Start Blog Seite 23

Der schwierige Weg zur deutschen Einheit: Das Ringen um die Zwei-plus-Vier Verhandlungen

0

Moskau, 1990 – In der sowjetischen Hauptstadt endete 1990 offiziell der Kalte Krieg in Europa und eine neue Friedenszeit begann. Hier wurde vor 30 Jahren der Vertrag unterzeichnet, der die Grundlage für die Einheit Deutschlands schuf – ein historischer Sieg der Demokratie und die Überwindung der Teilung Europas. Doch dieser Erfolg war das Ergebnis eines komplexen und oft geheimen Ringens, das von Machtkämpfen, wirtschaftlichem Druck und tiefem Misstrauen geprägt war. Die weltpolitischen Entscheidungen von damals wirken bis heute nach.

Der Fall der Mauer und Kohls Zehn-Punkte-Plan
Im Herbst 1989 erfasste Deutschland eine Welle der Euphorie nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Eisernen Vorhangs. Doch die entscheidende Frage war, wie Moskau auf diese Entwicklung reagieren würde. Viele befürchteten, Michail Gorbatschow würde die DDR niemals freigeben, zu groß waren die Opfer der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg.

Einen Tag nach dem Mauerfall begannen in Berlin bereits die Feiern zur deutschen Einheit, an denen Bundeskanzler Helmut Kohl teilnahm. Doch Kohls Weg zur Einheit begann mit einem Paukenschlag: Ohne Absprache mit seinen westlichen Bündnispartnern oder gar dem Koalitionspartner FDP, stellte er am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan zur deutschen Einheit im Bundestag vor. Diese eigenmächtige Vorgehensweise verärgerte nicht nur die westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, sondern führte auch zu einem diplomatischen Eklat mit Gorbatschow, der Kohl vorwarf, sich in die inneren Angelegenheiten der DDR einzumischen.

Misstrauen unter den Verbündeten: Die Sorgen des Westens
Besonders die britische Premierministerin Margaret Thatcher und der französische Präsident François Mitterrand zeigten sich anfangs tief beunruhigt über die Entwicklungen in Deutschland. Thatcher hegte von Anfang an eine feindselige Einstellung gegenüber den Deutschen und hatte kein Vertrauen, während Mitterrand zunächst ihre Sorgen teilte, dass Deutschland erneut hegemoniale Bestrebungen an den Tag legen könnte. Das Bruttosozialprodukt Deutschlands entsprach dem von Frankreich und England zusammen, was ein „Bedrohungspotenzial“ darstellte.

Mitterrand stellte drei Bedingungen für die französische Billigung der deutschen Einheit: die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, die Denuklearisierung Deutschlands und die Einführung des Euro. Kohl zögerte jedoch, die Oder-Neiße-Grenze öffentlich anzuerkennen, da er die CDU-Wähler im Blick hatte, die auf die alten deutschen Ostgebiete in Polen noch nicht verzichten wollten. Dies führte beinahe zu einem Streit zwischen Franzosen und Deutschen.

Die USA als „unabdingbarer Helfer“ und die Geburt der 2+4-Formel
In Washington erkannte man schnell, dass eine Wiedervereinigung Deutschlands den USA eine strategische Möglichkeit eröffnete, ihre Führungsrolle in Europa zu stabilisieren und das vereinigte Deutschland im westlichen Militärbündnis NATO zu halten. Die USA, so Außenminister James Baker, wollten „die Deutschen in unserem Lager halten und kein eigenes aufschlagen“.

Unter der Federführung von Baker und dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher entstand die Idee der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. Hier sollten nur die beiden deutschen Staaten und die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich) über das Schicksal Deutschlands entscheiden, um langwierige Verhandlungen mit rund 100 Staaten über Reparationen und andere Ansprüche zu vermeiden. Die USA setzten sich entschieden gegen eine große Friedenskonferenz durch.

Ein entscheidender Stolperstein war jedoch die Forderung der US-Regierung, dass das vereinte Deutschland Mitglied der NATO sein würde. Dies stieß im Kreml auf massiven Widerstand, da die NATO dort als „gegnerisches Bündnis“ wahrgenommen wurde.

Das NATO-Versprechen – ein Streitpunkt bis heute
Um Gorbatschow zu überzeugen, boten Genscher und Baker mündliche Zusicherungen an. Baker versprach Gorbatschow, dass die NATO sich „nicht weiter nach Osten ausdehnen“ würde, „kein Zentimeter“. Gorbatschow antwortete, jede NATO-Erweiterung nach Osten wäre „selbstverständlich inakzeptabel“, doch er würde darüber nachdenken.

Diese Zusicherungen wurden jedoch nicht schriftlich festgehalten. Heute will Baker nichts mehr von seinem damaligen Versprechen wissen, und der sowjetische Botschafter Wladislaw Terechof kritisiert, dass dieses Versprechen gebrochen wurde. Russlands Präsident Wladimir Putin wirft dem Westen heute vor, sein Versprechen nicht eingehalten zu haben. Viele sehen es als einen „sehr großen Fehler“, dass diese Zusagen nicht schriftlich festgehalten wurden, dessen Folgen man heute noch auslöffeln müsse.

Sowjetunion in Not: Wirtschaftlicher Druck als Beschleuniger
Die Verhandlungen waren geprägt von der desolaten wirtschaftlichen Lage der Sowjetunion. Im Mai 1990 stand die Sowjetunion kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Dies wussten die westlichen Verhandlungspartner und nutzten es als „einmalige Gelegenheit“.

Im Mai 1990 reiste Kohls Vertrauter Horst Teltschik mit deutschen Bankern heimlich nach Moskau, um einen 5-Milliarden-Kredit zu verhandeln. Auch US-Präsident Bush bot Gorbatschow ein Handelsabkommen an. Unter diesem finanziellen Druck und nach einem entscheidenden Dialog mit Bush, in dem Gorbatschow bekräftigte, dass jedes Land wählen dürfe, welchem Sicherheitsbündnis es sich anschließen wolle, kam es zum diplomatischen Durchbruch in Washington. Trotz der sichtbaren Unruhe bei seiner Delegation gab Gorbatschow damit im Prinzip grünes Licht für die NATO-Mitgliedschaft.

Die 2+4-Gespräche: Ein Tauziehen um Souveränität
Die erste Verhandlungsrunde der 2+4-Gespräche in Bonn offenbarte die Spannungen. Die USA und die westlichen Alliierten bildeten eine „diplomatisch kaschierte Front gegen die Sowjetunion“. Die DDR-Delegation unter Außenminister Markus Meckel fühlte sich isoliert und ohne Einfluss. Sie war von der Idee einer NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands nicht begeistert und plädierte für die Neutralität. Markus Meckel beschrieb die Situation im Ministerium als „feindliches Haus“ und fühlte sich von der westdeutschen Delegation wie ein „Dackel“ behandelt. Die Franzosen betrachteten die Ostdeutschen ebenfalls als „Besiegte“.

Der entscheidende Durchbruch kam im Juli 1990 beim Treffen zwischen Kohl und Gorbatschow im Kaukasus. Nach Gorbatschows Sieg im innerparteilichen Machtkampf auf dem 28. Parteitag der KPdSU, wo er seine Politik gegen konservative und radikale Reformer verteidigen musste, konnte er mit „großer Freiheit“ das, was er im Mai schon gesagt hatte, auch Helmut Kohl bestätigen. Kohl konnte dort verkünden, dass einer NATO-Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands nichts mehr im Wege stehe. Die Sowjetunion erhielt im Gegenzug etwa 13 Milliarden Mark für den Abzug ihrer Truppen aus der DDR.

Die letzte Hürde: Dramatik in Moskau
Am Vorabend der Vertragsunterzeichnung in Moskau im September 1990 kam es beinahe zum Scheitern. Der britische Außenminister Douglas Hurd forderte plötzlich, dass spezielle Manöver auf ostdeutschem Territorium stattfinden sollten – eine Position, die die Russen „absolut nicht haben wollten“. Margaret Thatcher hatte bis zuletzt Bedenken wegen des zu großen Gewichts eines vereinten Deutschlands in der Europäischen Union.

Die Sowjets drohten daraufhin, den Vertrag nicht zu unterschreiben. In einer dramatischen nächtlichen Aktion mussten Hans-Dietrich Genscher und James Baker den US-Außenminister Baker, der eine Schlaftablette genommen hatte, wecken, um die Krise zu lösen. Schließlich wurde dem Vertrag eine Protokollnotiz angefügt: Solange sowjetische Truppen in der DDR stationiert seien, würden dort keine NATO-Truppen mit Ausnahme der Bundeswehr stationiert.

