Jenas Dezernentenwahl: Persönlichkeitsschutz statt öffentlicher Befragung

Die bevorstehende Dezernentenwahl im Jenaer Rathaus wirft spannende Fragen auf, und es bleibt offen, ob es dabei erneut zu überraschenden Ergebnissen kommen wird. Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) hat sich für eine zurückhaltendere Herangehensweise entschieden und dabei vor allem den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Kandidaten im Blick. Im Gegensatz zu früheren Wahlprozessen, bei denen die Kandidaten intensiv im Rathaus befragt wurden, soll es bei der diesjährigen Wahl der Dezernenten keine hitzigen Befragungen geben, bei denen die Bewerber möglicherweise unter Druck geraten oder von weniger wohlwollenden Stadträten unangenehm „gegrillt“ werden.

Im Rahmen eines Redaktionsgesprächs erklärte Nitzsche, dass er ein diskreteres Verfahren anstrebe. Dies sei nicht zuletzt dem Schutz der Kandidaten und ihrer Persönlichkeitsrechte geschuldet. Auch wenn Stadträte ein berechtigtes Interesse daran haben, eine fundierte Entscheidung über die zukünftigen Beigeordneten zu treffen, solle dies unter Rücksichtnahme auf die Bewerber geschehen. Diese Balance zwischen öffentlichem Interesse und dem Schutz der Kandidatenpersönlichkeiten scheint für Nitzsche eine zentrale Herausforderung zu sein.

Die eigentliche Prüfung der Kandidaten erfolgt jedoch weiterhin. Aus dem Rathaus heißt es, dass das Wahlverfahren zwar demjenigen der Oberbürgermeisterwahl ähnele, jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, dass es vor allem die Stadträte sind, die über das Schicksal der Kandidaten entscheiden. Sie müssen in die Lage versetzt werden, fundierte Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig gebe es ein erhebliches öffentliches Interesse daran, wer die Stadtverwaltung in den kommenden sechs Jahren gemeinsam mit dem Oberbürgermeister vertreten wird. Diesem doppelten Anspruch werde man durch eine zweigleisige Herangehensweise gerecht.

Zunächst sollen alle Stadträte die Möglichkeit erhalten, die Kandidaten in einer nichtöffentlichen Sitzung auf Herz und Nieren zu prüfen. Das bedeutet, dass die intensive Befragung weiterhin stattfindet, jedoch hinter verschlossenen Türen. Erst im Stadtrat selbst, bei der formellen Vorstellung der Kandidaten, soll die Öffentlichkeit durch die Präsentation der Nominierungen die Chance haben, die zukünftigen Dezernenten kennenzulernen. Auch die persönliche Vorstellung der Kandidaten wird öffentlich stattfinden.

Dieser Ablauf stößt nicht bei allen Beteiligten auf ungeteilte Zustimmung. Jens Thomas von der Linken, ehemals Vorsitzender des Stadtrates, bedauerte im Gespräch, dass die öffentliche Frage-Antwort-Runde entfallen soll. Diese habe in der Vergangenheit häufig für großes Interesse gesorgt und den Wählern die Möglichkeit gegeben, mehr über die Kandidaten zu erfahren.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Wahl der Dezernenten in Jena mitunter sehr turbulent verlaufen kann. Besonders die Wahl im Jahr 2006 ist vielen älteren Stadträten noch gut in Erinnerung. Damals kam es zu einer überraschenden Wendung, als die parteilose Architektin Katrin Schwarz, die von der Fraktion „Bürger für Jena“ (BfJ) als Alternative ins Spiel gebracht worden war, schließlich den Posten des Stadtentwicklungsdezernenten übernahm. Dies geschah, nachdem das Verwaltungsgericht Gera der Klage der BfJ stattgegeben hatte und die Wahl des ursprünglich favorisierten Kandidaten der SPD-CDU-Grünen-Koalition aufgrund einer fehlenden Stimme für ungültig erklärt wurde.

Die daraus resultierende Neubesetzung und die damit verbundene Verzögerung führten dazu, dass die Amtszeit eines Dezernenten bis heute abweicht. Die turbulente Wahl von 2006 ist bis heute ein Lehrstück darüber, wie schnell sich das Blatt in politischen Entscheidungsprozessen wenden kann. Jürgen Häkanson-Hall, der Vorsitzende der BfJ-Fraktion, betonte jedoch, dass man bei der kommenden Wahl keinen alternativen Kandidaten aufstellen werde. Nach der Sichtung der Bewerbungen habe man niemanden gefunden, der den Vorschlägen des Oberbürgermeisters deutlich überlegen sei.

Spannend bleibt, wie die Linke sich in diesem Prozess positionieren wird. Es scheint, als könnte sie mit ihren Kandidaten möglicherweise für Überraschungen sorgen. Für das neu organisierte Dezernat für Soziales, Gesundheit, Zuwanderung und Klima unterstützt die Linke den Oberregierungsrat Kai Bekos, der über umfangreiche Verwaltungserfahrung verfügt. Für das möglicherweise ausgegliederte Dezernat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport setzt die Linke auf Frank Schenker, der in den letzten acht Jahren Führungserfahrung in der Landesverwaltung gesammelt hat. Beide treten damit in Konkurrenz zu Johannes Schleußner (SPD) und Kathleen Lützkendorf (Grüne), die sich ebenfalls um die Positionen beworben haben.

Es bleibt abzuwarten, ob die Linke mit diesen Kandidaten tatsächlich für Überraschungen sorgen kann. Klar ist jedoch, dass die bevorstehende Wahl trotz des diskreteren Verfahrens von Spannung geprägt sein wird. Auch wenn das Wahlprozedere weniger öffentlichkeitswirksam gestaltet wird, stehen die Entscheidungen im Mittelpunkt, die für die zukünftige Ausrichtung der Jenaer Stadtverwaltung von großer Bedeutung sein werden.

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