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Wandlitz Waldsiedlung: Das verborgene Paradies der DDR-Elite

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Die Wandlitz Waldsiedlung, einst das streng abgeschirmte Wohngebiet der DDR-Regierungsspitze, ist heute größtenteils als Brandenburgklinik bekannt und für die Öffentlichkeit zugänglich. Doch wer die Anlage betritt, begibt sich auf eine Reise in eine Zeit, in der hier die mächtigsten Männer und Frauen des Staates lebten – abgeschirmt von der Mangelwirtschaft, die den Alltag der normalen Bürger prägte.

Ein Leben abseits der Realität Bis zur Wende war der Zugang zur Waldsiedlung für normale Bürger undenkbar. Hier residierten Persönlichkeiten wie Erich und Margot Honecker, Walter und Lotte Ulbricht, Gerhard Schürer, der Chef der staatlichen Plankommission, der Sicherheitschef Erich Mielke und Erich Honeckers Nachfolger Egon Krenz. Obwohl die Häuser heute saniert und teils anders aussehen als damals, zeugen Informationsschilder an einigen ehemaligen Wohnhäusern, etwa dem von Erich und Margot Honecker, von der einstigen Prominenz der Bewohner.

Die Kinder der DDR-Führung gingen zwar in Wandlitz mit bürgerlichen Kindern zur Schule, doch selbst hier gab es einen bemerkenswerten Unterschied: Ihre Brotboxen waren „anders bestückt“, und es fanden sich darin „die eine oder andere Banane oder Orange zum Vorschein“, was für Normalbürger ein seltener Luxus war.

Luxus im Mangelstaat Das markanteste Zeichen des privilegierten Lebens in der Waldsiedlung war jedoch der exklusive Einkaufsladen. Dieser war ausschließlich den Bewohnern der Siedlung vorbehalten und bot „ausschließlich nur Westprodukte“ an. Während Bananen und andere Artikel für die breite Bevölkerung „Luxusware“ und oft nur als „Bückware“ oder durch spezielle Informationen im Betrieb erhältlich waren, war in Wandlitz alles verfügbar, was anderswo rar war. Diese massive Diskrepanz zwischen dem Überfluss der Elite und der allgemeinen Mangelwirtschaft prägte die Wahrnehmung der DDR.

Erinnerungen und Einblicke Der heutige Besucher kann sich ein Bild von diesem ehemaligen „Paradies“ machen. Einige Häuser sind mit Tafeln versehen, die über die früheren Bewohner informieren, auch wenn der Ersteller eines YouTube-Videos, der kürzlich die Waldsiedlung besuchte, anmerkt, dass nicht an jedem Haus Schilder zu finden sind, sondern nur bei den „gehobenen Persönlichkeiten“.

Interessante Anekdoten aus jener Zeit bleiben in Erinnerung, wie etwa Erich Mielkes berühmter Satz aus seiner letzten Rede: „Aber ich liebe doch ich liebe doch alle Menschen, ich liebe sie doch alle“. Oder die Bemerkung über Egon Krenz, der, obwohl bereits älter, in einer Reportage noch „die kleinsten Details“ über die damalige Zeit berichten konnte.

Die Waldsiedlung in Wandlitz ist somit nicht nur ein ehemaliger Wohnort, sondern ein Symbol für die internen Widersprüche der DDR und eine faszinierende Momentaufnahme einer vergangenen Ära. Das Gelände, das einst das Herzstück der DDR-Regierung darstellte, bietet heute einen seltenen Einblick in das Leben derer, die den „Mangelstaat“ von oben lenkten.

Wie die DDR-Nationalelf 1989 die Qualifikation verpasste

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Leipzig, 9. November 1989. In der Sportschule des DDR-Fußballverbandes bereitet sich die Nationalmannschaft um Stars wie Matthias Sammer und Ulf Kirsten auf die vielleicht wichtigste Partie seit Jahren vor. Es geht um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Überraschend war das Team nach einem Heimsieg gegen den Vize-Europameister UdSSR Wochen zuvor noch im Rennen. Doch das bevorstehende entscheidende Qualifikationsspiel in Österreich stand im Schatten der Montagsdemonstrationen und des politischen Zusammenbruchs der DDR. Auch in der Sportschule lief nicht mehr alles nach Plan.

Trainer Eduard Geyer, der sich mit den ungewöhnlichen Bedingungen abfinden musste, wollte die Mannschaft auf das Spiel vorbereiten wie auf jedes andere auch. Doch statt Training wurde der Fernsehraum zum zentralen Punkt. „Rein in den Fernsehraum, da wieder geschaut“, erinnert sich Geyer. Die politischen Ereignisse waren dominant; die Spieler konzentrierten sich nicht auf Fußball, sondern auf das DDR-Fernsehen. Nie war der Fernsehraum der Sportschule interessanter als am Tag des Mauerfalls. Die wichtigsten Informationen kamen jedoch aus anderen Quellen, es gab „Horrormeldungen“ und Spieler, die verbotenerweise West-Radio hörten. Geyer beschreibt die Situation als etwas, das es „eigentlich in der Welt noch nie gab“, unnachspielbar und ohne Präzedenzfall.

Dennoch reiste die Mannschaft mit großer Zuversicht nach Linda Brunnen in der Nähe von Wien. Nur noch ein Punkt in Österreich trennte die Ost-Kicker von ihrer zweiten WM-Teilnahme nach 1974, und ein Unentschieden schien machbar. „Wir waren eigentlich sehr zuversichtlich, dass wir das Spiel gewinnen, zumindest den Punkt holen“, so Geyer. Das Team hatte eine sehr gute Mannschaft, vom Leistungspotenzial her sogar besser als die österreichische.

Zwei Tage vor dem Spiel stellten die Journalisten die Fragen, die sich Spieler und Trainer längst selbst stellten: Wie sieht die Zukunft des DDR-Fußballs aus? Welche Möglichkeiten eröffnet die offene Grenze für Sammer & Co.?. Spieler wie Matthias Sammer äußerten sich offen: „Ja klar, wenn ich irgendwann in der Bundesliga spielen kann, gehe ich dahin“.

Das Spiel in Wien wurde dank der nun geöffneten Grenze auch zum Ziel unzähliger ostdeutscher Fans. Fußballfan Gerd Zimmermann aus Dresden reihte sich mit seinem Wartburg in die Blechlawine gen Westen ein – nicht wegen Begrüßungsgeld oder Verwandtschaftsbesuch, sondern um das Länderspiel zu sehen. Im Nachhinein sei es „ohne nachzudenken“ gewesen, mit 80 Litern Sprit im Tank durch die Gegend zu fahren, aber „Wien musste sein“. Erstmals durften und konnten 5000 ostdeutsche Fans im ausverkauften Praterstadion ein Spiel der DDR-Auswahl im Westen live erleben. Sie waren beeindruckt vom Stadion und hatten patriotische Erwartungen an ein 1:1 oder 2:1.

Die Erwartungen wurden auch durch die Probleme des Gegners genährt: Österreich musste gewinnen, Trainer Josef Hickersberger stand in der Kritik, und Torjäger Toni Polster hatte seit Wochen Ladehemmung. Doch ausgerechnet Polster dämpfte nach nur zwei Minuten die großen WM-Hoffnungen der DDR-Kicker mit dem Führungstreffer.

Das Praterstadion war an diesem Abend voller Spione aus der Bundesliga. Trainer Christoph Daum vom 1. FC Köln und ein Mitarbeiter von Bayer Leverkusen, geschickt von Manager Reiner Calmund, beobachteten die DDR-Spieler. Alle wollten nur eines: Kontakt zu Sammer & Co. – am besten schon während des Spiels. Spieler mit West-TV-Erfahrung wunderten sich kaum noch. „Vielleicht geht dann irgendwann doch was Richtung Bundesliga“, dachten viele. Wolfgang Ahnert von Calmunds Mitarbeiter angesprochen: „Ich bin hier von Bayer Leverkusen von einem Calmund beauftragt mit zu gucken“.

Am Ende blieb es beim 3:0 für Österreich, das damit zur Weltmeisterschaft nach Italien fahren durfte. DDR-Trainer Eduard Geyer hadert bis heute mit dem Schicksal und den außergewöhnlichen Rahmenbedingungen des Spiels: „Aufgrund der Umstände hat man keine Chance“. Er sagte stets: „Die Mauer ist sechs, acht Wochen zu früh geöffnet worden“. Ohne diese Ablenkung wäre die volle Konzentration da gewesen, und die Qualifikation hätte erreicht werden können.