Das Ergebnis: Volle Souveränität und ein „unverdientes Geschenk“
Der Vertrag, der lediglich zwölf Artikel und eine Protokollnotiz umfasste, besiegelte nicht nur die deutsche Einheit, sondern beendete auch den Kalten Krieg und legte den Grundstein für eine neue Ära des Friedens, der Freiheit und der Zusammenarbeit in Europa. Es war der erste Fall in der Geschichte, dass Deutschland seine volle Souveränität nicht durch militärische Siege oder Niederlagen erhielt, sondern im Einverständnis mit all seinen Nachbarn.

Der sowjetische Botschafter Wladislaw Terechof beschrieb es als das „wichtigste unterschriebene Dokument in meinem Leben“ und als ein „unverdientes Geschenk“. Doch die Freude über die deutsche Einheit wurde von den langfristigen Folgen überschattet.

Kalter Frieden: Die Langzeitfolgen
Nach dem Zerfall der UdSSR 1991 traten Ungarn, Polen und Tschechien 1999 der NATO bei, später folgten zehn weitere Länder. Dies führte zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, die in einer „alten Rivalität um Einfluss und Macht“ mündete. Aus dem Kalten Krieg und der neuen Freundschaft entstand ein „kalter Frieden“.

Die Erinnerungen an die mündlichen Zusicherungen, die nicht schriftlich festgehalten wurden, bilden heute einen Kern des Misstrauens. Viele fordern heute, zu einer „klugen Diplomatie“ und vertrauensbildenden Maßnahmen zurückzukehren, um aus dem kalten Frieden wieder einen wahrhaftigen Frieden entstehen zu lassen, wie es 1991 durch gegenseitiges Verständnis und Vertrauen gelungen ist. Die 2+4-Verhandlungen bleiben ein Vorbild für erfolgreiche Entspannungspolitik, doch ihre Geschichte ist auch eine Mahnung an die Komplexität internationaler Beziehungen und die Notwendigkeit klarer Vereinbarungen.

Lausitzer Seenland kurz vor der Vollendung: Gigantische Wasserlandschaft nimmt Gestalt an

0

Das Lausitzer Seenland, ein Ergebnis der umfassenden Sanierungsarbeiten ehemaliger Braunkohlereviere, steht kurz vor einem historischen Meilenstein: der Schaffung einer zusammenhängenden, schiffbaren Wasserlandschaft. Mit Hochdruck wird an der Vernetzung der einzelnen Seen gearbeitet, um bis Mitte 2026 eine beeindruckende Wasserfläche von 4000 Hektar zu schaffen, die nicht nur Erholungssuchende, sondern auch den Wassertourismus auf ein neues Niveau heben soll.

Ein zentrales Element dieser Vernetzung ist der Überleiter 11, bekannt als Ilse-Kanal, der den Großräschener See und den Sedlitzer See miteinander verbindet. Ein besonders markantes Datum war der 4. Juni dieses Jahres, an dem hier „richtig gerauscht“ hat, als sanierungstechnisch angestautes Wasser aus dem Großräschener See in den Sedlitzer See strömte. Dieses Stützungswasser ist entscheidend, um den Sedlitzer See auf einer notwendigen Höhe zu halten und zusätzlich Wasser für die Schwarze Elster bereitzustellen. Der Erfolg dieser Maßnahme ist sichtbar: Aktuell trennen den Großräschener See und den Sedlitzer See nur noch 13 Zentimeter Wasserstandsunterschied – ein deutliches Zeichen, dass die Ziele erreicht werden.

Umfangreiche Bauarbeiten für die Schiffbarkeit
Die Sicherheit des künftigen Schiffsverkehrs hat oberste Priorität. Während am Überleiter 11 lediglich noch Schiffahrtszeichen, die elektrische Anlage und Beschilderung in Betrieb genommen werden müssen – Dalben, Leitplanken und Schirfbleche sind bereits vorhanden – stehen an den Überleitern 8 (Rosendorfer Kanal) und 10 (Sonnenkanal beim „Rostigen Nagel“) noch umfangreiche Arbeiten an. Hier müssen im Herbst zunächst Dalben gesetzt werden. Zwei Firmen werden diese Bauarbeiten, die bis ins Frühjahr 2026 andauern, an den jeweiligen Überleitern durchführen.

Das ehrgeizige Ziel ist es, Mitte 2026 die drei Überleiter 11, 8 und 10 fertiggestellt und abgenommen zu haben, um dann eine 4000 Hektar große, schiffbar verbundene Seefläche auf einem einheitlichen Niveau zu präsentieren. Darüber hinaus soll über den Überleiter 12 eine Anbindung an den Senftenberger See erfolgen, um diesen in den Verbund zu integrieren. Dieses Mammutprojekt wird nicht nur von der LMBV, sondern in enger Zusammenarbeit mit Partnern wie den Zweckverbänden, dem Tourismusverband, den Landkreisen auf beiden Seiten der Landesgrenze, den Kommunen und den beiden Landesregierungen gestemmt.

Sedlitzer See im Fokus der Sanierung
Der Sedlitzer See nimmt derzeit eine absolute Priorität im Lausitzer Seenland ein. Er erhält Wasser aus zwei Richtungen: vom Großräschener See über den Überleiter 11 und vom Partwitzer See über den Überleiter 8. Wichtige Arbeiten am Sedlitzer See umfassen die Inbetriebnahme des Ableiters noch in diesem Jahr, die Anhebung der Seewasserflächen, um über den Winter einen einheitlichen Spiegel zu gewährleisten, sowie die Fertigstellung von Sprengarbeiten an der Brückenfeldkippe, um eine spätere Nachnutzung nicht zu behindern. Die Sanierung des kleinen Marinahafens für Kanus ist bereits abgeschlossen, sodass dort die Bauarbeiten des Zweckverbandes fortgesetzt werden können. Für das kommende Frühjahr sind noch die Beseitigung von Totholz und die Beräumung von Untiefen geplant, die jedoch die Nutzung nicht beeinträchtigen sollen. Die Hoffnung ist groß, dass die Schiffbarkeit im Frühjahr zur Saison offiziell erklärt wird.

Zukunftsvisionen: Bewegliche Brücken und neue Erlebniswelten
Um die touristische Vermarktung weiter zu stärken und das Erlebnis Wassersport für eine breitere Masse zu öffnen, wird derzeit eine Machbarkeitsstudie für die Seen Sedlitzer See, Partwitzer See und Geierswalder See durchgeführt. Diese drei Seen sind bereits über drei Überleiter mit einheitlichen 6 Meter breiten Durchfahrten und Einheitsbrücken verbunden. Die Studie untersucht die Möglichkeit, an diesen Brücken bewegliche Elemente einzubauen oder sie umzubauen, um auch größeren Fahrgastschiffen, Hausbooten und Seglern die Durchfahrt zu ermöglichen. Die Ergebnisse der Studie werden zeigen, ob und zu welchen Kosten diese visionäre Idee umsetzbar ist.

Vom Bergbau zur blühenden Seenlandschaft: Eine emotionale Transformation
Für Gart Richter, einen ehemaligen Bergbauingenieur, der lange Zeit in den aktiven Tagebauen der Region tätig war, ist die Transformation des Lausitzer Seenlandes ein „kleines Hochgefühl“. Er betont, dass der Bergbau stets ein Gemeinschaftswerk war und nicht die Leistung eines Einzelnen. Die Möglichkeit, eine Landschaft, deren Entstehung er aus der reinen Produktion kannte – vom Geruch der Kohle auf dem Drehteller eines Eimerkettenbaggers bis zur energetischen Versorgung des Landes – nun neu zu gestalten und bis zur Nutzung zu begleiten, ist für ihn eine besondere Erfahrung, die vielen Bergleuten früherer Generationen nicht vergönnt war.

Das Lausitzer Seenland blickt mit Spannung in die nahe Zukunft, in der es sich als einzigartiges, zusammenhängendes Wassersport- und Erholungsgebiet etablieren wird, das die einstige Industrielandschaft in ein attraktives Urlaubsparadies verwandelt hat.

