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Thüringens Kassen unter Druck: Steuerschätzung offenbart ernüchternde Aussichten

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Die jährliche Mai-Steuerschätzung ist für Landes- und Kommunalpolitiker in etwa das, was der Wetterbericht für Landwirte ist – ein entscheidender Blick in die Zukunft, der über Planung und Sorgen entscheidet. Die jüngsten Ergebnisse für Thüringen verheißen, offen gesagt, kein sonniges Wetter, sondern eher dunkle Wolken am Horizont, insbesondere für die kommenden Jahre und die gebeutelten Kommunen.

Auf den ersten Blick mag die Nachricht für das Land Thüringen im laufenden Jahr 2025 noch nach einem kleinen Lichtblick aussehen: Man rechnet mit 109 Millionen Euro mehr, als bisher im Haushalt angenommen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt schnell, dass dies nur eine kurzfristige Atempause sein könnte. Die eigentliche Botschaft der Schätzung liegt in der erheblichen Abwärtskorrektur für die entscheidenden Planungsjahre danach. Für 2026 werden 71 Millionen Euro weniger erwartet als noch im Oktober 2024, und für 2027 sogar 99 Millionen Euro weniger. Finanzministerin Katja Wolf formuliert es klar: Die Einnahmeerwartungen des Landes müssen insgesamt nach unten korrigiert werden. Das Ziel, das strukturelle Defizit zurückzuführen und dringend nötige Investitionen zu tätigen, muss in einem Umfeld erreicht werden, in dem die Steuereinnahmen nicht mehr so dynamisch wachsen wie im letzten Jahrzehnt.

Die Gründe für diese ernüchternde Entwicklung sind vielfältig und spiegeln die angespannte gesamtwirtschaftliche Lage wider. Die deutsche Wirtschaft tritt seit über fünf Jahren auf der Stelle, etwa auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Dies schlägt sich direkt in den Steuereinnahmen nieder. Schwerer noch wiegen aber nun berücksichtigte Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene. Das im Dezember 2024 verabschiedete Steuerfortentwicklungsgesetz führt allein im Prognosezeitraum zu bundesweiten Mindereinnahmen von 65,1 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer. Insgesamt werden gesamtstaatliche Mindereinnahmen von 81,2 Milliarden Euro gegenüber der Oktober-Schätzung 2024 prognostiziert, wovon 26,4 Milliarden Euro auf die Länder und satte 27,1 Milliarden Euro auf die Gemeinden entfallen.

Und genau hier liegt ein besonderes Alarmzeichen: die Situation der Thüringer Kommunen. Während das Land 2025 noch mit einem Plus rechnet, stehen die Kommunen sofort vor Mindereinnahmen von 101 Millionen Euro. Über den gesamten Schätzzeitraum bis 2029 summieren sich die Mindereinnahmen für die Kommunen auf gewaltige 656 Millionen Euro im Vergleich zur Oktober-Schätzung. Besonders beunruhigend: Die jährlichen Mindereinnahmen der Kommunen steigen kontinuierlich an. Neben den Steuerrechtsänderungen spiegelt sich hier auch die anhaltende wirtschaftliche Schwäche wider, die sich besonders auf die Gewerbesteuer auswirkt. Zwar wird für die Kommunen absolut ein Einnahmenwachstum prognostiziert, doch die empfindliche Lücke im Vergleich zu den erwarteten Einnahmen ist eine enorme Belastung für die bereits oft klammen Kassen vor Ort.

Diese Schätzungsergebnisse sind von höchster Relevanz für die anstehende Aufstellung des Doppelhaushalts 2026/2027. Die Eckwerte wurden zwar bereits vom Kabinett verabschiedet, doch die nun konkretisierten Zahlen zeigen, dass die finanzielle Decke dünner ist als erhoff. Trotz des positiven Signals durch das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes, das zusätzliche Mittel für Investitionen bereitstellt, bleibt die Kernaufgabe, den laufenden Haushalt zu finanzieren, in einem Umfeld geringeren Einnahmenwachstums eine Herkulesaufgabe.

Finanzministerin Wolf spricht zwar von einer möglichen „Bodenbildung“ und ist im Hinblick auf die weitere Entwicklung „optimistisch“, betont aber auch, dass die Risiken und Unsicherheiten aktuell sehr hoch sind. Dieses hohe Maß an Unsicherheit gepaart mit den deutlich nach unten korrigierten Einnahmeerwartungen für die kommenden Jahre, insbesondere auf kommunaler Ebene, lässt für die anstehenden Haushaltsberatungen keinen großen Spielraum für Wunschkonzerte. Die Realität der Steuerschätzung fordert eine vorsichtige und vorausschauende Finanzpolitik, um Thüringen und seine Kommunen finanziell auf Kurs zu halten. Die Aussichten sind, bei aller Hoffnung auf eine wirtschaftliche Belebung, ernüchternd und mahnen zur äußersten Sorgfalt.

(JP) Das Ende der DDR-Garagenhöfe? Jenaer Nutzer kämpfen um ihr Hobby und soziales Leben

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Jena. Am kommenden Freitag, dem 13. Juni, soll vor dem Landgericht Gera eine Entscheidung in einem seit Längerem geführten Streit um eine Garagenanlage in Jena fallen. Verhandelt wird der Rechtsstreit zwischen dem Garagenverein „An der Kläranlage“ und der Stadt Jena, vertreten durch den Eigenbetrieb Kommunale Immobilien Jena (KIJ). Bereits in der mündlichen Verhandlung hat Richter Stefan Kramer signalisiert, dass er die von KIJ ausgesprochene Kündigung des Garagenvereins für wirksam hält. Die Stadtverwaltung plant, konkrete Schritte und Maßnahmen erst nach der Urteilsverkündung und dem Vorliegen des schriftlichen Urteils festzulegen.

Renaturierung und Klimaoase als städtische Ziele
Unabhängig vom ausstehenden schriftlichen Urteil bekräftigt die Stadt Jena ihre grundlegenden Pläne für das betroffene Gebiet. Das zentrale Ziel bleibt die Renaturierung der Fläche, basierend auf einem Beschluss des Stadtrates. Nach dem geplanten Rückbau der Garagen soll das Areal naturnah umgestaltet werden, um als sogenannte Klimaoase der wohnortnahen Erholung für die Bürgerinnen und Bürger zu dienen.
Diese neu entstehende Grünfläche erhält zusätzlich eine wichtige Funktion: Sie ist als Ausgleichsfläche für den geplanten Ausbau des Verkehrsknotens Brückenstraße/Wiesenstraße im Norden der Stadt vorgesehen. Der damalige Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD), der inzwischen Geschäftsführer der Ernst-Abbe-Stiftung ist, hatte im November im Stadtrat erläutert, dass für den Ausbau der Wiesenstraße Retentionsraum für den Hochwasserschutz benötigt werde und dieser im Bereich der Lobedaer Garagen gefunden worden sei. Im Juni 2022 bestätigte der Stadtrat sehr knapp einen Förderbescheid, der spezifische Ziele für den Standort bei Lobeda nannte, darunter den Rückbau von 175 Garagen an den Anlagen „An der Kläranlage“ und „Am Wehr“, die Entsiegelung und Begrünung, die Pflanzung von Bäumen, die Einrichtung von Sitzmöglichkeiten, Radabstellanlagen und Spielmöglichkeiten.

Angepasste Förderstrategie
Ursprünglich sollte der Abriss der Garagen über das Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ finanziert werden. Bewilligte Mittel in Höhe von 753.300 Euro standen dafür bereit. Eine Bedingung des Förderprogramms war allerdings, dass die Klimaoase bis Ende 2024 fertiggestellt sein müsste. Da sich der Klageprozess bezüglich der Garagenanlage „An der Kläranlage“ verzögerte, suchte die Stadt in Abstimmung mit dem Fördermittelgeber, dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen, eine alternative Verwendung der Mittel im Umfeld. Ein Gartenhaus und der ehemalige Fußgängersteg oberhalb der Alten Burgauer Brücke wurden stattdessen in das Projekt integriert und kürzlich abgerissen. Die Garagenanlage „An der Kläranlage“ wurde aus diesem ursprünglichen Förderprojekt herausgenommen und findet sich auch nicht auf der großen Bautafel am Radweg.

Garagen in Ostdeutschland: Mehr als nur Stellplätze
Garagenanlagen in Ostdeutschland, oft in den Randbezirken gelegen und nach Normen wie Typ I Dresden in den 1970er Jahren gebaut, sind mehr als nur Stellplätze. Sie dienten und dienen häufig als Werkstätten, Treffpunkte und Orte der Erinnerung. Vielerorts wurden sie von den Nutzern selbst in Eigenleistung auf fremdem Grund errichtet, was zu DDR-Zeiten üblich war. Da das Reparatur-Netz in der DDR kleiner war, wurden die Garagen auch für die Fahrzeugpflege genutzt. Viele Nutzer hängen sehr an ihren Garagen und haben eine besonders große Identifikation mit ihnen, da sie auch für Aktivitäten genutzt wurden, die sonst zu Hause stattfänden. Garagenhöfe sind Orte für geselliges Beisammensein, Feierlichkeiten, aber auch Werkeln und Basteln. Sie können als Ort einer bisher ungeschriebenen Geschichte Ostdeutschlands betrachtet werden.

Position des Garagenvereins und rechtliche Lage
Auch der Garagenverein „An der Kläranlage“ will das schriftliche Urteil abwarten, bevor über weitere Schritte entschieden wird. Die Garagen auf dem Gelände wurden, wie für DDR-Zeiten typisch, in Eigenleistung auf fremdem Grund gebaut. Parallel zum Rechtsstreit um die Gemeinschaftsanlagen läuft ein Verfahren gegen einzelne Garagennutzer, die ihre Garagen noch nicht an die Stadt zurückgegeben haben; dieses Verfahren ruhte längere Zeit in Erwartung des Urteils in höherer Instanz. Nach Einschätzung des Vereins besteht nicht mehr die Sorge, dass die Nutzer die Abrisskosten tragen müssen. Dies wird damit begründet, dass die Garagen bereits gebaut waren, als sie übernommen wurden, und der Inhalt des damals geschlossenen Vertrages maßgeblich sei.