Das Nichterreichen der WM bewahrte die Fußballwelt vor einem Kuriosum, denn am selben Abend qualifizierte sich die Bundesrepublik mit einem Last-Minute-Sieg gegen Wales ebenfalls für die WM. Was wäre passiert, wenn nur wenige Wochen vor der Wiedervereinigung zwei deutsche Teams in Italien gespielt hätten?. Die DDR-Elf existierte noch bis September 1990, bestritt nur noch Freundschaftsspiele – stets ungeschlagen – und verhandelte fleißig mit den Bundesliga-Klubs.

In der Sportschule Leipzig wurde nun offen über die West-Zukunft der Stars diskutiert. Sammer, Kirsten und Thom sollten laut Calmunds Vorstellungen zu Bayer Leverkusen wechseln. Doch in Matthias Sammers Fall spielte die Politik möglicherweise eine Rolle: Er landete nicht in Leverkusen, sondern in Stuttgart. Angeblich intervenierte Bundeskanzler Helmut Kohl, um zu verhindern, dass alle Top-Spieler aus der DDR bei Bayer Leverkusen landeten.

Vom Sandmännchen erklärt: So arbeitete ein Gas-Wasser-Installateur in der DDR

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Ein faszinierender Einblick in den Alltag eines Handwerkers in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wird uns durch die Augen der kleinen Grit und authentische Arbeitsbeschreibungen gewährt. Basierend auf Aufnahmen des DDR-Abend-Fernsehens aus dem Jahr 1978 in der Sendung „Das Sandmännchen“ sowie einem Transkript des YouTube-Videos „Wie in der DDR ein Gas-Wasser-Installateur arbeitete“ erhalten wir ein lebendiges Bild des Berufs eines Gas-Wasser-Installateurs.

Die kleine Grit erklärt den Beruf ihres Vaters als Gas-Wasser-Installateur und schildert, wie er oft „defekt“ nach Hause kommt. Ihr Vati ist nicht nur ein Meister seines Faches, sondern auch Ausbilder: Er bildet in seiner Werkstatt Lehrlinge aus, die ebenfalls Gas-Wasser-Installateur werden möchten. Oft nimmt er seine Schützlinge sogar zu Reparaturarbeiten mit, um ihnen praktische Erfahrungen zu vermitteln.
Die Arbeit eines Gas-Wasser-Installateurs in der DDR war vielfältig und erforderte den Einsatz verschiedener Werkzeuge und Techniken. Zu den grundlegenden Werkzeugen, die der Vater von Grit benutzt, gehören eine Rohrzange, ein Hammer, eine Säge, ein Schraubenzieher und Gewinnemaschinen.

Ein konkretes Beispiel seiner Arbeit wird detailliert beschrieben: Wenn ein Rohr kaputt ist, schneidet der Lehrling bereits ein neues Rohr zu. Grits Vater hingegen sägt das undichte Teil heraus und beseitigt das Gewinde. Manchmal benötigt er auch eine heiße Flamme, um zum Beispiel ein Plaste-Rohr zu erwärmen und das Verbindungsstück zum Waschbecken wieder zu befestigen. Eine solche Reparatur hat einen direkten Nutzen für die Gemeinschaft: Grit und alle anderen Schülerinnen können ihren Waschraum anschließend wieder benutzen.

Über seine handwerkliche Tätigkeit hinaus wird Grits Vater auch als jemand beschrieben, der in der Schule „Geschichten erzählen von Freude und Fleiß“, Geschichten, „die noch keiner weiß“. Dies unterstreicht die Rolle des Handwerkers nicht nur als technischen Problemlöser, sondern auch als einen Menschen, der Wissen und Lebenserfahrung teilt.

Die damaligen Medien, wie „Das Sandmännchen“, spielten eine wichtige Rolle dabei, Kindern die verschiedenen Berufe näherzubringen und ein Verständnis für die Arbeitswelt zu vermitteln. Die vorliegenden Quellen geben uns einen authentischen Einblick in einen essentiellen Beruf in der DDR, der sowohl handwerkliches Geschick als auch soziale Verantwortung umfasste.

Verlust und Erwartung: Ein Rückblick auf die DDR-Führung und die Wendejahre

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In einer bemerkenswerten Buchvorstellung in Berlin präsentierte Egon Krenz, einst Staatsratsvorsitzender der DDR, seinen dritten Memoirenband mit dem Titel „Verlust und Erwartung“. Das Gespräch, moderiert von Holger Friedrich, dem Verleger der Berliner Zeitung, versprach von Anfang an mehr als ein herkömmliches Interview zu sein: Es sollte ein „Gespräch zwischen einem leidenschaftlichen Zeitungsmann und einem leidenschaftlichen Sozialisten“ werden. Diese ungewöhnliche Begegnung bot tiefe Einblicke in Krenz’ persönliche Reflexionen und die komplexen Entscheidungsprozesse am Ende der DDR.

Die persönliche Perspektive des Egon Krenz
Für Egon Krenz sind seine Memoiren, darunter die Bände „Aufbruch und Aufstieg“ und „Gestaltung und Veränderung“, vor allem seine Biografie. Er betont, dass die DDR „viele Facetten“ hatte und dass er sich entschieden hat, seine Erfahrungen nicht dem „Verludern“ zu überlassen. Krenz, 1937 in Kolberg geboren und somit ein Kriegskind, hat Hunger und die Zerstörung seiner Heimatstadt erlebt. Das zentrale Wort seines Lebens und seiner Bücher sei „Frieden“. Er erinnert an ein Treffen zwischen Erich Honecker und Helmut Kohl 1985 in Moskau, bei dem beide Seiten schworen: „Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen.“ Krenz äußert die Sorge, dass dieses Erbe heute in Gefahr sei, insbesondere angesichts der aktuellen deutschen Rüstungspolitik und der Debatten um Waffenlieferungen, die Deutschland in einen Krieg gegen Russland ziehen könnten. Er sieht darin das Gegenteil dessen, was die Bürger der DDR im Herbst 1989 einforderten, als die NVA sogar reduziert wurde.

Die Mauer und die Last der Entscheidungen
Ein zentraler, emotionaler und historisch belasteter Punkt der Diskussion war die Gewalt an der innerdeutschen Grenze. Holger Friedrich konfrontierte Krenz mit dem Tod von Chris Gueffroy im Februar 1989 und Krenz‘ Verantwortung für die Sicherheit als Politbüromitglied. Krenz bedauerte jeden Todesfall an der Grenze und erklärte, sich dafür „vor Gericht entschuldigt“ zu haben. Er beleuchtete die historischen und geopolitischen Hintergründe der Grenze, die als „Systemgrenze“, „militärische Grenze“ zwischen Warschauer Pakt und NATO sowie als „Staatsgrenze“ zwischen DDR und BRD fungierte. Er widersprach der westlichen Propaganda, dass die DDR-Führung sich über Tote gefreut hätte. Nach Gueffroys Tod sei im Politbüro festgelegt worden: „Es wird an der Grenze nicht mehr geschossen“, was auch im Urteil über ihn enthalten sei und seitdem zu keinem weiteren Todesfall führte.

Krenz räumte ein, dass die Frage der Reisefreiheit 1989 eine der Hauptfragen war und dass man sie hätte früher lösen sollen. Er erklärte die damalige Sichtweise, dass die Reisefreiheit auch eine Frage der Ökonomie war, da Reisende von Verwandten oder dem BRD-Staat abhängig wurden. Ein weiteres Problem war die Nicht-Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft durch die Bundesrepublik, was die Entscheidungen der DDR-Führung erschwerte.

Emanzipation und die Wende von 1989
Trotz der starken Abhängigkeit von der Sowjetunion gab es Momente der Emanzipation. Krenz erinnerte an Honeckers öffentlichen Widerstand gegen die Stationierung von Raketen auf deutschem Boden, was zu einer Auseinandersetzung mit der sowjetischen Führung, insbesondere mit Gorbatschow, führte. Obwohl Honecker dies ohne Gorbatschows Zustimmung tat, sieht Krenz es im Nachhinein als Fehler an.

Holger Friedrich beschrieb die offensichtliche Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Bevölkerung und der Reaktion der politischen Führung im Sommer 1989. Krenz bestätigte, dass das Politbüro – insbesondere er selbst, Siegfried Lorenz, Bernhard Felfe, Gerhard Schürer und Harry Tisch – diskutierte, dass Honecker nach 18 Jahren an der Spitze abgelöst werden müsste. Krenz‘ eigene Illusion war es, Honecker dazu zu bewegen, die notwendigen Fragen selbst zu stellen, doch dieser lehnte Reformen ab und legte Vorschläge von Krenz in den Panzerschrank.

