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Neuendorf – Das Herz der Usedomer Halbinsel Gnitz

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Insel Usedom - Neuendorf - Die älteste Ortschaft auf dem Gnitz

Neuendorf, gelegen etwa in der Mitte der Usedomer Halbinsel Gnitz, stellt die älteste Ortschaft auf diesem Landstrich dar. Mit seiner malerischen Lage und den historischen Gebäuden ist es ein besonders sehenswertes Ziel auf Usedom. Die charmante Atmosphäre des Dorfes wird durch die gut erhaltenen und teils liebevoll restaurierten Gebäude unterstrichen. Neuendorf zieht Besucher mit seinem charakteristischen Ortsbild und der idyllischen Umgebung in ihren Bann.

Die Nähe zur Krumminer Wiek verleiht Neuendorf eine landschaftliche Schönheit, die durch die sanften Hügel und das unberührte Naturbild noch verstärkt wird. Im Westen des Ortes erhebt sich der Kastenberg, die zweitgrößte Erhebung auf der Halbinsel, direkt hinter dem Weißen Berg. Die Aussicht von dort ist atemberaubend und ermöglicht einen weiten Blick über die Küste und das Achterwasser. Diese geographische Lage macht Neuendorf zu einem idealen Ziel für Naturliebhaber und Wanderer, die inmitten einer unberührten Landschaft Ruhe suchen.

Ein kleiner Fischerhafen an der Steilküste zur Wiek bildet einen weiteren Höhepunkt des Ortes. Der Hafen strahlt eine beschauliche Atmosphäre aus und erinnert an die Geschichte der Fischerei, die in dieser Region einst von großer Bedeutung war. Von hier aus eröffnet sich ein malerischer Blick auf das Meer, und die Umgebung lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Der nördliche Küstenabschnitt, der sich an Neuendorf anschließt, ist ebenfalls ein ruhiges Naturparadies und gehört zu den unentdeckten Juwelen der Insel.

Seit etwa 2005 hat eine Gruppe von Enthusiasten begonnen, die historischen Gebäude in Neuendorf zu restaurieren und in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Diese engagierten Liebhaber der lokalen Geschichte und Architektur haben es geschafft, Gebäude, die ursprünglich in einem stark verfallenen Zustand waren, wiederherzustellen und dabei das ursprüngliche Erscheinungsbild zu bewahren. Besonders bemerkenswert sind die gut gelungenen Renovierungen von Wohnhäusern, Scheunen und Ställen. In den vergangenen Jahren entstanden so nicht nur stilvolle Ferienwohnungen, sondern auch ruhig gelegene Hotelzimmer, die einen besonderen Charme bieten.

Dank dieser aufwendigen Sanierungsarbeiten hat Neuendorf heute ein liebevoll gepflegtes Ortsbild, das sowohl die Geschichte des Ortes respektiert als auch modernen Komfort bietet. Der historische Charme der Gebäude in Kombination mit der ruhigen Umgebung macht Neuendorf zu einem beliebten Ziel für Erholungssuchende und Historieninteressierte gleichermaßen. Besonders für Besucher, die das ländliche Usedom erleben möchten, stellt Neuendorf einen echten Geheimtipp dar.

Neben seiner historischen Bedeutung besitzt Neuendorf auch eine industrielle Geschichte. In den 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde auf der Halbinsel Gnitz Erdöl entdeckt, was zu einer verstärkten Industrialisierung der Region führte. Noch heute wird in verschiedenen Orten auf der Halbinsel Erdöl gefördert, wobei die Betriebsstätten des Förderunternehmens ein Teil des regionalen Bildes sind. Die Entdeckung und Förderung des Öls hatte sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Region, da sie einerseits Arbeitsplätze schuf, andererseits aber auch die unberührte Natur in Mitleidenschaft zog.

Ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Erdölförderung auf Usedom betrifft die Insel Görmitz im Achterwasser. Auch hier wurde nach Öl gesucht, was die wirtschaftliche Bedeutung der Region weiter verstärkte. Heute ist die Erdölförderung zwar weniger sichtbar, jedoch noch immer ein Teil der Industriegeschichte auf Usedom.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Neuendorf ein Ort ist, der durch seine landschaftliche Schönheit, seine historische Bedeutung und das Engagement seiner Bewohner fasziniert. Die Sanierungen und Renovierungen der letzten Jahre haben dazu beigetragen, den Charme des Ortes zu bewahren und gleichzeitig modernen Komfort zu bieten. Wer auf Usedom Ruhe, Geschichte und Natur erleben möchte, wird in Neuendorf einen besonderen Ort finden, der sowohl zum Entspannen als auch zum Entdecken einlädt.

Jena kämpft mit teuren Mieten und sinkender Kaufkraft – Platz 384 von 400

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Die jüngste Studie des IW Köln zur Kaufkraft in Deutschland zeigt auf, dass vor allem die Städte Jena, Weimar und Erfurt in Thüringen mit einer besonders niedrigen Kaufkraft kämpfen. Jena belegt dabei einen besorgniserregenden Platz 384 von 400 untersuchten Kommunen. Diese niedrige Kaufkraft ist vor allem auf die teuren Mieten und die hohen Nebenkosten zurückzuführen. Trotz des Rufes als Universitätsstadt und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Potenzial gehört Jena zu den 60 teuersten Kommunen Deutschlands, während das Einkommen in der Stadt unter den 50 schwächsten Städten rangiert.

Ein wesentlicher Grund für die stagnierende Kaufkraft und die steigenden Lebenshaltungskosten ist der dramatische Mangel an Wohnraum. In den letzten Jahrzehnten hat Jena versäumt, ausreichend Wohnraum zu schaffen. Neubauprojekte sind im hochpreisigen Segment angesiedelt, was die Lage für junge Familien und einkommensschwächere Bürger weiter erschwert. Der Wohnungsmarkt in Jena ist zielstrebig verknappt worden, was zu einer Abwanderung junger Familien führt.

