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Warum viele in Deutschland gefühlt unfreier werden

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Potsdam – In einer Podiumsdiskussion der Berliner Zeitung in der Potsdamer Reithalle wurde jüngst über „Die Schwierigkeit mit der Freiheit“ debattiert. Die Runde, bestehend aus der ehemaligen Vorständin und Autorin Simona Stutkowa, dem Unternehmer und Verleger Holger Friedrich und dem Musiker Hans Eckardt Wenzel, beleuchtete die Facetten eines komplexen Begriffs, der in Deutschland trotz rechtlicher Garantien für viele mit einem wachsenden Gefühl der Einschränkung verbunden ist.

Holger Friedrich eröffnete die Debatte mit der Beobachtung, dass Zahlen, die ein zunehmendes Gefühl zeigen, die eigene Meinung in Deutschland nicht frei äußern zu können, „nie lügen“. Zwar lande man dafür nicht im Gefängnis – der Entzug der Freiheit im äußersten Sinn – doch es gebe einen Preis: soziale Ausgrenzung, Diffamierung, Kontaktschuld, Beschimpfung. Dies schaffe eine strukturelle Unsicherheit im Umgang mit diskreditierten Personen. Friedrich zitierte einen internationalen Experten, der in Deutschland nicht mehr sage, was er denke, da die Konsequenzen für seine Familie zu groß seien. Dies zeige einen Zustand der Intoleranz und einer „freiwilligen Selbstverzwergung“.
Ein weiterer zentraler Punkt, besonders im Osten Deutschlands, ist das Misstrauen gegenüber den Medien. Simona Stutkowa, die in ihrem Buch das Bild des Ostens in den Medien thematisiert, erklärte dies mit der Darstellung von Klischees, die nicht die Wahrheit spiegeln und oft von Journalisten geschrieben werden, die nie im Osten waren. Hans Eckardt Wenzel, als „gelernter Ostdeutscher“, führte das Misstrauen auf das Aufwachsen mit zwei Informationssystemen zurück, die beide nicht „hinreichend“ waren und dazu zwangen, sich eine eigene Weltsicht aufzubauen. Dieses Misstrauen werde durch aktuelle „politische Katastrophen“ verschärft.

Die Runde sprach über eine wahrgenommene „Verschärfung eines Kriegszustandes“ und die Kriminalisierung Andersdenkender. Wenzel berichtete, dass er an vielen Orten nicht mehr auftreten dürfe – eine Erfahrung, die er auch aus der DDR kenne, aber heute aus anderen Gründen (z. B. als „Putin Versteher“). Er beklagte „Denkverbote“ und ein ideologisches Muster, das sofort „Erzählungen parat“ habe, um Personen zu diskreditieren, etwa durch das Label „Verschwörungstheoretiker“, das es ermögliche, Argumente zu ignorieren. Dies führe zu mangelnder Durchlässigkeit in der Gesellschaft und der Schwierigkeit, anzunehmen, dass der andere vielleicht auch recht haben könnte.

Holger Friedrich, der 2019 die Berliner Zeitung kaufte, schilderte seine Erfahrungen als Unternehmer. Die Medien zeichneten oft ein stereotypes Bild vom Unternehmer als Steuerverkürzer oder Ausbeuter, das nicht mit seiner Lebenswirklichkeit korrelierte, die von Risiko, schwierigen Entscheidungen und Kundenorientierung geprägt sei. Auch die Berichterstattung über den Osten habe nichts mit seiner Realität zu tun gehabt. Bei der Übernahme der Berliner Zeitung traf er auf Mitarbeiter, deren vorherrschendes Gefühl Angst vor der Wirklichkeit war, gepaart mit einer Art „kognitiver Autosuggestion“ und struktureller Unwilligkeit, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Der Transformationsprozess, der darauf abzielte, den Markt und die Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und den Debattenraum zu erweitern, sei „brutale Gewalt“ gewesen, da viele Mitarbeiter nicht willig waren. Für diesen Kurs erhalte die Berliner Zeitung nun Lob von den Lesern, aber auch „schwerste Beschimpfungen“ von der Konkurrenz. Friedrich merkte an, dass die Reputation und persönliche Chancen darunter gelitten hätten, und er würde die Entscheidung mit heutigem Wissen nicht wieder treffen.

Die Diskussion berührte auch die Frage, wie erfolgreich Ostdeutsche in Deutschland wahrgenommen werden. Simona Stutkowa berichtete von ihren Erfahrungen, als sie sich in der Bank als Ostdeutsche outete. Viele Reaktionen zeigten Erstaunen und Misstrauen, nach dem Motto: „Du siehst gar nicht so aus“, „wirkt nicht so“, „ist es wirklich die Wahrheit?“. Sie führte ihren Erfolg auf Vorbilder, Pragmatismus, Resilienz und eine „Transformationskompetenz“ zurück, die sie in ihrer ostdeutschen Erziehung erworben habe. Diese Fähigkeit, Menschen durch Wandel zu führen, sei im Osten durch die Wende stark ausgeprägt. Interessanterweise werde diese Eigenschaft international eher als Pluspunkt gesehen („kriegen wir schon irgendwie hin“), während man in Deutschland immer noch als „Ossi“ wahrgenommen werde.

Holger Friedrich widersprach der Vorstellung, dass es für Ostdeutsche per se schwerer sei als für andere Minderheiten. Er forderte dazu auf, sich nicht in einer Opferrolle einzurichten, sondern die Rahmenbedingungen zu akzeptieren, die Regeln zu lernen und die „extra Meile“ zu gehen. Chancengleichheit sei das Ziel, nicht Ergebnisgleichheit. Er betonte, dass Erfolg primär auf Mindset, Kreativität und Zähigkeit beruhe, nicht auf Geld.

