Geheimsache „Revisor“ – Wie die Stasi einen Kritiker ausschaltete

Im Januar 1984 wurde in der DDR ein Mann unter dem Decknamen „Revisor“ verhaftet. Er hatte vor, kritische Schriften an westdeutsche Medien weiterzugeben. Was wie ein klassischer Spionagefall klingt, war in Wahrheit ein sorgfältig inszeniertes Beispiel der Staatssicherheit (Stasi) für ihre eigenen Mitarbeiter. Der Fall diente als Vorlage für einen internen Lehrfilm, in dem minutiös demonstriert wurde, wie potenzielle Regimekritiker aufgespürt und unschädlich gemacht wurden.

Ein Verdacht nimmt Form an
Der Fall begann mit einem Tipp eines inoffiziellen Mitarbeiters (IMB Roland), der einen verdächtigen Telefonkontakt beobachtete. Die Staatssicherheit verfolgte daraufhin die Spur des Unbekannten und fand heraus, dass dieser die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin besucht hatte. Es war das erste Puzzlestück in einem Fall, der systematisch aufgebaut wurde.

Die Ermittler rekonstruierten seine Vergangenheit: ein ehemaliger Genosse, ausgestoßen aus der Partei, isoliert und mit einem ausgeprägten Misstrauen gegen den Staat. Seine Manuskripte, die sich mit der politischen Lage in der DDR auseinandersetzten, wurden als „staatsfeindliche Hetze“ eingestuft.

Die perfide Taktik der Stasi
Die Staatssicherheit ging mit konspirativen Methoden vor. Eine verdeckte Wohnungsdurchsuchung am 5. Januar 1984 brachte Beweise ans Licht: Dokumente, Gedichtbände und unveröffentlichte Romane, die heimlich fotografiert wurden. Der Verdächtige selbst ahnte nichts. Die Stasi prüfte in der Zwischenzeit seinen Tagesablauf, observierte seine Kontakte und wartete auf den passenden Moment zum Zugriff.

Am 7. Januar war es so weit: Der „Revisor“ wurde auf dem Weg zu einem geheimen Treffen mit einem westdeutschen Journalisten festgenommen. Die Unterlagen, die er übergeben wollte, waren bereits in den Händen der Staatssicherheit. Die Festnahme verlief unauffällig – genau nach Plan, wie es das Lehrbuch vorsah.

Der Lehrfilm als Warnung
Der Fall „Revisor“ wurde als Schulungsfilm innerhalb des Ministeriums für Staatssicherheit verbreitet. Die Botschaft war eindeutig: Jede noch so kleine Regimekritik kann aufgedeckt und unterbunden werden. Die detaillierte Dokumentation zeigte, wie die einzelnen Abteilungen zusammenarbeiteten, um einen Verdächtigen zu überführen, noch bevor er einen „politischen Schaden“ anrichten konnte.

Für die Betroffenen bedeutete dies das Ende ihrer Freiheit. Ob Gefängnis, Zersetzung oder erzwungene Ausreise – der Staat duldete keinen Widerspruch. Die Geschichte von „Revisor“ steht exemplarisch für unzählige andere Schicksale, die durch das dichte Netz der DDR-Geheimpolizei gefangen wurden.

Heute, vier Jahrzehnte später, ist der Fall nicht nur ein bedrückendes Beispiel für staatliche Repression, sondern auch eine Mahnung an nachfolgende Generationen, wie ein überwachungsstaatliches System Kritik im Keim zu ersticken suchte.



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