Der Weg aus der Krise: Förderung des Wohnungsbaus und bessere Vernetzung mit dem Umland
Die Lösung des Problems liegt in einer aktiven Förderung des Neubaus, einer Beschleunigung der Bauverfahren und einer engeren Vernetzung von Stadt und Umland. Der Wohnungsbau muss in den benachbarten Gemeinden vorangetrieben werden, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Jena hat die Chance, den Wohnungsbau auf das Umland auszudehnen, anstatt weiterhin nur auf städtische Projekte zu setzen.

Dies ist eine Aufgabe, die nur mit einer engen Zusammenarbeit von Verwaltung, Politik und Unternehmen gelöst werden kann. Die Infrastruktur muss ausgebaut und Pläne für die Zukunft entwickelt werden. Jena hat diesbezüglich in den letzten Jahren kaum Fortschritte erzielt. Zwar war das Thema der interkommunalen Zusammenarbeit und der Wohnraumförderung bereits bei der ersten Wahl des Oberbürgermeisters Thomas Nitzsche ein zentrales Thema, jedoch sind seitdem kaum Maßnahmen umgesetzt worden.

Ein Problem, das Zusammenarbeit verlangt
Die steigenden Mieten und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Jena, Erfurt und Weimar sind ein ernstzunehmendes Problem, das nicht nur die Kaufkraft, sondern auch die Lebensqualität der Bürger beeinträchtigt. Um dem entgegenzuwirken, muss der Wohnungsbau aktiv gefördert und die Zusammenarbeit mit dem Umland intensiviert werden. Dies erfordert eine langfristige Vision und vor allem ein Handeln, das bislang zu oft auf die lange Bank geschoben wurde.

Warten als Lebensgefühl: Telefon, Auto und die Geduld der Bürger

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Kollektivierung statt Ausbeutung - Planwirtschaft der DDR erklärt | DDR in 10 Minuten - MDR DOK

Die DDR, ein Staat, der längst Geschichte ist, gibt auch heute noch Anlass für Diskussionen. Ein beliebter Witz aus jener Zeit lautete: Warum ist die Banane krumm? Die Antwort: Weil sie einen großen Bogen um die DDR macht. Doch das stimmt nicht ganz. 1978 beispielsweise importierte die DDR 120.000 Tonnen Bananen, rund sieben Kilogramm pro Bürger – ein Rekordjahr. Die Südfrucht war also durchaus verfügbar, nur eben nicht überall und nicht jederzeit, ähnlich wie vieles andere im Alltag der DDR.

Auf ein eigenes Telefon mussten viele Menschen Jahre warten, manche sogar ein Jahrzehnt oder länger. Vergleichbar war die Situation bei Autos: Im Schnitt betrug die Wartezeit für einen Trabant zwölf Jahre. Gleichzeitig war die DDR-Wirtschaft geprägt von staatlicher Planwirtschaft, die Preise vorgab und Produktionsziele festlegte. Ziel war es, Gewinne nicht Einzelpersonen, sondern der Gemeinschaft zugutekommen zu lassen. Daher mussten Bauern ihr Land an sogenannte Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) abtreten, und private Unternehmen wurden zu Volkseigentum erklärt. Dies betraf auch die Firma von Günter Steiner, die in Sonneberg Plüschtiere herstellte. Obwohl er den Betrieb weiterführen durfte, blieb das Gefühl, sein eigenes Grab geschaufelt zu haben. Nach der Wende bekam Steiner das Unternehmen zurück, und die Marke „Plüti“ war inzwischen bekannt.

Die zentral gelenkte Planwirtschaft führte jedoch oft zu Engpässen. Nicht Angebot und Nachfrage bestimmten die Produktion, sondern die Partei. So entstanden immer wieder Versorgungsprobleme, die durch staatliche Maßnahmen wie die Förderung der Konsumgüterproduktion gelöst werden sollten. Dabei fertigten Unternehmen oft Produkte, die mit ihrem eigentlichen Profil nichts zu tun hatten: Ein Braunkohlekombinat stellte Kaffeemaschinen her, ein petrochemisches Kombinat Kunststoffmöbel und ein Walzwerk Regenschirme. Doch auch diese Maßnahmen reichten nicht aus, den Bedarf zu decken. Viele Waren wurden deshalb getauscht, auf dem Schwarzmarkt gekauft oder auf Vorrat gehortet.

Besonders problematisch war die Versorgung mit Gütern, die in der DDR nicht produziert werden konnten, etwa Kaffee. Wer keine Westverwandtschaft hatte, war auf kreative Beschaffungswege angewiesen. So tauschte die DDR Traktoren oder Waffen gegen Kaffeebohnen aus Äthiopien. Gleichzeitig sollten Preise stabil bleiben. Brötchen kosteten in den 1980er-Jahren immer noch fünf Pfennig, weil der Staat Grundnahrungsmittel stark subventionierte. Diese Politik belastete den Haushalt jedoch erheblich und führte dazu, dass Investitionen in moderne Technik häufig ausblieben.

Um die Wirtschaft am Laufen zu halten, exportierte die DDR Konsumgüter wie Möbel oder Bekleidung in die Bundesrepublik, oft mit mäßigem Gewinn. Zugleich stieg die Staatsverschuldung im westlichen Ausland bis 1982 auf über 25 Milliarden D-Mark. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs, Beschwerden an die Partei nahmen drastisch zu, und die Mängel im Alltag wurden unübersehbar. In Dresden etwa gab es 6.000 defekte Dächer, aber nur zwölf Dachdecker. Das „Dächer-dicht-Programm“ der SED konnte diese Probleme nicht lösen.

Die Planwirtschaft der DDR geriet zunehmend in eine Abwärtsspirale. Das Ansehen der Staatsführung war ruiniert, die Sympathie für die SED schwand. Am Ende zeigte sich: Eine Wirtschaft, die Mangel erzeugt, konnte den Ansprüchen der Menschen nicht gerecht werden und trug so zum Zerfall des Staates bei.

Wie die Klassik Stiftung Weimar mit „Ent|Schlossen“ neue Wege beschritt

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Ent|Schlossen - Gesellschaftskultur gestalten

Das Projekt „Ent|Schlossen“ der Klassik Stiftung Weimar war ein ambitionierter Versuch, die Rolle einer Kulturinstitution neu zu definieren. Mit dem Ziel, Teilhabe an kulturellen Angeboten zu fördern, Zugangsbarrieren abzubauen und die regionale Kulturlandschaft zu stärken, wurden innovative Wege erprobt, um Kultur näher an die Menschen zu bringen. Dabei ging es nicht nur um die Inhalte, sondern auch um die Frage, wie diese Inhalte präsentiert und zugänglich gemacht werden können.