Ein Wendepunkt war der 7. Oktober 1989, der 40. Jahrestag der DDR, an dem es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten kam. Krenz berichtete von einer Beratung am 8. Oktober mit allen Verantwortlichen für die Sicherheit der DDR, bei der er eine sechsseitige Erklärung zur politischen Lage verlas. Der letzte Satz: „Politische Probleme müssen politisch gelöst werden, es darf keine Gewalt geben“. Die Generäle, die für die Sicherheit der DDR zuständig waren, hätten daraufhin Beifall geklatscht. Krenz betonte, dass seit dem 8. Oktober keine gewaltsamen Zusammenstöße mehr zwischen Demonstranten und Staatsmacht in der DDR stattfanden. Er führte diese kollektive Bereitschaft, nicht in die Konfrontation zu gehen, auf die „humanistische Erziehung“ in der DDR-Schule zurück. Holger Friedrich lobte dies als „zivilisatorische Großtat“.

Die Zeit nach der Wende: Persönliche Bilanz und Appell zur Versöhnung
Nach seinem Rücktritt Anfang Dezember 1989 und der Machtübergabe an Hans Modrow und später Lothar de Maizière, sah sich Krenz mit Hausdurchsuchungen, Enteignungen und Gerichtsprozessen konfrontiert. Er wurde zu 6,5 Jahren Haft verurteilt und saß vier Jahre. Er kritisierte das rückwirkende Gesetz, das im wiedervereinigten Deutschland angewandt wurde, und die Zeugenaussagen im Honecker-Prozess, die seiner Meinung nach nicht die tatsächliche Situation des sowjetischen Einflusses auf das Grenzregime widerspiegelten.

Krenz beschrieb den Moment der Vereinigung der beiden deutschen Staaten als den Verlust seines Vaterlandes, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Dennoch sah er darin auch etwas Großes: die Beseitigung der Möglichkeit, dass zwei deutsche Staaten Krieg gegeneinander führen könnten. Er zeigte sich erstaunlich gelassen im Rückblick auf die ihm zugefügten Ungerechtigkeiten, was Holger Friedrich tief beeindruckte.

Holger Friedrich lenkte die Diskussion auch auf die „Ausgrenzung der ostdeutschen Eliten“ nach der Wende, die nicht ausreichend aufgearbeitet worden sei. Er sprach von tragischen Schicksalen, darunter Bilanz-Suizide von Menschen, die ihre Arbeit verloren hatten oder sozial ausgegrenzt wurden. Krenz bekräftigte, dass es an der Zeit sei, dass sich die „altbundesdeutsche Elite“ bei den Ostdeutschen entschuldigt. Sein größter Wunsch ist, dass seine Kinder, Enkel und Urenkel den Frieden erleben und „nie wieder einen Krieg haben“.

Das Gespräch zwischen Egon Krenz und Holger Friedrich bot somit nicht nur einen Einblick in die Vergangenheit, sondern auch eine Mahnung für die Gegenwart, die Mechanismen von Macht und Propaganda kritisch zu hinterfragen und die Lehren aus der deutschen Geschichte zu ziehen, um eine friedliche Zukunft zu gestalten.

Mehr als nur Sport: Warum Ost-West-Duelle politisch stets „heikel“ waren

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Deutsch-deutsche Fußball-Duelle zwischen der DDR und der Bundesrepublik waren in ihrer Zeit weit mehr als bloße Sportveranstaltungen. Fast immer ausverkauft, wie das Spiel zwischen Dynamo Dresden und Hertha BSC, stellten sie für die DDR einen internationalen Vergleich dar, der politisch stets heikel war. Die Bezeichnung als „Freundschaftsspiel“ oder „deutsch-deutsche Spiele“ wurde von der DDR strikt vermieden; stattdessen sprach man von „Internationalen Spielen“, um den Anspruch als eigenständiger zweiter deutscher Staat zu unterstreichen.

Reise in eine andere Welt und strenge Kontrolle
Für die Bundesligisten glichen diese Reisen, wie jene von Hannover 96 nach Erfurt, einer Fahrt in eine „andere Welt“, wo die Profis den „real existierenden Sozialismus“ erlebten. Organisiert wurden die Spiele von den beiden Sportverbänden, nachdem die Bundesrepublik 1962, nach dem Mauerbau, den Sportverkehr abgebrochen hatte. Ein „Sportprotokoll“ ermöglichte später die Wiederaufnahme des Austauschs in allen Sportarten. Während die Bundesrepublik aus humanitären Gründen mehr Begegnungen wünschte, bevorzugte die DDR eine straffe Kontrolle über das Prozedere und eine geringere Anzahl an Spielen.

Die Spieler aus dem Westen erhielten vor den Partien genaue Anweisungen. Olaf Thon, junger Star beim FC Schalke 04, erinnert sich, dass der Manager ihnen einschärfte, sich „zu benehmen“ und „nicht auffällig“ zu sein. Selbst die Anreise war von ungewöhnlichen Prozeduren geprägt, wie Untersuchungen durch Personen, die mit Spiegeln unter den Bus schauten.

Die Bedeutung für den Osten und unerlaubte Hilfen
Für DDR-Mannschaften wie Hansa Rostock, die in den 80er Jahren im Schatten von Dresden, Jena oder dem Stasi-Club BFC standen, waren diese Spiele von immenser Bedeutung. Ein Vergleich gegen einen Bundesligisten war ein großes Ereignis. Die Stadien waren immer ausverkauft, ob in Erfurt, Rostock oder Berlin. Im Verein wurde das Spiel „extrem hoch gehängt“, mit Funktionären und Parteisekretären, die die Bedeutung des Sieges gegen den „Klassenfeind“ betonten.

Ein Vorfall rund um das Spiel Hansa Rostock gegen Schalke 04 im Jahr 1986 wirft ein Schlaglicht auf den Druck und die Methoden im DDR-Sport: Der junge Axel Kruse, damals 19 Jahre alt, erhielt kurz vor dem Anpfiff „unterstützende Mittel“ – im Grunde Doping. Kruse, der nicht wusste, dass es sich um Doping handelte, bemerkte lediglich, dass er sich an diesem kalten, regnerischen Tag trotz der Umstände blendend fühlte und ahnte, dass es „kein Magnesium“ war. Er wurde zum Matchwinner und schoss zwei Tore gegen Schalke.

Allgegenwärtige Kontrolle: Die Stasi im Spiel
Die bürokratisch organisierten deutsch-deutschen Partien waren in der DDR beliebt, doch die Karten wurden vor allem an linientreue SED-Kader oder in Betrieben verteilt. Trotzdem waren DDR-Fans oft zweigeteilt, da viele auch Fans eines Bundesligisten waren. Der protokollarische Ablauf war penibel geplant und monatelang vorbereitet.

Die Staatssicherheit war bei diesen Spielen allgegenwärtig. Es gab einen „immensen Vorlauf“ an Überwachung und Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit, das Spieler, Trainer und das gesamte Umfeld frühzeitig ins Visier nahm. Informelle Mitarbeiter (IM) waren rund um das Schalke-Spiel in Rostock im Einsatz und überwachten nicht nur Hansa, sondern auch die Schalker Profis. Olaf Thon bemerkte, wie ihm Personen, die er im Hotel gesehen hatte, später auch in der Kneipe begegneten – ein Zeichen der Überwachung.

Selbst nach den Duellen wurde nichts dem Zufall überlassen. Direkter Austausch war nicht vorgesehen. Bei Banketten sollte es möglichst „frei von Politik“ sein, aber auch „nicht zu viel Verbrüderung“ zwischen den Mannschaften stattfinden. Dies nahm „groteske Formen“ an, so dass vorgeschrieben wurde, dass die Mannschaften an verschiedenen Seiten des Tisches saßen.

Der Fall Axel Kruse: Ein Scherz mit weitreichenden Folgen
Axel Kruse wurde nach seinen Toren gegen Schalke in der DDR-Presse gefeiert. Doch ein harmloser Scherz des damaligen Schalke-Präsidenten Fenne, der in Anspielung auf Kruses Namensvetter Thomas Kruse (Verteidiger bei Schalke) scherzte: „Klar, Stürmer sind immer mehr gefragt als Abwehrspieler“, alarmierte die Staatssicherheit.

Für die DDR war es unvorstellbar, dass ein Leistungsträger wie Axel Kruse in den Westen wechseln könnte. Kruses eigener Kommentar, dass man bei solch einem Spruch wusste, dass „die das nicht lustig finden“ und es „Ärger geben“ würde, bewahrheitete sich. Kurz darauf eröffnete die Stasi eine Operative Personenkontrolle (OPK) gegen ihn. Die Angst davor, dass der Stürmer sich absetzen könnte, war zu groß, und er verlor seinen Reisestatus. Axel Kruse durfte beim Rückspiel 1987 auf Schalke nicht mehr ausreisen und war nicht dabei. Der Präsident drängte ihn sogar, seine Eltern zu besuchen, um Gerüchte über seine Abwesenheit in Gelsenkirchen zu vermeiden.