Das Mysterium um Sabines erstgeborenes Kind in der DDR

0

Wenn das eigene Kind kurz nach der Geburt verstirbt, gerät die Welt jeder Mutter aus den Fugen. Doch was ist, wenn plötzlich Ungereimtheiten auftreten? Was ist, wenn es sich um staatlich organisierten Kindesentzug handelt? Was nach dem Plot eines Krimis klingt, könnte sich so in der ehemaligen DDR abgespielt haben. Hunderte Mütter sind heute auf der Suche nach ihren vermutlich geraubten Kindern. Das „akte. Spezial – Die gestohlenen Kinder der DDR“ begleitet drei von ihnen.

Frankfurt an der Oder – Seit Jahrzehnten quält Sabine Zapf, heute 59 Jahre alt, die Ungewissheit über das Schicksal ihres erstgeborenen Kindes, das ihr 1980 unter mysteriösen Umständen in einem Krankenhaus in Eisenhüttenstadt weggenommen wurde. Was damals geschah, ist bis heute ein Rätsel, doch neue Erkenntnisse und der Mut einer Ärztin lassen Sabines Hoffnung auf Antworten wieder aufleben. Ihre Geschichte ist exemplarisch für die Skrupellosigkeit des DDR-Systems gegenüber sogenannten „kriminellen Bürgern“.

Ein Leben im Widerstand gegen das System
Sabine hatte es von Kindheit an nicht leicht. Schon früh wurde sie vom Jugendamt ihrer leiblichen Mutter entzogen und in ein Heim gesteckt, da ihre Mutter als nicht fähig erachtet wurde, sie im sozialistischen Sinne zu erziehen. Später wurde sie adoptiert, doch auch ihre Adoptiveltern waren sehr streng und schlugen sie angeblich als Teenager. Sabine galt als rebellisch und stellte sich gegen das Regime. Dies führte dazu, dass sie in ihren Stasi-Akten als „nicht staatstreu“ oder „kriminelle Bürgerin“ geführt wurde – eine Einschätzung, die ihr später zum Verhängnis werden sollte. Ihre Adoptivmutter reiste zudem oft in den Westen und hatte offenbar gute Kontakte zur Parteispitze, was später eine wichtige Rolle spielen sollte.

Das Verschwinden des ersten Kindes
Im Alter von 18 Jahren wurde Sabine 1980 mit ihrem Freund Frank zum ersten Mal schwanger. Vier Wochen vor dem Geburtstermin erlitt sie bei einer Routineuntersuchung im Krankenhaus einen stechenden Schmerz, der möglicherweise auf ein angekratztes Fruchtwasser zurückzuführen ist. Vorsichtshalber sollte sie in der Geburtsklinik bleiben. In einem Einzelzimmer ging plötzlich alles sehr schnell: Ihr Kind drückte sich heraus. Sie rief nach einer Schwester, doch ein Assistenzarzt weigerte sich, sie in den Operationssaal zu begleiten. Danach verlor Sabine das Bewusstsein.

Als sie am nächsten Tag erwachte, war ihr Kind verschwunden. Eine Schwester verweigerte jegliche Auskunft und verwies auf eine Ärztin, die nie kam. Eine Woche lang blieb Sabine im Krankenhaus, doch niemand erklärte ihr, was passiert war oder wo ihr Kind war. „Es ist dann einfach weg und wo ist es hin?“ fragt Sabine verzweifelt. Sie hat keine Narben und weiß nicht, wie ihr Baby überhaupt zur Welt kam. Von ihrem ersten Kind blieben ihr lediglich ein Schwangerschaftsfoto und Seiten aus ihrem Sozialversicherungsausweis, die ihren Krankenhausaufenthalt und gynäkologische Untersuchungen belegen. Diese Seiten fehlten zunächst aus ihrem Ausweis und wurden später in ihrer Haftakte gefunden – ein klares Indiz für eine Vertuschungsaktion. Ihr wurde sogar gesagt, sie müsse beweisen, überhaupt schwanger gewesen zu sein.

Spurensuche und schockierende Vermutungen
Sabine forderte ihre Krankenakte von 1980 an, doch es gibt keinerlei Unterlagen mehr. Laut deutscher Gesetzgebung müssen solche Akten nur 30 Jahre aufbewahrt werden, was Sabines Suche erschwert. Die große Frage bleibt: Warum sollte man ihr das Kind weggenommen haben? Ihre Einstufung als „kriminelle Bürgerin“ in der Schulzeit, weil sie sagte, was sie dachte, könnte eine Rolle gespielt haben.

Eine unglaubliche Entdeckung machte Sabine beim Durchforsten ihrer Stasi-Akten: Sie fand Beweise dafür, dass ihre Adoptivmutter und das Jugendamt zusammengearbeitet hatten, um ihr andere Kinder wegzunehmen. Ihre Adoptivmutter hatte beispielsweise eine Urlaubskarte an eine Mitarbeiterin des Jugendamtes geschickt, in der sie über das Wohl von Sabines Tochter Maren berichtete, die ihr nach einem Fluchtversuch weggenommen worden war. Henriette, die Journalistin, hegt nun den schlimmen Verdacht, dass diese Zusammenarbeit bereits beim ersten Kind begonnen haben könnte. Sabine erinnert sich, dass ihre Adoptivmutter sie kurz nach der Geburt unerwartet im Krankenhaus besuchte, ohne dass Sabine sie benachrichtigt hatte. „Es muss ja definitiv so sein, dass irgendjemand, wenn dein erstes Kind noch leben sollte, unsere Adoption hinter deinem Rücken freigegeben wurde,“ vermutet Sabine. Leider ist ihre Adoptivmutter 2006 verstorben, sodass Sabine sie nicht mehr zur Rede stellen konnte.

Hoffnung durch eine Ärztin und die Wiedervereinigung mit einer Tochter
Ein Termin in dem damaligen Geburtskrankenhaus in Eisenhüttenstadt bringt Licht ins Dunkel. Eine Ärztin, die bereits damals dort tätig war, trifft sich unter Ausschluss der Kamera mit Sabine und Henriette. Obwohl sie selbst keine konkreten Fälle erlebt hat, bestätigt die Ärztin, dass es „vorstellbar [ist], dass Kinder verkauft wurden“ oder dass das Jugendamt einer volljährigen Mutter das Kind wegnahm, wenn beispielsweise eine Großmutter die Mutter für unfähig hielt. Statistiken des Krankenhauses zeigen, dass im Juni 1980, als Sabine entband, kein Kind in diesem Krankenhaus verstorben ist. Die Ärztin vermutet, dass Sabines Kind noch leben könnte.

Diese Aussage ist für Sabine einerseits eine Bestätigung, andererseits weckt sie tiefe Wut und den Wunsch nach Gerechtigkeit. Sie fragt sich: „Wieso habt ihr mir eigentlich die ganzen Jahre geklaut mit welchem Recht eigentlich?“.

Trotz dieser traumatischen Erfahrungen gibt es für Sabine auch einen Lichtblick: Drei ihrer Kinder wurden ihr in der DDR weggenommen, doch ihr vierter Sohn fand Jahre später ihre dritte Tochter Michaela wieder. Im Jahr 2019 kam es nach 34 Jahren zu einem emotionalen Wiedersehen zwischen Sabine und Michaela. Michaela hatte in ihrer Pflegefamilie keine Liebe erfahren und wurde angeblich geschlagen. Diese Wiedervereinigung stärkt Sabines Entschlossenheit, auch ihr erstgeborenes Kind zu finden.

Der Kampf geht weiter
Sabine und ihr Ehemann Rainer suchen weiterhin nach dem verschwundenen Kind und wollen das Krankenhaus nun juristisch belangen, um an die fehlenden Unterlagen von 1980 zu gelangen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, da viele Akten bereits vernichtet sein könnten. Die Hoffnung liegt nun auf Menschen, die sich über Verschwiegenheitspflichten hinwegsetzen und den Frauen, die ihre Kinder suchen, endlich Antworten geben.

30 Jahre DDR: Eine Republik im Zeichen von Stärke und Frieden

0

Die Deutsche Demokratische Republik feierte ihr 30-jähriges Bestehen mit eindrucksvollen Demonstrationen militärischer Stärke und einem klaren Bekenntnis zum Frieden. Unter dem Motto „Schaut her, was aus uns geworden ist“, würdigte Genosse Erich Honecker, Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzender des Staatsrates, die hervorragenden Leistungen des Volkes und der Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Er betonte, die vergangenen drei Jahrzehnte seien eine Zeit der Verwirklichung der historischen Mission der Arbeiterklasse auf deutschem Boden gewesen, ein Weg harter Arbeit, großer Opfer und ständiger Klassenausseinandersetzungen mit dem Imperialismus. Die DDR, als erster sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern, sei buchstäblich „aus Ruinen auferstanden“.