Die Podiumsmitglieder und das Publikum reflektierten über die Bedeutung der Freiheit im Alltag. Hans Eckardt Wenzel sprach über die künstlerische Freiheit und ihre schwindende Bedeutung in einem Kunstbetrieb, der zum „Wellnisbetrieb“ werde. Er erinnerte an die subversive Kraft der Kunst in der DDR und die Gefahr der Überpolitisierung. Ein Zuschauer berichtete, dass die Corona-Zeit für ihn ein „Trauma“ sei, da sie gezeigt habe, wie schnell Freiheit eingeschränkt werden könne und wie passiv die Mehrheit der Bevölkerung dies hingenommen habe. Ostdeutsche hätten diese Muster oft wiedererkannt.

Holger Friedrich bestätigte, dass er als Techniker während Corona die schnelle Einführung neuer Technologien ohne ausreichende Risikobetrachtung kritisch sah. Er beobachtete eine gesellschaftliche „Normierung“ und Ängstlichkeit in der eigenen Redaktion. Simona Stutkowa stimmte zu, dass die Corona-Zeit gezeigt habe, wie schnell selbstverständlich geglaubte Rechte weg sein können. Sie verbinde Freiheit mit Demokratie und sorge sich um deren Zukunft in Deutschland und Europa.

Wenzel betonte die Notwendigkeit, sinnlose Begrenzungen der Freiheit „kenntlich zu machen“ und sprachlich zu formulieren. Er verwies auf „Denkverbote“ in aktuellen Debatten (z. B. bei Themen wie Gaza, Waffenlieferungen, Russland) und die sprachlichen Barrieren, die uns unserer Freiheit beraubten. Es sei Freiheit, dagegen vorgehen zu können und zu müssen. Freiheit existiere nur unter radikal demokratischen Strukturen, was auch die Legitimation von Macht in Frage stelle.

Abschließend klang an, dass Freiheit kein Zustand, sondern etwas ist, wovon man frei ist (Freiheit von) oder wozu man die Möglichkeit hat (Freiheit zu). Sie sei wie ein Muskel, der trainiert werden müsse. Die Diskussion zeigte, dass Freiheit viele Dimensionen hat – von der persönlichen Meinungsäußerung und wirtschaftlichen Betätigung bis hin zur künstlerischen Entfaltung und der Verantwortung für die Gemeinschaft. Die Suche nach einem Kompass in dieser Freiheit bleibe eine ständige Herausforderung.
Der Beitrag basiert ausschließlich auf den Informationen des bereitgestellten YouTube-Transkripts.

Ausbeutung für den Westen: Die Schatten der Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen

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Die Aufarbeitung der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland ist eine fortlaufende Aufgabe. Ein besonders dunkles Kapitel, das zunehmend beleuchtet wird, ist die systematische Ausbeutung politischer Häftlinge und anderer Insassen durch Zwangsarbeit in der DDR – oft für den Profit westlicher Unternehmen.

Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), ein 1991 gegründeter Dachverband, der über dreißig Vereine und Initiativen vertritt, hat diesen Themenschwerpunkt aufgegriffen. Von 1949 bis 1989 wurden rund 279.000 Menschen aus politischen Gründen verurteilt und mussten in der Regel Zwangsarbeit leisten. Diese Praxis missachtete internationale Vereinbarungen wie die Mindeststandards für die Behandlung von Häftlingen und das Verbot von Zwangsarbeit für politisch Inhaftierte.

Der Einsatz politischer Gefangener war ein sorgfältig geplantes Element der zentral geplanten Wirtschaftsstrategie der DDR. Die hergestellten Produkte waren nicht nur für den heimischen Markt bestimmt; westliche Unternehmen zeigten ebenfalls großes Interesse an einer breiten Palette von Waren. Unter den repressiven Haftbedingungen konnten die DDR-Gefängnisse konkurrenzlos billig produzieren. Mit dieser „Knastware“, die im Westen zu Billigpreisen angeboten wurde, erzielte die DDR in den 80er Jahren einen jährlichen Umsatz von mindestens 200 Millionen DM. Etwa 6.000 beteiligte westdeutsche Firmen machten dabei enormen Profit.

Die Haftanstalt Cottbus diente beispielsweise als Fertigungsstelle für Kameragehäuse des VEB Pentacon Dresden, wo Gehäuseteile unter Missachtung jeglicher Arbeitsschutzmaßnahmen bearbeitet wurden. Viele Häftlinge waren hier aus politischen Gründen inhaftiert, etwa wegen „Ungesetzlichen Grenzübertritts“, „Fluchthilfe“ oder “Staatsverleumdung”. Dieter Dombrowski, 1974 wegen eines Fluchtversuchs verurteilt, beschreibt die Arbeitsbedingungen als sehr, sehr schlecht. Er berichtet, dass sogar das Innenministerium 1976 Missstände bezüglich Hygiene und Arbeitsschutz feststellte.

Auch das Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg im Erzgebirge sticht als Ort der Zwangsarbeit politischer Gefangener hervor. Für den Betrieb VEB Esda Thalheim mussten die inhaftierten Frauen im Akkord Feinstrumpfhosen herstellen – unter repressiven, gefährlichen und gesundheitsschädlichen Bedingungen. Nichterfüllung der Norm führte zu Bestrafung. Wer die Arbeit wissentlich verweigerte, kam in sogenannte Absonderungshaft unter schlimmsten Bedingungen. Ehemalige Häftlinge erinnern sich an Schreie aus diesen Zellen.