Eine zentrale Leitidee des Projekts war, dass Kulturinstitutionen nicht allein für das Bewahren und Musealisieren zuständig sind. Vielmehr tragen sie auch eine Verantwortung, Räume für Begegnung und Austausch zu schaffen, die gesellschaftliche Relevanz ihrer Arbeit zu reflektieren und aktive Beiträge zur Gemeinschaft zu leisten. Im Mittelpunkt von „Ent|Schlossen“ standen daher drei Kernmaßnahmen: Partnerschaften eingehen, Räume öffnen und raus gehen.

Die erste Maßnahme, Partnerschaften einzugehen, wurde durch die enge Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren aus Kultur, Sozialarbeit und Vereinen verwirklicht. Diese Kooperationen ermöglichten es, gemeinsam Programme zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen zugeschnitten waren. Workshops, Lesungen, Konzerte und weitere Formate fanden an Orten statt, die über die traditionellen Institutionen hinausgingen. Die Einbindung von Sozialträgern und Initiativen trug dazu bei, die Programme inklusiv zu gestalten und Menschen anzusprechen, die bisher wenig Zugang zu kulturellen Angeboten hatten.

Ein besonderes Highlight war die Öffnung von Räumen für die Gemeinschaft, etwa durch die Schaffung des Begegnungsraums CoLabour. Hier wurden Infrastruktur, Mobiliar und Materialien bereitgestellt, um Menschen die Möglichkeit zu geben, den Raum für eigene Ideen zu nutzen. Ob Feierabendtreffen, kleinere Veranstaltungen oder einfach lockere Begegnungen – das CoLabour bot ein flexibles und einladendes Ambiente, das aktiv dazu einlud, Kultur auf eigene Weise zu gestalten. Dies war ein zentraler Schritt, um den kulturellen Raum aus der institutionellen Strenge zu lösen und ihn für neue Zielgruppen und kreative Ansätze zu öffnen.

Die dritte Säule von „Ent|Schlossen“ bestand darin, raus zu gehen und Kultur zu den Menschen zu bringen. Besonders eindrucksvoll zeigte sich dies in der Idee eines Lastenfahrrads, das als mobile Plattform für kulturelle Angebote direkt in die Stadtteile fuhr. Dieses Konzept hatte gleich mehrere Vorteile: Es machte die Angebote sichtbarer, erleichterte den Zugang und bot vor allem Bewohnerinnen und Bewohnern, die möglicherweise weniger mobil sind, die Chance, kulturelle Erfahrungen zu machen. Mit diesem Ansatz ging die Klassik Stiftung bewusst auf diejenigen zu, die sonst eher in ihrer eigenen sozialen oder geografischen „Bubble“ verharren würden, und schuf so neue Begegnungen zwischen unterschiedlichen Menschen.

Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Stärkung und Sichtbarmachung marginalisierter Gruppen, insbesondere der sogenannten FLINTA-Personen (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen). Diese Zielgruppe erhielt durch „Ent|Schlossen“ gezielt Bühnen und Möglichkeiten, ihre Themen und Perspektiven einzubringen. Dies geschah beispielsweise durch Lesungen, Konzerte oder Empowerment-Workshops, die dazu beitrugen, kulturelle Räume diverser zu gestalten und gesellschaftliche Vielfalt zu fördern.

Die Maßnahmen von „Ent|Schlossen“ hatten transformative Effekte, die weit über die unmittelbaren Projekte hinausgingen. Sie führten auch innerhalb der Klassik Stiftung zu einem Umdenken. Die Institution begann, ihre eigene Rolle stärker zu hinterfragen und Wege zu suchen, wie sie langfristig inklusiver und zugänglicher werden kann. Es ging dabei nicht nur darum, neue Zielgruppen zu erreichen, sondern auch darum, die eigene Organisation offener und dynamischer zu gestalten.

Ein weiterer Aspekt des Projekts war die Nutzung von Baustellen und Übergangsphasen als Testraum für neue Ideen. So dient das Weimarer Schloss, das seit 2018 saniert wird, als Experimentierfeld, um informelle Begegnungsorte zu schaffen und zukünftige Nutzungskonzepte zu testen. Durch das CoLabour und ähnliche Initiativen wurde ausprobiert, wie Räume genutzt werden können, um eine Balance zwischen historischer Bedeutung und moderner gesellschaftlicher Relevanz zu schaffen.

Zusammenfassend zeigt „Ent|Schlossen“, wie eine Kulturinstitution ihre traditionelle Rolle erweitern und aktiv zu einem lebendigen Teil der Gesellschaft werden kann. Die Verbindung von kultureller Erbevermittlung mit gegenwartsbezogenen Ansätzen hat nicht nur die Teilhabe erhöht, sondern auch neue Perspektiven auf die Bedeutung von Kultur und Gemeinschaft eröffnet. Dieses Modell, das auf Offenheit, Kooperation und Mobilität setzt, könnte als Vorbild für ähnliche Einrichtungen dienen, die sich den Herausforderungen einer immer diverseren und dynamischeren Gesellschaft stellen möchten. Indem Kultur zu den Menschen gebracht wird – sowohl physisch als auch inhaltlich – gelingt es, neue Begegnungen zu schaffen, Barrieren abzubauen und den kulturellen Raum als etwas Lebendiges und Offenes zu definieren.

V-Personen in der Südkurve? Verein erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei Jena

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In einer zugesannten Pressemitteilung der Blau-Gelb-Weiße Hilfe e.V. wird behauptet, dass die Polizei Jena versucht habe, einen jungen Fan des FC Carl Zeiss Jena als Vertrauensperson (V-Person) zu gewinnen. Der Vorfall soll sich im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ereignet haben, das ursprünglich nichts mit Fußball zu tun hatte. Dabei sei dem Fan eine vermeintliche Strafmilderung in Aussicht gestellt worden, sofern er bereit wäre, Informationen aus der Südkurve, dem Bereich der Jenaer Ultraszene, zu liefern. Besonders kritisch wird betont, dass der Kontakt über persönliche Verbindungen zur Familie des Betroffenen hergestellt wurde, wodurch gezielt sozialer Druck aufgebaut worden sein soll.