Die Nationale Volksarmee: Garant des Friedens und der Sicherheit
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand die Nationale Volksarmee (NVA), die sich als zuverlässiger Gefährte im Kampf für die gemeinsame Sache präsentierte. Die Angehörigen der NVA wurden als treu in der Arbeit, beharrlich, tüchtig und bei Prüfungen standhaft gelobt. Im Sommer 1979 besuchte Genosse Honecker persönlich die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der NVA, wo er die Notwendigkeit betonte, die Verteidigungskraft der sozialistischen Staaten stets auf dem erforderlichen Niveau zu halten. Er unterstrich die hohe Verantwortung der DDR an der „Nahtstelle der beiden Gesellschaftssysteme, der beiden Militärbündnisse in Europa“ und forderte die Streitkräfte auf, jederzeit allen Provokationen des Klassenfeindes zu begegnen und die Heimat zuverlässig zu schützen.

Die Manöver der Luftwaffe demonstrierten die beeindruckende Beherrschung sowjetischer Kampftechnik, die den wissenschaftlich-technischen Höchststand verkörpert. Hierbei wurde deutlich, dass die erfolgreiche Erfüllung von Gefechtsaufgaben ein kollektives Zusammenwirken von Flugzeug- und Hubschrauberführern, ingenieurtechnischem Personal, funktechnischen Truppen und rückwärtigen Diensten erfordert. Über 1400 militärische Kollektive hatten bereits den Titel „beste“ errungen, und 16 FDJ-Grundorganisationen erhielten in diesem Jahr ein rotes Ehrenbanner der SED. Die hohe militärische Meisterschaft zeigte sich auch bei der Vernichtung von Seezielen. Honecker forderte dabei eine kontinuierlich hohe Gefechtsbereitschaft und betonte, der Schlüssel zum Erfolg liege im vorbildlichen Handeln jedes Kommunisten.

Unzerstörbare Kampfgemeinschaft mit der Sowjetunion
Ein zentrales Thema war die unzerstörbare Kampfgemeinschaft mit der Sowjetarmee. Eine Militärdelegation der DDR unter Leitung des Ministers für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, besuchte die UdSSR, um die brüderlichen Bande zu festigen. Überall fanden die Genossen der NVA bei den sowjetischen Mot-Schützen, Panzersoldaten, Fliegern und Matrosen offene Herzen und die selbstlose Bereitschaft, reiche Erfahrungen im Ringen um eine hohe Gefechtsbereitschaft zu vermitteln. Gemeinsame Klasseninteressen, proletarische Traditionen, koordinierte Ausbildungsprogramme und eine einheitliche Ausrüstung und Bewaffnung bilden die Grundlage für die weitere Vertiefung dieses Bruderbundes.

Bei einem Besuch Honeckers bei sowjetischen Truppen, die eine taktische Übung mit Gefechtsschießen abhielten, wurde die Kampfkraft der sowjetischen Streitkräfte hervorgehoben – nicht nur durch moderne Waffen, sondern vor allem durch die Soldaten selbst: treue Internationalisten, ideologisch gefestigt und gut ausgebildete Verteidiger der Heimat. Honecker gratulierte den Gardisten zu ihren hervorragenden Leistungen. Er betonte, dass 30 Jahre DDR auch drei Jahrzehnte fester Freundschaft mit dem Sowjetland bedeuten. Die enge Kampfgemeinschaft der NVA mit der Sowjetarmee, insbesondere mit den in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräften, habe einen hohen Reifegrad erreicht. Beide Armeen kämpfen verantwortungsbewusst an einer für das Schicksal der Menschheit entscheidenden Front.

Die Berliner Friedensinitiative und die Verteidigung des Sozialismus
Trotz der militärischen Schlagkraft unterstrich die DDR ihren Einsatz für den Weltfrieden. Genosse Leonid Breschnew unterbreitete im 30. Jahr der DDR ein Programm gegen „imperialistischen Rüstungswahn und Kriegspolitik“ für die Festigung des Friedens, bekannt als „Berliner Friedensinitiative“. Diese Vorschläge seien Ausdruck der Friedensliebe und des guten Willens der Sowjetunion und der anderen Staaten des Warschauer Vertrages. Der Filmbericht betonte, dass der Frieden „hartnäckig und zäh errungen sein“ will und die Soldaten ihren militärischen Auftrag in diesem Sinne erfüllen.

Die strategische Doktrin der sozialistischen Staaten ist explizit auf die Sicherung des Friedens ausgerichtet, ohne die Absicht, Staaten oder Staatengruppen zu bedrohen. Die Ehrenparade der NVA in Berlin am Morgen des 30. Jahrestages war daher nicht nur ein Zeugnis militärischer Schlagkraft, sondern auch ein Bekenntnis zu Lenins Feststellung, dass nur die Revolution etwas wert ist, die sich auch zu verteidigen versteht. Sie veranschaulichte die qualitativen Veränderungen der Kampftechnik in den Waffengattungen der NVA.

Gleichzeitig bewies die Volksmarine bei ihrer Flottenparade im Rostocker Hafen hohe Kampfkraft und Disziplin. Ihr ist der Schutz des Küstenvorfeldes der Republik anvertraut, und gemeinsam mit den verbündeten Ostseeflotten sorgen sie dafür, dass die Ostsee „ein Meer des Friedens“ bleibt.

Die gute Ausrüstung und Ausbildung der NVA sei auch der fleißigen Arbeit der Werktätigen zu verdanken – des Drehers, des Genossenschaftsbauern und des Wissenschaftlers. Mit gleichem Kampfgeist und Optimismus wie im 30. Jahr will die DDR gemeinsam mit ihrem ganzen Volk und an der Seite starker Freunde die Aufgaben der Zukunft meistern.

Jenas Corona-Bilanz auf dem Prüfstand: RKI fordert Klarheit und Strategie in Dokumentation

0

Ein detaillierter Peer-Review des Robert Koch-Instituts (RKI) wirft ein kritisches Licht auf ein Dokument der Stadt Jena zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie. Die Anmerkungen, die einem mutmaßlichen „Strategiepapier“ gelten sollten, zeichnen das Bild eines Textes, der in seiner aktuellen Form weniger eine kohärente Strategie als vielmehr ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen darstellt. Die Kritikpunkte reichen von der Grundstruktur über die Datenpräsentation bis hin zu konkreten inhaltlichen Widersprüchen und dem Fehlen einer klaren strategischen Linie.

Ein „Maßnahmenbündel“ statt Strategiepapier
Die grundlegendste Anmerkung des RKI betrifft bereits den Titel des Dokuments. Es handle sich weniger um ein Strategiepapier als vielmehr um ein Maßnahmenbündel oder einen Zwischenstand im Umgang mit dem Virus. Diese Vermischung von Arbeitshypothesen, Infektionsgeschehen und Situationsbeschreibung erschwert die Lesbarkeit und das Verständnis einer klaren Vorgehensweise.

Kritisiert wird zudem, dass viele der dargestellten Maßnahmen individuell von Ereignissen abgeleitet wurden und sich kein Gesamtbild einer übergeordneten Strategie ergibt. Die Entscheidungen mögen getroffen worden sein, doch eine „Power dargestellte Strategie“ habe gefehlt.

Das RKI schlägt eine klare Umstrukturierung vor, um dem Anspruch eines Strategiepapiers gerecht zu werden. Der Beitrag sollte eine Einleitung mit Problembeschreibung, eine detaillierte Strategiebeschreibung, die Darstellung der Effekte sowie eine abschließende Bewertung mit „lessons learned“ umfassen.

Mangelnde Klarheit bei Daten und Begrifflichkeiten
Besondere Beanstandungen gibt es bei der Darstellung von Daten und der verwendeten Terminologie. Es wird bemängelt, dass Zahlenangaben oft ohne Kontext bleiben und nicht eingeordnet wird, ob sie hoch sind oder ob Vergleichszahlen existieren. Die Differenzierung zwischen Neuinfektionen, Erkrankungen und tatsächlichen Infektionen sei unklar, ebenso wie die Relevanz der „7-Tage Inzidenz“ oder die Angabe pro „100.000 Einwohner“. Konkrete Zahlen wie „327“ müssten präzisiert werden, ob es sich um eine exakte Zahl oder „mehr als die“ handelt.

