Es gibt Zahlen, die einem die Augen öffnen – und dann gibt es solche, bei denen man sich fragt, warum sie nicht längst Wellen geschlagen haben. Eine aktuelle Studie des IW Köln zur Kaufkraft in Deutschland zeigt, dass Thüringen nicht gut dasteht, insbesondere seine Städte. Doch der Fall Jena ist ein besonderes Kapitel: Die Universitätsstadt belegt Platz 384 von 400 im bundesweiten Ranking. Trotz des Rufes als Universitätsstadt und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Potenzial gehört Jena zu den 60 teuersten Kommunen Deutschlands, während das Einkommen in der Stadt unter den 50 schwächsten Städten rangiert.
Wie kann es sein, dass ein Ort mit akademischem Glanz und wirtschaftlichem Potenzial derart abrutscht? Die Antwort liegt auf der Hand: hohe Mieten, explodierende Nebenkosten und ein Wohnungsmarkt, der immer weniger für die Menschen bereithält, die ihn brauchen. Während Jena bei den Lebenshaltungskosten weit oben rangiert, liegt das Einkommen der Einwohner unter den 50 schwächsten Städten des Landes. Diese Diskrepanz wäre ein Weckruf – wenn man ihn hören wollte.
Doch in der Realität regiert das Wegsehen. Junge Familien, die nicht zum einkommensstarken Segment gehören, kehren der Stadt längst den Rücken. Der Wohnungsmarkt? Ein Trauerspiel. Es wird im hochpreisigen Segment gebaut, wenn überhaupt – bezahlbare Alternativen? Fehlanzeige. Das Ergebnis: Tausende Wohnungen fehlen, die dringend gebraucht würden, um die Situation zu entschärfen.
Und die Politik? Sie schweigt – oder lächelt die Misere weg. Weder der Wille zur Veränderung noch echte Lösungsansätze sind erkennbar. Stattdessen wächst die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit weiter. Was bleibt, ist eine Stadt, die ihre eigenen Bürger verdrängt und dabei ihre Identität aufs Spiel setzt.
Die Logik einer Konzernstadt, als die sich Jena selbst gerne sieht, verschärft die Situation zusätzlich. Der soziale Faktor und der Bürger als Mensch werden dabei in großem Stil vernachlässigt. Dabei muss beides im Gleichklang sein: Es geht nicht nur darum, dass sich alles rechnen muss, sondern auch darum, Lebensqualität zu schaffen und sichtbar zu machen. Nur wenn das gelingt, fühlen sich Menschen in einer Stadt wohl. Und Jena, mit all seinem Potenzial, wäre es allemal wert, ein Ort zu sein, der genau das ermöglicht.
Es ist höchste Zeit, die Realität in Jena ernst zu nehmen. Es braucht bezahlbaren Wohnraum, eine Stadtplanung, die das Wohl aller im Blick hat, und den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Jena hat so viel Potenzial. Es zu verspielen, ist ein Fehler, den sich niemand leisten kann – erst recht nicht die Stadt selbst.
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