Rechtliche und ethische Bedenken
Die Blau-Gelb-Weiße Hilfe e.V. hebt hervor, dass die Polizei keine eigenständigen Zusagen zu Strafmilderungen machen kann – dies obliegt ausschließlich den Gerichten. Zudem sei der Einsatz von V-Personen rechtlich streng geregelt und in der Regel nur zur Aufklärung schwerwiegender Straftaten zulässig. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Vorgehen der Polizei verhältnismäßig war.

Die Kritik der Fanorganisation geht jedoch über den konkreten Fall hinaus. Sie sieht in solchen Maßnahmen einen Angriff auf das Vertrauen innerhalb der Fanszene und warnt vor einer möglichen Kriminalisierung und Schwächung der Ultrakultur. Die Praxis der Anwerbung von V-Personen, insbesondere in sensiblen Gemeinschaften wie der Ultraszene, sei nicht nur fragwürdig, sondern auch potenziell rechtswidrig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe Deutschland wiederholt wegen ähnlicher Praktiken verurteilt, vor allem wenn solche Einsätze zu Rechtsverstößen führten.

Offene Fragen und Forderungen nach Transparenz
Die Mitteilung wirft eine Reihe unbeantworteter Fragen auf:

  • Was war der konkrete Anlass für die Anwerbung?
  • Welche Straftaten oder Sicherheitsrisiken rechtfertigen solche Maßnahmen?
  • Warum wurde ein Ermittlungsverfahren genutzt, das ursprünglich nichts mit Fußball zu tun hat?
  • Wer hat die Maßnahme angeordnet und auf welcher rechtlichen Grundlage?

Die Blau-Gelb-Weiße Hilfe fordert eine umfassende Aufklärung des Vorfalls und kritisiert das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig und unsensibel. Solche Maßnahmen würden nicht zur Sicherheit beitragen, sondern vielmehr das Misstrauen gegenüber staatlichen Stellen verstärken und die Fanszene gezielt spalten.

Hintergrund: Sensibilität im Umgang mit Fanszenen
Die Jenaer Ultraszene wird in der Mitteilung als Raum für Gemeinschaft, kulturellen Ausdruck und gesellschaftspolitisches Engagement beschrieben. Eingriffe in diese Strukturen könnten nicht nur das Vertrauen zerstören, sondern auch weitreichende Folgen für das Zusammenleben innerhalb der Fanszene haben.

Die Vorwürfe und offenen Fragen werfen ein kritisches Licht auf das Verhältnis zwischen Polizei und Fußballfans. Eine neutrale, unabhängige Aufarbeitung könnte entscheidend sein, um die Vorwürfe zu klären und das Vertrauen wiederherzustellen.

Jena im Ausnahmezustand: Wenn der Fußball die Stadt lähmt und Angst macht

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FC Carl Zeiss Jena vs Chemie Leipzig 5:0 • Stadionatmosphäre (Pyroshow) | Ost-Klassiker 2024/25

Fußball ist für viele Menschen mehr als nur ein Spiel – es ist Leidenschaft, Emotion, Gemeinschaft. Doch was passiert, wenn dieses Gemeinschaftsgefühl kippt und das Erlebnis Fußball den Alltag einer Stadt in Angst und Chaos verwandelt? Die Ereignisse rund um das Regionalligaspiel zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und der BSG Chemie Leipzig zeigen einmal mehr, dass sich der Fußball in eine Richtung entwickelt, die für viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr hinnehmbar ist.

Am vergangenen Samstag wurde Jena erneut zum Schauplatz massiver Unruhen. Bereits vor dem Spiel sorgte ein unangemeldeter Fanmarsch für Verkehrschaos, und während und nach der Partie eskalierte die Situation so sehr, dass es zu Verletzten, Sachschäden und einem massiven Polizeieinsatz kam. Was bleibt, ist die Frage: Wie lange sollen Städte wie Jena solche Szenen noch hinnehmen?

Fußball, der Angst macht
Viele Menschen meiden mittlerweile bewusst die Innenstadt, wenn Spiele dieser Größenordnung stattfinden. Die Sorge, in die Nähe von Ausschreitungen zu geraten, ist für sie real. Die Lebensqualität leidet darunter erheblich, und die Begeisterung für den Sport schlägt bei vielen in Ablehnung um. Ist es wirklich hinnehmbar, dass ein Spiel so viel Unruhe in das gesellschaftliche Leben einer Stadt bringt?

Je größer das Stadion, desto größer die Eskalation?
Ein besorgniserregender Trend ist unverkennbar: Je größer die Stadionkulisse und die Fankultur, desto häufiger und intensiver scheinen die Ausschreitungen. Natürlich trägt der FC Carl Zeiss Jena mit seinem neuen Stadion zu einer Aufwertung des Sports in der Stadt bei, doch gleichzeitig wachsen auch die Herausforderungen. Die Fanmassen, die Begeisterung, aber eben auch die potenzielle Gewalt scheinen sich proportional zu entwickeln.

Ein Appell an die Verantwortung
Fußball hat eine enorme Kraft, Menschen zusammenzubringen. Doch diese Kraft darf nicht zerstörerisch wirken. Vereine, Sicherheitsbehörden und Fans müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen, um solche Eskalationen zu verhindern. Prävention, Fanarbeit und klare Konsequenzen müssen stärker in den Fokus rücken. Es darf nicht sein, dass sich die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt wie Jena vor einem Spieltag fürchten müssen.

Die Liebe zum Fußball bleibt ungebrochen – aber sie darf nicht blind sein für die Probleme, die der Sport auch mit sich bringen kann. Jena hat die Chance, ein Beispiel für eine positive Entwicklung zu setzen. Doch dafür braucht es den Willen aller Beteiligten, den Fußball wieder zu dem zu machen, was er sein sollte: ein Fest, das Freude bringt – und keine Angst.

