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Psychische Folter in der Isolationshaft: Die unbarmherzige Taktik der Stasi

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Edda Schönherz, 30 Jahre alt, befand sich in der Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Hohenschönhausen. Ihre „Straftat“ war der Besuch der Bundesdeutschen Botschaft in Budapest, um Informationen über Ausreisemöglichkeiten zu erhalten. Dieser Besuch wurde von der Stasi als staatsfeindliche Verbindung interpretiert.

Die Haftbedingungen in Hohenschönhausen waren besonders grausam. Edda Schönherz wurde aus ihrer gewohnten Umgebung herausgeholt, in den frühen Morgenstunden abgeholt und in einem unmarkierten Auto, das die Stasi zur geheimen Personenbeförderung nutzte, transportiert. Das Versteck der Haftanstalt war auf keiner Landkarte verzeichnet, und selbst die Gefangenen wussten nicht, wo sie sich befanden.

In der Haftanstalt angekommen, wurde Edda in eine kleine Zelle gebracht. Sie musste sich vollständig ausziehen und sich vor den uniformierten Wachleuten entkleiden und in verschiedene Körperöffnungen untersuchen lassen. Diese erniedrigenden Prozeduren waren Teil der psychischen Folter, die die Stasi praktizierte, um ihre Gefangenen zu brechen.

Edda Schönherz war zuvor Moderatorin und Ansagerin im DDR-Fernsehen, eine Position, die im Widerspruch zur politischen Ausrichtung des Staates stand. Obwohl sie versuchte, ihre innere Verfassung zu verbergen, war der psychische Druck enorm. Die Stasi verhörte sie nicht nur direkt, sondern versuchte auch, in ihren Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis vorzudringen. Durch Lügen, Verleumdungen und fingierte Telefonanrufe versuchte man, ihre Psyche weiter zu zerstören.

Die Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen hatte auch ein Haftkrankenhaus, das jedoch nur in extremen Fällen aufgesucht werden konnte. Die Bedingungen für die Gefangenen waren so hart, dass eine medizinische Notversorgung nur im äußersten Notfall in Betracht gezogen wurde. In der gesamten DDR waren mehr als 250.000 politische Gefangene registriert, während in Hohenschönhausen etwa 11.000 Personen gleichzeitig inhaftiert waren.

Edda Schönherz wurde schließlich in einem Viehtransport zu einer anderen Haftanstalt gebracht. Dieser Transport dauerte drei Tage und war eine weitere Form der Erniedrigung und psychischen Folter. Die Stasi wollte durch solche Maßnahmen den Gefangenen deutlich machen, dass sie in den Augen des Regimes nichts wert waren.

Die psychische Folter in der Isolationshaft war eine brutale Taktik der Stasi, um ihre Gefangenen zu brechen und sie in ihrem Kampf gegen das autoritäre Regime der DDR zu demütigen. Edda Schönherz‘ Bericht bietet einen eindrucksvollen Einblick in die grausamen Methoden der politischen Verfolgung in der DDR.

30 Jahre nach der Einheit: Warum ostdeutsche Stimmen im Journalismus fehlen

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Über drei Jahrzehnte nach der deutschen Einheit scheint Ostdeutschland im Journalismus angekommen zu sein – doch wer genauer hinsieht, erkennt: Die Repräsentation ostdeutscher Perspektiven ist nach wie vor ungleich verteilt. In der aktuellen Ausgabe von „Journalismus im Dialog“, veranstaltet von der Freien Universität Berlin, der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und dem Sender Alex, wurde diese Schieflage erneut deutlich. Zu Gast: Sabine Renevans, Ressortleiterin bei der Berliner Zeitung, preisgekrönte Autorin – und ostdeutsche Journalistin.

Renevans weiß, wovon sie spricht. In den frühen Jahren ihrer Karriere versuchte sie, das Ostdeutsche in ihrer Biografie zu verbergen. „Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden“, sagt sie. Der Wendepunkt kam mit der Aufdeckung des NSU – und dem reflexartigen medialen Narrativ: „Nazis aus dem Osten“, flankiert von Klischees über Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Stasi-Vergangenheit. Für Renevans ein Weckruf. „Da habe ich gemerkt: Die Gesellschaft ist noch lange nicht so weit, wie ich dachte.“

Stereotype statt Vielstimmigkeit
Studien bestätigen ihre Beobachtungen: In den Jahren nach der Wiedervereinigung dominierten in den Medien negative Bilder der DDR. Ostdeutsche wurden als fremd, rückständig, problematisch gezeichnet. Zwar gebe es inzwischen neue Stimmen – etwa Valerie Schönjahn mit „Ostbewusstsein“ oder Greta Taubert mit „Guten Morgen, du Schöne“. Doch in den Leitmedien, so Renevans, herrsche weiterhin eine einseitige Berichterstattung: Der Osten werde vor allem dann sichtbar, wenn es um Wahlergebnisse, Gedenktage oder Skandale gehe.

Die Idee einer „Ostquote“ in Redaktionen, die aus dem Publikum angesprochen wurde, hält sie für überfällig. „Mich wundert, dass diese Frage nicht öfter gestellt wird“, sagt Renevans. Ihr Beispiel: Beim Spiegel arbeiten schätzungsweise nur 34 von über 1.000 Mitarbeitenden mit ostdeutscher Herkunft – Zahlen, die sich in vielen großen Medienhäusern wiederfinden. Die Konsequenz: ein Mangel an Perspektiven, der sich unmittelbar auf die Berichterstattung auswirkt.