Millionen dieser Strumpfhosen gelangten nachweislich von Hoheneck in die Supermarktregale von ALDI Nord und Süd, wo sie als „Iris“ und „Sayonara“ im Billigsegment verkauft wurden. Eberhard Fedtke, ein langjähriger kaufmännischer Geschäftsführer bei ALDI, erinnerte sich 2015 in einer Dokumentation an das lukrative Massengeschäft. Er erklärte, man habe gegenüber niemandem Berührungsängste oder Vorbehalte gehabt, „wenn die Ware, die uns angeboten wurde, qualitätsmäßig in Ordnung war“.

Mit dem Fall der DDR erlangten die politischen Gefangenen ihre Freiheit. Doch viele ehemalige Inhaftierte sind durch die systematische Haft-Zwangsarbeit gesundheitlich angeschlagen, teilweise schwer traumatisiert, und können das erlittene Unrecht nicht vergessen.

In den folgenden Jahrzehnten widmeten sich zahlreiche Forschungsprojekte, Publikationen und Kongresse der Aufarbeitung dieser Zeit und brachten die erschreckende Realität in den DDR-Haftanstalten ans Licht. Die involvierten Firmen hingegen behaupten unisono, nichts von Zwangsarbeit politischer Häftlinge für den West-Export gewusst zu haben. Dabei gelangten schon seit den Sechzigern regelmäßig Berichte über die Zustände in Ost-Knästen an die Öffentlichkeit – über die Politik, die Medien und amnesty international.

Im Jahr 2012 startete die UOKG ein Forschungsprojekt zur Rolle der Zwangsarbeit für IKEA. Der Konzern übernahm als Vorreiter die Finanzierung der Studie und kooperierte umfänglich bei der Aufklärung. IKEA entschuldigte sich bei den Opfern und sicherte im Jahr 2024 6 Millionen Euro für den bundesweiten Härtefallfonds für SED-Opfer zu. Eine von der UOKG initiierte Vorstudie an der Humboldt-Universität zu Berlin erbrachte im gleichen Jahr den Nachweis vollständiger Lieferketten aus DDR-Knästen – so auch bei den Strumpfhosen für ALDI und den Praktica-Kameras für den OTTO-Versand.

Obwohl milliardenschwere Konzerne sich in ihrem Verhaltenskodex zu fairen Arbeitsbedingungen bekennen, geben Unternehmen wie ALDI und OTTO vor, von den Schatten der Vergangenheit nichts zu wissen. ALDI und OTTO sind trotz stichhaltiger Beweise bislang nicht bereit, auf die Betroffenen von Haftzwangsarbeit in der DDR zuzugehen.

Die UOKG fordert im Namen aller Betroffenen: ALDI muss mit den Opfern von Haft-Zwangsarbeit endlich in einen konstruktiven Dialog treten, sich kritisch und transparent mit den Geschehnissen auseinandersetzen und sich finanziell am bundesweiten Härtefallfonds für SED-Opfer beteiligen.

Die UOKG ruft dazu auf, den Druck auf ALDI und weitere deutsche Konzerne zu erhöhen. Unterstützen und teilen Sie die Petition auf change.org/gegenzwangsarbeit sowie die Anliegen auf Social Media, damit die Geschichte und das Leid der von SED-Unrecht betroffenen Menschen nicht vergessen werden.

Als die D-Mark kam: Hoffnung, Chaos und der harte Weg in die Marktwirtschaft

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Der Fall der Mauer brachte nicht nur Reisefreiheit, sondern auch einen Ansturm auf Banken und Wechselstuben. Jeder wollte jetzt D-Mark haben. Die Umtauschkurse kletterten in die Höhe, und der Schwarzmarkt florierte. Im Mai 1990 wurde klar: Die D-Mark sollte offizielles Zahlungsmittel in der DDR werden. Kurz darauf rollten über 25 Milliarden D-Mark in den Osten – der größte Geldtransport der Geschichte.

Die Einführung der westdeutschen Währung markierte das Ende der DDR-Mark, einer Binnenwährung, die von 1948 bis 1990 nur innerhalb der Landesgrenzen gültig war und deren Ein- und Ausfuhr streng verboten war. Das ökonomische System der DDR war eine Planwirtschaft, in der die Preise vom Staat festgesetzt und nicht über den Markt gebildet wurden. Diese Festpreise waren in der gesamten DDR und meist über Jahre hinweg gültig. Preisvergleiche brauchte man in der DDR nicht; Grundnahrungsmittel, Mieten oder Fahrkarten waren subventioniert und somit extrem günstig. Steigende Nettolöhne konnten nicht durch höhere Preise aufgefressen werden. Allerdings spiegelte sich der Wert aufgrund der staatlichen Steuerung nicht im Preis wider. Eine halb Zimmer Wohnung im Plattenbau kostete zwischen 50 und 80 Mark. Ein Farbfernseher lag dagegen bei mindestens 4100 Mark – dafür musste ein Industriearbeiter fünfeinhalb Monate hart arbeiten.

Den DDR-Bürgern fiel es zunehmend schwer, ihr Geld auszugeben. Von der einen Ware gab es zu viel, eine andere war zu teuer, und wieder andere Dinge waren schlicht nicht verfügbar. Dies schuf eine perfekte Grundlage für einen blühenden Schwarzmarkt und Tauschhandel. Manchmal wurden sogar Waren wie Sparkäse als „Zugabe“ verwendet, um beispielsweise Lkw-Ersatzteile zu bekommen. Seltene Waren gab es oft nur im Intershop, wo gegen harte Währung Alkohol, Kaffee, Jeans oder Schmuck erhältlich waren. Seit 1974 durften DDR-Bürger D-Mark-Bestände besitzen, doch nicht jeder hatte sie.