FC Carl Zeiss Jena vs Chemie Leipzig 5:0 • Stadionatmosphäre (Pyroshow) | Ost-Klassiker 2024/25

Nachfolgend die Medieninformation der Landespolizei Thüringen zum Regionalligapunktspiel zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und der BSG Chemie Leipzig am 30. November 2024

Am Samstag, den 30. November 2024, fand die Regionalligapartie zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und der BSG Chemie Leipzig in der ad hoc Arena im Ernst-Abbe-Sportfeld statt. Das Traditionsduell verfolgten insgesamt 7.224 Zuschauern, darunter 1.084 Sympathisanten der Gastmannschaft. Das Spiel endete 5:0 für den FC Carl Zeiss Jena. Bereits 12:30 Uhr startete ein im Vorfeld nicht angemeldeter Fanmarsch von Anhängern der Heimmannschaft aus Richtung Magdelstieg. Aufgrund der ca. 350 Teilnehmer kam es temporär zu Verkehrsbeeinträchtigungen. In der Folge versuchten die Heimfans spontan über die Stadtrodaer Straße zum Stadion zu marschieren. Dies konnte nur unter dem Einsatz von körperlicher Gewalt sowie des Einsatzstockes und Reizgas unterbunden werden. Auch wurde aus dem Marsch mehrfach Pyrotechnik gezündet.

Die Anreise beider Fanlager verlief, bis auf die benannten Verstöße, ohne weitere nennenswerte Vorkommnisse. Der gesamte Spielverlauf war von beiden aktiven Fanlagern durch den mehrfachen Einsatz von Pyrotechnik gekennzeichnet.

Die aktiven Gästeanhänger zündeten beim Verlassen des Blocks nach Spielende sowohl im Stadion als auch hinter der Südtribüne mehrfach Pyrotechnik und warfen diese in Richtung von heimischen Fans. Dies veranlasste beide aktiven Fanlager zum gewaltsamen Öffnen zweier Puffertore hinter der Südtribüne. In der Folge kam es kurzzeitig zu einem unkontrollierten Aufeinandertreffen beider Fanlager mit enthemmter Gewaltanwendung. Die Situation konnte durch die dazwischen gehenden Polizeikräfte nur unter dem Einsatz von Reizgas und dem Einsatzstock unterbunden werden. Hinter der Südtribüne mussten mehrere massive Sachschäden konstatiert werden, so wurden Pufferzäune teils erheblich beschädigt und unbrauchbar gemacht Im Einsatzverlauf wurden zehn Polizeibeamte sowie fünf Ordner verletzt. Auch wurden insgesamt 64 verletzte Zuschauer, sowohl Heim- als auch Gästefans, bekannt.

Insgesamt wurden 40 Straf- sowie Ordnungswidrigkeitenanzeigen gefertigt. Die Landespolizeiinspektion Jena erfuhr zur Einsatzbewältigung Unterstützung durch weitere Thüringer Einsatzkräfte sowie der Bundespolizei.

Meinung: Das Bachstraßenareal in Jena – Ein Stadtquartier im Wartestand

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Das Bachstraßenareal in Jena ist seit Jahren eine Baustelle – allerdings nur in den Köpfen und auf den Reißbrettern der Stadtplaner. Wo ein neues, modernes Stadtquartier entstehen soll, das Wohnen, Arbeiten und Freizeit verbindet, herrscht vor allem eins: Stillstand. Und obwohl es nun endlich Anzeichen für Bewegung gibt, bleibt die Skepsis groß, ob aus den ambitionierten Plänen jemals Realität wird.

Die Grundidee ist vielversprechend. Ein urbanes Quartier, das Jena entlasten und gleichzeitig bereichern könnte: mit dringend benötigtem Wohnraum, modernen Gewerbeflächen und öffentlichen Freiräumen. Doch zwischen Vision und Umsetzung klafft ein beachtlicher Graben. Zu oft wurde in den vergangenen Jahren angekündigt, dass es bald vorangehe. Zu oft wurden Planungsansätze verworfen, um dann doch wieder bei null zu starten.

Ein zentraler Kritikpunkt ist die Bürgerbeteiligung – oder vielmehr deren Abwesenheit. Während auf dem Papier versprochen wurde, die Einwohnerinnen und Einwohner aktiv einzubinden, blieb es in der Praxis oft bei gut gemeinten Absichtserklärungen. Echte Mitbestimmung? Fehlanzeige. Viele Menschen fühlen sich ausgeschlossen, während Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden. Ein Problem, das das Vertrauen in die Stadtpolitik weiter erodieren lässt.

Und dann ist da noch das Geld. Selbst die besten Pläne können nur umgesetzt werden, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind. Doch angesichts der prekären Haushaltslage Thüringens und einer neuen Landesregierung, die sich erst finden muss, schwebt über dem Bachstraßenareal das Damoklesschwert des Scheiterns. Ohne Fördermittel vom Land oder Bund wird es kaum möglich sein, das Projekt in der vorgesehenen Form zu realisieren.

Dabei hat Jena keine Zeit zu verlieren. Die Stadt wächst weiter, der Bedarf an Wohnraum steigt, und auch die wirtschaftliche Entwicklung könnte von einem neuen Quartier profitieren. Doch der Umgang mit dem Bachstraßenareal zeigt, wie schwer es ist, ambitionierte Projekte in Zeiten knapper Kassen und politischer Unsicherheiten voranzutreiben.

Es braucht jetzt klare Entscheidungen und den politischen Willen, das Areal endlich zu einem Erfolg zu machen. Aber ebenso wichtig ist es, die Menschen vor Ort ernst zu nehmen. Eine echte Bürgerbeteiligung, die diesen Namen verdient, könnte neue Dynamik in das Vorhaben bringen – und das Vertrauen in die Stadtpolitik stärken.

Das Bachstraßenareal könnte ein Vorzeigeprojekt für Jena werden, ein Symbol dafür, dass auch große Visionen in die Realität umgesetzt werden können. Doch dafür müssen alle an einem Strang ziehen. Andernfalls droht das Projekt, wie so viele zuvor, in der Schublade der guten Ideen zu verschwinden – ein weiteres Kapitel im Buch der verpassten Chancen.