Die Wirksamkeit von Maßnahmen wird kritisch hinterfragt. Es fehlen Aussagen darüber, welchen Einfluss die Maßnahmen auf das ökonomische und soziale Gefüge der Stadt hatten. Die genaue Definition von „Risikogebieten“ und die Rolle von Pendlern aus diesen Gebieten (z.B. Norditalien, Wuhan) bleiben unzureichend erläutert. Eine spekulative Aussage zur Übertragung durch Personen mit „hohem Bildungsniveau, Einkommen, Mobilität“ bedürfe einer Evidenz oder Differenzierung.

Ein inhaltlicher Widerspruch wird bezüglich der Maskenpflicht hervorgehoben: Während an einer Stelle die Maskenpflicht als maßgeblich für die Reduzierung der Neuinfektionen auf null erwähnt wird, deutet eine andere Passage auf eine andere Interpretation hin. Zudem wird die Verwendung des Begriffs „Schutzmasken“ zugunsten von „MNB“ (Mund-Nasen-Bedeckung) angeregt. Die Aussage einer „freiwilligen Pflicht“ sei widersprüchlich.

Fehlende Visualisierungsstandards und Ausdrucksweise
Auch die grafische Aufbereitung wird kritisiert. Grafiken seien oft unklar in Beschriftung, Datenquellen und Legenden. Eine Abbildung zeige bestimmte Annahmen nicht, und die y-Achsenbeschriftung sowie Bildunterschriften müssten eindeutiger erklären, was abgebildet ist. Der Vergleich von Infektionszahlen mit früheren Grippewellen wird als nicht überzeugend empfunden, da die unterschiedlichen Schlüsse genau betrachtet werden müssten.

Formulierungen wie „sehr hoch“ oder „überraschend“ bedürfen einer Einordnung, und absolute Aussagen sollten nur mit gezeigter Signifikanz gemacht werden. Das RKI fordert eine Verbesserung des „Wording“ für Begriffe wie „Mitarbeitern aus dem volkswirtschaftlichen Umfeld“ und rät davon ab, einzelne Firmen namentlich zu nennen.

Wichtige Empfehlungen und fehlende Aspekte
Das RKI betont die Notwendigkeit, Kommunikation als entscheidenden Faktor in der Pandemiebekämpfung deutlich hervorzuheben, da sie maßgeblich für die Akzeptanz und den Erfolg von Maßnahmen sei. Es fehle an konkreten Empfehlungen im Dokument, und einzelne wichtige Punkte, die nicht Teil der Strategie sind, könnten in einen Dankesabschnitt verschoben werden. Es wird zudem die Frage aufgeworfen, welche Maßnahmen und Prozesse aus dem Maßnahmenbündel unmittelbar implementiert wurden und ob diese auf andere Städte oder Landkreise adaptierbar sind. Die Rückkehr von Studierenden sollte als Ansatzpunkt für ein vorausschauendes Vorgehen beschrieben werden.

Insgesamt legen die Kommentare des RKI nahe, dass das Dokument aus Jena zwar wichtige Einblicke in lokale Maßnahmen gibt, aber in seiner aktuellen Form weder den Ansprüchen eines wissenschaftlichen Strategiepapiers noch der notwendigen Klarheit und Kohärenz genügt, um als übertragbares Modell oder umfassende Bilanz zu dienen. Es ist ein Aufruf zu mehr wissenschaftlicher Präzision und einer stringenten Darstellung des Vorgehens, um die ergriffenen Maßnahmen und deren Effekte nachvollziehbar und bewertbar zu machen.

Neue Bahnstrecke verbindet die Berliner Innenstadt mit dem BER

0

Berlin bereitet sich auf eine deutliche Verkürzung der Reisezeiten zum Flughafen BER vor: Nach fast 30 Jahren Planung und Bau wird die Dresdner Bahn am 14. Dezember offiziell eröffnet. Dieses Mammutvorhaben verspricht schnellere, direktere und häufigere Verbindungen zum Flughafen und soll die Verkehrsanbindung Berlins neu ordnen. Doch hinter den Feierlichkeiten verbergen sich auch tiefe Wunden und ungelöste Probleme, insbesondere für die Anwohnerinnen und Anwohner in Lichtenrade.

Schnellere Anbindung und Entlastung für Berlin
Die Eröffnung der Dresdner Bahn ist ein Meilenstein für die Berliner und Brandenburger Verkehrspolitik. Die Fahrzeiten zum BER werden sich drastisch verkürzen:
• Vom Berliner Hauptbahnhof zum BER dauert die Fahrt statt bisher 39 nur noch 23 Minuten.
• Vom Potsdamer Platz sind es künftig 19 Minuten.
• Vom Südkreuz beträgt die Fahrzeit 14 Minuten.

Diese neue Verbindung ermöglicht es, S-Bahn- und Regionalzuglinien in und um Berlin neu zu ordnen und den BER besser anzubinden. Auch der Flughafen selbst profitiert, da die rund 20.000 Menschen, die dort arbeiten, zuverlässiger zu ihren Schichten gelangen können. Alle neuen Verbindungen können auf der Webseite des VBB unter www.vbb.de/ber eingesehen werden. Trotz der anfänglich geplanten vier Züge pro Stunde vom Hauptbahnhof zum BER wird davon ausgegangen, dass dies ausreicht, da weitere Verbindungen, etwa über das Ostkreuz, und die S-Bahn zur Verfügung stehen.

Ein Weg voller Hindernisse und Bürgerprotest
Die Entstehung der Dresdner Bahn war alles andere als ein Spaziergang. Fast 30 Jahre vergingen von der Planung bis zum Abschluss. Anfangs klemmte es, da die beiden Länder, der Bund und die Bahn sich nicht über die Konfiguration, insbesondere in Lichtenrade, einig waren.
Bereits Ende der 90er Jahre formierte sich in Lichtenrade eine Bürgerinitiative, die statt einer ebenerdigen Strecke einen Tunnel forderte. Nach dem Planfeststellungsbeschluss klagten die Anwohner bis zum Bundesverfassungsgericht, scheiterten jedoch. Der Baubeginn erfolgte erst 2017, und selbst zur Eröffnung des Flughafens war das Projekt noch nicht fertig.

Lichtenrade: Das „Herz zerrissen“ und ungelöste Probleme
Für die Menschen in Lichtenrade hat das Projekt tiefe Spuren hinterlassen. „Das Herz von Lichtenrade zerrissen“, so beschreiben es Anwohner. Schallschutzwände, Baustellen und abgeschaffte Bahnübergänge prägen das Bild. Die Bürger haben sich lange und auch gerichtlich gegen die Bahn gewehrt, nun geht es um Schadensbegrenzung.

Ein akutes Problem ist die Schließung des beschrankten Bahnübergangs Wolziger Zeile. Der geplante Fußgänger- und Radfahrtunnel, der eine Querung ermöglichen sollte, ist bis heute nicht freigegeben. Dies zwingt die Anwohner zu einem Umweg von über 20 Minuten. Für Menschen mit Gehproblemen und Betreuer, die mit Menschen mit Behinderung arbeiten und auf kurze Wege zu Ärzten und Einrichtungen angewiesen sind, ist dies eine „große Katastrophe“. Der Tunnel sollte ursprünglich letztes Jahr, dann in diesem Sommer fertig sein, doch es fehlen Bauressourcen.

Auch eine weitere Baustelle direkt am S-Bahnhof Lichtenrade, die seit vier Jahren ruht, sorgt für Frust. Die Bürgerinitiative fühlt sich übergangen: Für die Bahn gebe es freie Fahrt, während die Anwohner auf der Strecke blieben. Sie planen, Lärmmessgeräte zu installieren, sobald der Echtzeitbetrieb Mitte Dezember beginnt, um die tatsächlichen Lärmemissionen zu prüfen.

Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft erkennt zwar die Kritik an, stuft die unfertigen Bauarbeiten jedoch als „Kleinigkeiten“ ein. Er sieht die grundsätzliche Ablehnung von Verkehrsprojekten in Deutschland als problematisch an und geht davon aus, dass der Bahnbetrieb, da rechtlich durchgeklagt, wie geplant laufen kann.

Zukunftsvisionen und Systemische Herausforderungen
Die Verkehrssenatorin blickt bereits weiter und denkt über eine Magnetschwebebahn vom ICC zum BER nach. Diese solle keine Konkurrenz, sondern eine Entlastung für den „Knoten Berlin“ darstellen und vom Bund finanziert werden. Professor Böttger zeigt sich zwar interessiert an der Technologie, äußert jedoch ein „leichtes Störgefühl“, da zuerst die Technologie und die Strecke feststehen, bevor über die Grundlagen einer solchen Verbindung nachgedacht wurde. Er mahnt an, dass Berlin sich zunächst auf grundlegende Themen des öffentlichen Verkehrs konzentrieren müsse, wie die Pünktlichkeit der BVG und die Behebung von Planungsfehlern bei Straßenbahnprojekten.