Anfang der 80er Jahre war die DDR fast pleite, die Auslandsschulden stiegen. Im Februar 1990 war sie zahlungsunfähig. Hans Modrow, der Regierungschef der DDR, bat Bundeskanzler Helmut Kohl um 15 Milliarden D-Mark Soforthilfe. Helmut Kohl knüpfte dies an eine Bedingung: Geld gebe es erst nach freien Wahlen. Diese Bedingung wurde als „richtig“ empfunden. Gesagt, getan: Die ersten freien Wahlen kamen im März 1990. Das Ergebnis war eindeutig – die Mehrheit wollte die D-Mark und die Marktwirtschaft. Die Öffnung der Grenze hatte die Binnenwährung zu diesem Zeitpunkt fast wertlos gemacht.

Am 1. Juli 1990 war es soweit: Die Währungsunion trat in Kraft. Die D-Mark wurde in der DDR ausgezahlt. Doch zunächst herrschte großer Andrang, beispielsweise am Alexanderplatz in Berlin. Die Nerven lagen blank, die Volkspolizei war vom Ansturm überrumpelt. Viele Menschen wollten so schnell wie möglich das neue Geld, um sich ihre Träume verwirklichen zu können. Gehälter, Mieten und Renten wurden eins zu eins getauscht. Dies entsprach dem Wunsch der Bevölkerung, war aber unumstritten.

Die Umstellung der Löhne belastete die Betriebe. Hinzu kam westdeutsche und internationale Konkurrenz. Besonders hart traf es die Ostprodukte. Niemand wollte mehr, was jahrelang das einzige Angebot war, und schon gar nicht zu den neuen Preisen. Ein Bürger berichtete vom Preis für 500g Gehacktes und 300g Salami, der nun 20 Mark betrug, wo er vor der Währungsunion vielleicht 6-7 Mark bezahlt hätte – „Wahnsinn“.

Mit der D-Mark begann auch die Marktwirtschaft. Es entstand die Ellenbogengesellschaft – jeder musste zusehen, wie er weiterkommt. Wettbewerb und Marketing wurden zu den Vokabeln der neuen Zeit. Bunte Werbetafeln bestimmten das Straßenbild. Das Handeln und Schacher wurde schnell gelernt. Nicht alle Betriebe überlebten. Eine Schlachterei mit 60 Mann wurde von Investoren übernommen und in einen Fleischmarkt mit nur vier Angestellten umgewandelt, der Billigpreise bot und massenhaft Einnahmen generierte.

Die schnelle Einführung der D-Mark hatte einen Preis. Die Wirtschaft litt nachhaltig. Selbst Jahre später lag die Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer noch hinter dem westdeutschen Durchschnitt.

DDR-Traumschiff „Astoria“ wird versteigert und es droht die Verschrottung

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Rotterdam/Rostock – Es war weit mehr als nur ein Schiff; es war ein Symbol. Für viele Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik verkörperte das Kreuzfahrtschiff mit dem hoffnungsvollen Namen „Völkerfreundschaft“ den unerreichbaren oder nur unter besonderen Umständen erfüllbaren Traum von Freiheit und der weiten Welt. Einmal mit diesem Schiff die Meere zu befahren, einmal „Luft der Freiheit schnuppern“ zu dürfen – dieser Wunsch verband Generationen in der DDR. Dieses Schiff, später umbenannt in „Astoria“, steht nun am Ende seiner bewegten Geschichte und soll versteigert werden.

Über 25 Jahre lang fuhr das Schiff stolz unter der Flagge der damaligen DDR über die Ozeane, brachte Reisende zu fernen Zielen und war für viele ein schwimmendes Stück Sehnsucht. Doch die glorreichen Tage liegen lange zurück. Seit fast fünf Jahren liegt die „Astoria“ nun schon untüchtig in Rotterdam fest, ein trauriger Anblick, weit entfernt von den blauen Wogen und sonnigen Häfen, die sie einst ansteuerte.
Der Versuch, dem einstigen DDR-Traumschiff eine neue Zukunft zu geben, scheiterte bereits im Jahr 2021. Damals sollte das Schiff einen neuen Eigner finden. Doch das festgesetzte Mindestgebot von zehn Millionen Euro erwies sich offenbar als „wohl zu hoch gegriffen“. Ein Verkauf kam nicht zustande. Angesichts ihres beachtlichen Gewichts von etwa 10.000 Tonnen erzielt das Schiff nach aktuellem Stand lediglich einen Schrottpreis von rund 2,75 Millionen Euro. Diese Diskrepanz zwischen dem erhofften Wert und dem realen Materialwert unterstreicht die schwierige Lage des Schiffes.

Als „Todesurteil“ für den mittlerweile betagten Dampfer wird von Experten und Beobachtern einhellig die Corona-Pandemie genannt. Mit den weltweiten Einschränkungen und dem nahezu vollständigen Stillstand des Kreuzfahrtbetriebs waren Kreuzfahrten plötzlich „passé“, die Nachfrage brach ein, und die Aussichten für ältere Schiffe verschlechterten sich drastisch. Die Pandemie besiegelte das Schicksal vieler Schiffe und traf die „Astoria“ in einem bereits angeschlagenen Zustand.

Nun steht ein erneuter Versuch an, das Schiff zu verkaufen. Die „Astoria“ soll am 17. Juni im Rahmen einer Versteigerung unter den Hammer kommen. Das Prinzip ist klar: Der Meistbietende soll diesmal den Zuschlag erhalten. Doch trotz dieser neuen Chance auf einen Verkauf dürften sich Hoffnungen auf eine Rückkehr des Schiffes auf See kaum erfüllen.

