Steuerstreit, Hungerstreik und Polizeieinsatz – Die PDS im Ausnahmezustand

Ein bizarrer Mix aus politischem Protest, staatlicher Härte und medienwirksamer Inszenierung: Die PDS, Nachfolgepartei der SED, sieht sich mit einem Steuerbescheid in Millionenhöhe konfrontiert – und greift zu drastischen Mitteln. Parteichef Gregor Gysi und mehrere Mitstreiter treten in den Hungerstreik. Der Staat reagiert prompt – mit einem polizeilichen Räumungseinsatz, der Fragen zur Verhältnismäßigkeit aufwirft.

Der Auslöser: Ein umstrittener Steuerbescheid
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht ein Steuerbescheid des Berliner Finanzamts: 67.440.142 D-Mark soll die Partei zahlen – laut Gysi eine willkürliche und politisch motivierte Forderung. Der Bescheid bezieht sich offenbar auf rückwirkende Steuerforderungen aus dem Jahr 1990, das Jahr der deutschen Einheit. Experten äußern Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Maßnahme, auch die Treuhandanstalt und gerichtliche Stellungnahmen äußern Skepsis.

„Wenn ich erst von drei Millionen rede und dann plötzlich 67 Millionen fordere – da stimmt doch was nicht“, kritisierte Gysi in einer öffentlichen Erklärung. Er sieht in dem Vorgehen eine gezielte Attacke auf die Existenz der Partei.

Protest im Parteibüro: Hungerstreik als politische Waffe
Als Reaktion auf die Forderung trat die Parteiführung in einen kollektiven Hungerstreik. In den Räumen der Parteiprüfungskommission verweigerten sieben PDS-Mitglieder – darunter Gysi – demonstrativ die Nahrungsaufnahme. Es sollte ein Zeichen des Widerstands sein, eine Mahnung an die Öffentlichkeit. Doch die Inszenierung wurde vom Staat nicht unbeantwortet gelassen.

Polizeiliche Räumung eskaliert
In der Nacht kam es zur Eskalation. PDS-Mitglieder versuchten, die Räume der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zu besetzen. Die Polizei griff ein – mit einem massiven Aufgebot. Der Zugang wurde blockiert, Mannschaftswagen fuhren auf, ein Kamerateam von SPIEGEL TV wurde bei der Räumung grob behandelt. Eine Kamera wurde dabei erheblich beschädigt – ein Vorgang, der Erinnerungen an autoritäre Regime wachrief.

„In Sachen Pressefreiheit hat man viel von der DDR gelernt“, kommentierte ein Reporter sarkastisch. Die Polizei hingegen sprach von einem „ordnungsgemäßen Einsatz“ und bestritt den Einsatz von Gewalt – trotz gegenteiliger Bildaufnahmen.

Der Kampf geht weiter – auf der Theaterbühne
Nach der Räumung verlagerte die PDS ihren Protest in ein Theater – der Intendant zeigte sich solidarisch. „Kunst kennt leere Mägen“, hieß es. Zwischen Klappbetten und Kissenverteilung ging der Kampf ums politische Überleben weiter. Unterdessen hatte das Finanzamt bereits erste drei Millionen D-Mark vom Parteikonto gepfändet – eine klare Ansage.

Politisches Drama mit offenem Ausgang
Der Fall zeigt: Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und der Umgang mit dem Erbe der SED ist auch 35 Jahre nach der Wende ein politisch explosives Thema. Die PDS fühlt sich verfolgt, der Staat beruft sich auf Recht und Gesetz – und mittendrin ein Protest, der zwischen Ernst und politischem Theater schwankt. Wie dieser Konflikt ausgeht, bleibt abzuwarten – sicher ist nur: Die Fronten sind verhärtet.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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