Ein neues Selbstbewusstsein – mit Stolpersteinen
Jüngere ostdeutsche Journalistinnen und Journalisten treten heute selbstbewusster auf. Sie haben die Umbrüche der Wendezeit nicht mehr unmittelbar erlebt, richten den Blick stärker auf soziale Gerechtigkeit, Bildung, Stadt-Land-Konflikte – und weniger auf die DDR-Vergangenheit. Doch auch sie stoßen auf Vorurteile. Bei Lesungen würden Themen wie Stasi und Rechtsextremismus immer noch reflexhaft verknüpft, berichtet Renevans.

Die Berliner Zeitung, bei der sie arbeitet, versteht sich zeitweise als ein „Ost-West-Labor“. Die Stasi-Vorwürfe gegen Miteigentümer Holger Friedrich haben die Redaktion stark gefordert – und zusammengeschweißt. Trotz der Entlastung durch eine unabhängige Kommission blieb die öffentliche Debatte an der Schlagzeile kleben. Für Renevans ein Beispiel dafür, wie schnell ostdeutsche Akteure unter Generalverdacht gestellt werden.

Alte Machtstrukturen, neue Chancen
Ein zentraler Punkt: die Besitzverhältnisse in der Medienlandschaft. Die Übernahme ostdeutscher Zeitungen durch westdeutsche Verlage in den 1990er-Jahren, die Auflösung des DDR-Fernsehens – für viele Ostdeutsche ein Verlust ihrer medialen Öffentlichkeit. Der Soziologe Rai Kollmorgen spricht von einer „institutionellen Zerstörung der ostdeutschen Öffentlichkeit“. Renevans findet das bedenkenswert. Auch ihr eigenes Praktikum Anfang der 1990er-Jahre habe ihr gezeigt, wie wenig Verständnis westdeutsche Kollegen für die journalistische Kultur des Ostens hatten.

Heute versucht sie, ostdeutsche Erfahrungen in der Redaktion sichtbar zu machen – ohne zu moralisieren. In der Serie „Zeitenwende“ berichtete die Berliner Zeitung über persönliche Umbruchsgeschichten aus dem Osten. Die Resonanz war überwältigend. „Die Menschen wollen, dass ihre Geschichte gesehen wird“, sagt Renevans.

„Der Westen ist nicht die Norm“
Gleichzeitig warnt sie vor dem Vorwurf, Ostdeutschland durch eine stärkere Thematisierung wieder in die Rolle des „Anderen“ zu drängen. „Vielfalt ist kein Problem“, sagt sie. „Problematisch ist es, wenn der Westen weiterhin als Norm gilt.“ Viele Entwicklungen im Osten – etwa der Umgang mit demografischem Wandel oder der Strukturwandel im ländlichen Raum – könnten dem Westen noch bevorstehen. Der Austausch müsse in beide Richtungen gehen.

Ihr Rat an junge Kolleginnen und Kollegen: „Versteckt eure Herkunft nicht – aber macht sie auch nicht zum Alleinstellungsmerkmal.“ Die Zeit des Versteckens sei vorbei. Und auch wenn sich ostdeutsche Journalisten bis heute in den Chefredaktionen rar machen: Es tut sich etwas.

Der Dialog über Ostdeutschland im Journalismus hat begonnen – aber er ist noch lange nicht abgeschlossen.

Ein Gigant erhebt sich: Die Disney Adventure verlässt Wismarer Werft

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Nach Jahren des Stillstands wird eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt fertiggestellt – ein technisches und symbolisches Ereignis für die Region.

Wismar/MV. Noch steht sie verborgen in der riesigen Werfthalle – eingerüstet, abgeschottet, streng bewacht. Doch wenn alles nach Plan läuft, wird sich am 19. April 2025 die Hallentür der MV Werften in Wismar öffnen und ein Schiff von beeindruckenden Ausmaßen und bewegter Geschichte ans Tageslicht treten: die „Disney Adventure“.

Ein Kreuzfahrtschiff als Politikum
Ursprünglich von der Genting Group, einem südostasiatischen Tourismuskonzern, in Auftrag gegeben, sollte das Schiff einst das Flaggschiff einer neuen Serie von Luxuslinern werden – gefertigt an den Standorten Rostock, Stralsund und Wismar. 2019 wurde das Projekt mit Stolz der Öffentlichkeit präsentiert. Beim Tag der offenen Tür strömten Tausende Neugierige in die Werfthallen. Besonders eindrucksvoll: die Verschleppung des 219 Meter langen Mittelschiffs von Rostock nach Wismar – eine technische Meisterleistung, die weltweit Beachtung fand.

Doch dann kam die Pandemie – und mit ihr das wirtschaftliche Aus. Genting meldete Insolvenz an, das Schiff lag plötzlich brach. Zurück blieb ein fast fertiger Koloss aus Stahl, dessen Zukunft ungewiss war.

Disney übernimmt – und schließt die Hallen
In einem stillen Deal übernahm schließlich der Disney-Konzern das Projekt. Gerüchten zufolge zu einem Bruchteil der ursprünglichen Baukosten. Es war eine überraschende Wende – vom asiatischen Freizeitgiganten zum amerikanischen Familienunterhaltungskonzern. Doch Disney brachte nicht nur Geld, sondern auch einen rigorosen Kommunikationsstil mit. Bilder aus dem Inneren der Werft? Verboten. Interviews mit den Mitarbeitenden? Undenkbar. Seither wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitergebaut – von einem Spezialteam der Meyer Werft aus Papenburg.

Nur am Außenbereich der Werft ließ sich der Fortschritt erahnen: fertig montierte Rettungsboote, eingerüstete Schornsteine, Kranarbeiten am Kai.