Die nüchterne Einschätzung der Experten lässt wenig Raum für Optimismus. Nach ihrer Ansicht ist die „Astoria“ „zu kaputt“. Die Schäden und der Verschleiß nach Jahrzehnten im Dienst und der langen Liegezeit ohne Wartung scheinen zu gravierend zu sein, um eine wirtschaftliche Wiederinbetriebnahme als Passagierschiff zu rechtfertigen. Die traurige Wahrheit ist, dass das einstige DDR-Traumschiff „wohl zeitnah in ihre Einzelteile zerlegt und verschrottet werden wird“.

Dieses Ende markiert nicht nur das Schicksal eines Schiffes, sondern auch das unwiderrufliche Ende einer Ära und das Verschwinden eines greifbaren Symbols für die Hoffnungen und Träume einer ganzen Generation in der DDR. Die „Völkerfreundschaft“, später „Astoria“, wird in den Annalen der Seefahrt und der deutschen Geschichte als Schiff in Erinnerung bleiben, das für viele mehr war als nur Stahl und Farbe auf dem Wasser. Ihre letzte Reise wird nicht über die Meere führen, sondern in den Schneidbrennern einer Abwrackwerft enden.

Vom Olympiasieger zum „Staatsfeind“: Gerd Webers dramatische Flucht über Ungarn 1989

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Gerd Weber war in der DDR ein gefeierter Fußballstar. Mit Dynamo Dresden wurde er Meister und Pokalsieger. Ein besonderer Höhepunkt seiner Karriere war der Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1976. In den späten 1970er Jahren, insbesondere um 1978, war er als Teil des Dynamo-Kollektivs und neben Kapitän Dixie Dörner vom Team nicht wegzudenken und hatte großen Anteil daran, dass Dresden zum dritten Mal in Folge DDR-Meister wurde – ein Novum im DDR-Fußball. Im Mittelfeld trieb Weber das Spiel voran und war auch als Torschütze erfolgreich.

Doch 1980 begann die Wende in seinem Leben. Als Nationalspieler spielte er trotz Verletzung für die Mannschaft. Am Ende der Halbserie wurde ihm daraufhin das Geld vom Trainer und Vorstand gekürzt. Weber versuchte zu erklären, dass er sich ein halbes Jahr lang für die Mannschaft und den Verein Spritzen geben ließ. Er verstand diese Entscheidung nicht und wollte sich das nicht bieten lassen. Am liebsten wäre er sofort weg von Dresden gewesen und liebäugelte mit einem Wechsel zum BFC Dynamo. Er nahm Kontakt auf, weil dies die einzige Möglichkeit schien, weiterhin erfolgreich Fußball zu spielen, da er sowieso nicht woanders hingehen oder dürfen hätte.

Anfang 1981 wurde Weber dann über Nacht vom Spitzensportler zum Staatsfeind. Ausgelöst wurde dies am Rande von Europapokalspielen im Herbst zuvor in Entscheid (Niederlande) und Lüttich (Belgien). Ein vermeintliches Angebot vom 1. FC Köln soll versucht haben, die Dresdner Nationalspieler Weber, Dörner und Müller in die Bundesliga zu locken. Als die Stasi davon erfuhr, wurden die drei unmittelbar vor dem Abflug zu einer Wettkampfreise nach Südamerika am Flughafen Berlin-Schönefeld verhaftet.

Weber wusste sofort, was Sache war. Wegen geplantem ungesetzlichen Grenzübergangs wurde er zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Als Häftling in Frankfurt (Oder) verlor er seinen Namen und war nur noch eine Nummer. Er musste im Gefängnis abtrainieren und trainierte jeden Abend auf dem Ergometer. Nach elf Monaten wurde er entlassen.

Nach der Haft war Fußball für ihn passé. Er durfte das Dynamo-Stadion nicht mehr betreten und auch sein Sportstudium nicht fortführen. Das Leben in der DDR wurde zur Sackgasse ohne jede Perspektive. 1986 stellte Weber den ersten Ausreiseantrag, unzählige weitere sollten folgen. Man sagte ihm, sie seien stolz, dass sie zusammen seien und er nicht rauskomme.

Doch im Frühjahr 1989 ergab sich ein Hoffnungsschimmer. Der ehemalige Fußballer, der in Dresden als Kfz-Mechaniker sein Geld verdiente, erhielt überraschend ein Visum für Ungarn, wohin er bis dahin nur reisen durfte. Dann ging alles sehr schnell. An der Grenze von Ungarn zu Österreich tat sich das erste Loch im Eisernen Vorhang auf. Erste DDR-Bürger flohen in die Bundesdeutsche Botschaft in Budapest, und immer mehr versuchten, über die „grüne Grenze“ in den Westen zu gelangen.

Weber beriet sich am Balaton mit seiner Frau Anja und Bekannten. Um Gerüchte zu überprüfen, fuhren sie nach Budapest und fragten in der BRD-Botschaft nach, ob ergriffene DDR-Bürger noch ausgeliefert würden. Zweifel mischten sich in die Fluchtpläne: Was, wenn es schiefging? Dann ging es entweder zurück, und als Rückfalltäter wäre das wahrscheinlich sehr unangenehm geworden.

Anfang August entschieden sie sich: Wir versuchen es. Sie fuhren Richtung Grenze, ließen dort ihr Auto stehen und warteten auf Einbruch der Dunkelheit. In der Nähe der Grenze, etwa 400 bis 500 Meter vom Grenzzaun entfernt, wurden sie Zeuge eines Dramas: Rumänen rannten in die Fangzäune und wurden „einkassiert“, die Grenzsoldaten leuchteten mit Taschenlampen und waren mit Maschinenpistolen unterwegs. Die Webers blieben im Wald und wurden von ungarischen Grenzern entdeckt. Als sie sich ausweisen mussten und die ungarischen Grenzer ihren blauen Ausweis sahen, ließen sie sie höflich weitergehen. Die Ungarn wünschten ihnen viel Glück. Offiziell wurde für seine Frau und das Kind eine Schlafgelegenheit im Büro der Grenzer bereitgestellt, Weber selbst musste mit den Rumänen in einem Zelt schlafen. Sie hatten das Gefühl, dass die Ungarn im Wandel waren.