Diese Ausbootung hatte weitreichende Konsequenzen für Kruse. Er hatte zuvor nie den Gedanken gehabt zu fliehen, doch die Erfahrungen „drängten“ ihn schließlich dazu. Zwei Jahre später, vor einem Intertoto-Spiel in Kopenhagen, floh er aus dem Mannschaftshotel. Im Osten wurde er per Haftbefehl gesucht, während er im Westen bei Hertha BSC eine erfolgreiche Karriere als Bundesligaspieler begann.

Die deutsch-deutschen Fußballbegegnungen waren somit nicht nur sportliche Wettkämpfe, sondern tiefgreifende politische Inszenierungen, in denen der Kalte Krieg und die deutsche Teilung auf dem Spielfeld und abseits davon sichtbar wurden.

Die Einschulung in der DDR war ein Fest der Rituale und Werte

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Für Kinder in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war der erste Schultag weit mehr als nur der Beginn des Lernens – er war ein tiefgreifendes gesellschaftliches Ereignis, ein festlicher Übergang in einen neuen Lebensabschnitt, geprägt von Stolz, Ritualen und einer klaren ideologischen Ausrichtung. Von der Zuckertüte bis zur Pionieruniform war die Einschulung ein sorgfältig inszeniertes Puzzle aus Bildung, Erziehung und Weltanschauung.

Der Zuckertütenbaum und das Abschiedsfest im Kindergarten
Schon Wochen vor dem eigentlichen Schulstart begann die Vorfreude. Im Kindergarten wurde das „Zuckertütenfest“ zelebriert, ein liebevoller Übergang vom Spielen zum Ernst des Lebens. Die Kinder bastelten, probten Lieder und Theaterstücke und lauschten den Erzählungen ihrer Erzieherinnen vom mystischen Zuckertütenbaum, an dem die süßen Tüten reifen sollten. Am Festtag selbst versammelten sich Familien, um die Darbietungen der Vorschulkinder zu sehen, bevor die Erzieherinnen sie zu einem mit kleinen, bunten Zuckertüten geschmückten Baum führten. Die Augen der Kinder leuchteten, als sie ihre ersten, meist noch kleinen, Zuckertüten pflückten – gefüllt mit Süßigkeiten und kleinen Überraschungen. Dieser Vorgeschmack auf das Kommende sollte den Abschied vom Kindergarten versüßen.

Der große Tag: Ein gesellschaftliches Ereignis
Der eigentliche Einschulungstag fiel traditionell auf den Samstag vor dem offiziellen Schulbeginn, um den Familien die gemeinsame Feier zu ermöglichen. Früh am Morgen, oft noch im warmen Spätsommer, klackerten frisch geputzte Schuhe auf dem Schulhof der Polytechnischen Oberschule (POS), die Kinder, oft noch kleiner als ihre prall gefüllten Zuckertüten, an der Hand ihrer Eltern, Großeltern und Geschwister.
Die POS war für den Anlass festlich geschmückt. In der Turnhalle versammelten sich die neuen Schulkinder in der ersten Reihe auf harten Bänken, dahinter die Familien. Die Feier begann mit einer Begrüßung durch den Schulleiter oder die Schulleiterin, gefolgt von Auftritten älterer Schüler mit Liedern, Gedichten und kleinen Theaterstücken, die den Neulingen Mut machen und sie willkommen heißen sollten.

Anschließend wurden die Kinder klassenweise ihren neuen Lehrerinnen und Lehrern vorgestellt und betraten zum ersten Mal ihren Klassenraum, wo sie auch ihre neuen Mitschüler kennenlernten.

Nach dem offiziellen Teil setzte sich die Feier oft privat fort, sei es zu Hause bei Oma und Opa oder in einem Restaurant. Dann kam der Moment, auf den die Kinder wochenlang hingefiebert hatten: Die Zuckertüte wurde endlich geöffnet. Jede Tüte war ein streng gehütetes Geheimnis und ihr Inhalt einzigartig – gefüllt mit Süßigkeiten, Brausepulver, einem kleinen Spielzeug und mit etwas Glück sogar einem Büchlein mit Abenteuern von Pity Platsch oder Moosmutzel. Die Zuckertüte war dabei mehr als nur ein Geschenk; sie symbolisierte den Übergang in eine neue Welt von Schule, Struktur und Verantwortung. Diese Tradition wird in vielen ostdeutschen Regionen bis heute gepflegt und unterstreicht den hohen Stellenwert von Bildung und Gemeinschaft.

Der erste richtige Schultag: Bildung im Geiste des Sozialismus
Am ersten offiziellen Schultag, der direkt in der POS stattfand – eine separate Grundschule gab es nicht, die POS begleitete die Schüler von Klasse 1 bis 10 – wurde schnell deutlich: Schule war in der DDR nicht nur ein Ort des Wissenserwerbs, sondern auch ein Mittel zur Erziehung im Geiste des Sozialismus. Schon beim Empfang wurden Worte über Fleiß, Disziplin und Kameradschaft vermittelt.

Die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer stand bereit, oft eine Bezugsperson, die die Kinder über viele Jahre begleitete, fast wie eine zweite Familie. Beim Betreten des Klassenzimmers, einem Zeichen des Respekts vor der Lehrerfigur, erhoben sich alle Kinder. Am ersten Tag standen das Kennenlernen, das Besprechen von Regeln und das Üben des richtigen Meldens im Vordergrund. Jedes Kind erhielt eine neue Mappe aus Kunstleder, gefüllt mit linierten Heften, Füller, Holzlineal und Löschpapier.

Lehrer waren in der DDR nicht nur Wissensvermittler, sondern Erzieher, Vorbilder und oft auch Repräsentanten des Staates. Sie waren meist streng, aber auch herzlich, überzeugt von ihrer Aufgabe, die Kinder „stark zu machen für das Leben, für die Gemeinschaft und im Sinne der sozialistischen Gesellschaft“. Obwohl der Schulalltag stark strukturiert und ritualisiert war – mit Stundenplan, Pausenzeiten und Fahnenappellen – gab es neben dem Ideologischen auch viel Menschliches. Lehrkräfte wie „Frau Mertens“ schüttelten jedem Kind die Hand und „Herr Berger“ zeigte nicht nur, wie man den Füller hält, sondern auch, dass man sich nicht über Schwächere lustig macht. Sie lebten Werte vor, die oft über Parteivorgaben hinausgingen und echten pädagogischen Wert hatten. Das Klassenzimmer war trotz aller Struktur auch ein Raum für Flüstern, Lachen und neugierige Fragen.

Der nächste Schritt: Aufnahme in die Pionierorganisation
Kaum war der erste Schultag vorbei, folgte oft schon der nächste wichtige Schritt: die Aufnahme in die Pionierorganisation. In der ersten Klasse wurden die Kinder zu Jungpionieren. Das feierliche Umlegen des blauen Halstuchs war für viele ein Moment des Kribbelns im Bauch und des Stolzes. Bei Schulfesten oder Appellen standen sie gemeinsam und sagten im Chor: „Ich will ein guter Jungpionier sein – lernen, arbeiten und helfen wie unsere Vorbilder“. Später, als Thälmannpioniere, tauschten sie das blaue gegen ein rotes Halstuch – ein kleiner Übergangsritus, der sie ein Stück erwachsener wirken ließ. Diese Mitgliedschaft wurde oft als Gefühl der Zugehörigkeit wahrgenommen, auch wenn die Politik immer präsent war.

Eine bleibende Erinnerung
Wer heute ehemalige DDR-Bürger nach ihrem ersten Schultag fragt, sieht oft ein Lächeln und einen weichen Blick. Erinnerungen an die schwere Zuckertüte, die Mama oder Papa tragen mussten, an stolze Gefühle, Zahnlücken und Tränen in den Augen der Eltern bleiben lebendig. Es war ein Tag zwischen Veränderung und Neugier, Aufregung und Erwartung, der Kopf, Herz und Leben in Bewegung setzte. Die Schule in der DDR verknüpfte Bildung, Erziehung und Weltanschauung eng miteinander, aber sie nahm diese Aufgabe auch sehr ernst. Rückblickend entdecken viele nicht nur Indoktrination, sondern auch Struktur, Gemeinschaft, kindliche Neugier und einen Zusammenhalt, der heute oft vermisst wird.

Die Geschichte der Einschulung in der DDR zeigt, wie kraftvoll Rituale sein können, wie Symbole prägen und wie wertvoll es ist, wenn ein neuer Lebensabschnitt mit Würde beginnt. Der erste Schultag ist für viele eine lebenslange Erinnerung.

