Jena. Am kommenden Freitag, dem 13. Juni, soll vor dem Landgericht Gera eine Entscheidung in einem seit Längerem geführten Streit um eine Garagenanlage in Jena fallen. Verhandelt wird der Rechtsstreit zwischen dem Garagenverein „An der Kläranlage“ und der Stadt Jena, vertreten durch den Eigenbetrieb Kommunale Immobilien Jena (KIJ). Bereits in der mündlichen Verhandlung hat Richter Stefan Kramer signalisiert, dass er die von KIJ ausgesprochene Kündigung des Garagenvereins für wirksam hält. Die Stadtverwaltung plant, konkrete Schritte und Maßnahmen erst nach der Urteilsverkündung und dem Vorliegen des schriftlichen Urteils festzulegen.
Renaturierung und Klimaoase als städtische Ziele
Unabhängig vom ausstehenden schriftlichen Urteil bekräftigt die Stadt Jena ihre grundlegenden Pläne für das betroffene Gebiet. Das zentrale Ziel bleibt die Renaturierung der Fläche, basierend auf einem Beschluss des Stadtrates. Nach dem geplanten Rückbau der Garagen soll das Areal naturnah umgestaltet werden, um als sogenannte Klimaoase der wohnortnahen Erholung für die Bürgerinnen und Bürger zu dienen.
Diese neu entstehende Grünfläche erhält zusätzlich eine wichtige Funktion: Sie ist als Ausgleichsfläche für den geplanten Ausbau des Verkehrsknotens Brückenstraße/Wiesenstraße im Norden der Stadt vorgesehen. Der damalige Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD), der inzwischen Geschäftsführer der Ernst-Abbe-Stiftung ist, hatte im November im Stadtrat erläutert, dass für den Ausbau der Wiesenstraße Retentionsraum für den Hochwasserschutz benötigt werde und dieser im Bereich der Lobedaer Garagen gefunden worden sei. Im Juni 2022 bestätigte der Stadtrat sehr knapp einen Förderbescheid, der spezifische Ziele für den Standort bei Lobeda nannte, darunter den Rückbau von 175 Garagen an den Anlagen „An der Kläranlage“ und „Am Wehr“, die Entsiegelung und Begrünung, die Pflanzung von Bäumen, die Einrichtung von Sitzmöglichkeiten, Radabstellanlagen und Spielmöglichkeiten.
Angepasste Förderstrategie
Ursprünglich sollte der Abriss der Garagen über das Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ finanziert werden. Bewilligte Mittel in Höhe von 753.300 Euro standen dafür bereit. Eine Bedingung des Förderprogramms war allerdings, dass die Klimaoase bis Ende 2024 fertiggestellt sein müsste. Da sich der Klageprozess bezüglich der Garagenanlage „An der Kläranlage“ verzögerte, suchte die Stadt in Abstimmung mit dem Fördermittelgeber, dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen, eine alternative Verwendung der Mittel im Umfeld. Ein Gartenhaus und der ehemalige Fußgängersteg oberhalb der Alten Burgauer Brücke wurden stattdessen in das Projekt integriert und kürzlich abgerissen. Die Garagenanlage „An der Kläranlage“ wurde aus diesem ursprünglichen Förderprojekt herausgenommen und findet sich auch nicht auf der großen Bautafel am Radweg.
Garagen in Ostdeutschland: Mehr als nur Stellplätze
Garagenanlagen in Ostdeutschland, oft in den Randbezirken gelegen und nach Normen wie Typ I Dresden in den 1970er Jahren gebaut, sind mehr als nur Stellplätze. Sie dienten und dienen häufig als Werkstätten, Treffpunkte und Orte der Erinnerung. Vielerorts wurden sie von den Nutzern selbst in Eigenleistung auf fremdem Grund errichtet, was zu DDR-Zeiten üblich war. Da das Reparatur-Netz in der DDR kleiner war, wurden die Garagen auch für die Fahrzeugpflege genutzt. Viele Nutzer hängen sehr an ihren Garagen und haben eine besonders große Identifikation mit ihnen, da sie auch für Aktivitäten genutzt wurden, die sonst zu Hause stattfänden. Garagenhöfe sind Orte für geselliges Beisammensein, Feierlichkeiten, aber auch Werkeln und Basteln. Sie können als Ort einer bisher ungeschriebenen Geschichte Ostdeutschlands betrachtet werden.