Die Dresdner Bahn ist, wie der BER oder Stuttgart 21, ein Beispiel für die lange Dauer großer Projekte in Deutschland. Professor Böttger erklärt dies mit komplizierten Planungs- und Finanzierungsprozessen sowie weitreichenden Bürgerbeteiligungsrechten, die Projekte verzögern.

Trotz aller Widrigkeiten und anhaltenden Diskussionen rollt ab Mitte Dezember eine schnellere Bahn vom Hauptbahnhof zum BER. Ein Grund zum Feiern für die Ausführenden, doch ein „kein Ruhmesblatt für Berlin“, wie Professor Böttger die langwierige Planung beschreibt.

Datenanalyst Tom Lausen kritisiert Aufarbeitung der Corona-Krise in Thüringen: „Eine Farce“

0

Erfurt, Thüringen – Im Rahmen des Corona-Untersuchungsausschusses in Thüringen hat der Datenanalyst Tom Lausen eine scharfe Kritik an der Aufarbeitung der Pandemie geäußert und die Darstellungen anderer Sachverständiger, insbesondere Dr. Lundershausen und Dr. Dickmann, als nicht sachgerecht zurückgewiesen. Er präsentiere „Daten und nicht böse Absichten“ und sehe die Bemühungen, das Geschehene im Nachhinein schönzureden, als problematisch an, insbesondere angesichts von 13.000 Toten in Thüringen.

Kritik an der Darstellung der Krise
Lausen, der selbst als Datenanalyst im Ausschuss gehört wurde, bemängelt, dass seine Vorrednerinnen, darunter die ehemalige Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen, Dr. Lundershausen, und die Risikokommunikationsexpertin Dr. Petra Dickmann, keine datenbasierten Erkenntnisse, sondern vielmehr emotionale Darstellungen und Behauptungen präsentiert hätten, man habe alles gut gemacht. Er widerspricht explizit der Annahme, dass die Impfungen „toll gewirkt“ hätten und man Busfahrer und andere Berufsgruppen hätte impfen sollen, da dies keine Strategie sei, sondern die Hinnahme einer Situation, in der man sich auf Pharmafirmen verlasse.

Entkräftung der Überlastungsthese durch Daten
Ein zentraler Punkt von Lausens Vortrag war die Widerlegung der These einer Überlastung der Krankenhäuser. Während Dr. Lundershausen und Dr. Dickmann der Meinung waren, es habe sehr wohl eine Überlastung gegeben, der man nur durch das Verschieben wichtiger Operationen und ständige Patientenverlegungen Herr geworden sei, legte Lausen gegenteilige Zahlen vor. Er erklärte, dass Patientenverlegungen zum Tagesgeschäft deutscher Krankenhäuser gehören. Im Jahr 2019 wurden in Thüringen rund 18.600 Patienten verlegt, im Jahr 2020 waren es sogar nur etwa 16.500. Zwar gab es auf Intensivstationen 2020 etwas mehr Verlegungen, doch Lausen betonte, dass dies das Verlegungsargument als „propagandistisches Element“ komplett aufhebe. Er bezeichnete es als „frech“, zu behaupten, Verlegungen hätten alles gerettet, und sah den Einsatz von Bundeswehrmaschinen für Verlegungen als eine „mediale Inszenierung“ ohne Notwendigkeit an.

Zweifel an der Statistik zu ungeimpften Patienten
Bezüglich der Behauptung, 90 % der schweren Verläufe hätten ungeimpfte Patienten betroffen, äußerte Lausen ebenfalls Bedenken. Er forderte eine genaue Betrachtung von Zeitpunkten und Zeiträumen und kritisierte, dass Dr. Lundershausen möglicherweise nur eine Momentaufnahme ohne genaue Quellenangabe oder Fallzahlen herangezogen habe. Lausen wies darauf hin, dass die Bundesregierung Daten vorlege, die zeigten, dass bei vielen im Krankenhaus liegenden Corona-Fällen der Impfstatus nicht erhoben, ermittelt oder verfügbar gewesen sei. Dies sei eine grundsätzliche Problematik, die verlässliche Aussagen verhindere. Er verwies darauf, dass im Herbst 2021, zum Zeitpunkt der 2G-Maßnahmen in Thüringen, viele Patienten mit Pflegegraden im Krankenhaus lagen und starben. Diese Menschen seien höchstwahrscheinlich geimpft gewesen, da sie oft aus Pflege- oder Altenheimen stammten, wo Ungeimpfte kaum zugelassen wurden, insbesondere wenn sie ihren Impfstatus nicht selbst bestimmen konnten. Dies stelle die Aussage von Dr. Lundershausen infrage.

Gesamtsterblichkeit als entscheidender Indikator
Lausen betonte die Notwendigkeit, die Gesamtsterblichkeit zu betrachten, anstatt sich ausschließlich auf wöchentliche Dashboards zu konzentrieren, die lediglich die COVID-19-Todesfälle zeigten. Er argumentierte, dass bei einer neuen Krankheit immer auch die Frage gestellt werden müsse, ob insgesamt mehr Menschen sterben als erwartet, um eine mögliche Umetikettierung von Todesursachen auszuschließen. Das wichtigste Ziel sei immer, Todesfälle zu verhindern, weshalb die Übersterblichkeit der entscheidende Endpunkt sei. Die Fokussierung auf die Einzelsterblichkeit von Corona verkenne die Realität und die umfassenderen Probleme.

Ablehnung von ausländischen Daten im Krisenmanagement
Lausen kritisierte vehement die Heranziehung von Daten aus Israel, Australien, England oder Südkorea zur Beurteilung der Lage in Thüringen. Er argumentierte, ein thüringischer Ministerpräsident müsse die Krise im eigenen Land managen und auf die Nachbarländer schauen, nicht ins Ausland. Die Verwendung von englischen Zahlen, wie sie auch von Prof. Drosten als Rechtfertigung für Maßnahmen genannt wurden, sei nicht nur unnötig, da deutsche Daten verfügbar gewesen wären, sondern auch irreführend, da England seiner Meinung nach „ziemlich schlecht abgeschnitten“ habe. Die Vergleichbarkeit von Daten aus verschiedenen Ländern sei zudem fragwürdig, da geografische und bevölkerungsspezifische Unterschiede relevant seien. Die hohen Übersterblichkeitsraten in Bergamo oder Madrid seien Ausnahmen gewesen und könnten nicht verallgemeinert werden.

Datenbasierte Entscheidungen versus „First Mover“-Strategie
Der Datenanalyst hob hervor, dass Daten die Grundlage für jede Entscheidungsfindung sein müssen. Er widersprach der Ansicht, in einer akuten Situation müsse man schnell handeln („First Mover“) und erst später Daten abgleichen. Lausen betonte, dass man keine Maßnahmen ergreifen dürfe, die Schaden anrichten, wenn keine Krisensituation im Krankenhaus vorliege und keine absehbar sei. Maßnahmen seien nicht immer gut, sondern könnten auch Schaden anrichten, indem sie Menschen verschrecken, Lebenswillen nehmen oder die Betreuung verschlechtern. Die Pflicht der Verordnungsgeber sei es gewesen, die Daten anzusehen und darauf basierend Entscheidungen zu treffen. Er sah ein „Unverständnis von Krisenlagen“ in der Haltung, die Wirklichkeit von den Entscheidungen abzukoppeln.

Deutschland im Vergleich zu Schweden
Abschließend stellte Lausen einen deutlichen Vergleich zwischen Deutschland und Schweden her. Er führte an, dass Schweden seit der Impfkampagne bei der Übersterblichkeit auf Platz 1 in Europa abgeschnitten habe, während Deutschland auf Platz 21 liege. Mit einer Übersterblichkeit von etwa 2 % in Schweden gegenüber rund 10 % in Deutschland, zeige sich, dass das größte Land in Europa „richtig schlecht abgeschnitten“ habe. Trotzdem wolle niemand mehr hinschauen.

Lausen sieht seine Aufgabe darin, Fakten sichtbar zu machen und Daten zu präsentieren, um eine fundierte Aufklärung zu ermöglichen, anstatt „Verschwörungstheorien“ zu nähren, wie ihm teilweise unterstellt wurde. Er kritisiert, dass ein anfangs beklagter „wackeliger Datenlage“ nun, wo Daten verfügbar sind, nicht gehört werden wolle.