Politische Debatte und alternative Ansätze
Das Thema Garagenabriss sorgt auch politisch für Diskussionen. Die AfD-Fraktion im Jenaer Stadtrat sprach sich gegen den Abriss aus. Ihr Fraktionsvorsitzender Denny Jankowski betonte in der Stadtratssitzung am 15.06.2022, dass der Garagenkomplex gut gepflegt sei, die Besitzer sehr an ihren Garagen hingen und keine Ersatzlösung in Sicht sei. Er bezweifelte den Grund des Abrisses und nannte Fördermittel allein als unzureichende Begründung. Die AfD stimmte gegen den Abriss, wurde aber vom Stadtrat überstimmt. Aus Sicht der AfD sollte das Vorhaben der Renaturierung überdacht und eine gütliche Einigung im Rechtsstreit gesucht werden, um den Garagenbesitzern eine Perspektive aufzuzeigen.
Im Jahr 2016 hatte der Stadtrat auf Grundlage einer Beschlussvorlage von KIJ ein Garagenentwicklungskonzept bestätigt. Dieses teilte die städtischen Garagenstandorte in drei Kategorien ein. Die Garagenanlage „An der Kläranlage“ wurde dabei zunächst der Kategorie 2 zugeordnet, für die eine mittelfristige Neubewertung oder Umnutzung, unter anderem aufgrund der Lage im Außenbereich und Überschwemmungsgebiet sowie naheliegenden Biotopen, vorgesehen war. Ziel des Konzepts war es, Planungssicherheit für Nutzer und Stadt zu schaffen, Flächen für Wohnen und Gewerbe zu generieren und eine nachhaltigere Bewirtschaftung zu ermöglichen.

Andere Städte gehen teilweise andere Wege im Umgang mit ihren Garagenhöfen. Die Stadt Chemnitz beispielsweise, Kulturhauptstadt Europas 2025, widmete den Garagenhöfen ein Projekt namens „#3000Garagen“, um die persönlichen und kollektiven Geschichten dieser Orte sichtbar zu machen und die Garagen als mehr als nur automobile Abstellorte zu verstehen.

Entwicklungen bei benachbarten Flächen
Zuletzt gab es auch Diskussionen über direkt angrenzende Garagenflächen, die bis vor Kurzem im Eigentum der Ernst-Abbe-Stiftung standen. Diese Anlagen machen laut Bericht einen sehr ungepflegten Eindruck. Die Stadt gab an, dass die Einbeziehung dieser Flächen von Anfang an geplant war, jedoch erst nach einem privaten Verkauf zum Jahreswechsel 2024/2025 realisiert werden konnte. Für dieses Areal wurde inzwischen ebenfalls ein neuer Fördermittelantrag für den Rückbau und die Renaturierung gestellt.

Die weitere Entwicklung der Situation und das Schicksal der Garagenanlage „An der Kläranlage“ hängen nun maßgeblich vom schriftlichen Urteil des Landgerichts Gera ab und den darauffolgenden Entscheidungen und Handlungen der Stadt Jena sowie des Garagenvereins.

Magdeburg: Wasser kehrt nach umfassender Inspektion in die Kanalbrücke zurück

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Nach sieben Wochen ohne Schiffsverkehr wird Europas längste Kanalbrücke, die den Mittellandkanal bei Magdeburg über die Elbe führt, seit Montagnachmittag wieder geflutet. Die imposante Trogbrücke war für eine umfassende Inspektion, Wartung und Reinigung trockengelegt worden – eine Art „TÜV“ für das bedeutende Bauwerk.

Die 918 Meter lange und vier Meter tiefe Brücke ist ein entscheidender Knotenpunkt im deutschen Wasserstraßennetz. Als Teil des Projekts 17 Deutsche Einheit verbindet sie das westliche Kanalnetz, das unter anderem vom Rhein kommt, in Richtung Berlin und den Osten. Jährlich passieren rund 9000 Schiffe die Brücke, und im vergangenen Jahr wurden hier etwa 2,6 Millionen Tonnen Güter transportiert. Neben der Güterschifffahrt ist auch der Tourismus ein wichtiger Faktor. Die wochenlange Sperrung bedeutete für die Schifffahrt eine umständliche Umleitung von insgesamt zwölf Kilometern über zwei Schleusen und die Elbe, was viel Zeit kostete.

Solche Bauwerksprüfungen finden regulär alle sechs Jahre statt. Die letzte Trockenlegung der Kanalbrücke zur Gewährleistungsabnahme nach dem Bau erfolgte jedoch bereits vor 17 Jahren, im Jahr 2008. Zwischendurch gab es zwar Prüfungen durch Taucher im Wasser, doch da diese nicht alles sehen können, wurde nun die Entscheidung zur vollständigen Trockenlegung getroffen, um jeden einzelnen Zentimeter des Bauwerks genau zu untersuchen.

Die Vorbereitung für diese aufwendige Maßnahme dauerte rund anderthalb Jahre. Es handelt sich um ein komplexes Ingenieurvorhaben, das weit über das einfache „Stöpsel ziehen“ hinausgeht und sehr viel Planung erfordert. Insgesamt waren über 60 Mitarbeiter, Ingenieure und Fachleute des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Elbe an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt.

Während der Trockenlegung wurde das Bauwerk im Rohzustand auf Herz und Nieren geprüft. Etwa 60 Personen waren im Einsatz, um die gesamte Trogbrücke auf Schäden, Risse, Löcher oder andere Probleme zu untersuchen. Die Arbeiten liefen bis zuletzt intensiv, kurz vor der Flutung wurden noch Gerüste zurückgebaut und Aggregate entfernt.

Das Ergebnis der Revision ist positiv: Die Kanalbrücke befindet sich insgesamt in einem guten Zustand. Kleinere Schäden im Bereich des Korrosionsschutzes wurden gefunden und gleichzeitig instand gesetzt. Verschleißerscheinungen an bestimmten Bauteilen halten sich im Rahmen.
Beim Abpumpen des Wassers kam allerdings auch einiges zum Vorschein, was dort nicht hingehört: Neben einer Schlammschicht und größeren Muschelbergen wurden auch ein Fahrrad, eine abgestürzte Drohne, Autoschlüssel und weiterer Schrott gefunden.

Die Wiederbefüllung begann auf die Sekunde genau um 13:56 Uhr. Zuerst wurde die erste Schotte mit einem Kran hochgezogen, eine halbe Stunde später folgte die zweite. Seitdem strömen 4000 Liter Wasser pro Sekunde in die Brücke. Das Fluten wird voraussichtlich etwa acht Stunden dauern, bis die Brücke komplett gefüllt ist. Nach knapp zwei Stunden lag der Wasserstand bereits bei etwa 40 Zentimetern. Die Öffnung erfolgte durch das Ziehen von Tafeln vom Revisionsverschluss.

Das Interesse der Öffentlichkeit an diesem außergewöhnlichen Projekt war groß. Es gab sehr viele Anfragen von interessierten Bürgern. Zusammen mit der Urania wurden Führungen angeboten, die von knapp 2000 Menschen besucht wurden. Die Besucher konnten die Baustelle dabei von den Pylonen aus betrachten, was sonst nicht möglich ist. Die Karten waren schnell ausgebucht. Das Baustellengelände selbst war während der Arbeiten komplett abgesperrt, nur Fachleute durften es betreten.

Auch die Wege entlang des Kanals waren in den letzten Wochen und Monaten für Radfahrer und Spaziergänger nicht zugänglich. Hier gibt es gute Nachrichten: Die Wege sollen am kommenden Freitag wieder geöffnet werden. Bis dahin wird die Brücke vollständig gefüllt sein und die Spundwände im Grund abgebaut, sodass der Wasserstand überall gleich ist.

Friedrich Meer vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ablauf und dem Ergebnis. „Ich bin sehr zufrieden, dass alles nach Plan gelaufen ist“, sagte er und bestätigte den guten Gesamtzustand des Bauwerks. Er hob hervor, dass jedes Bauwerk für sich einzigartig sei und dies das größte in diesem Bereich darstelle.

Nach erfolgreicher Inspektion und Wiederbefüllung steht der Kanalbrücke nun die Rückkehr zum Normalbetrieb bevor, und schon bald können die Schiffe wieder auf dem gewohnten Weg über die Elbe fahren.

Ikarus-Bus-Treffen in Meiningen: Ein Rückblick auf legendäre Omnibusse

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In Meiningen fand kürzlich das mittlerweile achte Ikarus Bustreffen statt. Die Veranstaltung zog rund 50 Ikarusbusse an und bot Liebhabern der Marke einen tiefen Einblick in die Geschichte und Vielfalt dieser Fahrzeuge. Ein detaillierter Bericht beleuchtet verschiedene Modelle, von frühen Typen bis hin zu selteneren Exemplaren und Spezialanfertigungen.

Ein Fokus des Berichts liegt auf dem Ikarus 311, einer Weiterentwicklung des Ikarus 31. Der Ikarus 31 wurde von 1954 bis 1959 produziert, der Nachfolger 311 bis 1972. Technisch unterschieden sie sich vor allem im Motor: Der 31er hatte einen 85 PS starken Schäbel D413, während der 311er mit dem Schäbel D414 (95 PS, 5517 cm³ Hubraum) ausgestattet war. Diese 8,54 Meter langen Busse boten 20 bis 35 Sitzplätze und erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 78 km/h. Bemerkenswert ist die Nutzung dieser Busse noch Mitte der 1970er Jahre als Schulbusse. Auch 1988 waren über 350 Ikarusbusse dieser Typen zugelassen.