Der große Moment
Jetzt steht die Ausbringung des Megaschiffs bevor. Offiziell bestätigt ist der Termin nicht – doch hinter vorgehaltener Hand gilt der 19. April 2025 als gesetzt. Dann soll der Kreuzfahrtriese millimetergenau aus der Halle manövriert und ans Ausrüstungskai verholt werden. Technisch aufwendig, logistisches Großprojekt – und nicht zuletzt ein hochemotionaler Moment für die Werftarbeiter und die Stadt.

Die Region ist in Aufruhr: Wismar TV, TV Schwerin und MV1 bereiten eine Live-Berichterstattung vor. Drohnenflüge, Interviews, Hintergrundgeschichten – der Auslauf der „Disney Adventure“ soll zu einem medialen Großereignis werden.

Ab Dezember auf Weltreise
Läuft alles wie geplant, wird die „Disney Adventure“ im Dezember 2025 ihren Heimathafen in Singapur anlaufen – von dort aus kreuzt sie durch Südostasien, mit Entertainment-Angeboten, Themenrestaurants und Showbühnen, die die Handschrift des Disney-Imperiums tragen.

Für die Menschen in Wismar, Rostock und Stralsund bleibt sie jedoch weit mehr als ein Kreuzfahrtschiff. Sie ist Symbol für einen Traum, der beinahe zerbrach – und für eine Region, die sich trotz Rückschlägen nicht unterkriegen lässt.

Mönchower Kirche: Ein Zeugnis mittelalterlicher Baukunst und moderner Wiederbelebung

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Mönchow auf Usedom – dieses kleine, malerische Küstendorf birgt ein architektonisches Juwel, das Geschichte und Moderne auf faszinierende Weise miteinander vereint. Die Kirche von Mönchow, mit ihren gotischen Wurzeln und einem dramatischen Wiederaufbau, erzählt von den wechselhaften Zeiten, Naturgewalten und dem unermüdlichen Willen der Menschen, ihr kulturelles Erbe zu bewahren.

Gotik trifft auf Fachwerk: Ein Blick in die Vergangenheit
Die ältesten Bestandteile des sakralen Bauwerks stammen aus dem 15. Jahrhundert und sind im spätgotischen Stil errichtet. Dieser Baustil, geprägt von spitzbogigen Fenstern und feinen Details, spiegelt den damaligen Anspruch wider, das Göttliche sichtbar zu machen. Das Kirchenschiff wurde ursprünglich als Fachwerkbau konzipiert – eine Bauweise, die in Norddeutschland seit Jahrhunderten Anwendung findet und für ihre robuste, aber zugleich elegante Konstruktion bekannt ist. Doch die Geschichte der Kirche zeigt auch, dass Vergänglichkeit ein ständiger Begleiter der Architektur ist.

Zwischen Sturm und Neubeginn
Der dramatische Einschnitt in der Geschichte des Bauwerks ereignete sich am 17. Januar 1817, als ein heftiger Sturm den ursprünglichen Turm vollständig zerstörte. Dieser Verlust symbolisierte nicht nur den physischen Schlag für die Gemeinde, sondern auch das Ringen mit den Naturgewalten, die die Küstenregion Usedom immer wieder herausforderten. Doch anstatt in Trauer zu versinken, entschied man sich für einen Neubeginn: Bereits zwischen 1827 und 1828 wurde das Fachwerkoberteil des Turms neu errichtet. Diese Phase des Wiederaufbaus zeugt von der bemerkenswerten Resilienz der lokalen Bevölkerung und ihrem unerschütterlichen Glauben an die Zukunft.

Architektonischer Dialog der Epochen
Was die Kirche in Mönchow besonders einzigartig macht, ist die architektonische Schichtung, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat. Während die gotischen Elemente aus dem 15. Jahrhundert den Grundstein legten, wurde der Fachwerkbau durch einen durchmauerten Backsteinbau umschlossen. Diese Kombination zweier unterschiedlicher Baustile – das flexible, traditionelle Fachwerk und das beständige Backsteingemäuer – spricht Bände über die pragmatische Anpassungsfähigkeit und den fortlaufenden Dialog zwischen Tradition und Innovation. Jedes Bauelement, ob alt oder neu, wird so zu einem Teil eines größeren Puzzles, das das kulturelle Selbstverständnis der Region widerspiegelt.

Ein lebendiges Monument des kulturellen Erbes
Heute steht die Mönchower Kirche nicht nur als Ort des Gebets und der Andacht, sondern auch als lebendiges Monument der regionalen Identität. Touristen und Einheimische gleichermaßen bewundern die harmonische Verbindung von mittelalterlicher Baukunst und den Spuren des Wiederaufbaus – ein Zeugnis, das weit über die rein bauliche Geschichte hinausgeht. Die Kirche erzählt von Generationen, die in den Hallen dieses ehrwürdigen Gebäudes ihre Feste, Kulte und auch ihre Trauerfeiern begangen haben. Dabei spiegelt sich der fortwährende Wandel der Zeit wider, der die Gemeinschaft stets zu neuen Wegen der Erinnerung und des Zusammenhalts geführt hat.

Die Kirche von Mönchow auf Usedom ist mehr als ein architektonisches Relikt vergangener Zeiten. Sie ist ein Symbol der Kontinuität in einer sich ständig verändernden Welt – ein Ort, an dem Geschichte, Naturgewalten und menschlicher Erfindungsgeist aufeinander treffen. Für Besucher wird sie zum Fenster in eine längst vergangene Epoche, das zugleich die Widerstandskraft und den kreativen Geist der Menschen feiert, die sie über Jahrhunderte hinweg am Leben erhalten haben.