Nordhausen und die Schatten der Geschichte: Ein Rückblick aus dem Jahr 1991

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Die zweiten tausend Jahre - Historisches Material WW2 - Stadtgeschichte Nordhausen Germany

Die zweiten tausend Jahre – ein Film aus dem Jahr 1991, von der Stadt Nordhausen in Auftrag gegeben, widmet sich der Geschichte dieser thüringischen Stadt. Besonders intensiv setzt er sich mit der düsteren Epoche des Nationalsozialismus auseinander. Historisches Material, Interviews mit Zeitzeugen und Archivaufnahmen entfalten ein eindringliches Bild von den Ereignissen und ihrer Wirkung auf Nordhausen und seine Bürger.

Nordhausen vor dem Nationalsozialismus
Vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten war Nordhausen eine wohlhabende, liberale Stadt mit einem florierenden Stadtkern, in dem zahlreiche Kirchen und romantische Gassen das Bild prägten. Die Bürger genossen ein funktionierendes Nahverkehrssystem, ein Theater, ein städtisches Museum und weitläufige Parkanlagen. Die Brandweinherstellung und die Tabakindustrie waren wirtschaftliche Säulen der Stadt und ermöglichten Stabilität, auch in Krisenzeiten.

Eine blühende jüdische Gemeinde, bestehend aus Kaufleuten, Ärzten und Unternehmern, war fest in die Gesellschaft integriert. Die Rautenstraße, das Zentrum des Geschäftslebens, beherbergte viele jüdische Einzelhandelsläden, wie das Modehaus Kleimhar oder das Warenhaus Bintus und Eiffel. Doch diese friedliche Koexistenz sollte nicht lange währen.

Der Anfang vom Ende
Bereits 1933 begannen die Nazis, ihre Ideologie durchzusetzen. Antisemitische Maßnahmen wie der Boykott jüdischer Geschäfte wurden auch in Nordhausen durchgeführt. Die lokale NS-Führung, angeführt von Persönlichkeiten wie dem Oberbürgermeister Dr. Meister und dem Kreisleiter Nentwig, organisierte Propagandaaktionen und diskriminierende Gesetzesumsetzungen. Diese führten dazu, dass jüdische Ärzte und Anwälte ihre Zulassung verloren und jüdische Mitglieder aus Vereinen ausgeschlossen wurden.

Die wachsende Diskriminierung gipfelte in entwürdigenden Aktionen wie der öffentlichen Demütigung von Hermann Bacharach, einem jüdischen Viehhändler, der 1935 von einem Mob misshandelt wurde. Diese Vorfälle, die von der Bevölkerung teils stillschweigend hingenommen wurden, zeigen die schleichende Radikalisierung der Gesellschaft.

Reichspogromnacht und ihre Folgen
Die sogenannte Reichskristallnacht im November 1938 markierte einen weiteren grausamen Höhepunkt. In Nordhausen wurde die Synagoge am Pferdemarkt niedergebrannt, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört. Zeitzeugen berichten, wie jüdische Familien in dieser Nacht von SA-Truppen aus ihren Häusern gezerrt und misshandelt wurden. Viele wurden in Konzentrationslager wie Buchenwald deportiert. Die Deportationen und der systematische Raub jüdischen Eigentums führten dazu, dass die jüdische Gemeinde in Nordhausen bis 1942 nahezu ausgelöscht war.

Der Kohnstein und die Kriegsjahre
Während des Krieges wurde der nahegelegene Kohnstein ein zentraler Ort der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. Im Inneren des Berges richtete die SS eine gigantische Rüstungsfabrik für die Produktion der V2-Raketen ein. Gleichzeitig entstand in der Nähe das Konzentrationslager Mittelbau-Dora, in dem Tausende Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen starben.

Die Bevölkerung Nordhausens wusste um die Vorgänge, schwieg jedoch aus Angst oder Opportunismus. Nur wenige hatten den Mut, Widerstand zu leisten. Der Film zeigt erschütternde Bilder und Berichte, die das Grauen dieser Zeit dokumentieren.

Der Untergang Nordhausens
Im April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, wurde Nordhausen Ziel schwerer Luftangriffe der Alliierten. Über 8.000 Menschen starben, und die Stadt wurde fast vollständig zerstört. Die Bombardierung war eine Folge der strategischen Bedeutung der Rüstungsfabrik, aber auch ein Ausdruck der Rache für die von Nordhausen ausgehenden Kriegsverbrechen.

Ein Rückblick mit Warnung
„Die zweiten tausend Jahre“ endet mit einer eindringlichen Mahnung. Die Dokumentation zeigt, wie schnell ein blühendes Gemeinwesen in Hass, Gewalt und Zerstörung verfallen kann. Der Film ruft dazu auf, aus der Geschichte zu lernen, um zukünftiges Unheil zu verhindern.

Diese Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Erinnerungskultur. Er zeigt, wie wichtig es ist, den Opfern zu gedenken und die Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen.

Schwerin: Lange Wartezeiten in den DDR-Polikliniken im Jahr 1982

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Lange Wartezeiten in den DDR-Polikliniken | 1982, Schwerin

Die medizinische Grundversorgung war ein zentraler Aspekt des Gesundheitswesens in der DDR, wobei Polikliniken eine Schlüsselrolle spielten. Eine Kontrolle der Arbeiter- und Bauerninspektion (ABI) im Jahr 1982 zeigte jedoch erhebliche organisatorische Schwächen in den Schweriner Polikliniken auf, die sich vor allem in langen Wartezeiten, mangelndem Terminmanagement und unzureichenden Sprechzeiten äußerten.

Patienten berichteten von Wartezeiten von bis zu 3,5 Stunden, bevor sie von einem Allgemeinmediziner behandelt wurden. Besonders betroffen waren die Polikliniken West und Lankow, in denen kein Bestellsystem existierte und Früh- oder Spätsprechstunden nicht angeboten wurden. Im Vergleich dazu wiesen die Zentralklinik und das Stadtambulatorium Goethestraße deutlich geringere Wartezeiten auf. Letzteres glänzte mit einer durchschnittlichen Wartezeit von nur 20 Minuten, was auf ein seit über zehn Jahren etabliertes Bestellsystem zurückzuführen war.

