Der Traditionszug der Thüringer Waldbahn: Auf Spurensuche zwischen Gotha und Tabarz

Gotha/Thüringer Wald. Eine Reise in die Vergangenheit und zugleich ein lebendiges Erlebnis für Jung und Alt: Unter dem Motto „Unterwegs mit der Thüringer Waldbahn“ präsentiert eine ZDF-Reportage aus dem Jahr 1988 die 21,7 Kilometer lange Überlandstrecke von Gotha nach Tabarz als nostalgisches wie kulturelles Kleinod. An Bord eines originalgetreu restaurierten Traditionszugs von 1928 erzählt der gebürtige Gothaer und Ensemble-Schauspieler vom Berliner Ensemble seine persönliche Heimaterfahrung – ein szenischer Auftakt für eine zeitlose Entdeckungsfahrt.

Bereits am Bahnhof Gotha, einer Stadt mit über 1 200 Jahren Geschichte, versprechen restaurierte Barockbauten und moderne Wohnensembles ein harmonisches Stadtbild. Die ersten fünf Kilometer teilen sich Waldbahn und städtische Straßenbahn: „Und falls Sie auch einen Gothano-Wermutlein vor sich haben, umso besser – und dann mal los“, heißt es augenzwinkernd im Kommentar. Doch bald verlässt die Bahn das urbane Terrain, um nach Sundhausen und weiter durch dichte Wälder zu führen.

Ein Blick zurück führt in das Jahr 1929: Nach schwierigen Verhandlungen zwischen dem Herzogtum Gotha und der AEG sowie Verzögerungen durch Krieg und Wirtschaftskrise feierte die Waldbahn am 17. Juli 1929 ihre Eröffnung. Seither pendelt sie nahezu ununterbrochen von frühmorgens bis spätabends und verkehrt noch heute stündlich zwischen 4 und 23 Uhr – eine Seltenheit im Zeitalter automatisierter Kontrollsysteme, denn hier kassiert noch der Schaffner persönlich.

Stationen voller Geschichten
Boxberg: Das volkseigene Gestüt züchtet englische Vollblüter für Flach- und Jagdrennen. Ein Festplatz der Pferdesporttradition, der seit 1878 Reiter und Kutschengäste empfängt.
Gleisdreieck: Ausweichstelle und Umsteigepunkt: Wer von hier nach Waltershausen möchte, steigt um – oder kühlt sich im nahegelegenen Waldbad ab.
Schnäpfental: Heimat des historischen Philanthropions, gegründet 1779 von Christian Gotthilf Salzmann. Heute erweitertes Oberschulgebäude und Schauplatz des ersten deutschen Turnplatzes nach Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Besucher können noch immer die antiken Gymnastikübungen ausprobieren.
Reinhardsbrunn: Unterhalb der Normalspurtrasse ragt das ehemalige herzogliche Jagdschloss auf 900-Jahre alten Klostermauern. Heute Hotel und Reisebüro, erinnert es an prunkvolle Herzogzeiten.
Friedrichroda: Am höchsten Punkt der Strecke liegt der Kurort, bekannt für das unterirdische Naturdenkmal Marienglashöhle – eine der größten Gipskristallgrotten Europas, entdeckt 1784.

Nach rund einer Stunde Fahrt erreichen Historiker, Eisenbahnfreunde und Erholungsuchende das Ziel: das idyllisch gelegene Tabarz. Von hier führen Wanderwege hinauf zum Großen Inselsberg und entlang des berühmten Rennsteigs. Mit einem Blick zurück auf die dampfende Lok und den stillen Schienenstrang klingt die Reportage aus mit einem Glas Thüringer Gastfreundschaft: „Zum Wohl – auf ein baldiges Wiedersehen auf der Thüringer Waldbahn!“

Die Sendung verbindet persönliche Anekdoten („Für mich als Junge gehörte das zu den großen Erlebnissen, wenn Mutter mit mir die Rutsche bestieg…“) mit präziser Lokalgeschichte. Sie zeigt, wie eine regionale Bahnstrecke weit mehr ist als ein Verkehrsmittel: Sie ist Zeitmaschine, Freizeitvergnügen und lebendiges Erinnerungsstück zugleich.



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