
Die AfD hat TikTok längst als Schlüsselinstrument im politischen Kommunikationsmix etabliert. Mit über 500.000 Followern allein auf dem Kanal der Bundestagsfraktion – mehr als alle anderen im Bundestag zusammen – demonstriert die Partei ihre Dominanz auf der Plattform. Hinter diesem scheinbar erfolgreichen Social-Media-Auftritt verbirgt sich jedoch ein komplexes Netzwerk aus Fake-Profilen, koordinierten Aktionen und gezielter Manipulation.
Die „TikTok-Armee“ im Einsatz
Ein zentrales Element der Strategie sind hunderte inoffizielle Profile, die oft kaum von offiziellen Kanälen zu unterscheiden sind. Innerhalb dieser sogenannten „TikTok-Armee“ agieren Nutzer, die über Multi-Accounting ihre Botschaften vervielfältigen und selbst bei Sperrungen stets wieder auftauchen. Mit rund 1,5 Millionen Followern und Millionen von „Gefällt mir“-Angaben simulieren diese Accounts den Eindruck einer breiten, unterstützenden Community. Ziel ist es, durch künstlich erzeugte Popularität politische Narrative weitreichend zu verbreiten.
Polarisierung und emotionale Mobilisierung
Die inhaltliche Ausrichtung der AfD auf TikTok setzt stark auf Polarisierung. In zahlreichen Videos wird ein gescheitertes, von Krisen und Verlust tradierter Werte gezeichnet – ein düsteres Bild, das den Kontrast zu einer vermeintlich idealisierten, von der AfD geführten Zukunft betont. Hinzu kommt der Einsatz von künstlicher Intelligenz: KI-generierte Bilder, Videos und sogar Musikvideos transportieren provokante Inhalte, die kaum als computergeneriert erkennbar sind. Diese Inhalte schüren Emotionen, heizen Debatten an und nutzen die Mechanismen des TikTok-Algorithmus aus, der vor allem kontroverse und emotional aufgeladene Posts belohnt.
Koordination im „Vorfeld“ und die Rolle der Jugendorganisation
Nicht zuletzt wird die digitale Strategie von einem eng vernetzten Unterstützerfeld getragen – dem sogenannten „Vorfeld“. Über Plattformen wie Telegram koordinieren rechte Gruppierungen, Medien und Organisationen Kampagnen, die dann von den offiziellen Kanälen und zahlreichen inoffiziellen Profilen aufgegriffen werden. Besonders auffällig ist die Rolle der Jugendorganisation, ehemals unter dem Namen „Junge Alternative“, die trotz interner Querelen und anschließender Umstrukturierungen maßgeblich zur Verbreitung der Inhalte beiträgt. Die Mobilisierung junger Wähler steht dabei im Fokus: Provokante Aktionen, Verlosungen und die Inszenierung eines vermeintlich „coolen“ Rechtsseins zielen darauf ab, die nächste Generation für die Partei zu gewinnen.
Manipulation des Algorithmus und externe Einflüsse
Die AfD-Akteure kennen die Funktionsweise von TikToks Algorithmus genau und nutzen diese Kenntnis, um ihre Inhalte gezielt zu pushen. Durch das massenhafte Setzen von Hashtags – gelegentlich auch jenen, die von politischen Gegnern verwendet werden – und das bewusste Anheizen von Kommentardebatten erreichen sie eine hohe Sichtbarkeit. Auch externe Faktoren, wie die öffentliche Unterstützung prominenter Persönlichkeiten, werden geschickt in die Narrative integriert, um die Glaubwürdigkeit der eigenen Botschaften zu untermauern.
Gefährdung der demokratischen Diskussionskultur
Während die AfD ihren digitalen Fußabdruck auf TikTok stetig ausbaut, wirft ihr Vorgehen zahlreiche Fragen zur Integrität demokratischer Meinungsbildung auf. Die aggressive Nutzung von Fake-Profilen, die systematische Verbreitung manipulativer Inhalte und die gezielte Mobilisierung junger Menschen tragen dazu bei, dass extremistisches Gedankengut nicht nur normalisiert, sondern auch in den politischen Mainstream getragen wird. Angesichts dieser Entwicklungen wird deutlich, dass der digitale Raum – und insbesondere Plattformen wie TikTok – zunehmend zu einem Schlachtfeld politischer Einflussnahme werden.
In einer Zeit, in der soziale Medien immer mehr zur politischen Meinungsbildung beitragen, müssen Plattformbetreiber, Politik und Gesellschaft gleichermaßen aufmerksam bleiben. Der digitale Diskurs darf nicht zur Spielwiese manipulativer Akteure verkommen, denn die Konsequenzen können weit über die nächste Wahl hinausreichen.