Sie wussten genau, dass sie es nochmal versuchen mussten, allerdings nicht am helllichten Tag. Sie warteten erneut auf Einbruch der Dunkelheit. Am Grenzübergang gingen sie vielleicht zwei- oder dreihundert Meter zur Seite, dann in ein Getreidefeld. Sie wateten etwa 400 Meter durch das Feld, sahen dann ein deutsches ADAC-Holzschild und schließlich ein österreichisches Schild. Da wussten sie, dass sie in Österreich waren.

Gut eine Woche später berichtete die Bild-Zeitung nicht nur über seine Flucht. Der Redakteur half ihnen auch beim Neustart. So landete Gerd Weber mit seiner Familie in Friesenheim im Schwarzwald, wo sie heute noch leben.

Die Entscheidung vom Sommer 1989 hat er nie bereut. Auch wenn er im Nachhinein zugeben muss, dass es ein bisschen leichtsinnig war, da sie ein sechsjähriges Kind dabeihatten und nicht wussten, wie die bewaffneten Organe reagieren würden. 30 Jahre später teilt sich sein Leben etwa zur Hälfte in Ost und West. Inzwischen ist der 63-Jährige als Schadenbearbeiter bei einer Kfz-Versicherung tätig. Auch ohne den Fußball hat Gerd Weber letztlich sein Glück gefunden.

30 Jahre lang hat Gerd Weber seine Geschichte für sich behalten, auch die Einzelheiten seiner Flucht im August 1989. Jetzt erzählt er sie zum ersten Mal.

Zwischen Hamburg und West-Berlin: Erinnerungen an die Transitstrecke F5

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Die F5 war mehr als nur eine Verkehrsader – sie war eine Straße mit vielen Geschichten. Im geteilten Deutschland erlangte sie als Transitstrecke ihre größte Bedeutung, diente sie doch zehn Jahre lang als wichtige Verbindung für Reisende von Hamburg nach West-Berlin. Ihre Besonderheit lag darin, dass sie die zwei deutschen Staaten einander näher brachte.

Ein Mann, der diese Strecke immer wieder befuhr und sie heute mit zahlreichen Erinnerungen verbindet, ist der Journalist Uwe Bahnsen. Als Hamburger Korrespondent war er häufig in West-Berlin und nutzte dafür die F5. Erlebte er doch hautnah den Mauerbau und die damit verbundenen Schicksale, so prägte auch die Transitstrecke seine Erfahrungen. Er reiste auf der F5 zwischen Hamburg und Berlin, was, wie er berichtet, mit dem 403 möglich war. Dabei führte ihn der Weg durch Orte wie Ludwigslust.

Die Durchreise bot Reisenden einen Blick in das Leben der Bevölkerung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Zwar geben heutzutage Aufnahmen wie die im Trailer gezeigten einen seltenen Einblick in die DDR, doch zu jener Zeit war es Transitreisenden strengstens verboten, auf ihrer Durchreise zu filmen. Für Uwe Bahnsen lag der Reiz gerade darin, auf dieser Straße einen unmittelbaren Eindruck und einen Blick in das Leben der Bevölkerung in der DDR zu erhalten – ein Eindruck, der ungefiltert, ganz unmittelbar und ganz direkt war.

Einzelne Orte auf der Strecke blieben den Transitreisenden besonders im Gedächtnis. In Quitzow bei Perleberg befand sich die einzige Raststätte, an der Transitreisende anhalten durften. Hier trafen sich die „Welt und die Stasi“. Uwe Bahnsen besuchte diesen Ort nach eigener Aussage nur zweimal, da ihm die dort herrschende „laurende Atmosphäre“ missfiel.

Besonders berüchtigt war der Bahnübergang in Karstädt. Er war bekannt für lange Wartezeiten an der Schranke. Uwe Bahnsen gesteht, den Bahnübergang Karstädt „verflucht“ zu haben, „wie jeder andere Transitautofahrer auch“, denn die Situation war manchmal „unzumutbar“. Solche Verzögerungen führten naturgemäß zu „sarkastischen Bemerkungen“ unter den Mitreisenden Autofahrern.

Die F5 war somit nicht nur ein Weg, sondern ein bedeutendes Symbol der Verbindung und eine Quelle direkter Eindrücke in die damalige DDR, trotz der strengen Beobachtung und Einschränkungen.

Planwirtschaft statt Wohlstand: Der schwierige Alltag in der DDR-Ökonomie

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Die Deutsche Demokratische Republik, ein Staat, der auf der Idee der sozialistischen Planwirtschaft aufgebaut war. Doch das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger war geprägt von einem ständigen Kampf um alltägliche Güter – ein Phlagel, das mit dem bekannten Witz über die krumme Banane begann: Warum ist die Banane krumm? Weil sie einen großen Bogen um die DDR macht. Obwohl die Einfuhr von Bananen in Rekordjahren wie 1978 immerhin 120.000 Tonnen betrug, rund 7 kg pro Kopf, war die Realität oft eine andere: Bananen und viele andere Produkte gab es nicht überall und nicht immer.

Die DDR-Wirtschaft verlangte ihren Bürgern viel ab. „Nur gucken, nicht anfassen“, „Schlange stehen, tauschen statt kaufen, reparieren statt wegwerfen, selber machen“ – diese Phrasen beschreiben den Alltag treffend. Im Kern des Systems stand die sozialistische Planwirtschaft: Der Staat gab Preise vor und legte wirtschaftliche Ziele fest, die von den Betrieben zu erfüllen waren. Der Gedanke dahinter: Niemand sollte persönlichen Profit aus Handel und Produktion ziehen.