Ein Blick hinter den Eisernen Vorhang: Alltag und Härte der DDR-Grenztruppen

0

Ein ehemaliger Offizier der DDR-Grenztruppen gewährt seltene Einblicke in den harten und von Misstrauen geprägten Alltag an der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer. Die Informationen stammen aus einem Video auf dem YouTube-Kanal „Zurückgespult – Geschichte auf VHS-Band“, das die Mechanismen des Überwachungsstaates beleuchtet.

Alltag im Grenzdienst: Beobachtung und Diffamierung von Flüchtlingen
Der Dienst an der Grenze war für die Soldaten eine intensive Aufgabe: In der Regel verbrachten sie 8 bis 10 Stunden täglich direkt an der Grenze. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, in der sogenannten „feindfertigen Richtung“ – also in Richtung Bundesrepublik – zu observieren. Ziel war es, Angehörige des Bundesgrenzschutzes (BGS), des Zolls, zivile Personen oder Truppenansammlungen zu identifizieren und zu melden.
Besondere Vorsicht war geboten, wenn es um die Flucht aus der DDR ging. Der ehemalige Offizier berichtet, dass Flüchthilfen meist schon vorab als „Vorfahndungsmeldungen“ bekannt waren, die den Soldaten die wahrscheinlichen Abschnitte nannten, in denen mit Grenzübertritten zu rechnen sei. Um die Soldaten psychologisch vorzubereiten, wurden potenzielle Flüchtlinge systematisch dämonisiert: Sie wurden als „Verbrecher“, „mehrfach vorbestraft“ und „bewaffnet“ dargestellt, obwohl die Beschaffung einer Waffe in der DDR nahezu unmöglich war. Diese Darstellungen sollten die Soldaten „heiß machen“.

Die Festnahme von Flüchtlingen wurde von der DDR-Führung großzügig belohnt. Soldaten erhielten Auszeichnungen in Form von Medaillen, Orden, Urlaub, Geldprämien von etwa 150 Mark oder sogar Kaffeemaschinen.

Der Schießbefehl: Eine grausame Realität bis zuletzt
Trotz eines neuen Grenzgesetzes von 1982, das die Schusswaffenbrauchsordnung formell festlegte, blieb der berüchtigte „Schießbefehl“ bis zuletzt in Kraft. Die Soldaten erhielten bei jeder „Vergatterung“ – der täglichen Befehlsausgabe vor dem Einsatz – die Anweisung, Grenzverletzer aufzuspüren, festzunehmen „oder zu vernichten“.

Die Geschichte der Grenztruppen: Vom Polizeiapparat zur „Elitetruppe“
Die Ursprünge der DDR-Grenzsicherung reichen weit zurück. Bereits 1946 erteilte die sowjetische Besatzungsmacht Anweisungen zur Aufstellung einer Grenzpolizei. Bis zur Gründung des Bundesgrenzschutzes 1951 umfasste die deutsche Grenzpolizei der DDR bereits rund 20.000 Mann. Ihre Zugehörigkeit wechselte mehrfach zwischen dem Ministerium des Innern und dem Ministerium für Staatssicherheit.

Mitte der 1950er Jahre erfolgte eine Umstrukturierung von einer Polizeieinheit zu einer Grenztruppe. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 wurden sie im September desselben Jahres als „Kommando Grenze der NVA“ in die Nationale Volksarmee (NVA) integriert. In den 1960er Jahren galten sie als „Garde der nationalen Volksarmee“ – eine Art Elitetruppe. Aus strategischen Gründen, um die 50.000 Mann starke Truppe nicht bei den Wiener MBFR-Verhandlungen (Verhandlungen über einen Truppenabbau in Europa) ausweisen zu müssen, wurden die Grenztruppen Experten zufolge entweder 1972/73 oder ein Jahr später wieder aus der NVA ausgegliedert.

Die Berliner Mauer: Ein „Stachel im Fleisch“
Die 162 Kilometer lange Grenze der DDR zu West-Berlin war ähnlich aufgebaut wie die innerdeutsche Grenze, mit ausgeklügelten Überwachungs- und Sperrsystemen, einschließlich Hundelaufanlagen. Selbst in Flüssen und Seen markierten Grenztonnen die Demarkationslinie, an die sich Wassersportler und Angler gewöhnen mussten. Trotzdem blieb diese Grenze „der Stachel im Fleisch der Deutschen“ und ein Zeichen „rücksichtsloser Entschiedenheit“.

Die 44,8 Kilometer lange Berliner Mauer, die Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin, galt als praktisch unüberwindbar und aus östlicher Richtung kaum durchlässig. Immer wieder gab es Sprengstoffanschläge auf das „hässliche Bauwerk“, zuletzt offenbar von Rechtsradikalen. Ein dramatischer Vorfall während der Dreharbeiten im Juni 1986 zeigte die Härte dieser Grenze: Ein 17-jähriger West-Berliner raste mit seinem Auto gegen die Mauer, durchbrach zwei Betonplatten und landete verletzt auf DDR-Gebiet. Während der Fahrer medizinisch versorgt und in Gewahrsam genommen wurde, schoben DDR-Grenztruppen den PKW umgehend durch das Mauerloch auf West-Berliner Gebiet zurück.
Die Mauer bleibt ein Symbol der Trennung, poetisch beschrieben als „Mauer die Mauer grau und kahl“, „schmutzige Schande“ und „aus Hassbeton“. Eine „Röhre aus Stahlbeton“ auf der Mauer, an der „die Hände abrutschen“ und „die Blicke abgleiten“, verdeutlichte die Unüberwindbarkeit.

Kerstin Meisners Flucht vor einem Staat, der „irsinnige Angst“ hatte

0

Kerstin Meisner sehnte sich nach Meinungsfreiheit, Demokratie und weniger Reglementierungen in der DDR. Im Frühjahr 1983 fasste sie einen weitreichenden Entschluss: Sie wollte die Deutsche Demokratische Republik verlassen. Gemeinsam mit ihrem Verlobten und einem Bekannten plante sie einen Fluchtversuch, der sie über die Tschechoslowakei und Österreich in die Bundesrepublik führen sollte.

Die drei waren sich der immensen Risiken bewusst. Eine Flucht über die Westgrenze der DDR, sei es nach Westdeutschland oder Berlin, schlossen sie schnell aus. Sie hatten die Grenzanlagen in Berlin-Friedrichstraße besichtigt und wussten um Stacheldraht, die Mauer, Selbstschussanlagen, Minen und breite, überwachte Grenzstreifen. Die Gefahr, erschossen zu werden, war real und keine Option. Auch ein offizieller Ausreiseantrag kam für sie nicht infrage, da dies jahrelanges Warten, Repressalien und möglichen Arbeitsplatzverlust bedeuten konnte.

Der Plan: Verhaftung einkalkuliert, auf Freikauf gehofft
So kristallisierte sich heraus, dass nur der Weg über das „sozialistische Ausland“ blieb. Ihnen war klar, dass der Fluchtversuch zu 80 % nicht funktionieren würde und sie ins Gefängnis kommen würden. Doch genau das war Teil ihres Plans: Sie wollten sich verhaften lassen, um dann durch die Bundesrepublik freigekauft zu werden und so nach Westdeutschland zu gelangen.

Am 13. April 1983 wurde Kerstin Meisner in der Tschechoslowakei festgenommen. Bei den Verhören, die nicht besonders lange oder schlimm waren, legte sie sofort die Wahrheit auf den Tisch. Sie bestätigte, dass sie nach Bratislava, Österreich und schließlich nach Bayern wollte und ihr bewusst war, dass dies „Republikflucht“ nach Paragraph 213 war.

Einzelhaft unter schwierigen Bedingungen
Zunächst verbrachte Kerstin Meisner zwei Wochen in Einzelhaft in der Tschechoslowakei. Die Bedingungen dort waren extrem unangenehm:
• Alle Bediensteten waren Männer, und es gab Sprachbarrieren.
• Die Zelle im Erdgeschoss war trotz Mitte April sehr kalt, möglicherweise wegen der dicken Mauern.
• Sie durfte sich tagsüber nicht aufs Bett legen.
• Es gab nur kaltes Wasser, und die hygienischen Bedingungen waren schlecht; sie erhielt keine Zahnbürste und ihre private Kleidung wurde zwei Wochen lang nicht gewaschen.
• Die kombinierte Toilette und Waschgelegenheit mit einem kalten Wasserstrahl empfand sie als eklig.