Der äußerst seltene Ikarus 180, von dem weltweit nur noch drei Exemplare zugelassen und fahrbereit sein sollen, wurde zwar erwähnt, aber nicht im Detail vorgestellt. Stattdessen wurde ein Ikarus 280.27 aus dem Baujahr 1989 gezeigt, ein Gelenkbus, der auf Anfrage sogar in Nürnberg zugelassen wurde. Dieses Modell war mit einem liegenden MAN D2356 Halm 9 Sechszylinder-Dieselmotor (220 PS, 10690 cm³ Hubraum) ausgestattet, was die Praxis unterstreicht, oft Exportmotoren zu verbauen.

Auch jüngere Modelle waren vertreten, wie der Ikarus 405. Von diesem Typ, der zwischen 1994 und 2002 gebaut wurde, entstanden lediglich 117 Einheiten. Ein vorgestelltes Modell aus dem Baujahr 1996 verfügte über einen Burgings 135 Ti Vierzylinder-Dieselmotor (137 PS, 3980 cm³ Hubraum). Der 7,30 Meter lange Bus wog maximal 8330 kg und bot 16 Sitz- sowie 30 Stehplätze bei einer Höchstgeschwindigkeit von 76 km/h.
Eine interessante Kooperation war der Ikarus 211, der von 1976 bis 1990 gemeinsam mit dem IFA Nutzfahrzeugkombinat hergestellt wurde. Er war als Ablösung für den Ikarus 311 gedacht und sollte die Lücke zwischen kleineren Robur-Bussen und der größeren Ikarus 200er Serie schließen. Zahlreiche Komponenten, darunter das Fahrwerk mit Starrachsen und Blattfedern sowie Bedienelemente, stammten vom IFA W50. Der im Heck platzierte IFA 4VD 14,5-12-1 Vierzylinder-Dieselmotor lieferte 125 PS aus 6,56 Litern Hubraum.

Klassiker des Nahverkehrs wie der Ikarus 66 (produziert 1955-1973) wurden ebenfalls beleuchtet. Erkennungsmerkmale des 11,40 Meter langen Busses sind die viergeteilten Scheiben und die Falltüren. Er bot 32 Sitz- und 58 Stehplätze und wurde von einem wassergekühlten Schäbel D614 Sechszylinder-Dieselmotor (145 PS, 8275 cm³ Hubraum) angetrieben. Derselbe Motor fand auch im Ikarus 630 Verwendung, einem Stadtbus, der von 1959 bis 1971 auf dem Fahrgestell des LKWs Schäbel 705 gefertigt wurde.

Ein besonderes Highlight war der Ikarus 250.72 SL aus dem Jahr 1989, der ursprünglich für die ungarische Regierung gedacht war. Dieses Fahrzeug, luxuriös ausgestattet mit Konferenzsesseln und Klimaanlage, wurde wahrscheinlich wegen der politischen Wende nicht wie geplant eingesetzt und diente zeitweise beim Militär. Angetrieben von einem Raba D2156 MT6u Sechszylinder-Dieselmotor (MAN Lizenz, 250 PS, 10350 cm³ Hubraum) erreichte er 110 km/h. Als Weiterentwicklung des Ikarus 256 präsentierte sich der Ikarus C56 Classic (Produktion 1998-2002, nur 399 Einheiten). Er war mit einem Raba D10 UTSSL Motor (MAN Lizenz, 279-320 PS, 10350 cm³ Hubraum) ausgestattet.

Abseits der Ikarusbusse wurde auch ein Parkers B1000 Dispatcherfahrzeug der Rostocker Straßenbahn AG gezeigt. Das Fahrzeug aus dem Jahr 1973, gefertigt in den Parkerswerken, besaß einen Dreizylinder Zweitakt-Wartburgmotor (46 PS, 1000 cm³ Hubraum) und erreichte 100 km/h Spitze.

Das Treffen in Meiningen bot somit eine umfassende Präsentation verschiedenster Ikarus-Typen und verdeutlichte deren technische Entwicklung und Einsatzbereiche über mehrere Jahrzehnte hinweg.

Der VT 18.16: Ein Schnellzug, der die Schienen der Welt eroberte

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Geboren beim VEB Waggonbau-Görlitz, erblickten die eleganten Triebzüge vom Typ VT 18.16 das Licht der Welt. In einem Film der Deutschen Reichsbahn wurde der erste Zug, der VT 16.18.01 (Anmerkung: Das Video nennt hier eine leicht abweichende Nummerierung im Vergleich zum Haupttyp VT 18.16), vorgestellt. Alte Aufnahmen zeugen von einem beeindruckenden Zug.

Der VT 18.16, auch bekannt als SVT im internationalen Fahrplan, wie zum Beispiel als „Neptun“ auf der Strecke zwischen Kopenhagen und Berlin, ist heute auf internationalen Strecken, wie hier an der Eisenbahnfähre in Warnemünde, ein vertrautes Bild. Er verkörpert die Ambitionen der Eisenbahnen der sozialistischen Länder, das Programm der Dieseltraktion vorrangig zu verwirklichen. Denn die Diesel-Traktion ermöglicht nicht nur Wirtschaftlichkeit, sondern auch schnelles und bequemes Reisen und ist gleichzeitig günstig für die Luftqualität, besonders in Großstädten.

Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern sind selbst große Entfernungen kein Problem mehr. Dabei rollt der Schnelltriebwagen so weich und ruhig über die Strecke, dass der Fahrgast kaum etwas vom hohen Tempo spürt. Die geräumigen Abteile bieten hohen Reisekomfort und einen angenehmen Aufenthalt. Man könnte fast sagen, der SVT gleicht einem Hotel auf Rädern. Für eine gute Aussicht während der Fahrt sorgen die großen, breiten Fenster des Triebzuges.

Technisch ist der Zug fortschrittlich ausgestattet. Die zurückgesetzte Führerkabine bietet dem Triebwagenpersonal größere Sicherheit, während die Anordnung des Führerstandes gleichzeitig gute Sichtmöglichkeiten gewährleistet. Eine Sicherheitsfahrschaltung überwacht ständig die Dienstbereitschaft des Personals. Die pneumatische Hochleistungsbremse des Triebwagenzuges wird noch durch eine Magnetschienenbremse unterstützt. Alle Funktionen der Aggregate werden automatisch angezeigt, sodass der Zugführer mit ungeteilter Aufmerksamkeit die Strecke beobachten kann.

Eine Einheit des fast 100 Meter langen Triebzuges besteht standardmäßig aus zwei Triebwagen und zwei Mittelwagen. Auf Wunsch kann der Zug auch mit drei Mittelwagen zu einer fünf Waggon langen Einheit konfiguriert werden. Die Wagen sind durch scharfe Kurzkupplungen und geschützte Übergänge eng miteinander verbunden. Dank automatischer Betriebskupplungen ist es sogar möglich, zwei gleichartige Triebzüge von einem Fahrstand aus gesteuert im Verbund fahren zu lassen.

Der Siegeszug des Motors war auch auf den Schienenwegen nicht mehr aufzuhalten. Die Dieselfahrzeuge aus dem DDR Schienenfahrzeugbau, wie die V 15, die V 60 für den Rangierverkehr, die V 100 im leichten Streckendienst, die V 180 für den Reise- und Güterverkehr und die modernen Schnelltriebzüge, haben den guten Ruf der Werke in alle Kontinente getragen. Der VT 18.16 und seine Vorgänger finden überall, wo sie eingesetzt werden, achtungsvolle Anerkennung. Geliefert wurden sie vom Deutschen Innen- und Außenhandel Transportmaschinen Berlin in alle Welt.

Der SVT Bauart Görlitz (VT 18.16): Prestige auf Schienen für die DDR

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In den 1960er Jahren war die Eisenbahn das Verkehrsmittel Nummer eins in der DDR und stand im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Regelmäßig präsentierte die Deutsche Reichsbahn (DR) auf der Leipziger Frühjahrsmesse ihre neuesten Entwicklungen. Auf der Messe 1963 wurde dabei ein besonderes Highlight vorgestellt: ein neuer, komfortabler Schnelltriebwagen. Dieser Zug, gefertigt im volkseigenen Betrieb Waggonbau Görlitz, orientierte sich in Design und Innenausstattung an der Luftfahrt und versprach internationales Flair sowie einen Hauch von Luxus. Wegen seiner Herkunft wurde er fortan als SVT Bauart Görlitz bezeichnet.

Die Öffentlichkeit konnte den Zug, der primär für internationale Verbindungen vorgesehen war, meist nur bestaunen, da die Reisemöglichkeiten ins Ausland damals beschränkt waren. Zusammen mit der DDR-Führung freute man sich über dieses „Produkt von Weltniveau“. Die DDR erlangte mit diesem Aufsehen erregenden Zug neues Prestige auf dem Weg zur internationalen Anerkennung.

Entwicklung und Technik
Der 1963 vorgestellte Prototyp VT 18 16.01 und 02 wurde mit zwei Jahren Verspätung präsentiert. Die Auslieferung der Serie verzögerte sich weiter, hauptsächlich aufgrund von Lieferengpässen der DDR-Schienenfahrzeugindustrie. Getriebe kamen beispielsweise von der Firma Voith aus dem Westen. Bis Ende 1968 wurden insgesamt acht Züge der Bauart Görlitz fertiggestellt, einschließlich Reserve-Maschinenwagen und Mittelwagen. Ursprünglich waren sogar 15 Züge bis 1965 geplant.

Die offizielle Baureihenbezeichnung des Zuges lautete VT 18.16. Diese Nummer entschlüsselte sich wie folgt: VT steht für Verbrennungstriebwagen, 18 bedeutete 1800 PS pro Anlage (ursprünglich 900 PS, später auf 1000 PS verbesserte Motoren). 16 stand für die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h, und 10 (bzw. fortlaufend) war die lfd. Nummer.