Urlaub in der DDR – Eine Reise durch die Sehnsuchtsorte im eigenen Land

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Wer denkt, Urlaub in der DDR sei langweilig gewesen, der irrt gewaltig. Viele Bürger der Deutschen Demokratischen Republik warteten nicht selten bis zu zehn Jahre auf einen begehrten Ferienplatz und schwärmen noch heute von ihren Erlebnissen. Fernab von Massentourismus und westlichem Luxus prägten Gemeinschaftssinn, Naturverbundenheit und oft eine Prise Abenteuer die Urlaubslandschaft der DDR. Das Angebot war begrenzt, die Nachfrage riesig, doch die Erinnerungen sind unvergesslich.

Die Ostsee: Sehnsuchtsort und Privileg Für viele DDR-Bürger war die Ostsee das ultimative Urlaubsziel. Das Meer, die salzige Luft und das Rufen der Möwen symbolisierten Freiheit im Rahmen des Möglichen. Wer einen Ferienplatz über den FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) zugewiesen bekam, konnte sich glücklich schätzen, denn die Verteilung erfolgte fair, aber selten spontan. Besonders begehrt waren Orte wie Rügen und Usedom.

Rügen, die größte Insel Deutschlands, faszinierte mit schroffen Kreidefelsen wie dem Königsstuhl, stillen Buchten und mondänen Seebrücken wie der in Sellin. Usedom hingegen wirkte mit ihren sogenannten Kaiserbädern wie Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin fast noch eleganter und erinnerte mit ihrer verspielten Bäderarchitektur eher an westliche Kurorte. Kühlungsborn war ein weiteres Highlight, bekannt nicht nur für seinen Strand, sondern auch für die nostalgische Schmalspurbahn „Molly“. Eine Besonderheit an der Ostsee war die allgegenwärtige FKK-Kultur, die in der DDR nicht nur toleriert, sondern als Normalität empfunden wurde, besonders an abgelegenen Strandabschnitten wie auf dem Darß oder bei Prerow.

Grün, Still und Zeitlos: Die Bergregionen Wer nicht ans Meer konnte oder die Berge bevorzugte, landete oft im Thüringer Wald. Diese Region war vor allem grün, still und irgendwie zeitlos, geprägt von Fichtenluft, rauschenden Bächen und Wanderpfaden. Der Rennsteig, ein rund 170 km langer Wanderweg, war ein Klassiker unter den DDR-Wanderern. Oberhof, bekannt als das „St. Moritz des Ostens“, war das Zentrum für Wintersport und Hochleistungstraining. Doch auch im Sommer boten die kühlen, sattgrünen Wälder und klaren Luft ihren Reiz, mit Ferienlagern und Betriebsheimen versteckt in Tälern.

Besonders märchenhaft wurde es im Winter im Erzgebirge. Hier verdichteten sich Geschichte, Tradition und Heimat zu einer eigenen Welt, duftend nach Holz, Räucherkerzen und Plätzchen, besonders zur Weihnachtszeit, wenn sich das ganze Gebirge in ein Lichtermeer verwandelte. Orte wie Annaberg-Buchholz oder Seiffen waren bekannt für ihre Handwerkskunst. Doch das Erzgebirge war auch rau, seine Wurzeln lagen im Bergbau, und die alte Silberstraße lud zu Besuchen in Museen und Schaubergwerken ein. Oberwiesenthal war schon damals ein Magnet für Wintersportfans.

Der Harz und die Sächsische Schweiz boten eine Mischung aus Bewegung und Magie. Der Brocken, der höchste Berg der Region, hatte einen legendären Ruf, umwoben von Geschichten um Walpurgisnacht und Hexentanz. Die Anreise mit der dampfenden Harzer Schmalspurbahn war bereits ein Erlebnis. Die Sächsische Schweiz, ein bizarres Felsenlabyrinth entlang der Elbe, faszinierte mit schroffen Sandsteintürmen und tiefen Schluchten. Die Basteibrücke war ein Klassiker für DDR-Urlauber, und Klettern war hier Teil der Kultur, das schon Kinder lernten. In diesen Regionen gab es die typischen Ferienformen: staatliche Wanderheime, Betriebsunterkünfte und Ferienlager, die Gemeinschaft und Austausch förderten.

Stille Seen und Autolose Inseln Wer es ruhiger mochte, abseits des Touristentrubels, fuhr an die Mecklenburgische Seenplatte, einen Flickenteppich aus Seen und stillen Wasserarmen. Orte wie Waren (Müritz) standen für Urlaub, der nach Stillstand schmeckte – kein Lärm, kein Plan, nur Luft und Licht.

Ein besonderer Rückzugsort war Hiddensee, eine Insel, die man nur per Fähre erreichte und die autofrei war. Hier gab es keine Hupen oder Parkplatzsuche, stattdessen nur Fahrradreifen auf Muschelkalk, das Klappern von Bollerwagen und das Schnauben von Pferden, die Kutschen zogen. Die Unterkünfte waren einfach, doch Hiddensee war ein Ort für stille Gedanken, Künstler und Familien, die Muscheln sammelten und Burgen bauten – ohne Radio oder Fernsehen, nur Wind und Wellen.

Kultur und Metropole: Weimar und Berlin Wer Geist tanken wollte, fuhr nach Weimar. Die Stadt war kein klassischer Ferienort, doch Tausende von Schulklassen, FDJ-Gruppen und kulturinteressierten Familien besuchten sie jährlich, gefördert von der DDR. Hier schlenderten Besucher über Kopfsteinpflaster, vorbei an klassizistischen Fassaden, stellten sich Goethe und Schiller vor, besuchten das Goethehaus, das Schillerhaus und das Bauhausmuseum. Urlaub in Weimar bedeutete kein Abschalten, sondern ein „Aufschalten“, ein Nachdenken über Humanismus und Fortschritt.

Die Hauptstadt Berlin tickte anders – größer, ernster, lauter. Am Alexanderplatz fühlte man sich wie vor einem riesigen Spielplatz aus Stein. Der Fernsehturm thronte über allem und bot einen beeindruckenden Blick auf die Stadt. Die Museumsinsel mit dem Pergamonmuseum war Pflicht, und abends lockte der Palast der Republik mit Theater und Konzerten. Der Tierpark bot eine weitläufige grüne Oase mit Elefanten und Giraffen.

Ungezwungene Freiheit: Camping, Datsche und Ferienlager Nicht jeder kam im Sommer nach Rügen oder ins Erzgebirge. Eine Urlaubsform, die ganz ohne Losverfahren oder FDGB-Zuweisung auskam, war das Camping. Wer mit Trabbi, Zelt und Klappfix losfuhr, ließ den Alltag zurück und fand Gemeinschaft auf der Wiese zwischen Kiefern, Grillgeruch und Hilfsbereitschaft. Der Campingdienst der DDR organisierte offizielle Plätze, aber auch unzählige „wilde Ecken“ wurden geduldet.

Ein weiterer Traum vieler war die Datsche, ein kleines Wochenendhäuschen auf Pachtland, oft selbst gebaut. Hier wurde Gemüse gezogen, Wäsche getrocknet, und abends saß man beisammen, trank selbstgemachten Saft und diskutierte.

Für viele Kinder waren die Ferienlager die prägendsten Wochen des Jahres. Abseits der Eltern, betreut von jungen Gruppenleitern, gab es feste Programme aus Frühsport, Basteln, Wandern und Singen, aber auch Raum für erste Verliebtheiten und Abenteuer. Die Unterkünfte waren einfach, aber die Gemeinschaft war stets ein Erlebnis.

Diese Urlaubsformen – Camping, Datsche, Ferienlager – waren vielleicht nicht spektakulär, aber jeder konnte teilhaben und sie mitgestalten. Sie waren keine Luxusreisen, sondern Erlebnisse von Gemeinschaft, Natur und der Möglichkeit, den Alltag hinter sich zu lassen. Erinnerungen daran sind für viele bis heute unvergesslich und tief im Gedächtnis eingebrannt.

Der Autodieb, der den Grundstein für Zwickaus VW-Werk legte

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Zwickau, 1988. Ein Autowerk in Sachsen wird von einer unglaublichen Nachricht erschüttert: Ein unbescholtener Familienvater soll 25 nagelneue Autos entwendet haben. Die Rede ist von Thomas B., einem 40-jährigen Kfz-Schlosser im VEB Sachsenring, dem größten Pkw-Hersteller der DDR und der einzigen Produktionsstätte des legendären Trabant. Sein Fall ist ein einzigartiger „Trabi-Krimi“, der die Schwachstellen eines Systems offenbart und eine überraschende Wendung nimmt.

Der Meisterdieb und seine Motivation Thomas B. führte ein Doppelleben, von dem niemand in seinem Arbeitskollektiv etwas ahnte. Während er tagsüber seine Schichten von 8 Stunden im Dreischichtsystem absolvierte, die Mittagsschicht bis 22 Uhr dauerte, und 1981 sogar als „Aktivist der sozialistischen Arbeit“ ausgezeichnet wurde, plante er im Geheimen seine Coups. Seine Kollegen wurden zwar stutzig, als er großzügig Zigaretten mitbrachte oder von einem neuen Auto sprach – etwas, das für normale Werktätige aufgrund der geringen Verdienste und langen Wartezeiten unerreichbar schien. Doch niemand schöpfte ernsthaft Verdacht.