Weltsensation im Vogtland: Original-Fluchtwagen der Olsenbande aufgetaucht

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Rodewisch/Vogtland – Es ist ein Fund, der Fans skandinavischer Filmgeschichte ins Schwärmen bringt: Der originale Fluchtwagen der legendären „Olsenbande“ ist nach jahrzehntelangem Verschwinden wieder aufgetaucht – ausgerechnet im sächsischen Vogtland. Präsentiert wurde das geschichtsträchtige Fahrzeug erstmals auf dem Bikeschmiede-Festival in Zilly im Harz, wo es als Star der Ausstellung für Begeisterung sorgte.

Der hellblaue 1959er Chevrolet Impala war in mehreren Filmen der dänischen Kultreihe im Einsatz. Jahrzehntelang galt das Fahrzeug als verschollen – bis ein Oldtimer-Liebhaber aus Rodewisch es quasi durch Zufall entdeckte, rettete und konservierte. „Ein Freund wollte ihn eigentlich haben“, erzählt Danny, der heute stolze Besitzer des Wagens ist. „Der Chevy stand komplett zugeschneit auf einem Hof in Borsdorf.“ Erst im Nachgang wurde klar: Es handelt sich um ein originales Filmauto, das einst tatsächlich bei Dreharbeiten verwendet wurde.

Was wie ein cineastischer Schatz wirkt, ist in seinem jetzigen Zustand weit entfernt von jeder Straßenzulassung: Der Motor fehlt, Getriebe und Sitze ebenso, die Heckscheibe ist zerstört. Doch gerade diese Patina ist es, die für viele Fans den Charme des Fundstücks ausmacht. „Würde man ihn restaurieren, wäre das wie Geschichtsfälschung“, meint Danny. „Das Auto erzählt seine Geschichte durch jede Beule.“

Ein ganz besonderer Moment: Auf der Motorhaube prangt die Unterschrift von Jes Holtsø, dem letzten noch lebenden Schauspieler des Olsenbande-Trios, der einst den „Børge“ spielte. Bei einem Konzert auf der Schlossinsel in Rodewisch signierte er das Fahrzeug persönlich – ein weiterer Beweis für die Echtheit des Fundes.

Wie der Wagen überhaupt ins Vogtland kam, liest sich wie ein Drehbuch der Olsenbande selbst. Das Fahrzeug wurde einst von einem ehemaligen Mitarbeiter einer Filmfirma vor dem Schrott gerettet, dann Jahre später privat weiterverkauft – ohne das Wissen um seine eigentliche Bedeutung. Erst bei der Suche nach Ersatzteilen kam durch Zufall die Geschichte ans Licht.

Die mediale Resonanz war entsprechend groß. „Das war wirklich eine Weltsensation“, sagt Veranstalter Andreas von der Harzer Bikeschmiede. „So ein Highlight in unserer Sammlung zu haben, ist für uns als Fans der Serie ein echtes Geschenk.“

Noch ist unklar, wo der Chevrolet dauerhaft untergebracht wird. Im Raum stehen Optionen wie eine Kneipe, ein Museum oder ein Schaufenster. Klar ist: Der Fluchtwagen der Olsenbande hat seinen Platz in der Filmgeschichte – und im Herzen vieler Fans.

Mächtig gewaltig, Egon – dieser Fund schreibt seine ganz eigene Fortsetzung.

Erinnern, Gedenken, Mahnen – Jena als Ort des Dialogs und der Geschichte

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Jena. Die Worte „Erinnern, gedenken, mahnen und wachsam bleiben“ bildeten den Auftakt zu einer bewegten Woche in Jena, in der Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche persönlich über die Ereignisse sprach. In seiner Ansprache hob er hervor, wie die Stadt als Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft agiert – sei es bei der Delegiertenversammlung des Rates der Gemeinden und Regionen Europas, beim überarbeiteten Stadtprogramm oder am Gedenktag des 80. Jahrestages der Befreiung Buchenwalds.

Europäische Dimension: Kommunale Perspektiven als Motor für ein geeintes Europa
Im Rahmen der Delegiertenversammlung, die nur alle drei Jahre stattfindet und anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas gefeiert wurde, wurden Bürgermeisterinnen, Bürgermeister sowie Landräte und Landräte aus ganz Deutschland in Jena begrüßt. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche betonte in seiner Ansprache, wie wichtig der kommunale Dialog sei, um über Städtepartnerschaften und neue Wege der Zusammenarbeit in Europa zu sprechen. „Wir stehen in einer Epoche geopolitischer Verschiebungen, und gerade von unserer kommunalen Ebene muss Europa aus einer starken, geeinten Stimme sprechen“, sagte er und stellte den internationalen Austausch in den Mittelpunkt seines Engagements.

Lokale Impulse: Ein neues Stadtprogramm gegen gesellschaftliche Spaltung
Parallel zur europäischen Veranstaltung fand in Jena auch der Runde Tisch für Demokratie statt. Hier wurden unter Beteiligung zahlreicher zivilgesellschaftlicher Akteur*innen die Grundlagen für ein überarbeitetes Stadtprogramm gelegt – ein Programm, das über den bisherigen Fokus auf Rechtsextremismus hinaus neue Schwerpunkte setzt. Neben dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus sollen künftig auch Themen wie queeres Leben, Ableismus und eine verstärkte Jugendbeteiligung in den Mittelpunkt rücken. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche unterstrich, dass diese Entwicklung Ausdruck des fortwährenden Engagements der Stadt für eine demokratische und inklusive Gesellschaft sei. „Wir müssen die Stimmen junger Menschen und aller gesellschaftlichen Gruppen hören und gemeinsam die Weichen für die Zukunft stellen“, betonte er und verwies auf den Mehrwert einer breiteren demokratischen Legitimation, die ein Beschluss des Stadtrates mit sich bringt.