Technisch war der SVT modern ausgestattet. Das Herzstück bildeten zwei schnelllaufende wassergekühlte 12-Zylinder-Dieselmotoren in V-Form mit Abgasturboaufladung aus dem Motorenwerk Berlin-Johannisthal. Diese Motoren galten als einige der besten der Welt. Die Kraft wurde über ein Dreiwandler-Getriebe hydraulisch auf zwei von drei Achsen übertragen. Eine Vielfachsteuerung ermöglichte die Bedienung beider Fahrmotoren von einem Führerstand aus. Die Anlagen waren so gebaut, dass der Zug auch mit nur einer Maschine gefahren werden konnte. Die Reichweite wurde durch einen Tankinhalt von 1500 Litern Diesel ermöglicht, was eine Reichweite von etwa 1500 km ergab (Faustformel: 100 Liter pro Motor und 100 km).

Die luxuriöse Innenausstattung umfasste bequeme Fahrgasträume und einen Speisewagen in der Mitte des Zugverbandes mit Platz für 23 Fahrgäste und einer „internationalen Speisekarte“.

Klangvolle Namen auf Internationalen Routen
Im Volksmund und bei den Reisenden war der Zug weniger unter der Baureihenbezeichnung bekannt, sondern unter den Namen der Strecken, die er bediente. Zu den bekanntesten Namen gehörten:

• Vindobona: Die bedeutendste Auslandsverbindung. Ab 1957 fuhr ein elegant ausgestatteter DR-Dieseltriebwagen auf der Strecke Berlin – Prag – Wien. Der VT 18.16 übernahm den Einsatz auf dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung ab September 1966. Nach turnusmäßigen Wechseln der Zuggestellung zwischen DR, ČSD und ÖBB in den Vorjahren, bei denen die VT 18.16 ihre Überlegenheit bewiesen, fuhren sie auf dieser Strecke über 7 Jahre ohne Beanstandung, da ČSD und ÖBB keine gleichwertigen Triebwagen bieten konnten. Die Ära des VT 18.16 auf dem Vindobona endete im Sommer 1979, als der Zug auf Lokbespannung umgestellt wurde.

• Neptun: Fuhr zwischen Berlin und Kopenhagen. Dieser „Design-Schwesternzug“ des Vindobona war bei Reisenden sehr beliebt. Wegen seiner Länge musste der Zug anfangs vom Fährschiff Warnemünde über die Ostsee transportiert werden. Ab 1967 wurden diese Probleme durch Umbauten am Fährschiff König Frederik IX behoben. Der Neptun-Express fuhr bis 1981.

• Karlex und Carola: Bedienten die Verbindung von Berlin bzw. Leipzig nach Karlsbad (tsch. Karlovy Vary). Der Karlex wurde ab 1. August 1969 auf der Route Berlin – Leipzig – Plauen – Karlsbad eingesetzt. Der Carola kam 1972 hinzu und fuhr von Leipzig über Plauen ebenfalls nach Karlsbad. Diese Züge befuhren die Strecke über das berühmte Göltzschtalviadukt. Karlex und Carola waren die letzten internationalen Verbindungen, die bis Ende September 1981 mit den SVT Bauart Görlitz besetzt wurden. Im Vogtland war der Zug allgemein nur als „Alex“ bekannt, unabhängig von der offiziellen Bezeichnung.

Laut RIC-Raster (Regolamento Internazionale Carrozze) war der SVT Bauart Görlitz, der unter der Baureihenbezeichnung VT 18.16 seine Zulassungen erhielt, für Deutschland, Österreich, Italien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Schweden, Polen und Dänemark zugelassen und ist dort auch schon einmal gefahren.

Betrieb und Zuverlässigkeit
Trotz der anfänglichen Probleme bei der Auslieferung bewiesen die Züge eine verblüffende Zuverlässigkeit. Sie ermöglichten schnelles und bequemes Reisen. Der Betrieb des renommierten Zuges entwickelte in der Heimatdienststelle Berlin Karlshorst einen besonderen „Sportgeist“ und ein „Wir-Gefühl“. Kleinere Reparaturen wie der Wechsel einer Laufbuchse oder Turbine waren im Rahmen des täglichen Betriebs üblich und wurden von der Werkstatt vor Ort durchgeführt. Bei größeren Schäden, etwa am Getriebe, erfolgte die Reparatur im Raw Wittenberge. Reisende bemerkten die Zuverlässigkeit der Züge, die Ausfälle bei Reisezügen gewöhnt waren. Erschütterungen und Gleisunebenheiten steckte der Zug anstandslos weg und lief umso ruhiger, je schneller er fuhr.

Eine günstige Reisemöglichkeit ergab sich auf den internationalen Strecken des Karlex: Innerhalb des RGW-Rahmens kosteten die Fahrkarten nur halb so viel pro Kilometer (4 Pfennig statt 8 Pfennig), und es fielen keine Zuschläge an. Viele Reisende kauften daher eine Fahrkarte bis Marienbad (im internationalen Bereich), auch wenn sie bereits in Plauen ausstiegen. Allerdings war der Zug platzkartenpflichtig, und Platzkarten waren oft durch Funktionäre ausgebucht, was dazu führte, dass man oft „auf dem Schleichweg“ zusteigen musste.

Unfall und Ausmusterung
Ein trauriges Kapitel ereignete sich am 30. Oktober 1972 beim Unfall von Schweinsburg-Culten. Der Ex 69 Carola stieß auf dem eingleisigen Abschnitt zwischen Gößnitz und Werdau frontal mit dem D 273 zusammen. Dabei kamen 25 Menschen ums Leben. Als Unfallursache wurde später ermittelt, dass der Triebwagenführer ein Signal überfahren hatte, vermutlich beeinträchtigt durch Restalkohol. Ein Reservemaschinenwagen half später bei der Komplettierung des Zuges.

Die Ära der VT 18.16 im internationalen Verkehr endete im Jahr der DDR-Energiekrise 1981. Neben der Energieknappheit boten diesellokbespannte Züge ein erheblich größeres Platzangebot als die SVT. Nach der Einstellung der internationalen Läufe wurden zwei Züge noch bis 1985 auf der Strecke Berlin – Bautzen eingesetzt.

Nach dem Regelbetrieb: Museumszug und Legende
Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins wurde 1987 ein SVT Bauart Görlitz als Museumszug wieder in Betrieb genommen. Seine Karriere als Museumszug sollte bald ebenso lange dauern wie sein Einsatz im Regeldienst. Dabei kam er auch wieder auf seinen alten Stammstrecken nach Prag und Karlsbad zum Einsatz.

Heute existieren noch mehrere Einheiten, darunter der Museumszug 175 014/019, der 1993 in den Park der betriebsfähigen Museumsfahrzeuge beim Verkehrsmuseum Nürnberg aufgenommen wurde. Eine Freizeitgruppe kümmert sich seit 1991 um den Erhalt dieses Fahrzeugs. Der Zug fuhr bei Sonderfahrten auch wieder durch das Vogtland und überfuhr das Göltzschtalviadukt. Er war bis zum Frühjahr 2003 betriebsfähig. Besondere Fahrten waren etwa die Teilnahme an der 150-Jahr-Feier der Schiefen Ebene 1998 oder der „Literaturexpress“ im Jahr 2000, der von Lissabon über Kaliningrad und Minsk nach Berlin führte.

Andere erhaltene Züge sind die Einheit 175 005/006, die zum Jugendclubzug umgebaut wurde, und die Einheit 175 015/016, die als Standobjekt in Berlin-Lichtenberg steht.

Der SVT Bauart Görlitz, oft liebevoll „Alex“ genannt, blieb bis zu seinem Einsatzende der exklusivste Zug der Deutschen Reichsbahn und war alles andere als ein Massenverkehrsmittel. Er verkörperte einen anderen Komfort und eine andere Art des Reisens. Seine Bekanntheit, insbesondere durch die Vorbilder Karlex und Carola im Vogtland, führte auch zu sehr guten Verkaufszahlen bei Modellbahnen. Der VT 18.16 wurde zu einer Legende auf Schienen, ein Symbol für das Streben der DDR nach „Weltniveau“ im internationalen Reiseverkehr.

Spreepark im Wandel: Vom DDR-Kulturpark zur modernen Begegnungsstätte

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Der Spreepark im Plänterwald, einst bekannt als Kulturpark Berlin, blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1969 eröffnet, war er der einzige Vergnügungspark der DDR und zog mit seinem 45 Meter hohen Riesenrad Besucher aus dem ganzen Land an. Nach der Wende wurde der Park zwar modernisiert, verlor aber durch hohe Eintrittspreise zunehmend Besucher. Im Jahr 2001 folgte die Insolvenz, und das Gelände verfiel.
Doch nun bekommt der Spreepark eine zweite Chance. Die Stadt Berlin hat die Sanierung des Parks übernommen. Ein zentrales Symbol des Parks ist und bleibt das Riesenrad. Es wurde in über 300 Einzelteilen nach Polen gebracht, dort sandgestrahlt, überprüft und wird derzeit restauriert. Ab 2025 soll es wieder betriebsbereit sein, ausgestattet mit moderner Steuerung und einem frischen Anstrich.

Aber nicht nur das Riesenrad wird erneuert. Im Südosten des Geländes entsteht das englische Dorf, eine neue Veranstaltungsfläche für bis zu 300 Personen. Dieser barrierefreie Holzbau mit integrierter Gastronomie und Regenwasserspeicher auf dem Dach soll im Frühjahr 2025 starten. Direkt daneben wächst ein neues Amphitheater heran. Mit 17 Sitzreihen aus Beton entsteht hier eine Freiluftbühne für rund 380 Gäste. Ziel ist ein Ort für regelmäßige Veranstaltungen unter freiem Himmel.

Ein weiteres Großprojekt ist die ehemalige Werkhalle. Sie wird zu einem Veranstaltungszentrum und einem der künftigen Haupteingänge umgebaut. Schadstoffbelastete Bodenbeläge wurden bereits entfernt. Ab Sommer 2025 folgt die neue Fassade. Auch technisch wird aufgerüstet: Neue Leitungen für Wasser, Abwasser und Strom sind fast fertig. Ein moderner Wirtschaftshof mit Solaranlage soll ab April 2025 den Betrieb unterstützen.