Die ABI-Kontrolle hob mehrere Hauptprobleme hervor. Zunächst fehlte in den meisten Polikliniken ein funktionierendes Terminmanagement. Patienten mussten unangemeldet erscheinen und konnten lediglich hoffen, an diesem Tag behandelt zu werden. Darüber hinaus waren die Sprechstundenzeiten häufig nicht öffentlich ausgehängt, was die Planung für Patienten zusätzlich erschwerte. Früh- und Spätsprechstunden, die besonders für Berufstätige wichtig sind, wurden kaum angeboten. Mittwochnachmittage blieben regulären Sprechstunden komplett vorbehalten und waren stattdessen für Weiterbildungen und Beratungen vorgesehen, was dazu führte, dass dringende Fälle nur im Ausnahmefall behandelt wurden.

Die Analyse der einzelnen Polikliniken zeigte deutliche Unterschiede in der Organisation und Effizienz. In der Poliklinik West, wo kein Bestellsystem existierte, betrugen die Wartezeiten im Durchschnitt dreieinhalb Stunden. Frühsprechstunden gab es nicht, sodass Berufstätige kaum eine Möglichkeit hatten, vor Arbeitsbeginn einen Arzt aufzusuchen. Ähnlich sah es in der Poliklinik Lankow aus, wo Patienten durchschnittlich drei Stunden warteten. Zwar wurden hier Frühsprechstunden angeboten, doch fehlte auch hier ein System zur Terminvergabe.

Die Poliklinik Großer Dreesch wies mit durchschnittlich 50 Minuten vergleichsweise moderate Wartezeiten auf, bot jedoch ebenfalls keine Sprechstunden außerhalb der regulären Arbeitszeiten an. Ein anderes Bild zeigte sich im Stadtambulatorium Goethestraße, das trotz schwieriger äußerer Bedingungen – der Altbau war weniger gut ausgestattet – mit einer durchschnittlichen Wartezeit von nur 20 Minuten überzeugte. Hier war ein konsequentes Bestellsystem seit Jahren Standard, und sowohl Früh- als auch Spätsprechstunden wurden regelmäßig angeboten.

Die Ursachen für die Missstände waren vielfältig. Einerseits herrschte ein Mangel an Allgemeinmedizinern, der durch die hohe Arbeitsbelastung zusätzlich verschärft wurde. Andererseits fehlte es vielerorts an Flexibilität in der Organisation der Arbeitsabläufe. Einige Einrichtungen hielten an starren Arbeitszeiten fest und versäumten es, diese an die Bedürfnisse der Patienten anzupassen.

Angesichts der Ergebnisse der ABI-Kontrolle wurde ein Maßnahmenplan entwickelt, um die Situation nachhaltig zu verbessern. Dieser sah unter anderem die Einführung eines flexiblen Bestellsystems in allen Polikliniken vor. Früh- und Spätsprechstunden sollten verstärkt angeboten werden, insbesondere für Berufstätige. Zudem sollten die Sprechstunden- und Pausenzeiten öffentlich ausgehängt werden, um für mehr Transparenz zu sorgen. Der bisher ungenutzte Mittwochnachmittag sollte künftig für reguläre Sprechstunden geöffnet werden.

Darüber hinaus sollten Gespräche mit Teilzeitbeschäftigten geführt werden, um deren Arbeitszeit flexibler zu gestalten und die volle Auslastung zu gewährleisten. Ziel war es, die Effizienz der Arbeitsabläufe zu steigern und die Wartezeiten für Patienten zu reduzieren.

Bereits kurz nach der Einführung des Maßnahmenplans wurden in einigen Polikliniken erste Fortschritte sichtbar. In der Poliklinik Lankow wurden die Sprechzeiten öffentlich ausgehängt, und ein Bestellsystem wurde implementiert. Allerdings wurden Spätsprechstunden hier weiterhin nicht angeboten. Auch in der Poliklinik West zeigte sich eine Verbesserung, wenngleich die Veränderungen noch nicht vollständig umgesetzt waren.

Ein besonders positives Beispiel blieb das Stadtambulatorium Goethestraße. Hier wurden Früh- und Spätsprechstunden seit Jahren konsequent durchgeführt, und die Patienten äußerten sich durchweg zufrieden. Ein funktionierendes Bestellsystem, motiviertes Personal und eine stabile Arbeitsorganisation trugen maßgeblich zu diesem Erfolg bei. Die Mitarbeiter arbeiteten seit Jahren in einem gut eingespielten Team, was eine effektive Organisation der Sprechstunden erleichterte.

Die ABI-Kontrolle machte deutlich, dass organisatorische Defizite die medizinische Versorgung erheblich beeinträchtigen können. Gleichzeitig zeigte sie auf, dass durch gezielte Maßnahmen und eine konsequente Umsetzung deutliche Verbesserungen erzielt werden können. Während in einigen Polikliniken bereits Fortschritte sichtbar wurden, bleibt die nachhaltige Umsetzung der Maßnahmen eine langfristige Herausforderung.

Der Fall Schwerin verdeutlicht, wie wichtig eine effiziente Arbeitsorganisation, motiviertes Personal und ein patientenorientierter Ansatz für die Qualität der Gesundheitsversorgung sind. Insbesondere das Stadtambulatorium Goethestraße zeigt, dass auch unter schwierigen Bedingungen eine effiziente und patientenfreundliche Organisation möglich ist. Dieses Beispiel könnte als Modell für andere Einrichtungen dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Die Massermühle in Katzhütte in Thüringen: Vom Stolz des VEB Robotron zur Ruine

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Hotel restaurant camping Massermühle - Katzhütte

Die Massermühle in Katzhütte: Ein Ort, der einst von Lebensfreude, Urlaubserinnerungen und Gastfreundschaft geprägt war, zeigt sich heute als ein erschütterndes Zeugnis von Verfall und Verwahrlosung. Der Zustand des ehemaligen Ferienheims und der dazugehörigen Gebäude offenbart, wie schnell ein Ort des Zusammenkommens durch äußere Umstände und menschliches Versagen zur Ruine werden kann. Diese Geschichte beginnt mit einem ehemaligen Ferienobjekt des VEB Robotron Sömmerda, das jahrzehntelang als Urlaubsziel für Werktätige und ihre Familien diente, und endet in einem Lost Place, der nur noch Schatten seiner selbst ist.