Historisches Gedenken: Die Befreiung von Buchenwald und die Erinnerung an Robert Büchler
Besonders eindrucksvoll zeigte sich Jena auch als Ort des Gedenkens. Im Zeichen des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald und des Mittelbau-Dora wurde in Weimar ein zentraler Gedenkakt abgehalten, bei dem Alt-Bundespräsident Christian Wulf und andere prominente Redner mahnen und an die geschehene Geschichte erinnern. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche erinnerte daran, dass am 11. April nicht nur die Befreiung, sondern auch der grausame Todesmarsch in die kollektive Erinnerung der Stadt einging. „Es ist unsere Pflicht, die Erinnerung wachzuhalten. Nur so verhindern wir, dass sich die dunkelsten Kapitel der Geschichte wiederholen“, so Nitzsche in einem Appell an alle Bürger*innen.

Ein besonders berührender Moment stellte die Benennung einer neuen Straße zu Ehren von Robert Büchler dar – einem Überlebenden des Todesmarsches, der sich auch nach dem Krieg der Versöhnung und dem Dialog verschrieb. Büchlers Zeugnis, das insbesondere an junge Menschen weitergegeben werden soll, steht als Mahnmal für die Verantwortung, aus der Vergangenheit zu lernen und sich aktiv gegen jede Form von Menschenverachtung einzusetzen.

Ein Appell zum Handeln und Erinnern
Jena hat in dieser Woche eindrucksvoll gezeigt, wie eng sich europäische Integration, kommunale Verantwortung und das historisch-politische Gedenken miteinander verweben lassen. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche fasste es prägnant zusammen: „Indem wir erinnern, gedenken, mahnen und wachsam bleiben, schaffen wir die Grundlagen für eine Gesellschaft, die aus der Vergangenheit lernt und sich mutig den Herausforderungen der Zukunft stellt.“

Die Ereignisse und Initiativen in Jena stehen exemplarisch für eine Stadt, die sich nicht nur ihrer Verantwortung in der lokalen und europäischen Politik bewusst ist, sondern auch den Blick fest nach vorne richtet – ohne die Mahnungen der Geschichte zu vergessen.

Renaissance oder Ruine? Die ungewisse Zukunft des ICC Berlin

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Berlin. Mit seinen 313 Metern Länge, der silbernen Hülle aus Aluminium und dem monumentalen Erscheinungsbild wirkt das Internationale Congress Centrum (ICC) Berlin wie ein Raumschiff, das in der City West notgelandet ist – ein Relikt aus einer Zukunft, die einmal sehr gegenwärtig war. Seit seiner Schließung im Jahr 2014 steht das einst größte Kongresszentrum Europas leer. Was bleibt, ist ein Denkmal der Nachkriegsmoderne – und eine offene Frage: Was tun mit diesem Giganten?

Ein Bauwerk als Visionsträger
Als West-Berlin in den 1970er Jahren um internationale Sichtbarkeit rang, setzte die Stadt auf ein mutiges Signal. Das ICC, entworfen vom Architektenpaar Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, war kein Zweckbau, sondern ein Manifest: für technischen Fortschritt, wirtschaftlichen Optimismus und städtebauliche Zukunftsgewandtheit. Der Bau verschlang fast eine Milliarde D-Mark – eine Summe, die schon damals zu heftigen politischen Kontroversen führte.

Trotz aller Kritik wurde das ICC schnell zur Ikone. Mit über 80 Sälen und Platz für 20.000 Besucherinnen und Besucher war es ein Magnet für Kongresse, Messen und Kulturveranstaltungen. Bundespräsident Walter Scheel sprach bei der Eröffnung 1979 mit Stolz – und einer Prise Ironie: Der gute alte Funkturm sehe gegen das neue Kongresszentrum aus „wie eine mittlere Hausantenne“.

Zwischen Denkmal und Sanierungsfall
Doch mit den Jahren verblasste der Glanz. Neue Veranstaltungsstätten wie der CityCube machten dem ICC Konkurrenz. Der bauliche und technische Zustand verschlechterte sich, die Betriebskosten stiegen. Seit 2014 ist das Gebäude geschlossen, ein Sanierungskonzept gibt es bis heute nicht – wohl aber eine Denkmalschutzplakette. Seit 2019 steht das ICC offiziell unter Schutz, was seine Modernisierung nicht gerade einfacher macht.

„Das ICC ist ein Zeitzeugnis, das wir nicht verlieren dürfen“, sagt die Architektin und Mitplanerin Ursulina Schüler-Witte. Für sie ist klar: Das Gebäude muss wieder genutzt werden – idealerweise als Kongresszentrum mit zeitgemäßer Infrastruktur. Andere Stimmen fordern eine Umwidmung: etwa zu einem Technologie-Campus, einem multifunktionalen Veranstaltungsort oder gar zu einem Ort für Kunst und soziale Innovation.

Hohe Kosten, viele Ideen
Einigkeit herrscht einzig über die Hürden. Der Sanierungsbedarf ist enorm – erste Schätzungen sprechen von mehreren hundert Millionen Euro. Ein politisches Kraftprojekt, das bisher niemand wirklich anpacken wollte. Die Berliner Landesregierung steht unter Druck: Einerseits wächst der Ruf nach nachhaltiger Stadtnutzung, andererseits mahnt die Finanzlage zur Vorsicht. Kulturverwaltung, Stadtentwicklung und Messe Berlin verhandeln seit Jahren – ohne Ergebnis.