Um eine nachhaltige Anreise zu ermöglichen, wird das Wegenetz für Fußgänger und Radfahrer ausgebaut. Zudem ist ein neuer Schiffsanleger in Planung, der als Haltepunkt für Ausflugsschiffe dienen soll.

Trotz großer Vorfreude gibt es auch Kritik. Die hohen Kosten, etwa 6,4 Millionen Euro für ein Wasserbecken unter dem Riesenrad und laufende Betriebskosten von bis zu 3,5 Millionen Euro pro Jahr, sorgen für Diskussionen.

Die Fertigstellung des Kernbereichs mit Riesenrad, Dorf und Amphitheater ist für Ende 2026 geplant. Die große Wiedereröffnung soll im Frühjahr 2027 stattfinden. Der neue Spreepark will mehr sein als nur ein Freizeitpark. Er soll ein Ort für Kultur, Natur und Begegnung werden – mitten in Berlin.

Begegnung der Gegensätze: Kretschmer & Wagenknecht im offenen Dialog in Dresden

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Nachfolgend eine kurze Analyse im Audioformat:

Politik in Sachsen: Begegnung der Gegensätze? Kretschmer und Wagenknecht im Dialog über gescheiterte Koalitionen, AfD-Wähler und den Krieg

Dresden – Es war eine Begegnung, die von den Moderatoren als „ungewöhnlich“ und eine „Begegnung der anderen Art“ bezeichnet wurde. Im Rahmen der Reihe „Politik in Sachsen“ trafen in Dresden Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Sahra Wagenknecht (Bundesvorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht, BSW) aufeinander, um über aktuelle politische Fragen zu diskutieren – von landespolitischen Bündnissen bis hin zu Krieg und Frieden auf internationaler Bühne. Das Format, eine gemeinsame Initiative der sächsischen Zeitung und Leipziger Volkszeitung, zielte darauf ab, Politik „erlebbar zu machen“ und den Diskurs unterschiedlicher Meinungen abzubilden, unabhängig von anstehenden Wahlen.

Michael Kretschmer beschrieb die bisher einzige persönliche Begegnung mit Frau Wagenknecht als gut, weil sie sich „sehr hart unterhalten“, unterschiedliche Positionen gehabt und trotzdem darüber reden und sich austauschen konnten, ohne „anzugiften“. Sahra Wagenknecht schätzte an Herrn Kretschmer ironisch, dass er sich „Herr Merz zumindest manchmal über ihn geärgert hat“.

Ein zentrales Thema zu Beginn des Abends war das Scheitern der möglichen Koalition aus CDU, SPD und BSW in Sachsen, scherzhaft als „Brombeerkolotion“ bezeichnet, die in einem „Obstsalat ohne Brombeere“ endete.

Das gescheiterte Bündnis: Fehlender Wille zur Veränderung?
Aus Sicht von Sahra Wagenknecht war das Scheitern auf den fehlenden Willen zur Veränderung seitens CDU und SPD zurückzuführen. Sie betonte, dass das BSW eine „ganz junge Partei“ sei, die für bestimmte Inhalte gewählt wurde, darunter Frieden, wirtschaftliche Vernunft, eine andere Energiepolitik, soziale Gerechtigkeit und Meinungsfreiheit. Diese Inhalte müsse eine Partei, die in eine Regierung eintritt, ernst nehmen, um die Wähler nicht zu „gnadenlos enttäuschen“ und dadurch zu verlieren. Während der Sondierungsgespräche habe man das Gefühl gehabt, dass SPD und CDU ihre bisherige Politik als „toll“ empfänden und das BSW lediglich „mitmachen“ dürfe. Das BSW sei jedoch nicht für ein „Weiter so“ gewählt worden, sondern für Veränderungen. Es habe keine Bereitschaft zur Bewegung gegeben bei Kernthemen wie der Haltung zu Krieg und Frieden, Migration, sozialen Fragen wie einem kostenlosen Mittagessen oder auch der Innenpolitik, etwa dem Umgang mit unterschiedlichen Meinungen. Wagenknecht berichtete, dass ihre Verhandlungsführer „gegen Wende gelaufen“ seien und sie daraufhin entschieden habe, nicht in eine Koalition einzutreten, in der die Wähler enttäuscht würden. Sie stellte klar, dass sie nicht persönlich am Verhandlungstisch saß, aber man sich im BSW „eng konsultiert und abgestimmt“ habe, um die „Schmerzgrenzen“ zu definieren.

Michael Kretschmer bestätigte, dass er im Wahlkampf eine Präferenz für ein Bündnis mit SPD und BSW gegenüber den Grünen erkennen ließ, weil er gemerkt habe, dass die Grünen zumindest zu dem Zeitpunkt „nicht mehr den Wunsch gehabt zu verstehen was die Bevölkerung will und sich selbst auch ein bisschen dem anzupassen“. Er beschrieb das Scheitern als „schade“ und „verstehe es eigentlich auch nicht ganz“, da er glaube, die Dinge „wären alle noch einbar gewesen“, auch beim Thema Krieg und Frieden. Er konstatierte, dass an einem gewissen Punkt die BSW-Kollegen „aufgestanden“ und den Raum verlassen hätten. Trotzdem sei „sehr viel Vertrauen sehr viel Gemeinsames entstanden“ in dieser Zeit, und er sei den BSW-Kollegen dankbar, da sie ihren „eigenen Geist“ und ihre „eigene Vorstellung“ hätten, aber „Sachsen“ seien und „etwas für Sachsen bewegen“ wollten. Er hob den Vorschlag eines Konsultationsmechanismus für die jetzige Minderheitsregierung hervor, der zeige, wer wirklich mitgestalten wolle (BSW, Linke, Grüne prinzipiell bereit) und wer nicht (AfD).

Landespolitik und BSW-Herausforderungen
Sahra Wagenknecht räumte ein, dass sie Landespolitik anfangs als nicht ganz zu ihren Zielen passend empfand, aufgrund des als „eng“ beschriebenen finanziellen Korsetts und fehlendem Gestaltungsspielraum. Sie stellte jedoch klar, dass sie Landespolitik nicht als „profan“ betrachtet, sondern dass Möglichkeiten existieren, wenn die Partner mitziehen. Sie nannte Beispiele für Gestaltungsspielräume außerhalb des Geldes, wie die Bildungspolitik (Inhalte, Umgang mit digitaler vs. analoger Bildung, Handyverbot an Schulen) und die Innenpolitik (Umgang mit unterschiedlichen Meinungen, Sorge vor „radikalem Erlass“ und Prozesse wegen „Politikerbeleidigung“). Diese Dinge seien „eine Frage des Willens“. Sie betonte, dass eine junge Partei wie das BSW es sich nicht leisten könne, in einer Regierung die Wähler zu enttäuschen, da sie sonst Stimmen verliere.

Angesprochen auf das Abschneiden des BSW bei den Bundestagswahlen und die Frage, ob die Partei enttäuscht habe, führte Wagenknecht dies teilweise auf die Regierungsbeteiligungen (speziell in Thüringen) zurück, wo es nicht ausreichend gelungen sei, das wofür man gewählt wurde, umzusetzen. Sie nannte auch eigene Fehler und interne Probleme beim Parteiaufbau (anfängliche Begrenzung der Mitgliederzahl, die Menschen enttäuschte) sowie die vorgezogene Bundestagswahl als „riesiges Problem“ aufgrund fehlender Zeit, Finanzmittel und Organisation. Sie beklagte Schwierigkeiten bei der Buchung mobiler Großflächen im Wahlkampf, da junge Parteien behördliche Genehmigungen dafür schwer erhielten. Trotz dieser Hürden bewertete sie das Ergebnis von faktisch fast 5% nicht als schlecht für eine neue Partei. Sie äußerte zudem den Verdacht auf „extreme Unregelmäßigkeiten im Promillebereich“ bei der Auszählung, die das BSW die 5%-Hürde gekostet haben könnten, und kündigte eine Wahlprüfungsbeschwerde an.

Zum Erfolg der Linkspartei bei der Bundestagswahl sagte Wagenknecht, sie habe nichts dagegen, wenn diese auf Themen (Mietendeckel, soziale Frage) setze, die sie für richtig halte. Sie kritisierte jedoch die Glaubwürdigkeit der Linken, insbesondere bei der Friedensfrage, da sie das größte Aufrüstungspaket durchgewunken hätten. Sie sieht das Profil der Linken eher bei enttäuschten Grünen- und SPD-Wählern und nicht in direkter Konkurrenz zum BSW, da die Linke bei Migration und Klimapolitik (radikale erneuerbare Energien) weit entfernt sei von den BSW-Positionen.

Umgang mit AfD-Wählern und der Vorwurf des Populismus
Beide Politiker wurden mit dem Vorwurf konfrontiert, populistisch zu agieren, indem sie versuchen, Stimmen von der AfD zurückzugewinnen. Sahra Wagenknecht nannte diesen Vorwurf „völlig alberne“ und „absurd“. Sie sehe es als selbstverständlich an, Wähler, auch potenzielle AfD-Wähler, erreichen und überzeugen zu wollen. Das BSW habe bei seiner Gründung Menschen erreicht, die sonst AfD gewählt hätten. Die gesellschaftliche Debatte, die so tue, als würde die AfD nur von „lauter Nazis“ gewählt, sei „weit weg von der Realität“ und „unendlich arrogant gegenüber den Menschen“. Sie betonte, dass AfD-Wähler für bestimmte Inhalte wählten, darunter Frieden, die „völlig unkontrollierte Migration“, Meinungsfreiheit und die offene Debatte. Andere Parteien müssten die Sorgen dieser Wähler „viel ernster nehmen“, da dies der einzige Weg sei, die AfD zu schwächen und diese Wähler zurückzugewinnen.