Ein Blick in die Gegenwart
Bilder aus der Massermühle, die ein Filmemacher von „Wühlmäuse TV“ vor Kurzem in einem YouTube-Video veröffentlichte, zeigen das traurige Schicksal des ehemaligen Ferienheims. Der Boden ist übersät mit Müll, Heizkörper wurden aus den Wänden gerissen, und Holzverkleidungen liegen in Trümmern. Zwischen Überbleibseln des früheren Alltags – wie Wintersportkarten, Küchenutensilien und sogar Formularen für das Finanzamt – zeugen Schimmelflecken und tropfendes Wasser im Dachgeschoss von jahrelanger Vernachlässigung. Besonders bedrückend ist der Zustand des Schwimmbeckens, das mit Möbeln und anderem Unrat gefüllt ist, sowie das Bettenhaus, das nur noch mit Atemmaske betreten werden kann. Der Schimmel hat dort bereits weite Teile der Wände und Decken erobert.

Der Filmer berichtet, dass er vor zwei Jahren bereits vor Ort war. Damals, so seine Einschätzung, hätte die Anlage mit etwas Aufwand wieder in Betrieb genommen werden können. „Einfach durchkehren, das Poolwasser wechseln, und es wäre wieder nutzbar gewesen“, erinnert er sich. Heute jedoch sei das Gebäude so zerstört, dass kaum noch eine andere Option bleibe, als es abzureißen.

Verlassenen Waldgasthof gefunden - Alles zurück gelassen und kein Vandalismus!!!Ende 2019 verlassen!

Ein geschichtsträchtiges Gebäude
Die Geschichte der Massermühle reicht bis ins Jahr 1898 zurück. Unter DDR-Verwaltung wurde das Gebäude zum Ferienheim für Werktätige des VEB Robotron Sömmerda, das ab 1969 Teil des größten Industriekombinats der DDR war. Viele Menschen, die hier einst ihre Ferien verbrachten, teilen heute nostalgische Erinnerungen in sozialen Netzwerken. In einer Facebook-Gruppe namens „DDR-Ferienlager“ wird häufig von glücklichen Sommerferien erzählt, von Wanderungen durch das Massertal und der herzlichen Betreuung durch die Betreiberfamilie Müller.

Nach der Wende schien das Objekt den Sprung in die Marktwirtschaft zu schaffen: Herbert und Sylvia Mattig verwandelten die Massermühle in ein erfolgreiches Familienunternehmen mit Hotelbetrieb, Restaurant und Wohnmobilstellplatz. Besonders in den schneesicheren Wintern 2014 und 2015 wurde die Massermühle sogar überregional bekannt, als der Sohn der Familie, Tim Mattig, mit einem gigantischen Schneemann für Aufmerksamkeit sorgte.

Der Anfang vom Ende
Die Erfolgsgeschichte der Massermühle nahm jedoch ein abruptes Ende, als jahrelange Straßenbauarbeiten die Region von der Außenwelt abschnitten. Mit Vollsperrungen sowohl vom Schwalbenhaupt als auch von Oelze aus konnte die Ausflugsgaststätte ihre Gäste nicht mehr erreichen. Der wirtschaftliche Schaden war enorm, und die Massermühle musste schließlich schließen.

Ein niederländisches Ehepaar kaufte das Objekt, mit der Idee, hier einen Alterssitz zu errichten, der zugleich als Beherbergungsbetrieb genutzt werden könnte. Doch die Beziehung zwischen den neuen Eigentümern und der Dorfgemeinschaft verlief alles andere als harmonisch. Konflikte und behördliche Kontrollen, insbesondere im Zusammenhang mit der Tierhaltung des Paares, führten zu einem angespannten Verhältnis. Schließlich suchten die Eigentümer in Südfrankreich ein neues Zuhause und ließen die Massermühle 2021 endgültig zurück.

Vom Verfall zum Lost Place
Die Abwesenheit der Eigentümer machte das Gebäude zu einem Magneten für Einbrecher und Vandalen. Teile der Inneneinrichtung wurden gestohlen, Wände und Böden zerstört, und das einst stolze Ferienheim verwandelte sich in eine Ruine. Ermittlungen zu den wiederholten Einbrüchen verliefen im Sande, und auch die Gemeinde Katzhütte konnte keine Rückzahlungen der offenen Grundsteuerforderungen von den Eigentümern einfordern.

Die Situation eskalierte, als die offenen Forderungen im Dezember 2023 bereits auf über 23.000 Euro angewachsen waren. Bürgermeisterin Ramona Geyer erklärte, dass die Gemeinde daraufhin einen Antrag auf Zwangsversteigerung stellte. Am 7. Januar 2024 soll das ehemalige Ferienheim am Amtsgericht Rudolstadt zwangsversteigert werden, gefolgt vom Bettenhaus am 18. Februar. Die Schätzungen für die Objekte belaufen sich auf gerade einmal 8000 Euro für die ehemalige Gaststätte mit Nebengebäuden und 2000 Euro für das Bettenhaus.

Ein unwürdiges Ende für einen historischen Ort
Die Massermühle ist heute ein Sinnbild für sinnlosen Verfall und die Folgen von Vernachlässigung. Ein Ort, der einst voller Leben und Freude war, steht nun leer und wird von Schimmel, Vandalismus und Verfall beherrscht. Die bevorstehende Zwangsversteigerung wird vermutlich keine Rettung mehr bringen – die Schäden sind zu groß, die Investitionen, die erforderlich wären, um den ursprünglichen Glanz wiederherzustellen, kaum realisierbar.

Für die Menschen, die hier einst glückliche Ferien verbrachten oder als Ausflügler einkehrten, bleibt die Massermühle in Erinnerung. Doch ihre gegenwärtige Realität ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie schnell der Wert und die Bedeutung eines Ortes durch äußere Umstände und menschliches Versagen verloren gehen können.

Lost Place zu ersteigern.