Thomas B. verdiente monatlich 1100 Mark netto, zuzüglich 250 Mark Kindergeld für seine drei Kinder, was dem Durchschnittsgehalt eines Arztes in der DDR entsprach. Doch für ihn war es nicht genug. Später gab er zu, schnell und mühelos zu Geld kommen zu wollen. Er fühlte sich von Verwandten, die ihm als Vorbild hingestellt wurden, in seinem Ehrgeiz gepackt und wollte beweisen, dass er „wirtschaften“ könne. „Über Geld spricht man nicht – das hat man“, sagte er seinen Kollegen. Für seine Frau, die „schöne Sachen“ mochte, finanzierte er mit seinen Diebstählen einen Dacia 1310, einen Wohnzeltanhänger CT 6, eine Garage und eine Stereoanlage im Gesamtwert von rund 250.000 Ostmark – über 20 Jahresgehälter. Seine Frau ahnte nichts und glaubte, er würde für Bekannte Autoverkäufe abwickeln.

Ein genialer Coup im System der Mängel Thomas B.s Methode war ebenso einfach wie genial. Er nutzte die Arbeitsabläufe und Sicherheitslücken des VEB Sachsenring aus, dessen Produktion des Trabant durch die Dreiteilung der Werke (ehemalige Horch-, Audi- und Fahrzeug-Schumann-Fabriken) einem „Wanderzirkus“ glich. Die Endfertigung erfolgte in Werk 2, wo Thomas B. arbeitete, und die fertigen Trabis fuhren selbstständig von dort ins Werk 1 zum Verladebahnhof.

Seinen Beutezug begann er stets am Mittelhof, wo Neuwagen mit kleinen Mängeln abgestellt wurden – oft mit Schlüssel im Zündschloss. Er suchte sich einen Wagen aus, fuhr ihn zu einem Abstellplatz nahe der Werksausfahrt und kehrte dann an seinen Arbeitsplatz zurück. Nach seiner Pause, kurz vor 21 Uhr, begann die riskanteste Phase: Er schlich sich mit einem selbstgebastelten roten Kennzeichen zurück zum Auto. Die Ausfahrt, gesichert durch eine Pforte mit Schlagbaum, war eigentlich gut bewacht. Doch Thomas B. nutzte eine historisch bedingte Schwachstelle aus: Die Sicherheitsleute, überwiegend ältere Pförtner, waren daran gewöhnt, dass ständig Neuwagen zwischen den Werken überführt wurden. Sie ließen den Schlagbaum nach einem durchfahrenden Fahrzeug oft oben, was Thomas B. ausnutzte, indem er sich direkt dahinter klemmte. Er sagte später aus, dass die Gefahr, im Sachsenring erwischt zu werden, bedeutend geringer gewesen sei als bei einem Kaufhausdiebstahl, vor dem er „zu viel Angst“ gehabt hätte.

Nach dem Diebstahl parkte er den Wagen zunächst in der Seminarstraße, um ihn nach Schichtende um 22 Uhr in das anonyme Neubaugebiet Eckersbach zu fahren. Dort tauschte er das rote Kennzeichen gegen das seines Campinganhängers aus – ein einzelnes Nummernschild, sodass der gestohlene Trabi vorne kennzeichenlos blieb. Er hoffte, dass dies niemandem auffallen würde.

Der „Neuaufbau“-Trick und die begehrten „Plastebomber“ Der Schlüssel zu Thomas B.s Erfolg war seine clevere Verkaufsmethode: Er entfernte die Fahrgestellnummer der gestohlenen Neuwagen und bot sie als sogenannten „Neuaufbau“ an. In der Mangelwirtschaft der DDR wurden selbst völlig verschlissene Fahrzeuge wieder „neu aufgebaut“. Thomas B. behauptete, Ersatzkarossen ohne Fahrgestellnummer zu liefern und verlangte von seinen Kunden, die Fahrgestellnummern ihrer alten Trabis an ihn zu schicken. Diese klebte er dann in die gestohlenen Neuwagen ein, sodass die Kunden ihre alten Fahrzeugpapiere weiter nutzen konnten und der Neuwagen als runderneuerter Altwagen deklariert wurde. Um alles legal erscheinen zu lassen, stellte er sogar Rechnungen für nie geleistete Arbeitsstunden und nie gekaufte Ersatzteile aus, die am Ende dem Preis eines Neuwagens entsprachen. Unter seinen Abnehmern waren sowohl Privatpersonen als auch Staatsbetriebe.

Der Trabant selbst war ein Kind der 50er und des Kalten Krieges. Seine Einzigartigkeit waren die Duroplast-Teile aus Baumwolle und Kunstharz, eine Innovation, die aus der Not geboren wurde, da der Westen 1950 die Ausfuhr von Stahl in den Ostblock verboten hatte. Dieser stabile und rostfreie Werkstoff brachte ihm den Spitznamen „Plastebomber“ ein. Der Name „Trabant“ selbst entsprang der Raumfahrtbegeisterung jener Zeit und bedeutete „Begleiter“. Und ein treuer Begleiter war er tatsächlich: 1988 trug jeder zweite Pkw in der DDR diesen Namen.

Doch trotz seiner Beliebtheit war der Trabi auch ein Symbol für die Mangelwirtschaft und den Innovationsstau der DDR. Wer einen wollte, musste durchschnittlich zwölf Jahre warten. Dies lag am System: Der VEB Sachsenring war ein Staatsbetrieb in der sozialistischen Planwirtschaft, wo die Parteiführung über Produktionszahlen und Preise entschied. Preiserhöhungen oder Investitionen in neue Fabriken waren nicht erlaubt, da der Trabi erschwinglich bleiben sollte. Zwar hatte sich die Produktion von 60.000 Trabis im Jahr 1964 bis 1988 mehr als verdoppelt, doch im Vergleich zur westdeutschen Volkswagen AG, die zehnmal so viele Fahrzeuge produzierte, war dies wenig. Technisch fiel der Trabant, der seit 1964 im Wesentlichen unverändert als P 601 produziert wurde, mangels Geldes weit hinter der westlichen Konkurrenz zurück. Selbst im Werk kursierten Witze über den „zeitlosen Klassiker“, der auch „Rennpappe“ genannt wurde. Ideen für Prototypen gab es schon in den 60er Jahren, doch das Geld für die Serienproduktion fehlte stets, was zu Frustration bei den Ingenieuren führte. Dennoch blieb der Trabi mangels Alternativen heißbegehrt.

Das Ende eines Diebeszugs 24 Autos hatte Thomas B. auf diese Weise unentdeckt verkauft. Doch seine Gier nach dem 25. Wagen wurde ihm zum Verhängnis. Da seine Garage besetzt war, musste er den frisch gestohlenen Wagen auf der Straße in Eckersbach abstellen. Die 35-jährige Anwohnerin Brigitta T. bemerkte den Neuwagen mit nur 12 Kilometern auf dem Tacho und das fehlende vordere Kennzeichen. Als der Trabi tagelang nicht bewegt wurde, meldete sie ihren Verdacht der Volkspolizei.

Die Beamten gingen dem Hinweis nach und veranlassten eine Untersuchung im VEB Sachsenring. Es stellte sich heraus, dass die Diebstähle Thomas B.s all die Jahre unentdeckt geblieben waren und erst der konkrete Hinweis der Volkspolizei auf die Schliche kam. Als der gestohlene Neuwagen mit dem Kennzeichen von Thomas B.s Campinganhänger sichergestellt wurde, war der Beweis erbracht. Der zuständige Leiter der Endmontage im Werk wurde degradiert.

Verhaftung, Strafe und eine glückliche Wende Am 11. April 1988 wurde Thomas B. in seiner Wohnung verhaftet und legte sofort ein umfassendes Geständnis ab. Er versicherte, weder Komplizen noch Mitwisser gehabt zu haben. Die Polizei beschlagnahmte seinen gesamten Besitz. Ende August 1988 wurde Thomas B. vor dem Kreisgericht Zwickau-Stadt der Prozess gemacht. Trotz seiner Reue und seines Geständnisses erhielt er die Höchststrafe von zehn Jahren Haft und sollte eine Viertelmillion Mark Schadenersatz zahlen, den Großteil davon an seine Kunden, die die gestohlenen Trabis an den VEB Sachsenring zurückgeben mussten. Die Betriebsführung war gezwungen, den peinlichen Fall öffentlich zu machen, und manche sahen in Thomas B. gar einen, der „es denen aber gezeigt“ hatte.