Dieser Grundsatz führte zu tiefgreifenden Umwälzungen. Schon in den 1950er Jahren mussten Bauern ihr Land an die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) abgeben. Anfang der 1970er Jahre traf es dann auch Familienbetriebe. Private Unternehmen wurden abgeschafft und in sogenannte volkseigene Betriebe (VEB) umgewandelt. Allein im Jahr 1972 betraf dies 11.000 Privatbetriebe, die oft Produkte herstellten, die aus dem Alltag nicht wegzudenken waren. Für Unternehmer wie Günther Steiner, dessen Plüschtierfirma in Sonneberg zum VEB plüti wurde, bedeutete das die Aufgabe des eigenen Lebenswerks. Man fragte sich, was nun mit einem geschehen würde, wo man arbeiten und die Familie ernähren könnte. Steiner passte sich an, beugte sich der Partei und durfte immerhin Direktor des nun volkseigenen Betriebs bleiben – ein Prozess, den er als „verrückt“ beschrieb, da man sein „eigenes Grab schaufeln“ musste.

Diese Umstellung führte zu einem gravierenden Problem: Nicht Angebot und Nachfrage bestimmten das Sortiment in den Läden, sondern die Partei. Aus der inflexiblen Planwirtschaft wurde die Mangelwirtschaft. Kunden hätten „alles alles“ gekauft, was es gab.

Die Staatspartei SED versuchte gegenzusteuern. Das Zauberwort hieß „Konsumgüterproduktion“. Alle VEBs sollten sich daran beteiligen, unabhängig von ihrem eigentlichen Profil. So produzierte das Braunkohlekombinat Kaffee, das petrolchemische Kombinat Kunststoffmöbel und das Walzwerk Regenschirme. Doch auch das deckte den steigenden Bedarf der Bevölkerung nicht. Knappe Waren wurden unter der Hand getauscht, „geschoben“ und auf dem Schwarzmarkt gekauft, beispielsweise Autoteile. In dieser Mangelgesellschaft kauften die Menschen verfügbare Artikel in großen Stückzahlen, nicht nur das, was sie gerade brauchten.

Besonders deutlich wurde der Mangel bei langlebigen Konsumgütern: Auf ein eigenes Telefon warteten manche 10, 12 Jahre. Und wer ein Auto haben wollte, musste im Schnitt 12 Jahre warten. Gleichzeitig lief Werbung für den Trabant, ein Produkt, das praktisch nicht zu kaufen war, dessen Wendigkeit, Ausdauer und „Anzugsfreude“ aber gepriesen wurden.

Auch Grundnahrungsmittel und Wohnen waren eine Herausforderung, wenn auch anders gelagert. Seit den 1950er Jahren waren die Preise staatlich gestützt und fast unverändert niedrig. Ein Brötchen kostete auch in den 1980ern nur fünf Pfennige. Bei Grundnahrungsmitteln wurden bis zu 80 Mark pro 100 Mark Warenwert subventioniert. Diese Subventionen belasteten den Staatshaushalt „unheimlich“ und fraßen Mittel auf, die eigentlich für Investitionen und neue Technik benötigt worden wären. Finanziert wurden sie unter anderem durch den Verkauf eigener Waren ins Ausland. Ostdeutsche Möbel und Textilien tauchten oft in den Schaufenstern und Katalogen westdeutscher Versandhäuser auf, auch wenn sie überwiegend „mit schlechten Ergebnissen“ verkauft wurden. Bis 1982 häufte der Staat Schulden von über 25 Milliarden D-Mark beim westlichen Ausland an.

Der tägliche Kampf um Güter wirkte sich direkt auf den Arbeitsalltag aus. Arbeiter fehlten im Durchschnitt 6 Stunden pro Woche unentschuldigt – Zeit, die sie benötigten, um Alltägliches zu organisieren. Viele Bürger machten ihrem Ärger Luft, indem sie sich direkt an Staatschef Erich Honecker oder die SED-Führung wandten. Diese sogenannten Eingaben, wie die verzweifelte Suche nach einer Schreibmaschine, schwollen Ende der 1980er Jahre drastisch an. Sie landeten schließlich wieder bei einfachen Parteiarbeitern, die sich vor Ort kümmern sollten und Sprechtage abhielten. Doch die Probleme blieben: Kurz vor dem Mauerfall fehlte es an allen Ecken und Enden. Das absurde „Dächer dichtprogramm“ in Dresden, bei dem 1000 Dächer pro Monat „dicht geredet“ wurden, während es weiterhin hineinregnete, symbolisierte die Diskrepanz zwischen Propaganda und Realität.

Die DDR-Wirtschaft drehte sich bis zur Wende in einer Abwärtsspirale. Das Ansehen der Staatsführung war ruiniert. Sympathie für die Partei gab es nicht. Die Planwirtschaft konnte den steigenden Bedarf und die Erwartungen der Bevölkerung nicht erfüllen und trug so maßgeblich zum Ende des Staates bei.

Magdeburgs Straßenbahn: Vom Oldtimer zum Vorzeigeobjekt der DDR

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Die Straßenbahn war das wichtigste Verkehrsmittel in der DDR. Ende der 1960er Jahre war das Bild vielerorts noch von betagten Fahrzeugen geprägt. Auch in Magdeburg verkehrten zu dieser Zeit ehrwürdige Straßenbahn-Oldtimer wie zum Beispiel die „Großen Hechte“ oder uralte Zweiachser, die auf ihre Ablösung durch modernere Wagen warteten. Die Beiwagen stammten teilweise sogar noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Zu den damals eingesetzten Fahrzeugen gehörte unter anderem der fast nagelneue Wagen 416, der 1966 bei der Waggonfabrik Gotha gebaut wurde. Auch der sogenannte „Magdeburger Hecht“ Wagen 71 war auf den Gleisen unterwegs, beispielsweise auf der Linie 4 in Richtung Cracau.

