Der Konflikt um die Einführung einer Thüringer Gemeinschaftsschule (TGS) in Apolda erreicht eine neue Stufe: Der Landkreis Weimarer Land klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Anweisung des Thüringer Bildungsministeriums, die Schulform im nördlichen Schulkomplex der Stadt einzuführen. Damit wird die Frage, ob die TGS eingerichtet werden muss, zur gerichtlichen Entscheidung.
Kapazitätsprobleme als Hauptargument des Landkreises
Seit Jahren schwelt die Auseinandersetzung zwischen dem Landkreis, der als Schulträger die Verantwortung für die regionale Schulnetzplanung trägt, und dem Bildungsministerium. Jacqueline Schwikal, Leiterin des Schulverwaltungsamts im Landkreis, argumentiert, dass die räumlichen Kapazitäten der betroffenen Schulen – der Grundschule Christian Zimmermann und der Regelschule Werner Seelenbinder – nicht ausreichten, um eine Gemeinschaftsschule mit den Klassenstufen 1 bis 10 zu etablieren. Sie verweist auf wachsende Schülerzahlen aufgrund von Zuzügen, insbesondere von Migranten und Familien aus EU-Ländern.
Darüber hinaus warnt Schwikal vor den Folgen für die Regelschulstruktur in Apolda. Sollte die Gemeinschaftsschule eingeführt werden, würde der zweite Regelschulstandort der Stadt wegfallen. Die verbleibende Pestalozzi-Regelschule sei bereits stark ausgelastet, was zu einer weiteren Verschärfung der Raumproblematik führen könnte.
Ministerium pocht auf den Willen der Schulgemeinschaft
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Die Linke) widerspricht diesen Bedenken und betont, dass der Wunsch der Schulgemeinschaften entscheidend sei. Bereits 2018 hätten die Schulkonferenzen der betroffenen Schulen einen klaren Beschluss zugunsten der TGS gefasst. „Diese Beschlüsse sind weiterhin gültig, da sie nicht aufgehoben wurden“, so Holter. Das Ministerium habe den Landkreis nach erfolglosen Einigungsversuchen und einer Anhörung am 5. September per Bescheid angewiesen, die Gemeinschaftsschule einzurichten.
Holter unterstreicht, dass es ein schlüssiges Konzept für die neue Schulform gebe, das sowohl pädagogisch als auch organisatorisch tragfähig sei. Bei einem Besuch in Apolda im Jahr 2024 habe er durch Gespräche mit Eltern, Lehrern und Schulleitungen den Eindruck gewonnen, dass die Einführung der Gemeinschaftsschule weiterhin breite Unterstützung finde. Besonders die Schulleitungen seien die besten Ansprechpartner, wenn es um die Einschätzung des tatsächlichen Raumbedarfs gehe.
Herausforderungen bei der Partnerschule für den gymnasialen Abschnitt
Eine der zentralen Hürden bleibt die Suche nach einer Partnerschule für den gymnasialen Abschnitt der TGS. Dieser umfasst die Klassenstufen 9 und 10 und erfordert spezielle personelle und organisatorische Voraussetzungen. Holter räumt die Herausforderung ein, zeigt sich jedoch optimistisch, dass eine Kooperation mit der Bergschule gelingen könnte.
Jahrelange Verzögerungen sorgen für Frust
Die Debatte um die Gemeinschaftsschule zieht sich bereits über mehrere Jahre hin. Gudrun Kittel, Vorsitzende der Kreistagsfraktion Linke/Grüne, zeigt sich enttäuscht über die Untätigkeit des Kreistags, der keine verbindliche Entscheidung getroffen habe. Sie unterstützt den Bescheid des Bildungsministeriums und betont, dass dieser Schritt gesetzlich vorgesehen sei, wenn der Schulträger nicht handlungsfähig sei.
Kittel kritisiert zudem, dass die Initiative zur Einführung der TGS von Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen weitgehend ignoriert werde. „Es ist bedauerlich, dass der Kreistag nach so vielen Jahren des Hin und Her nicht in der Lage war, eine Lösung zu finden“, so Kittel. Die Fraktion Linke/Grüne sieht in der Entscheidung des Ministeriums einen konsequenten Schritt, der die Interessen der Schulgemeinschaften in den Vordergrund rückt.
Gericht entscheidet über Zukunft der Gemeinschaftsschule
Bis zur gerichtlichen Klärung bleibt die Anweisung des Bildungsministeriums ausgesetzt. Das Verwaltungsgericht wird darüber entscheiden, ob die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Einführung der Gemeinschaftsschule erfüllt sind. Der Ausgang ist offen, doch der Konflikt wirft grundsätzliche Fragen über die Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen in der Schulpolitik auf. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Schulnetzplanung in Thüringen haben und ein Präzedenzfall für ähnliche Konflikte werden.