Position des Garagenvereins und rechtliche Lage
Auch der Garagenverein „An der Kläranlage“ will das schriftliche Urteil abwarten, bevor über weitere Schritte entschieden wird. Die Garagen auf dem Gelände wurden, wie für DDR-Zeiten typisch, in Eigenleistung auf fremdem Grund gebaut. Parallel zum Rechtsstreit um die Gemeinschaftsanlagen läuft ein Verfahren gegen einzelne Garagennutzer, die ihre Garagen noch nicht an die Stadt zurückgegeben haben; dieses Verfahren ruhte längere Zeit in Erwartung des Urteils in höherer Instanz. Nach Einschätzung des Vereins besteht nicht mehr die Sorge, dass die Nutzer die Abrisskosten tragen müssen. Dies wird damit begründet, dass die Garagen bereits gebaut waren, als sie übernommen wurden, und der Inhalt des damals geschlossenen Vertrages maßgeblich sei.
Politische Debatte und alternative Ansätze
Das Thema Garagenabriss sorgt auch politisch für Diskussionen. Die AfD-Fraktion im Jenaer Stadtrat sprach sich gegen den Abriss aus. Ihr Fraktionsvorsitzender Denny Jankowski betonte in der Stadtratssitzung am 15.06.2022, dass der Garagenkomplex gut gepflegt sei, die Besitzer sehr an ihren Garagen hingen und keine Ersatzlösung in Sicht sei. Er bezweifelte den Grund des Abrisses und nannte Fördermittel allein als unzureichende Begründung. Die AfD stimmte gegen den Abriss, wurde aber vom Stadtrat überstimmt. Aus Sicht der AfD sollte das Vorhaben der Renaturierung überdacht und eine gütliche Einigung im Rechtsstreit gesucht werden, um den Garagenbesitzern eine Perspektive aufzuzeigen.
Im Jahr 2016 hatte der Stadtrat auf Grundlage einer Beschlussvorlage von KIJ ein Garagenentwicklungskonzept bestätigt. Dieses teilte die städtischen Garagenstandorte in drei Kategorien ein. Die Garagenanlage „An der Kläranlage“ wurde dabei zunächst der Kategorie 2 zugeordnet, für die eine mittelfristige Neubewertung oder Umnutzung, unter anderem aufgrund der Lage im Außenbereich und Überschwemmungsgebiet sowie naheliegenden Biotopen, vorgesehen war. Ziel des Konzepts war es, Planungssicherheit für Nutzer und Stadt zu schaffen, Flächen für Wohnen und Gewerbe zu generieren und eine nachhaltigere Bewirtschaftung zu ermöglichen.
Andere Städte gehen teilweise andere Wege im Umgang mit ihren Garagenhöfen. Die Stadt Chemnitz beispielsweise, Kulturhauptstadt Europas 2025, widmete den Garagenhöfen ein Projekt namens „#3000Garagen“, um die persönlichen und kollektiven Geschichten dieser Orte sichtbar zu machen und die Garagen als mehr als nur automobile Abstellorte zu verstehen.
Entwicklungen bei benachbarten Flächen
Zuletzt gab es auch Diskussionen über direkt angrenzende Garagenflächen, die bis vor Kurzem im Eigentum der Ernst-Abbe-Stiftung standen. Diese Anlagen machen laut Bericht einen sehr ungepflegten Eindruck. Die Stadt gab an, dass die Einbeziehung dieser Flächen von Anfang an geplant war, jedoch erst nach einem privaten Verkauf zum Jahreswechsel 2024/2025 realisiert werden konnte. Für dieses Areal wurde inzwischen ebenfalls ein neuer Fördermittelantrag für den Rückbau und die Renaturierung gestellt.
Die weitere Entwicklung der Situation und das Schicksal der Garagenanlage „An der Kläranlage“ hängen nun maßgeblich vom schriftlichen Urteil des Landgerichts Gera ab und den darauffolgenden Entscheidungen und Handlungen der Stadt Jena sowie des Garagenvereins.