Dabei birgt das ICC auch heute enormes Potenzial. Seine Größe, seine flexible Raumstruktur und nicht zuletzt seine Symbolkraft machen es zu einem einzigartigen Ort in einer Stadt, die sich ständig neu erfindet. Doch ohne politisches Commitment und ein tragfähiges Konzept droht der Verfall – oder ein Abriss durch die Hintertür.

Was wird aus dem Raumschiff Berlin?
Die Geschichte des ICC ist die Geschichte einer Stadt im Übergang: von der geteilten Metropole zur Hauptstadt, von der Technikgläubigkeit der Siebziger zum Nachhaltigkeitsideal des 21. Jahrhunderts. In dieser Geschichte ist das ICC ein Kapitel, das noch nicht zu Ende geschrieben ist.

Ob es als Veranstaltungsort wiedereröffnet, als Zukunftslabor umgebaut oder als Denkmal konserviert wird – die Entscheidung über seine Zukunft ist zugleich eine Entscheidung über den Umgang mit der Vergangenheit. Und über den Mut, auch heute wieder große architektonische Ideen zuzulassen.

Siemensbahn: Ein Jahrhundertprojekt für Berlin-Spandau

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Nach Jahrzehnten des Stillstands soll die Siemensbahn endlich wieder zum Leben erweckt werden. Im Jahr 2029, genau 100 Jahre nach der Eröffnung der ursprünglichen Strecke, plant die Deutsche Bahn mit der Reaktivierung eines wichtigen Verkehrskorridors in Spandau, der sowohl die regionale Mobilität verbessern als auch neue Impulse für den Stadtteil setzen soll.

Historische Wurzeln treffen auf moderne Stadtentwicklung
Die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn markiert nicht nur einen technischen Neubeginn, sondern auch einen symbolischen Wendepunkt: Was einst im Jahr 1929 als innovativer Vorstoß in den Berliner Nahverkehr gestartet wurde, kehrt nun nach langem Stillstand zurück. Der aktuelle Projektleiter Thomas Rüffer, der das Revitalisierungsprojekt betreut, weist auf den historischen Kontext hin: „1929 fuhr hier der erste Zug – 100 Jahre später werden wir diesen Meilenstein wieder erleben.“ Die Streckenausbaupläne basieren auf einer noch immer als Gleisanlage ausgewiesenen Infrastruktur, was den baulichen Neubeginn erleichtert.

Infrastruktur als Lebensader in einem wachsenden Bezirk
Spandau kämpft seit Jahren mit einem stark belasteten Verkehrsnetz. Die anstehende Wiederbelebung der Siemensbahn ist daher nicht nur eine technische Maßnahme, sondern ein entscheidender Schritt zur Entlastung des regionalen Verkehrs. Geplant sind drei Verkehrsstationen entlang des neuen Streckenverlaufs: am Wernerwerk, in Siemensstadt und am Gartenfeld. Insbesondere Siemensstadt spielt eine Schlüsselrolle, denn hier entsteht mit dem Konzept Siemensstadt Square ein urbaner Knotenpunkt, der Arbeitskräfte und Bewohner gleichermaßen anziehen soll. Die Anbindung dieser neu entstehenden Quartiere an das S-Bahn-Netz verspricht eine deutliche Verbesserung der Verkehrssituation.

Technische Herausforderungen und denkmalgerechte Sanierung
Das Projekt steht nicht nur im Zeichen der Wiederinbetriebnahme, sondern auch im Spannungsfeld zwischen moderner Infrastrukturentwicklung und historischer Bausubstanz. Ein Beispiel hierfür ist der denkmalgeschützte Viadukt, der das Gleis in Teilen überspannt. „Wir untersuchen derzeit mit einem Restaurator die ursprüngliche Farbgebung der Stahlstützen“, erklärt Rüffer und betont, dass der charakteristische Blauton erhalten bleiben soll. Dies zeugt von einem intensiven Bemühen, historische Werte zu wahren und gleichzeitig den Ansprüchen an moderne Technik und Barrierefreiheit gerecht zu werden. So sind an allen Stationen Aufzüge geplant, um den Zugang auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zu gewährleisten – eine Herausforderung, die im Bestand oft komplizierte Lösungen erfordert.

Zukunftsperspektiven: Von Spandau nach Hakenfelde
Über den Wiederstart der Siemensbahn hinaus denken die Verantwortlichen bereits über Anschlusslösungen hinaus. Geplant ist eine mögliche Streckenerweiterung über den Bahnhof Gartenfeld hinaus in Richtung Hakenfelde. Aufgrund einer vorliegenden Machbarkeitsstudie favorisiert man hierbei eine unterirdische Variante, die den Eingriff in das Stadtbild minimieren und zugleich die Lärmbelastung für Anwohner reduzieren soll.

Ein Signal für nachhaltige Stadtentwicklung
Die Reaktivierung der Siemensbahn ist weit mehr als der bloße Wiederaufbau einer ehemaligen Bahnstrecke. Sie steht exemplarisch für einen interdisziplinären Ansatz, der Stadtentwicklung, Verkehrsplanung und den Schutz historischer Bausubstanz miteinander verknüpft. Durch die Kombination von Wohnungsbauprojekten im Spandauer Norden und der gezielten Verbesserung der Infrastruktur entsteht ein modernes Verkehrsnetz, das nicht nur den öffentlichen Nahverkehr stärkt, sondern auch die urbane Lebensqualität nachhaltig erhöht.

Während der Baubeginn rasch voranschreitet und die Vorfreude in Spandau wächst, bleibt abzuwarten, wie sich das Projekt in den kommenden Jahren entwickeln wird. Eines ist jedoch sicher: Mit der Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn setzt Spandau ein starkes Zeichen für zukunftsorientierte Mobilität und kulturhistorische Identität – ein Jahrhundertprojekt, das Geschichte schreibt und zugleich den Weg in eine vernetzte Zukunft ebnet.