Michael Kretschmer stimmte zu, dass über Jahre ausgeblendete Themen wie Migration ein „Vakuum“ gefüllt hätten, das die AfD stark gemacht habe. Er verwies auf Maßnahmen wie die Bezahlkarte und Grenzkontrollen als Schritte, um diese Themen anzugehen und den „Nährboden“ für Populismus zu entziehen. Er betonte die Notwendigkeit, „nah an den Themen der Leute“ zu sein, und nannte als Beispiel die Windkraft, wo Widerstand in der Bevölkerung zeige, dass Politik „demokratietauglich“ sein müsse. Er nannte es „anmaßend“, den Satz „es ist verwerflich AfD Wähler zurückzuholen“ zu äußern, da Wähler „niemandem gehören“. Kretschmer zog eine klare Trennlinie zwischen den Wählern und den Funktionären der AfD, wobei er den sächsischen AfD-Vorsitzenden und Höcke als „Neonazi“ und „Rechtsextremen“ bezeichnete, mit dem man nichts zu tun haben wolle. Er ist der Meinung, dass der „Fisch stinkt vom Kopf an“, aber die Wähler seien „doch nicht jetzt alle rechtsextrem geworden“, sondern hätten die Nase voll, weil Themen „über Jahre Jahre ausgeblendet worden“ seien. Sachsen sei ein „bürgerliches“ und „konservatives“ Land, das „bürgerlich konservative Politik“ wolle.

Krieg und Frieden: Aufrüstung, Diplomatie und Sanktionen
Eine der intensivsten Diskussionen drehte sich um die Frage, ob Aufrüstung zum Frieden führt. Sahra Wagenknecht lehnt eine radikale Pazifismus ab und erkennt die Notwendigkeit einer Bundeswehr zur Landesverteidigung an. Sie kritisierte jedoch die „irren Milliardensummen“ für Rüstung, die sie auf „wahnsinnigen Beschaffungsfilz“ und Lobbyismus zurückführte, da die Bundeswehr trotz steigender Budgets (mehr als Verdreifachung in 10 Jahren) Ausrüstungsmängel habe. Aktuelle Bestrebungen, wie die von Friedrich Merz geforderte größte Armee Europas oder ein unbegrenzter Blankocheck für Aufrüstung, seien „Kriegsvorbereitung“ und „ganz gefährlich“. Sie warnte vor einem „neuen deutschen Zeitgeist“, der mental auf einen Krieg mit Russland vorbereiten solle. Die Gefahr liege darin, in einen Krieg mit Russland hineinzukommen, nicht darin, dass Russland Deutschland überfalle. Sie ist überzeugt, dass kein konventioneller Panzer oder Drohne im Konflikt mit einer Atommacht helfe, und plädierte dafür, „alles tun [zu] müssen aus dieser jetzigen Spirale der Konfrontation rauszukommen“. Sie kritisierte eine leichtfertige öffentliche Kommunikation, die die Gefahr eines baldigen Krieges übertreibe.

Auf den Hinweis auf reale Bedrohungen durch russische Geheimdienste (z.B. Paket-Explosion in Leipzig) entgegnete Wagenknecht, dass Deutschland durch Waffenlieferungen, die gegen Russen eingesetzt würden und deren Koordination teilweise in Deutschland stattfinde, „ziemlich tief in einen Konflikt hinein[geraten]“ sei. Sie nannte die Nordstream-Explosion, die nicht von Russen verursacht wurde, als größten Anschlag auf deutsche Infrastruktur der letzten Jahre. Sie äußerte Skepsis gegenüber Medienberichten über russische Aktionen und verwies auf abweichende Darstellungen in der englischsprachigen Presse, was auf eine massive Bestrebung hindeute, die Bevölkerung auf einen Krieg mit Russland einzustimmen. Sie bezeichnete die Lieferung von Taurusraketen als Schritt, der Deutschland „ganz schnell in einen Krieg mit Russland bringen würde“, was ihr Angst mache. Sie ist überzeugt, dass ein Krieg zwischen NATO und Russland nuklear eskalieren würde, was auch Militärs wüssten. Sie argumentierte, dass Europa kaufkraftbereinigt bereits deutlich mehr für Rüstung ausgebe als Russland, selbst im aktiven Krieg.

Zur Vorgeschichte des Ukraine-Krieges sagte Wagenknecht, sie verurteile Politiker, die Kriege beginnen, aber man dürfe die Vorgeschichte nicht ausklammern. Sie bezeichnete die Annexion der Krim als historisch unwahr. Sie wies darauf hin, dass auf der Krim primär Russen lebten und es nach dem „weggeputschten“ Wahlergebnis nach dem Maidan und dem Wunsch der Ukraine nach NATO-Mitgliedschaft darum gegangen sei, dass Russland seinen Schwarzmeerflottenstützpunkt nicht verlieren wollte. Das Weglassen dieser Vorgeschichte sei historisch unwahr und tue so, als sei nur ein „wahnwitziger expansionswilliger Diktator am Werk“. Sie meinte, diese Vorgeschichte müsse diskutiert werden, um Fehler nicht zu wiederholen. Sie plädierte dafür, dass die Bevölkerung auf der Krim selbst über ihre Zugehörigkeit entscheiden sollte, ähnlich wie im Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Zu Verhandlungen sagte Wagenknecht, Putin habe „sofort gesagt“, er wäre bereit zu einem Waffenstillstand, wenn die Waffenlieferungen eingefroren würden, was der Westen aber abgelehnt habe. Sie kritisierte das Vorgehen des Westens, der Verhandlungen erst nach dem Schweigen der Waffen verlange, und bezeichnete Versuche, Putin zu erpressen (z.B. mit Sanktionspaketen durch Herrn Merz), als „absurd“. Sie wünschte sich, dass Bundeskanzler Scholz auch nach Moskau reisen würde, um direkte Gespräche zu suchen. Sie stellte fest, dass die Ukraine vor drei Jahren in Istanbul eine „viel bessere Verhandlungsposition“ gehabt hätte als jetzt, was zeige, wie falsch die bisherige Strategie (Waffenlieferungen, Ignorieren von Verhandlungsbefürwortern) gewesen sei. Sie sprach sich dafür aus, den Konflikt einzufrieren und Sicherheitsgarantien zu geben, mit dem Ziel, dass zukünftige Generationen im Kreml eine Annäherung an den Westen suchen, statt auf eine militärische Rückeroberung der Krim zu setzen, was auf einen großen Krieg hinauslaufe.

Zur Sanktionspolitik sagte Wagenknecht, diese sei „völlig nach hinten losgegangen“ und habe Deutschland „ins eigene Knie geschossen“. Sie argumentierte, dass der Großteil der Welt sich nicht beteiligt habe und Russland als Rohstoffproduzent seine Abnehmer gefunden habe. Die Idee, Russland durch den europäischen Kaufstopp unter Druck zu setzen, sei „von vorne rein eine dumme Idee“.

Michael Kretschmer betonte die Notwendigkeit einer Bundeswehr, die das Land verteidigen kann. Er sah nach 2014 eine Zäsur und die Erkenntnis, dass man auf Angriffe vorbereitet sein müsse. Er ist der Meinung, dass Wladimir Putin „nur Stärke“ interessiert, nicht „romantische nette Dinge“. Kretschmer erinnerte an Putins Worte zum Zerfall der Sowjetunion als „größte Katastrophe des 20 Jahrhunderts“. Er sagte, er habe zu Beginn des Krieges für Diplomatie plädiert, hielt harte Sanktionen für besser als Waffenlieferungen und Waffenlieferungen für viel besser als in einen Krieg einzutreten. Er kritisierte, dass bei der Auswahl der Sanktionen und anderen wirtschaftspolitischen Entscheidungen nicht darauf geachtet wurde, dass Deutschland „vor allen Dingen stark sein muss um sich selber wehrhaft zu haben“, da viele Sanktionen Deutschland mehr schaden als Russland. Er betonte, dass Russland im Ukrainekrieg „viel mehr Panzer beispielsweise herstellt“ und „diese Durchhaltefähigkeit“ besitze, was eine Notwendigkeit zur Aufrüstung im Verteidigungsbereich zeige.
Kretschmer bestand darauf, Ross und Reiter zu benennen: Russland habe die Krim besetzt (2014) und sei in die Ukraine eingetreten; die Ukraine habe Russland nicht angegriffen. Dies könne nicht folgenlos bleiben, da es sonst wiederholt werde. Er bedauerte, dass Deutschland als „starkes Land in der Mitte Europas“ mit seiner Geschichte und Vertrauen seine Rolle in der Diplomatie verspielt habe und Europa nun „am Katzentisch sitzt“. Eine starke EU, die ihre Interessen definiert und durchsetzt, sei die „Lebensversicherung“.

Zu seinem früheren Vorschlag, den Krieg „einzufrieren“, bekräftigte Kretschmer, dass das Sterben aufhören müsse und ein Waffenstillstand kommen solle. Wichtig sei aber, dass die Ukraine „nicht als Territorium aufhört zu existieren“, sondern als „freies Land selbstbestimmt“ bleibe. Er räumte ein, dass die Ukraine jetzt in einer schlechteren Verhandlungsposition sei, was zeige, dass die Strategie der letzten Jahre falsch war. Dennoch sei das Ziel, dass die Ukraine ihr Land (auch die Krim) zurückerhält, aber nicht „auf dem kriegerischen Weg“, sondern durch Zeit und Diplomatie. Er hielt fest, dass seine Position zentral sei: „Es gibt keinen Grund auch keinen vorgeschobenen Grund für einen Angriff auf ein anderes Land weder in der Krim noch das was jetzt passiert“.

Zur Sanktionspolitik ergänzte Kretschmer, dass man sich die Sanktionen „im Detail anschauen“ müsse. Er wies auf Inkonsistenzen hin, wie die fortgesetzte kerntechnische Zusammenarbeit mit Russland für osteuropäische Partner, die russische Brennstäbe brauchen. Man müsse Sanktionen so gestalten, dass man sich „nicht so sehr betroffen“ fühle und sich nicht „selbst mehr schadet“. Er sah die Notwendigkeit, in eine neue Zeit einzutreten und wirtschaftliche Zusammenarbeit und Rohstofflieferungen als Instrumente in Verhandlungen mit einzubringen, da dies für Russland ein relevanter Hebel sei.

