Stell dir vor, dein Lebensweg wäre weitestgehend vorgezeichnet. Du müsstest dir keine Sorgen um deine Zukunft machen – von der Schule über die Lehre bis hin zum Studium. Klingt verlockend, oder? Doch was passiert, wenn du plötzlich eigene Träume und Ziele hast, die nicht dem vorgegebenen Plan entsprechen? In der DDR konnte dies zu ernsthaften Konsequenzen führen.
Das Bildungssystem der DDR war weit mehr als nur ein Ort des Wissens. Es war ein Instrument der ideologischen Erziehung, das darauf abzielte, „sozialistische Persönlichkeiten“ zu formen – Menschen, die sich ohne Widerstand in das System einfügten. Von der Krippe bis zum Berufsleben war Bildung untrennbar mit der Kontrolle durch die SED verbunden. Jeder Lehrplan, jedes Buch, jeder Unterricht – sie dienten einem einzigen Ziel: die allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten heranzubilden. Und das bedeutete vor allem eines: keine Eigenständigkeit.
Kinder wurden früh auf den Kurs des Systems eingeschworen – durch die Pionierorganisationen und später die FDJ. Es gab keine Möglichkeit, dem zu entkommen, wenn man nicht in einer Jugendorganisation war, war man in der Gesellschaft von vornherein benachteiligt. Der Weg ins Leben war nicht nur eine Frage der Leistung oder Neigung, sondern auch der politischen Ausrichtung. Wer mitmachte, war im System eingebettet, wer sich verweigerte, hatte es schwer.
Doch das war nicht alles: Schon in der Schule wurden Jugendliche auf die Arbeit im sozialistischen Staatsapparat vorbereitet. Wehrunterricht und paramilitärische Ausbildung durch die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gehörten ebenso zum Lehrplan wie der Pflichtbesuch in volkseigenen Betrieben. Praktische Erfahrungen? Ja, aber oft als unbezahlte Hilfskraft in der Produktion. Ein Vorbereiten auf das Leben im System, das vielen die Möglichkeit zur eigenen Entfaltung versperrte.
Besonders hart traf es diejenigen, die aus der Reihe tanzten. In den 60er-Jahren konnte es schon reichen, eine Rolling-Stones-Platte zu besitzen, um von der Schule verwiesen zu werden. In den 80er-Jahren war eine kritische Wandzeitung im Klassenzimmer Grund genug, ernsthafte Probleme zu bekommen. Wer sich nicht fügte, landete oft in Jugendwerkhöfen – Orte der Bestrafung und Misshandlung, die das Leben vieler junger Menschen zerstörten. Diejenigen, die dort entkamen, hatten oft ein gebrochenes Leben vor sich, geprägt von traumatischen Erfahrungen.
Es gab aber auch Rückzugsorte – wie kirchliche Jugendgruppen, die sich der Kontrolle des Staates entzogen und echten Raum für individuelle Entfaltung boten. Diese waren zwar gefährlich, aber auch eine der wenigen Möglichkeiten, die DDR ohne totale Kontrolle zu erleben.
Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde das Bildungssystem der DDR durch das westdeutsche Modell ersetzt. Für die junge Generation der ehemaligen DDR-Bürger öffneten sich neue Horizonte. Endlich gab es die Chance auf die Freiheit, die der autoritäre Staat ihnen lange verweigert hatte. Doch der Preis für diese Freiheiten war hoch – viele junge Menschen, die in der DDR aufwuchsen, hatten es gelernt, sich in einem System zu bewegen, das ihre Eigenständigkeit unterdrückte.
Das System der DDR hatte seinen Preis: Die Träume und Hoffnungen vieler Menschen wurden durch die enge Kontrolle und die willkürliche Bestimmung ihrer Lebenswege erstickt. Aber es gibt auch das andere Bild: Eine Generation, die trotz aller Hindernisse in der Lage war, ihren eigenen Weg zu finden. Die Frage bleibt: Was bedeutet es für die Zukunft, wenn ein ganzes Land mit der Idee lebt, dass der Einzelne sich dem System unterordnen muss, um zu überleben? Eine Lehre aus der DDR, die auch heute noch in vielen Kontexten wichtig ist – sei es in Bezug auf Bildung, individuelle Freiheit oder den Wunsch nach Veränderung.