Gotha – Wo Geschichte und Kultur aufeinandertreffen

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Gotha/Thüringen. Im Herzen Thüringens liegt eine Stadt, in der Geschichte nicht nur gelebt, sondern auch bewahrt wird. Gotha, mit seinem imposanten Schloss Friedenstein, bietet Besuchern und Einheimischen gleichermaßen einen faszinierenden Einblick in Jahrhunderte europäischer Kultur und Geschichte. Der Friedenstein, der unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg unter Ernst I. – dem Frommen – errichtet wurde, bildet das symbolträchtige Zentrum eines weitreichenden kulturellen Erbes.

Ein Schloss als Keimzelle des Friedens
Ernst I., der als „der Fromme“ bekannt wurde, setzte mit der Gründung des Schlosses Friedenstein ein deutliches Zeichen: Frieden und Wohlstand sollten die Grundlagen seines neu geschaffenen Fürstentums sein. Heute zählt das Schloss zu den bedeutendsten Museumsstandorten Mitteldeutschlands. Von einer Kunst- und Wunderkammer, die als Hort für die Schätze vergangener Zeiten diente, entwickelte sich ein Universalmuseum mit über 1,15 Millionen Objekten – ein beispielloses Archiv der Kunst, Natur und Wissenschaft.

Kulturgeschichte und kaiserliche Verbindungen
Generation um Generation sammelten die Herzöge der Häuser Sachsen-Gotha-Altenburg und später Sachsen-Coburg und Gotha bedeutende Kunstwerke und naturhistorische Exponate. Diese umfangreiche Sammlung bildet nicht nur das Fundament eines Museums, sondern auch den Zugang zu einem reichen Erbe, das auf die europäische Geschichte weit über die Grenzen Thüringens hinausweist. Besonders hervorzuheben ist die Bibliothek mit etwa einer Million Büchern – darunter zwei, die zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählen – sowie das unverfälschte Archiv des Herzogtums.

Das Ekhof-Theater: Ein lebendiger Teil der Barocktradition
Ein weiteres Highlight in Gotha ist das Ekhof-Theater, eines der ältesten erhaltenen Barocktheater Europas. Mit seiner noch funktionierenden Bühnenmaschinerie lädt das Theater dazu ein, die Magie vergangener Aufführungen und den kreativen Geist der damaligen Zeit hautnah zu erleben. Es unterstreicht dabei, wie eng Theaterkunst und kulturelles Erbe miteinander verwoben sind.

Europäische Dynastien und der Blick in die Moderne
Der Einfluss Gothas reicht weit über die Landesgrenzen hinaus. Die Geschichte der Dynastie Sachsen-Gotha-Altenburg ist eng mit den europäischen Königshäusern verknüpft – ganz besonders mit Großbritannien. Die Heirat von Queen Victoria und Prinz Albert, einst Träger der Dynastie, mündete in eine neue Ära: 1917 wurde das Haus in Windsor umbenannt, was die weitreichende Bedeutung der königlichen Verbindungen unterstreicht.

Museen als Zeugen der Zeit
Die Eröffnung des Herzoglichen Museums im Jahre 1879 markiert einen Meilenstein in der musealen Tradition Gothas. Das von dem österreichischen Architekten Fritz Neumann im französischen Klassizismus entworfene Museum zählte zu den ersten seiner Art in Deutschland. Heute beherbergt es Meisterwerke der altdeutschen Malerei, darunter Werke von Lukas Cranach, internationale Kunstschätze und umfangreiche Sammlungen – von der größten Houdon-Sammlung außerhalb Frankreichs bis hin zu einer der ersten ägyptischen Sammlungen in Europa.

Ein Ort zum Erleben und Verweilen
Umgeben von eleganten Orangeriegebäuden und einem barocken Garten, eingebettet in die sanfte Landschaft am Rande des Thüringer Waldes, ist der Friedenstein weit mehr als ein historisches Bauwerk. Er ist ein lebendiger Ort, an dem sich die Spuren der Aufklärung und des Protestantismus besonders deutlich zeigen. Netzwerke großer Denker und Pioniere haben hier ihren Ausgangspunkt gefunden – Geschichten, die noch immer darauf warten, entdeckt zu werden.

Gotha präsentiert sich so als ein Schmelztiegel kultureller Errungenschaften, der Vergangenheit und Gegenwart harmonisch miteinander verknüpft. Besucher und Historiker sind gleichermaßen eingeladen, in dieser Stadt die reiche Geschichte und das lebendige kulturelle Erbe hautnah zu erleben.

Michail Gorbatschow in Ost-Berlin – Ein Besuch an der Schwelle der Geschichte

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Berlin. Im Jahr 1986 besuchte Michail Gorbatschow, der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), im Rahmen des XI. Parteitags der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) verschiedene Orte in Ostberlin. Gemeinsam mit seiner Frau Raissa Gorbatschowa und einer hochrangigen Delegation der KPdSU unternahm der sowjetische Politiker eine bedeutende Tour durch die Hauptstadt der DDR – ein Ereignis, das noch heute als symbolträchtiger Moment in der Geschichte beider Nationen in Erinnerung ist.