Nur ein Jahr später war die DDR am Ende. Der Trabant wurde auf der gesamtdeutschen Euphoriewelle zum Auto des Jahres 1989 gewählt und erreichte sogar Kultstatus, als er die Grenze in der Nacht des Mauerfalls passierte und als Stargast in der ZDF-Hitparade auftrat. Doch diese späte Ehrung war gleichzeitig der „Todeskuss“ für den Trabi. Im April 1991 lief in Zwickau nach 33 Jahren das letzte Exemplar vom Band.

Für Thomas B. brachte das Ende der DDR eine glückliche Wendung. Das Bezirksgericht Dresden milderte 1991 seine Freiheitsstrafe von zehn auf fünf Jahre ab. Im August 1991 – nach nur drei Jahren Haft – wurde er auf Bewährung entlassen. Dem Gericht schrieb er später: „Jeder Mensch macht in seinem Leben einen Fehler. Meiner war eine riesengroße Dummheit. Ich verstehe im Nachhinein mich selber nicht, wie ich so etwas tun konnte. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich versichere Ihnen, dass dieses Kapitel in meinem Leben für immer geschlossen ist“. Thomas B. zog nach Westdeutschland und kehrte nur noch sporadisch nach Zwickau zurück.

Das Werk 2 des VEB Sachsenring, in dem Thomas B. einst arbeitete, beherbergt heute das Horch-Museum, das die über 100-jährige Geschichte des Automobilbaus in Zwickau zeigt. Der Trabi hat dort einen Ehrenplatz und weckt bei ehemaligen DDR-Bürgern heute nostalgische Gefühle. Die letzte Trabi-Serie erhielt einen Motor von VW, spöttisch „Mumie mit Herzschrittmacher“ genannt, doch dies war auch ein Vorbote für die Zukunft: Volkswagen übernahm Teile des VEB Sachsenring und baute ein riesiges neues Werk am Rande der Stadt, das heute die Transformation zum E-Auto vollzieht. Man kann sagen: „Danke Trabant!“, denn mit ihm wurde der Automobilbau in Zwickau am Leben erhalten, was heute für viel Arbeit in der Region sorgt.

Vom Trabi bis zum Traumauto: Die vergessenen Legenden der DDR-Mobilität

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In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gab es keine chromglänzenden Muscle Cars oder italienischen Exoten. Stattdessen prägten Lebensmittelkarten, lange Wartelisten und staatliche Vorgaben den Alltag – auch auf den Straßen. Doch inmitten dieser Einschränkungen entstand eine einzigartige Fahrzeugflotte, die für Millionen von Menschen nicht nur Transportmittel, sondern eine Lebensader war. Obwohl der Großteil der Welt sie heute vergessen hat, erzählen diese cleveren, robusten und oft unterschätzten Maschinen eine faszinierende Geschichte ostdeutscher Ingenieurskunst und des unbedingten Wunsches nach Mobilität.

Der IFA F8: Ein Zeugnis des Wiederaufbaus
Ein perfektes Beispiel für den pragmatischen Ansatz war der IFA F8. Ursprünglich vor dem Zweiten Weltkrieg von DKW entworfen, wurde er Ende der 40er Jahre von IFA, dem staatlichen Automobilhersteller der DDR, wiederbelebt. Mit seiner schmalen Karosserie, dem hohen Kühlergrill und einem Zweitaktmotor, der kaum genug Leistung bot, mag er heute wie eine Kuriosität wirken. Doch damals, mit seinem Holzrahmen und den „Selbstmördertüren“, war er in der noch im Wiederaufbau befindlichen DDR „unbezahlbar“. Er bildete das Rückgrat des Individualverkehrs und bewies, dass die DDR trotz Trümmern und Rationierung ein Auto auf die Straße bringen konnte.

Der Barkas B1000: Das Arbeitspferd der DDR
Während der F8 die Menschen in Bewegung hielt, brauchte der Osten etwas Größeres: den Barkas B1000. Dieser Transporter, 1961 eingeführt, war das „Arbeitspferd der DDR“. Ob als Schulbus, Krankenwagen, Feuerwehrauto oder Lieferwagen – der Barkas war universell einsetbar. Sein 1-Liter-Zweitaktmotor und Frontantrieb machten ihn überraschend vielseitig, und seine Funktionalität erlaubte es, ihn jahrzehntelang weitgehend unverändert zu produzieren. Mit seinen seitlichen Schiebetüren und der flachen Front war der Barkas ein fester Bestandteil des Stadtbilds und ist auch heute noch bei Oldtimer-Fans beliebt.

Der Melkus RS1000: Ostdeutschlands Sportwagen-Traum
Doch in der DDR gab es auch Raum für Träume. Der Melkus RS1000 war Ostdeutschlands einziger Sportwagen – ein „Einhorn im Verkehr“. Gebaut vom ehemaligen Rennfahrer Heinz Melkus in Dresden, beeindruckte er mit einzigartigen Flügeltüren, einer geschwungenen Fiberglaskarosserie und einem flachen Profil, das aus DDR-Sicht schnell wirkte. Obwohl sein getunter Wartburg-Dreizylinder-Zweitaktmotor nur bis zu 70 PS leistete, hätte das federleichte Auto „fliegen können“. Mit nur rund 100 gebauten Exemplaren, hauptsächlich für den Motorsport oder hochrangige Funktionäre, symbolisiert der RS1000, was ostdeutsche Ingenieurskunst mit Leidenschaft erreichen konnte.

Der Trabant 601: Der „Klang der Freiheit“
Weit allgegenwärtiger war der Trabant 601, dessen summender, hustender Zweitaktmotor für Millionen Ostdeutsche der „Klang der Freiheit“ war. Der 1963 eingeführte „Trabi“ wurde zum meistproduzierten und bekanntesten Auto der DDR-Geschichte. Seine kastenförmige Form, die Kunststoffkarosserieteile aus Duroplast und das minimalistische Design waren dem Überleben geschuldet: einfach, langlebig und günstig im Unterhalt. Obwohl der 601 selbst in den 80ern noch keine Tankanzeige oder Servolenkung hatte und kaum über 100 km/h kam, warteten die Menschen jahrelang auf ihn. Er war ein Zeichen der Ausdauer, ein Fahrzeug für Familienreisen an die Ostsee und für manche das Auto, mit dem sie „direkt durch die Berliner Mauer fuhren“, als diese endlich fiel. Heute ist der Trabi eine „Zeitkapsel“, liebevoll restauriert und ein Symbol der Nostalgie.

Der Wartburg 353: Die gehobene Mittelklasse
Wenn der Trabant das Auto des Volkes war, dann war der Wartburg 353 ein Zeichen des „Ich habe es geschafft – wenn auch nur knapp“. Von 1966 bis 1988 in Eisenach gebaut, repräsentierte er die ostdeutsche Vorstellung einer Mittelklasse-Limousine. Obwohl er ebenfalls einen Zweitaktmotor hatte, bot der 1-Liter-Dreizylinder mit rund 55 PS mehr Platz, mehr Leistung und ein ruhigeres Fahrgefühl als der Trabant. Mit Heizung, verstellbaren Sitzen und einem richtigen Kofferraum war er das Familienauto der Wahl für diejenigen, die sich die Warteliste leisten konnten oder über die richtigen Beziehungen verfügten. Als überraschend robustes Fahrzeug wurde er oft als Taxi, Polizeiauto oder sogar Krankenwagen eingesetzt und war beliebt für Fernreisen im Ostblock. Der Wartburg 353 „fühlte sich erwachsener an“ und war ein Auto, auf das man stolz sein konnte.

Die Simson Duo: Mobilität für alle
In eine völlig andere Richtung ging die Simson Duo, eine Mischung aus Roller und Auto. Auf den ersten Blick mag sie wie eine Kinderzeichnung wirken – ein Dreirad mit Dach und Windschutzscheibe. Doch die Duo war eine reale Lösung für ein echtes Problem: Mobilität für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Als Sanitätsfahrzeug klassifiziert, fand sie dank ihres extrem niedrigen Preises und der Wartungsfreiheit auch ein breiteres Publikum, das sich kein Auto leisten konnte. Angetrieben von einem Moped-Zweitaktmotor erreichte sie etwa 45 km/h und bot gerade genug Platz für Einkäufe. Die Duo war langsam und sah „etwas lächerlich aus“, aber sie war praktisch, zuverlässig und „seltsam liebenswert“ – ein perfektes Beispiel für Funktion über Form. Heute sind erhaltene Duos selten und symbolisieren ostdeutsche Ingenieurskunst.