In dieser Zeit, beim Blick aus dem Fenster auf Frauen, die Wäsche aufhingen, begriff sie zum ersten Mal, „was Freiheit eigentlich bedeutet“.

Von Hohenschönhausen bis zum Freikauf
Nach der Einzelhaft in der Tschechoslowakei wurde Kerstin Meisner in die DDR überstellt. Ihre erste Station war die Untersuchungshaftanstalt des MfS in Berlin-Hohenschönhausen. Dort musste sie sich einer kompletten Entkleidung und Untersuchung aller Körperöffnungen unterziehen. Dies empfand sie als „sehr, sehr unangenehm“ und gleichzeitig als „paradox und albern“, da sie sich fragte, wovor der Staat Angst hatte, was sie aus dem Gefängnis hätte mitbringen sollen. Sie sah darin ein Zeichen der „irsinnigen Angst“ des Staates vor oppositionellen Menschen.
Anschließend wurde sie nach Potsdam verlegt. Im Juli 1983 erfolgte die Verurteilung wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts“ zu einem Jahr und fünf Monaten Haft. Ihre Strafzeit verbrachte sie in einem Frauenarbeitskommando in einer Wäscherei in Leipzig-Markkleeberg. Dort stellte sie auch einen Ausreiseantrag.

Ein Jahr nach ihrer Festnahme, im April 1984, wurde Kerstin Meisner schließlich von der Bundesrepublik freigekauft. Die Ausreisehaft erfolgte im Kaßberg-Gefängnis Karl-Marx-Stadt. Ihr wohlüberlegter und riskanter Plan war aufgegangen.

Bürokratie-Chaos: Warum Ostdeutschland Integrationspotenziale ungenutzt lässt

0

Zehn Jahre nach Angela Merkels historischem Satz „Wir schaffen das“ präsentiert sich die Integration von Geflüchteten in Ostdeutschland als ein komplexes Bild aus Erfolgen, ungenutzten Potenzialen und systemischen Hürden. Während Unternehmen und Städte wie Neubrandenburg von der Zuwanderung profitierten und viele Menschen ein neues Leben aufbauen konnten, bleibt die Entwicklung einer gemeinsamen, zielgerichteten Integrationspolitik eine ungelöste Aufgabe.

Herausforderungen im Alltag und bei der Jobsuche
In Städten wie Neubrandenburgs Oststadt, einem Plattenbauviertel, das heute einen 50 Prozent höheren Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund aufweist als der Rest der Stadt, treten im Zusammenleben vielfältige Probleme auf. Vermittler der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Neuwoges sind täglich gefordert, da seit 2015 1200 Mietverträge an ausländische Mieter vergeben wurden. Konflikte entstehen oft durch kulturelle Unterschiede – etwa bei der Mülltrennung oder dem Verständnis deutscher Hausordnungen, die zu Schäden und Ärger in der Nachbarschaft führen können. Sozialarbeiterinnen berichten sogar von eskalierenden Gesprächen, die Unterstützung durch Sicherheitsdienste erforderten, da Sprachbarrieren die Einschätzung und Lösung von Problemen erschweren. Viele langjährige Bewohner empfinden die Veränderungen als negativ und sehen die Oststadt als „Brennpunkt“, wo sich der Kontakt zwischen deutschen und migrantischen Mietern aufgrund von Verständigungsproblemen kaum entwickelt.

Die Sprachbarriere ist ein wiederkehrendes Thema. Auch nach Jahren in Deutschland haben viele Migranten, wie der Palästinenser Ahmad Umay, Schwierigkeiten, sich im Alltag ohne Hilfe zurechtzufinden. Obwohl sein Deutsch für seinen Job bei Amazon ausreicht, ist er bei Behördengängen oder dem Ausfüllen komplexer Formulare auf die Unterstützung von Freunden wie Doreen angewiesen.

Besonders im Bereich der Arbeitsmarktintegration stoßen Geflüchtete auf große Schwierigkeiten. Viele sind zwar hochmotiviert, schnell finanziell unabhängig zu werden, bleiben jedoch beruflich unter ihren Qualifikationen. Dies liegt oft an fehlenden Nachweisen ihrer im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse sowie an langwierigen Bürokratieprozessen und Wartezeiten. Rashid, ein ausgebildeter Taucher aus Syrien, kann seine frühere Arbeitserfahrung nicht nachweisen und wird ihm vom Jobcenter lediglich ein Job als Paketbote angeboten, während sein Antrag auf eine Weiterbildung abgelehnt wurde.

Die Jobcenter-Bürokratie erweist sich als massives Hindernis. Ein Programm der Johanniter, das Geflüchtete zu Rettungssanitätern und Pflegehilfskräften ausbilden sollte, scheiterte an der inkonsistenten Vergabe von Bildungsgutscheinen. Bewerber wurden teils ohne klare Begründung abgelehnt oder mit unnötigen Zusatzanforderungen belegt, was zu geringen Teilnehmerzahlen und einem finanziellen Verlust von 60.000 Euro für die Johanniter führte, die das Angebot einstellen mussten. Obwohl der Bedarf an Pflegekräften in Deutschland bis 2049 um ein Drittel steigen wird, konnten die Potenziale der Geflüchteten nicht ausreichend genutzt werden. Die Migrationsforscherin Birgit Glorius kritisiert, dass die Kriterien für Bildungsgutscheine regional unterschiedlich ausgelegt werden und oft von der „politischen Kultur vor Ort“ abhängen, die Geflüchtete entweder als Potenzial oder als „Verhandlungsmasse“ betrachtet.

Erfolge und Zukunftsperspektiven
Trotz der zahlreichen Hürden gibt es auch Beispiele gelingender Integration. Die Wohnungsbaugesellschaft Neuwoges in Neubrandenburg profitierte erheblich von der Zuwanderung. Nach jahrelanger Abwanderung und dem Abriss von etwa 3000 Wohnungen seit den 1990er Jahren stoppte der Zuzug von Geflüchteten den weiteren Abriss und führte zu einer Reduzierung des Wohnungsleerstands auf nur noch rund zwei Prozent. Dies sicherte Einnahmen und ermöglichte Investitionen in die Sanierung von Gebäuden, was Vorteile für alle Mieter mit sich brachte.

Auch persönliche Erfolgsgeschichten zeigen, dass Integration möglich ist. Abdullah, ein syrischer Geflüchteter mit Tiermedizin-Studium, konnte seinen ursprünglichen Berufswunsch nicht fortsetzen. Doch durch das Johanniter-Programm absolvierte er eine Ausbildung zum Rettungssanitäter und später zum Pfleger. Heute ist er eine gefragte Fachkraft im Gesundheitswesen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung älterer Menschen.

Soziale Projekte tragen zur Völkerverständigung bei. Das Programm „Schmaus und Plausch“ der Neuwoges bringt im Stadtteilbüro Neubrandenburgs alteingesessene und zugewanderte Bewohner zum gemeinsamen Kochen und Essen zusammen. Hier sind bereits Freundschaften und Bekanntschaften entstanden, wie Rentnerin Karin und die iranische Geflüchtete Hanifah berichten. Hanifah selbst möchte Köchin werden und hat ambitionierte Pläne für ihre Kinder: Sie sollen Abitur machen und Ärzte werden.

Migrationsforscherin Birgit Glorius hebt hervor, dass die „zweite Generation“ – also Kinder, die jung als Geflüchtete kamen oder in Deutschland geboren wurden – die größten Integrationschancen hat. Sie sind die „Gewinner“ dieser Bewegung, während jene, die bereits eine Berufsbiografie mitbrachten, oft nicht daran anknüpfen konnten.

Insgesamt zeigt sich zehn Jahre nach „Wir schaffen das“: Das Versprechen konnte dort eingelöst werden, wo Unternehmen Chancen nutzten und Menschen sich persönlich engagierten. Doch eine kleinteilige Bürokratie und langwierige Prozesse verhindern oft eine effektive und schnelle Integration in den Arbeitsmarkt. Während 75 Prozent der 2015 angekommenen Männer bis 2022 in Arbeit waren (bei Frauen 31 Prozent), bleibt die Fähigkeit, die hohe Motivation der Geflüchteten in qualifizierte Arbeit umzusetzen, eine zentrale Herausforderung, die dringend eine gemeinsame, zielgerichtete Integrationspolitik erfordert.