Ein symbolischer Empfang und der Auftakt der Reise
Die Reise begann im historischen Nikolaiviertel, einem zentralen Punkt der Berliner Altstadt, und führte direkt zum legendären Brandenburger Tor. Unter den imposanten Bögen der Straße Unter den Linden fand ein feierlicher Empfang statt, als Gorbatschow an der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin in Empfang genommen wurde. Stadtkommandant Generalleutnant Dreefs erläuterte hier nicht nur die bewegte Geschichte des Tores, sondern erinnerte auch an den heldenhaften Einsatz sowjetischer Soldaten am Ende des Zweiten Weltkrieges. Dieser Auftakt symbolisierte zugleich die enge, aber ambivalente Beziehung zwischen DDR und Sowjetunion und legte den Grundstein für eine Reise voller politischer und kultureller Begegnungen.

Tour durch Ostberlins historische und moderne Facetten
Im Zuge des Parteitags standen mehrere Stationen auf dem Programm. So besichtigten Gorbatschow und seine Delegation unter anderem die Allee der Kosmonauten, die als eindrucksvolles Zeugnis für den Fortschrittsglauben und die Errungenschaften der sozialistischen Raumfahrt galt. Anschließend setzte die Tour durch das markante Plattenbauviertel Marzahn – ein Symbol der sozialistischen Wohnungsbaupolitik und des Konzepts des „Neuen Wohnens“ in der DDR – fort. Hier ließ sich der Politiker eingehend über die urbanen Erneuerungsmaßnahmen und das Wohnkonzept informieren, das für viele in der sozialistischen Welt ein bedeutendes Vorhaben darstellte.

Doch nicht alle Stationen waren von rein offiziellen Inspektionsrouten geprägt. Bei einem weiteren Rundgang durch die Straßen von Ostberlin mischte sich Gorbatschow direkt unter die Bürgerinnen und Bürger. In diesen Momenten, die den offiziellen Programmen oft fernblieben, schüttelte er Hände, führte lebhafte Gespräche und ließ sich auch vom Alltag der Menschen berühren. Besonders charmant und symbolträchtig blieb der Moment, als ein kleiner Junge den Generalsekretär zu einer spontanen Partie Fußball einlud – ein Augenblick, der den Besuch für viele zu einem bedeutenden Erlebnis machte und den menschlichen Aspekt inmitten hoher politischer Rhetorik hervorhob.

Kultur, Geschichte und ideologische Inszenierung
Die Tour führte weiter zu kulturellen Höhepunkten, die die DDR als Ort politischer und künstlerischer Ambitionen präsentieren sollten. Ein Besuch im Schauspielhaus, das vor anderthalb Jahren feierlich wiedereröffnet worden war, demonstrierte die wachsende kulturelle Vielfalt der Hauptstadt. Hier wurden die Errungenschaften und die künstlerische Wiederbelebung der DDR eindrucksvoll in den Vordergrund gerückt.

Ein weiterer markanter Programmpunkt war der Besuch des Marx-Engels-Forums. Vor dem Denkmal der revolutionären Denker legte Gorbatschow ein Blumengebinde nieder – eine symbolische Geste, die das Selbstverständnis der DDR als Hüterin sozialistischer Ideale unterstrich. Bildhauer Ludwig Engelhardt erläuterte den Entstehungsprozess und die künstlerische Aussage der Anlage, welche die ideologische Basis der DDR auf eindrucksvolle Weise manifestierte.

Blick in die Zukunft – Berlin-Marzahn als Modell der urbanen Transformation
Die Fahrt führte anschließend in den Berliner Stadtteil Marzahn, der als Paradebeispiel für das sozialistische Wohnungsbauprogramm der DDR gilt. Mit seinem charakteristischen Plattenbaubild stand Marzahn als lebendiges Zeugnis für die städtebaulichen Visionen der damaligen Zeit. Gorbatschow nutzte diese Gelegenheit, um sich eingehend über die praktische Umsetzung des „Neuen Wohnens“ zu informieren und die Lebenswirklichkeit der Bewohner kennenzulernen. Gespräche mit Anwohnern – von der freundlichen Rentnerin Dora Radke bis zur engagierten Arbeiterin Erika Kühn – zeichnen ein Bild von einer Gemeinschaft, die trotz aller ideologischen Fassaden von Alltag und Menschlichkeit geprägt ist.

Historischer Kontext und bleibende Fragezeichen
Zum Zeitpunkt des Besuchs, nur einen Tag vor dem XI. Parteitag der SED und inmitten des 750-jährigen Jubiläums Berlins, wurde deutlich, dass dieser Rundgang weit mehr als eine rein symbolische Inszenierung war. Während Gorbatschow in der Sowjetunion bereits tiefgreifende Reformimpulse setzte – Konzepte, die unter dem Begriff Perestroika bald weltweite Wirkung entfalten sollten – hielt ein erheblicher Teil der DDR-Führung an altbewährten Strukturen fest. Diese Spannung zwischen Fortschrittsvision und traditionalistischer Verharrenheit wirft auch heute noch Fragen auf: Wie nah liegen Ideologie und praktische Realität beieinander? Und welche Lehren können aus der Wechselwirkung von Reformdrang und konservativen Strukturen gezogen werden?

Der Besuch Michail Gorbatschows in Ost-Berlin 1986 bleibt ein faszinierendes Kapitel der deutschen und sowjetischen Geschichte. Er war ein Tag, an dem offizielle Programmpunkte, kulturelle Erneuerung und spontane, menschliche Begegnungen zu einem vielschichtigen Zeugnis einer bewegten Epoche verschmolzen. Heute regt dieser Rundgang dazu an, nicht nur an die offizielle Inszenierung, sondern auch an die leisen, persönlichen Momente zu denken, die den Unterschied zwischen Politik und Alltag markieren. Während sich die Welt seither grundlegend verändert hat, bleibt der Geist jenes Tages – die Hoffnung auf Wandel und das Streben nach einer besseren Zukunft – ein bleibendes Denkmal der Geschichte.