Der Skoda 1000 MB: Ein Hauch von Exotik
Nicht alle Fahrzeuge auf DDR-Straßen stammten aus heimischer Produktion. Der Skoda 1000 MB kam aus der Tschechoslowakei und wurde dennoch zu einem der bekanntesten Autos auf den Straßen der DDR. 1964 auf den Markt gekommen, war er Skodas erstes Serienfahrzeug mit selbsttragender Karosserie und wassergekühltem Heckmotor. Er galt als solides und gut konstruiertes Kompaktfahrzeug, „gerade modern genug“, um sich von einfacheren Modellen wie dem Trabant abzuheben. Für Ostdeutsche strahlte der Skoda einen „Hauch von Exotik“ aus, war leiser als das Zweitakt-Gebrüll eines Wartburgs und hatte ein kultivierteres Fahrwerk. Er symbolisierte auch die Zusammenarbeit innerhalb des Ostblocks und bot in einer Zeit niedriger Erwartungen „ein wenig Hoffnung auf Fortschritt“.

Die MZ ES250/2 Trophy: Das Symbol der Unabhängigkeit
Für diejenigen, die sich kein Auto leisten konnten oder wollten, war das MZ Motorrad die erste Wahl. Die zwischen 1967 und 1973 gebaute ES250/2 Trophy war der Stolz von Zschopau, der Motorradhauptstadt Ostdeutschlands. Ausgestattet mit einem 250-cm³-Zweitaktmotor, zeichnete sie sich durch ihre Zuverlässigkeit aus; sie war langlebig, leicht zu reparieren und robust genug, um jedem Wetter und jedem Schlagloch standzuhalten. MZ-Motorräder hatten auch eine Rennsporttradition, und die bahnbrechende Zweitakttechnologie von Walter Kaden wurde sogar von konkurrierenden Teams im Westen kopiert. Die ES250 wurde zum Symbol für Unabhängigkeit und Stolz, bot „Bewegungsfreiheit“ in einer Zeit, in der diese Mangelware war. Diese Motorräder waren „Meilensteine im Leben der Menschen“.

Ein Vermächtnis der Mobilität
Die Fahrzeuge der DDR waren keine Glanzstücke globaler Automobilgeschichte. Sie waren clever, robust und funktional – oft „nicht schnell“ und „nicht glamourös“, aber sie erfüllten ihren Zweck und waren eine „Lebensader“. Vom bescheidenen IFA F8, der den Wiederaufbau vorantrieb, über das Arbeitspferd Barkas, den traumhaften Melkus, den allgegenwärtigen Trabi, den gehobenen Wartburg, die integrative Simson Duo, den ausländischen Skoda bis hin zum unabhängigen MZ-Motorrad – jedes dieser Fahrzeuge erzählt eine eigene Geschichte. Sie waren mehr als nur Maschinen; sie waren Zeugen einer Ära und bleiben für diejenigen, die sie fuhren, unvergessliche Symbole von Mobilität und Ausdauer unter besonderen Bedingungen.

Als die D-Mark die Ostmark ablöste und die DDR-Wirtschaft kollabierte

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Im Frühjahr 1990 blickten Millionen von DDR-Bürgern mit gespannter Erwartung und großer Hoffnung auf den 1. Juli. Es war der Tag der Währungsunion, der das Ende der DDR-Mark und die Einführung der westdeutschen D-Mark besiegelte. Was viele als Schritt in eine neue, bessere Zeit sahen, entpuppte sich jedoch auch als tiefer Einschnitt mit nachhaltigen Folgen für die ostdeutsche Wirtschaft und Gesellschaft.

Die Ostmark: Eine Binnenwährung im Planwirtschaftsstaat
Die DDR-Mark, in ihrem ersten Leben von 1948 bis 1990, war eine sogenannte Binnenwährung. Das bedeutete, sie war ausschließlich innerhalb der Landesgrenzen gültig, und ihre Ein- und Ausfuhr war strengstens verboten. Das Wirtschaftsleben der DDR war von einer zentralen Planwirtschaft geprägt: Preise für Güter und Dienstleistungen wurden staatlich festgesetzt und galten oft über Jahre hinweg landesweit. Grundnahrungsmittel, Mieten und Fahrkarten waren stark subventioniert und extrem günstig. Die Nettolöhne konnten steigen, ohne dass dies durch höhere Preise aufgefressen wurde.

Doch diese staatliche Steuerung hatte ihren Preis: Der wahre Wert von Waren spiegelte sich nicht in ihrem Preis wider. Eine halbe Zimmerwohnung im Plattenbau kostete 50 bis 80 Mark, während ein Farbfernseher mit 4100 Mark zu Buche schlug – dafür musste ein Industriearbeiter fünfeinhalb Monate hart arbeiten. Den Bürgern fiel es zunehmend schwer, ihr Geld auszugeben; entweder brauchten sie nicht viel von einer bestimmten Ware, andere Dinge waren zu teuer, oder sie waren schlichtweg nicht verfügbar. Dies schuf einen fruchtbaren Boden für einen blühenden Schwarzmarkt und Tauschhandel. Es gab sogar inoffizielle „Adressbücher“, in denen festgehalten wurde, wer welche Waren herstellte oder handelte. Seltene Waren, die nicht auf dem Schwarzmarkt zu finden waren, gab es nur in den Intershops, wo Alkohol, Kaffee, Jeans und Schmuck ausschließlich gegen harte Westwährung erhältlich waren. Obwohl DDR-Bürger seit 1974 D-Mark besitzen durften, hatte sie nicht jeder. Die leichten Aluminiummünzen der DDR-Mark, oft als „Aluchips“ verspottet, machten den Banken später beim Abtransport vor der Währungsunion enorme Probleme, da ihr geringes Gewicht die schieren Mengen nicht kompensieren konnte.

Der Weg zur D-Mark: Zwischen Pleite und freien Wahlen
Anfang der 1980er Jahre war die DDR wirtschaftlich angeschlagen, die Auslandsschulden stiegen massiv an. Im Februar 1990 war der Staat nahezu zahlungsunfähig. Hans Modrow, damals Regierungschef der DDR, bat Bundeskanzler Helmut Kohl um 15 Milliarden D-Mark Soforthilfe. Kohl knüpfte seine Hilfe an eine klare Bedingung: Geld gebe es erst nach freien Wahlen, als Schritt in Richtung Demokratie. Diese Wahlen fanden im März 1990 statt, und das Ergebnis war eindeutig: Die Mehrheit der Bevölkerung wünschte sich die D-Mark und die Marktwirtschaft. Die Öffnung der Grenze hatte die heimische Ostmark bereits fast wertlos gemacht; für das „Spielgeld“ gab es im Westen kaum noch etwas zu kaufen.

Der Stichtag und seine Folgen
Am 1. Juli 1990 war es dann soweit: Die Währungsunion trat in Kraft. Über 25 Milliarden D-Mark wurden in den Osten gerollt, der größte Geldtransport der Geschichte. Am Berliner Alexanderplatz herrschte ein riesiger Andrang, die Nerven lagen blank, die Volkspolizei war vom Ansturm überwältigt. Gehälter, Mieten und Renten wurden im Verhältnis eins zu eins getauscht, ein Umtauschkurs, der von der Bevölkerung gewünscht, aber nicht unumstritten war.

Die Folgen waren tiefgreifend: Die Umstellung der Löhne belastete die Betriebe enorm, die sich zudem plötzlich westdeutscher und internationaler Konkurrenz gegenübersahen. Ostprodukte, die jahrelang das einzige Angebot gewesen waren, wollte niemand mehr – schon gar nicht zu den neuen Preisen. Eine Bürgerin schilderte ihre Empörung: Für 500g Gehacktes und 300g Salami, die vor der Währungsunion vielleicht 6-7 Mark gekostet hätten, zahlte sie nun 20 D-Mark.

Mit der D-Mark hielt auch die Marktwirtschaft Einzug, und mit ihr die „Ellenbogengesellschaft“. Wettbewerb und Marketing wurden zu den Vokabeln der neuen Zeit, bunte Werbetafeln prägten das Straßenbild. Doch viele Betriebe hatten Schwierigkeiten, sich anzupassen. Die Schlachterei von Karin Stirkat, ein VEB mit 60 Mitarbeitern, konnte trotz vieler Ideen nicht gerettet werden. Investoren verwandelten den Betrieb in einen Fleischmarkt mit nur noch vier Angestellten, der mit Billigpreisen massenhaft Ware verkaufte.

Die schnelle Einführung der D-Mark hatte einen hohen Preis: Die Wirtschaft der neuen Bundesländer litt nachhaltig. Selbst Jahre später lag ihre Wirtschaftskraft noch immer hinter dem westdeutschen Durchschnitt. Die Währungsunion war ein historischer Moment, der die finanziellen Träume vieler DDR-Bürger kurzfristig erfüllte, aber auch eine Ära des wirtschaftlichen Umbruchs und harter Anpassung einläutete.