Wie gelingt stadtverträglicher Verkehr in Potsdam?

4. Juli 2024 | Livestream Stadtforum Potsdam | Wie gelingt stadtverträglicher Verkehr in Potsdam?

Die Diskussionsrunde „Mobilität in Potsdam“ beleuchtete die Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung in der wachsenden Stadt Potsdam und ihrem Umland. Experten aus Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft diskutierten aktuelle Entwicklungen, innovative Konzepte und die Notwendigkeit von Mut und Priorisierung bei der Umsetzung nachhaltiger Mobilitätsstrategien. Ein zentrales Thema war der Modelsplit, die Verteilung der Verkehrsmittelwahl. Potsdam hat in den letzten Jahren einen positiven Trend zu verzeichnen, bei dem der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) sinkt, während der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), Rad- und Fußverkehr zunehmen.

Dieser Trend wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. Zum einen wächst die Stadt kontinuierlich und hat in den letzten 15 Jahren über 30.000 Einwohner hinzugewonnen. Potsdam ist also mit einem steigenden Bedarf an Mobilität konfrontiert. Gleichzeitig ist die Stadt räumlich begrenzt, was bedeutet, dass neue Straßen nur schwer gebaut werden können. Aus diesem Grund hat die Stadt eine Verkehrspolitik entwickelt, die den Umweltverbund, also ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, konsequent priorisiert. Zudem verändert sich das Mobilitätsverhalten, besonders bei jüngeren Generationen, die zunehmend Sharing-Angebote wie Carsharing, E-Scooter oder Bike-Sharing nutzen und flexiblere Mobilitätslösungen bevorzugen.

Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wird als eine der zentralen Maßnahmen für eine zukunftsfähige Mobilität in Potsdam betrachtet. Dennoch stehen auch hier mehrere Herausforderungen im Raum. Ein Hauptproblem ist die Finanzierung des ÖPNV-Ausbaus. Für den Ausbau und die Verbesserung der Infrastruktur sind große Investitionen notwendig, die sowohl von der Stadt als auch von den Bundesländern gesichert werden müssen. Hinzu kommt der Personalmangel: Bus- und Straßenbahnfahrer sowie Personal in der Verwaltung fehlen, was die Effizienz der Verkehrsplanung und -umsetzung beeinträchtigt. Auch Kapazitätsengpässe im ÖPNV, wie überfüllte Busse und Straßenbahnen in den Stoßzeiten, müssen behoben werden. Außerdem ist eine enge Vernetzung mit dem Umland erforderlich, um den ÖPNV auch in den angrenzenden Gemeinden zu stärken und auszubauen. Nur so lässt sich ein effizienter Verkehrsfluss garantieren.

In den letzten Jahren hat der Radverkehr in Potsdam an Bedeutung gewonnen, was unter anderem auf die steigende Anzahl von Radwegen und die Förderung von Fahrradinfrastruktur zurückzuführen ist. Dennoch gibt es auch hier Herausforderungen. Eine der größten Hürden ist die Flächenpriorisierung. Der Ausbau von Radwegen führt oft dazu, dass dem motorisierten Verkehr Flächen entzogen werden müssen, was in einer Stadt mit begrenztem Raum schwierig umzusetzen ist. Ein weiteres Problem stellt die Verkehrssicherheit dar. In vielen Bereichen gibt es Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern, vor allem wenn Radwege und Fußwege auf denselben Flächen verlaufen. Eine bauliche Trennung der beiden Verkehrsmittel ist notwendig, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit einer einheitlichen Planung und klarer Standards für die Radinfrastruktur betont, um eine sichere und funktionale Nutzung zu ermöglichen.

Der Fußverkehr nimmt ebenfalls eine zentrale Rolle in der Diskussion ein. Eine wesentliche Grundlage für den Fußverkehr ist die Gestaltung von lebendigen Kiezen mit kurzen Wegen. Wenn in einem Quartier zahlreiche Einrichtungen des täglichen Bedarfs, wie Supermärkte oder Schulen, gut erreichbar sind, fördert dies die Fußgängermobilität und reduziert die Abhängigkeit vom Auto. Die Temporeduzierung in Wohngebieten, insbesondere durch eine Begrenzung auf Tempo 30, wird als wichtiges Mittel genannt, um die Sicherheit für Fußgänger zu erhöhen und die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Jedoch entstehen durch den zunehmenden Einsatz von E-Bikes und E-Rollern neue Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern, vor allem in sogenannten Shared Spaces, die von beiden genutzt werden. Eine klare Trennung der Verkehrsteilnehmer wird als notwendig erachtet, um Unfälle zu vermeiden.

Trotz des verstärkten Fokus auf den Umweltverbund darf der motorisierte Individualverkehr (MIV) nicht außer Acht gelassen werden. Das Auto bietet vielen Menschen nach wie vor Freiheit und Flexibilität, besonders für Freizeitaktivitäten oder für längere Strecken, auf denen öffentliche Verkehrsmittel keine praktikable Alternative bieten. Ein weiteres großes Thema ist der Pendlerverkehr, da Potsdam als Pendlerstadt eine hohe Zahl an Arbeitskräften aus dem Umland anzieht. Hier müssen Lösungen gefunden werden, um den Verkehr zu entzerren und die Anbindung an den ÖPNV zu verbessern. Auch der Wirtschaftsverkehr ist von großer Bedeutung und muss in der Verkehrsplanung berücksichtigt werden. Dazu gehören unter anderem Lieferungen an Geschäfte und Unternehmen, die den Verkehrsfluss in der Stadt beeinflussen.

Die Diskussionsrunde zeigte deutlich, dass eine nachhaltige Verkehrsentwicklung in Potsdam nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden kann. Um dies zu erreichen, müssen integrierte Planungen zwischen der Stadt und dem Umland erfolgen, um das gesamte Verkehrsnetz zu optimieren und den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Quartiersentwicklung, da die Gestaltung von Wohn- und Arbeitsvierteln einen direkten Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der Menschen hat. Um den Umweltverbund zu stärken, muss die Stadt außerdem mutige Entscheidungen treffen und den Ausbau von ÖPNV und Radwegen konsequent priorisieren. Dies erfordert nicht nur eine langfristige Finanzierung, sondern auch die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess. Eine transparente Kommunikation und Beteiligung der Bevölkerung sorgt für ein höheres Verständnis und eine größere Akzeptanz der geplanten Maßnahmen.

Abschließend kamen die Teilnehmer der Diskussionsrunde zu dem Ergebnis, dass Potsdam das Potenzial hat, eine Vorbildfunktion für nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität zu übernehmen. Die Stadt sollte in dieser Hinsicht mutig vorangehen und innovative Lösungen wie Carsharing, Fahrradstraßen und Shared Spaces fördern. Gleichzeitig muss der Ausbau des ÖPNV und eine sichere und attraktive Radinfrastruktur vorangetrieben werden, um den Bedürfnissen der Bürger gerecht zu werden und Potsdam zu einer Modellstadt für nachhaltige Mobilität zu machen.

Redakteur/Blogger/Journalist: Arne Petrich

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