und Demokratie nicht länger ignoriert werden konnte.

Der Ablauf und die Route der Demonstration
Der Demonstrationszug startete um 10 Uhr vor dem ADN-Gebäude an der Mollstraße Ecke Prenzlauer Allee. Von dort zog die Menschenmenge über die Karl-Liebknecht-Straße bis zum Palast der Republik, umrundete diesen über den Marx-Engels-Platz und führte schließlich über die Rathausstraße zum Alexanderplatz – dem Ort der dreistündigen Abschlusskundgebung. Die beeindruckende Route spiegelte den entschlossenen Marsch der Bevölkerung wider, die sich von den Fesseln der alten Ordnung befreien wollte.

Stimmen des Aufbruchs
Über 20 Rednerinnen und Redner – darunter namhafte Politiker, Intellektuelle, Künstler und Aktivisten – ergriff das Wort. Unter ihnen waren:

  • Manfred Gerlach und Günter Schabowski als Vertreter der etablierten Ordnung, deren Beiträge immer wieder von Sprechchören und Pfeifkonzerten unterbrochen wurden.
  • Friedrich Schorlemmer, Theologe und Pfarrer, der mit eindringlichen Appellen zu Solidarität und Toleranz aufrief.
  • Gregor Gysi, Rechtsanwalt, Lothar Bisky, Hochschulrektor, Christoph Hein und Stefan Heym als Vertreter des intellektuellen Widerstands.
  • Christa Wolf, Heiner Müller und Jens Reich vom Neuen Forum, die den kulturellen und politischen Wandel mitgestalteten.
  • Vertreter der Initiative Frieden und Menschenrechte wie Marianne Birthler sowie Schauspieler wie Steffie Spira, Ulrich Mühe und Jan Josef Liefers.
  • Auch Liedermacher wie Kurt Demmler und Gerhard Schöne sorgten für musikalische Untermalung.

Besonders bemerkenswert war, dass Angehörige der Volkspolizei kaum sichtbar blieben. Freiwillige Ordner, gekennzeichnet durch farbige Schärpen mit der Aufschrift „Keine Gewalt“, übernahmen diese Rolle, während die Ost-Berliner Grenztruppen in erhöhter Alarmbereitschaft waren – ein Spiegelbild der Furcht der DDR-Führung vor einem möglichen Durchbruch der Demonstranten zur Berliner Mauer.

Ein bleibendes Erbe
Die Alexanderplatz-Demonstration markierte einen Wendepunkt in der DDR. Sie bewies, dass echte politische Veränderung von unten kommen kann – durch den gemeinsamen, friedlichen Widerstand einer Bevölkerung, die genug von staatlicher Unterdrückung und Repression hatte. Der unerschütterliche Ruf nach Freiheit, wie er an diesem Tag laut wurde, trug maßgeblich dazu bei, den Weg für den Mauerfall und den Beginn eines neuen Kapitels in der deutschen Geschichte zu ebnen.

Heute, mehr als drei Jahrzehnte später, erinnert uns der Geist dieses Tages daran, wie wichtig es ist, für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte einzustehen. Die Ereignisse am Alexanderplatz sind ein Mahnmal für die Kraft des friedlichen Protests und für die unerschütterliche Überzeugung, dass der Wille des Volkes letztlich jede autoritäre Macht überwinden kann.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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