Demokratie, Diskurs und Herkunft
Michael Kretschmer äußerte die Sorge um den Zustand der Demokratie mit dem Zitat: „Wir sollten die Demokratie verteidigen solange wir sie noch haben“. Er erklärte, dies spiegele eine Lücke zwischen Politik und Bevölkerung wider und sei eine Aufforderung zum bürgerschaftlichen Engagement (Parteimitgliedschaft, Zeitungslesen). Er glaubt, dass die Demokratie stabiler wäre, wenn mehr Menschen politisch und medial engagiert wären.

Sahra Wagenknecht berichtete, dass die Gründung einer neuen Partei in Deutschland „extrem schwer“ sei, viel schwerer als in anderen Ländern, aufgrund hoher Hürden und rechtlicher Anforderungen. Demokratie sei mehr als nur Wahlen; sie setze einen „freien breiten Diskurs in den Medien“ voraus, in dem „alle Meinungen“ berücksichtigt und öffentlich wahrgenommen würden. Sie kritisierte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo es ihrer Meinung nach bei bestimmten Themen „nur noch eine Meinung“ gebe und andere „abqualifiziert“ würden (z.B. als Putinfreund oder Impffeind). Sie forderte eine Rückkehr zu einer „freien und auch respektvollen Diskussion“ über unterschiedliche Meinungen, um eine Verlagerung in „Filterblasen“ zu verhindern. Beide Politiker stimmten einer Aussage zu (von Wagenknecht geäußert, von Kretschmer bestätigt), dass das Meinungsklima abweichende Meinungen in die Nähe von Verschwörungstheorien rücke.

Angesprochen auf ihre eigene harte Wortwahl (Wagenknecht bezeichnete Scholz als „Vasallenkanzler“, Merz als „unsäglich“), verteidigte Wagenknecht dies, indem sie sagte, „breiter Diskurs und harte Polemik schließen sich nicht aus“. Sie begründete die Bezeichnung „Vasallenkanzler“ mit Deutschlands perceived Abhängigkeit von den USA, insbesondere bei Entscheidungen wie der Stationierung von Mittelstreckenraketen, die deutsche Interessen untergraben und am Bundestag vorbei entschieden würden. Sie wünschte sich mehr Eigenständigkeit Deutschlands. Wagenknecht sprach zudem von einer „cancel Culture“ und „Kontaktschuld“ in Deutschland, die dazu führe, dass Unterstützer des BSW aus Angst vor beruflichen Nachteilen zögerten, sich öffentlich zu bekennen. Sie nannte diese Angst ein „Armutszeugnis für ein liberales Land“.

Beide teilten ihre Erfahrung des Aufwachsens in der DDR. Michael Kretschmer hob hervor, wie prägend die Zeit nach 1990 war und wie schnell die soziale Marktwirtschaft und Freiheit den „Raubbau dieser DDR Diktatur beseitigt“ hätten. Sahra Wagenknecht erlebte die letzten Jahre der DDR bewusst als „bleierne Zeit“, durfte wegen Kritik nicht studieren und sah nach der Wende Hoffnungen durch die „unglaubliche Deindustrialisierung“ im Osten zerbrechen. Sie glaubt, dass Ostdeutsche dadurch Meinungsfreiheit mehr schätzten und kritischer gegenüber staatlichen und medialen Aussagen seien, sowie eine größere Sensibilität für die Notwendigkeit einer Wirtschaftspolitik hätten, die Industrie vor Zerstörung schütze.

Das Gespräch, das von den Moderatoren als fair und engagiert gelobt wurde, zeigte trotz aller Differenzen auch Schnittmengen, etwa in der Sorge um den gesellschaftlichen Diskurs oder der Kritik an Teilen der Sanktionspolitik. Es wurde deutlich, dass die Bewältigung der politischen Herausforderungen, sowohl in Sachsen mit einer Minderheitsregierung als auch auf Bundes- und internationaler Ebene, von der Bereitschaft zum Dialog und der Fähigkeit abhängt, auch über tiefe Meinungsverschiedenheiten hinweg ins Gespräch zu kommen – eine Herausforderung, die im Format „Politik in Sachsen“ an diesem Abend zumindest im Ansatz gemeistert wurde.

Moore wieder nass machen: Ein mühsamer Weg für den Klimaschutz

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Berlin/Mecklenburg-Vorpommern – Sie sind oft unauffällig, manchmal sumpfig und schwer zugänglich, doch ihre Rolle im Kampf gegen den Klimawandel ist unbestritten: Moore. Moore zu schützen ist „kein kalter Kaffee“, sondern „wichtig für den Klimaschutz“. Doch viele Moore in Deutschland sind entwässert. Sie wieder nass zu machen, die sogenannte Moorwiedernässung, ist ein komplexes Unterfangen, das viele Akteure und erhebliche Anstrengungen erfordert.

Um die praktische Umsetzung zu fördern und Wissen zu teilen, wurde das Projekt MoKKa ins Leben gerufen. Im Jahr 2023 und 2024 fanden im Rahmen von MoKKa eine Reihe von Moorfeldtagen statt. An diesen Tagen nahmen jeweils 30 bis 50 Personen aus ganz unterschiedlichen Bereichen teil, darunter Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasser- und Bodenverbände, Verwaltung, Planungsbüros, Flächeneigentümer, Wissenschaft und Ausbilder. Ziel war es, bereits umgesetzte oder geplante Moorprojekte in Mecklenburg-Vorpommern zu besuchen, „vor Ort von den Umsetzenden zu lernen“, die Flächen aus nächster Nähe zu betrachten und in den Austausch zu kommen.

Der Prozess: Von der Idee zur nassen Fläche
Wie kommt ein Moorprojekt überhaupt zustande? Am Anfang steht die Idee. Oft wird eine Fläche identifiziert, die nasser werden müsste, oder ein wirtschaftender Landwirt tritt an Organisationen heran, weil die Bewirtschaftung entwässerter Flächen zu kompliziert geworden ist. Manchmal suchen auch Gemeinden gemeinsam mit Landwirten und Wasser- und Bodenverbänden das Gespräch.

Die Umsetzung eines Wiedervernässungsprojekts lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen.

Vorbereitungsphase: Hier geht es um die Ermittlung der Grundlagen und die Konzeption des Projekts. Die zentrale Frage ist die Zielstellung: Wo will man eigentlich hin?. Es beginnt mit einer Ortsbegehung, um zu prüfen, ob es überhaupt Möglichkeiten gibt, Wasser zurückzuhalten oder ob Entwässerungseinrichtungen vorhanden sind, die zurückgebaut werden könnten. Da entwässerte Moore bis zu einem Zentimeter pro Jahr an Höhe verlieren, muss vorhandenes Kartenmaterial oft auf Aktualität geprüft und das Gelände neu aufgenommen werden. Wichtig ist auch die Ermittlung der Torfstärke und der hydrologischen Zustände. Parallel dazu müssen die Eigentumsverhältnisse geklärt und alle Eigentümer und Nutzer, die ins Boot geholt werden müssen, identifiziert werden. Auch die Komplexität möglicher Genehmigungsverfahren, etwa durch Gewässer zweiter Ordnung, wird geprüft. Der Wasser- und Bodenverband wird dabei als wichtiger Akteur genannt, der viel Wissen über vorhandene wasserwirtschaftliche Anlagen besitzt.

Detaillierte Analyse und Planung: In dieser Phase wird konkret geplant, wie die Ziele erreicht werden können. In der Regel wird ein Planungsbüro beauftragt, das eine Vorplanung und Machbarkeitsstudie erstellt. Es braucht eine möglichst genaue Planung, um „unliebsame Effekte“ wie Rückstaue auf landwirtschaftliche Flächen oder in Gebäudebereiche zu vermeiden. Dabei muss man einen gewissen Sicherheitspuffer einplanen, da die Natur sich manchmal anders verhält als exakt geplant. Die Planung muss plausibel sein, damit die Wasserbehörde ihre Zustimmung geben kann.

Konkrete Planung und Durchführung: Nun geht es an die Umsetzung der Maßnahmen. Dafür ist eine Genehmigung erforderlich, meist eine wasserrechtliche Genehmigung. Je nach Aufwand können sich weitere Genehmigungsschritte anschließen, bis alle Genehmigungen vorliegen. Naturschutzprojekte haben hier keinen „Bonus“; es sind dieselben Gutachten wie bei anderen Vorhaben nötig, zum Beispiel ein Artenschutzgutachten und eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung. Es muss sichergestellt werden, dass angrenzende Schutzgebiete wie Vogelschutzgebiete oder FFH-Gebiete nicht negativ betroffen sind. Insgesamt können „sieben oder acht“ solcher Untersuchungen und Gutachten erforderlich sein. Auf Grundlage dieser Gutachten und Genehmigungen wird die Ausführungsplanung erarbeitet. Dann wird eine Tiefbau- oder Baufirma gesucht, die die technischen Maßnahmen umsetzt.

Hürden und Herausforderungen
Die Umsetzung von Moorprojekten steht vor erheblichen Hürden. Aus Sicht der Experten sind die größten Probleme das Flächeneigentum. Eine Fläche von 100 Hektar gehört in Deutschland „nie einem“. Bei den oft zersplitterten Eigentumsstrukturen muss man mit allen Eigentümern und Nutzlern im Gespräch sein. Sobald ein Fremdeigentümer durch das Projekt beeinflusst wird – und seien es nur „wenige Zentimeter Wasserstandsanhebung“ auf einem Nachbargrundstück – greift das Wasserrecht und erfordert eine Zustimmung. Es gilt ein „stricktes Freiwilligkeitsprinzip“. Wenn keine Einigung mit einem betroffenen Fremdeigentümer erzielt werden kann, „findet das Projekt nicht statt“ oder muss so abgeändert werden, dass es ohne dessen Fläche auskommt.

Ein weiteres großes Problem sind die „immensen Vorplanungen“ und die damit verbundenen „sehr aufwendigen Planverfahren“. Obwohl Voruntersuchungen wie die Setzung von Pegeln zur Klärung der Grundwasserstände wichtig sind, um sicherzustellen, dass nur die Moorfläche vernässt wird und keine Gebäude betroffen sind, sind die „zeitlichen Fristen dafür einfach unheimlich lang“. Insbesondere behördliche Genehmigungsverfahren werden als sehr aufwendig beschrieben. Hier wünschen sich die Umsetzenden eine Vereinfachung, um „schneller zum Ziel zu kommen“. Allerdings kann die Planungszeit auch Vorteile haben, wenn sie genutzt wird, um Ziele „klar und verbindlich“ zu besprechen und Vertrauen aufzubauen.

Zeitliche Dimension und langfristige Pflege
Die zeitliche Umsetzung eines solchen Projekts hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehören der Umfang der Betroffenen und Beteiligten, der notwendige Umfang der Baumaßnahmen und die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Behörden und Projektbetreuer. Ein einfaches Projekt kann innerhalb von „einem Jahr bis zwei Jahren“ umgesetzt werden. Es kann aber auch „mal 5, 6, 7, 8 Jahre dauern“. Ein konkretes Beispiel ist die Mechower Stauniederung, deren Wiedervernässung erst nach „15 Jahren Überzeugungsarbeit“ gelang. Vier Jahre werden in diesem Kontext als „relativ schnell“ eingeschätzt.

Nach der Wiedervernässung sind die Aktivitäten auf der Fläche oft nicht abgeschlossen. Viele Flächen werden weiter landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt. Insbesondere das hydrologische Management bleibt eine „bleibende Aufgabe“. Eine Überwachung des Erfolgs der Maßnahmen kann stattfinden, aber nicht immer. Organisationen wie die Michael Succow Stiftung betreuen Schutzprojekte „von der ersten Idee bis zur (…) langfristigen Betreuung“. Projekte werden meist längerfristig betreut, die Wasserhaltung beobachtet. In fast allen Projekten wurden Datenlogger installiert, die täglich Wasserstände messen. Diese Daten werden regelmäßig ausgelesen und ausgewertet. Zusätzlich werden Vegetationsaufnahmen alle drei oder fünf Jahre durchgeführt.

Zusammenarbeit und Kommunikation als Schlüssel
Da immer mehr Moorprojekte umgesetzt werden sollen, braucht es auch mehr Menschen und Institutionen, die sich dieser Aufgabe annehmen. Neulinge können dabei von Erfahrenen lernen. Es wird als „äußerst wichtig“ erachtet, sich mit bereits bestehenden Projekten auszutauschen und „frühzeitig wirklich die Behörden und die Wasser und Bodenverbände und die Eigentümer und Nutzer mit einzubeziehen“.

Bei der Projektplanung muss auch die langfristige Finanzierung und mögliche Verpflichtungen bedacht werden. Wichtig ist die Zusammenarbeit mit „kompetenten Planern und kompetenten Partnern“.

Der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche praktische Umsetzung ist die „Kommunikation mit allen Betroffenen vor Ort“, und zwar „frühzeitig und rechtzeitig“. Das sei „immer das A&O“. Wenn die Planungen konkreter werden, gibt es fortlaufend Beteiligung durch Behörden, Eigentümer, Kommunen, Parlamente und Bauausschüsse. Wenn die Planungen gemeinsam vorgestellt, besprochen und diskutiert werden und „das Gefühl haben jawohl wir sind noch gemeinsam auf dem richtigen Weg“, die richtige Lösung gefunden wurde und die Beteiligten „damit zufrieden und einverstanden sind“, das seien „eigentlich die schönen Momente“.

Trotz der Herausforderungen wie zersplittertem Eigentum, langwierigen Verfahren und dem Bedarf an vielen Beteiligten wird deutlich, dass die Wiedervernässung von Mooren ein notwendiger Beitrag zum Klimaschutz ist, der Kooperation, Expertise und einen langen Atem erfordert. Auch wenn die Umsetzung schwierig ist, zeigen Beispiele, dass sie mit Beharrlichkeit und guter Kommunikation gelingen kann. Manchmal werden auf wiedervernässten Flächen sogar neue Anbaukulturen erprobt, die hohe Wasserstände vertragen, wie Schilf, Rohrglanzgras oder Seggen.

Wirtschaft in Ostdeutschland: Hohes Potenzial trifft tiefe Skepsis

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Neues Transformationsbarometer der DKB und Deutschland – Land der Ideen zeigt ambivalentes Bild: Unternehmen sehen Chancen, zweifeln aber an deren Realisierung und blicken skeptisch auf die Politik.

Die Wirtschaft in Ostdeutschland steht nach Einschätzung vieler Unternehmerinnen und Unternehmer auf ambivalentem Boden. Zwar wird dem Standort weiterhin hohes Potenzial bescheinigt, doch die Zuversicht, dieses Potenzial tatsächlich heben zu können, ist gering. Das zeigt das aktuelle OWF-Transformationsbarometer, das jährlich von der Standortinitiative Deutschland – Land der Ideen und der Deutschen Kreditbank AG (DKB) im Vorfeld des Ostdeutschen Wirtschaftsforums (OWF) erstellt wird. Für die Befragung wurden zwischen Anfang März und Ende April 2025 Entscheiderinnen und Entscheider aus ostdeutschen Unternehmen mit mindestens 10 Mitarbeitenden befragt.

Potenzial ist da, Zweifel überwiegen
Bereits seit dem Beginn der Befragung im Jahr 2022 bescheinigen die Unternehmen Ostdeutschland kontinuierlich ein großes Wirtschaftspotenzial. Auch in der aktuellen Umfrage schätzen 56 Prozent dieses als groß ein, 23 Prozent davon sogar als sehr groß. Als größte Wachstumsfelder werden dabei Erneuerbare Energien (3 %), Mikroelektronik (19 %) und Tourismus (18 %) genannt.

Diesen positiven Einschätzungen steht jedoch eine deutliche Skepsis gegenüber, ob dieses Potenzial in der Praxis genutzt werden kann. 40 Prozent der Befragten erwarten künftig in gar keiner Branche ein besonders großes Wachstum. Diese pessimistische Erwartung ist in den meisten ostdeutschen Bundesländern die meistgenannte Antwort, in Thüringen teilt sie sogar mehr als jeder Zweite.

Negative Stimmung, aber zufriedenstellende Geschäftslage im eigenen Haus
Die allgemeine wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland wird von vielen als negativ bewertet. 45 Prozent der Befragten halten sie für negativ, bei Unternehmen mit 250 bis 999 Angestellten ist es sogar jeder Zweite. Nur rund ein Viertel blickt positiv auf die Gesamtlage. Die Zufriedenheit mit der Wirtschaftslage ist in Brandenburg am höchsten (jeder Dritte), am niedrigsten in Thüringen (19 %).

Interessanterweise spiegelt sich diese negative Gesamtstimmung nicht direkt in der Bewertung des eigenen Geschäftsjahres wider. Mehr als die Hälfte der Befragten (52 %) war mit der wirtschaftlichen Entwicklung ihres eigenen Unternehmens im Jahr 2024 sehr oder eher zufrieden. Nur 30 Prozent zeigten sich weniger oder gar nicht zufrieden. Dieses Bild, dass die Stimmung schlechter ist als die tatsächliche Lage im eigenen Unternehmen, zeigte sich bereits im Vorjahr.

Fachkräftemangel und Energiepreise als Dauerbrenner – Politische Radikalisierung wächst als Risiko
Die größten Herausforderungen für die Unternehmen sind weiterhin der Fachkräftemangel, der von mehr als jedem zweiten Befragten genannt wird und die Liste seit 2022 anführt. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten sehen hier die größten Probleme (58 %). An zweiter und dritter Stelle folgen die Energiepreise (34 %) und der Wettbewerb (27 %). Die Energiepreise bereiten vor allem in Thüringen (46 %) und Sachsen-Anhalt (42 %) Sorgen.

Betrachtet man die Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland als Ganzes, so wird neben Fachkräftemangel und Energiepreisen die politische Radikalisierung als drittgrößtes Standortrisiko genannt (40 %). Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 5 Prozentpunkte angestiegen.

Klare Wünsche an die Politik, aber wenig Vertrauen in deren Umsetzung
Die Unternehmen haben klare Erwartungen an die Politik. Mit Abstand am häufigsten (68 %) wird der Wunsch nach Bürokratieabbau geäußert. An zweiter Stelle steht die Forderung nach Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise (54 %). Die drittwichtigsten Maßnahmen variieren je nach Unternehmensgröße: Größere Unternehmen wünschen sich digitale Verwaltungsprozesse, mittlere Investitionsförderungen und kleinere Steuererleichterungen.

Trotz dieser klaren Wünsche blicken die Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter mit großer Skepsis auf die neue Bundesregierung. 58 Prozent glauben nicht, dass es ihr gelingen wird, wirksame Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft zu setzen. Nur 38 Prozent sind optimistisch. Regionale Unterschiede sind hier deutlich: In Brandenburg und Berlin ist der Optimismus mit 48 beziehungsweise 47 Prozent höher, während in Thüringen die Skepsis mit 74 Prozent am größten ist.

Dr. Philipp Mehne, Geschäftsführer von Deutschland – Land der Ideen, kommentierte die Ergebnisse: „Es ist die Aufgabe der Politik, die Bedingungen für die Wirtschaft zu verbessern (…) Sie muss aber auch für Zuversicht sorgen (…) Das Transformationsbarometer zeigt, dass die Bundesregierung genau hier noch eine gewaltige Aufgabe vor sich hat, denn ihr Vertrauensvorschuss bei den Unternehmen ist offenbar gering“. Tilo Hacke, Vorstandsmitglied der DKB, nannte die Ergebnisse „alarmierend“ und betonte die Dringlichkeit von Maßnahmen, „die wieder für Zuversicht und Optimismus sorgen“. Er fordert, dass notwendige Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Wärmewende nicht weiter aufgeschoben werden dürften.

Die Ergebnisse des Transformationsbarometers 2025 werden am 19. Mai 2025 beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.