Die Infrastruktur rund um die Schienen zeigte das sich wandelnde Stadtbild, mit traditionellen Orten wie dem Maxim Gorki Theater, stalinistischen Bauten aus den ersten Nachkriegsjahren und damals neu erbauten Plattenbauten wie dem Blauen Bock. Am Maxim Gorki Theater herrschte stets reger Betrieb, und ein ganzes Streckenbündel führte durch die autofreie Karl-Marx-Straße, die heute Breiter Weg heißt.
Doch der Wandel zeichnete sich ab. Am 19. April 1969 wurden im Rahmen einer Fahrzeugschau auf dem Alten Markt die ersten Tatrawagen der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese neuen Bahnen sollten die in die Jahre gekommene Flotte modernisieren.

Parallel zur Fahrzeugmodernisierung gab es Anpassungen im Streckennetz und bei anderen Verkehrsmitteln. So stellte die im Jahr 1926 eingeführte Vorortlinie 14 nach Schönebeck 1969 den Verkehr ein. Am 31. Oktober 1970 erfolgte zudem die Einstellung der letzten Obus-Linie zwischen Sudenburg und Südwest. Der Straßenbahnbetrieb zum Herrenkrug wurde am 23. September 1973 auf Busbetrieb umgestellt.
Ein entscheidender Schritt in Richtung Modernisierung wurde Anfang 1976 gemacht. Nachdem am 4. Januar 1976 einmalig Lowa- und Gotha-Fahrzeuge auf der Linie 10 verkehrten, wurde bereits am 5. Januar 1976 die Linie 10 als letzte Linie auf den reinen Einsatz von TATRA-Bahnen umgestellt. Damit gab es ab diesem Tag keine Altbaufahrzeuge mehr im Linienverkehr in Magdeburg.

Diese Umstellung machte Magdeburg zu einem Vorreiter in der DDR: Es war die erste Stadt, in der nur noch TATRA-Fahrzeuge zum Einsatz kamen. Die Magdeburger Verkehrsbetriebe galten fortan als Vorzeigeobjekt. Die letzten Zweiachser konnten hier bereits 1976 abgestellt werden.
Auch im Betrieb gab es Neuerungen. Hinweise wie „OS“ (ohne Schaffner) auf den Tafeln der Fahrzeuge informierten die Fahrgäste über diese Betriebsform. Am 13. Juni 1977 wurde ein neues Entwertersystem eingeführt: Fahrgäste mussten ihre Fahrtausweise nun im Vorverkauf erwerben und in den Fahrzeugen selbst entwerten.

Die Linie 10, die zuletzt noch Altbaufahrzeuge einsetzte, verband seinerzeit die Stadtteile Sudenburg und Rothensee. Mit der Umstellung auf TATRA-Bahnen auf dieser Linie wurde die Ära der Altbaufahrzeuge in Magdeburg beendet.

So vollzog sich in wenigen Jahren ein grundlegender Wandel, der die Magdeburger Straßenbahn zu einem modernen und effizienten Verkehrssystem im Herzen der DDR machte.

Sachsens Wohnungswirtschaft sieht den bezahlbaren Wohnraum in Gefahr

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Dresden. Sachsens Wohnungswirtschaft sendet ein klares Signal: Ohne verlässliche Politik lässt sich bezahlbarer Wohnraum in Zukunft kaum noch sichern. Die Branche benötigt dringend verlässliche Rahmenbedingungen und Planbarkeit. Diese seien in den vergangenen drei Jahren „ziemlich durcheinander gewirbelt“ worden.

Die Ausgangslage auf dem Papier scheint stabil zu sein, mit vergleichsweise niedrigen Mieten und insgesamt keinem Wohnungsmangel in Sachsen. Die durchschnittliche Netto-Kaltmiete liegt laut Verbandsangaben bei etwa 5,62 € pro Quadratmeter. Doch trotz dieser niedrigen Mieten stellt das Problem der Mietschulden eine wachsende Herausforderung dar; diese haben sich bei den kommunalen Gesellschaften im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

Ein Hauptgrund für den scheinbaren Widerspruch von keinem allgemeinen Mangel, aber gleichzeitig hohem Leerstand, insbesondere in ländlichen Gebieten, ist die demografische Entwicklung. Es fehlen schlicht die Menschen, die die vorhandenen Wohnungen bewohnen könnten. Dieses Stadt-Land-Gefälle sei deutlich spürbar: Während der Leerstand in sächsischen Metropolen geringer ist, steigt er in ländlichen Räumen immens an, da diese Regionen „ausbluten“. Dieser Trend setze sich leider fort.

Der hohe Leerstand führt dazu, dass Neubau in Sachsen eher die Ausnahme als die Regel geworden ist. Neubau sei zwar ein ständiger Begleiter, jedoch bezogen auf Ostdeutschland insgesamt eher eine Begleiterscheinung aufgrund des Leerstandsproblems – es gibt zu viele Wohnungen auf dem Markt, die vermietet werden müssen. Dennoch ist Neubau unerlässlich, um ein entsprechend vielfältiges Wohnungsportfolio für die Mieter und Mitglieder anbieten zu können.

Ein weiterer Fallstrick, neben den Mietschulden, sind die Betriebskosten, oft als „zweite Miete“ bezeichnet. Aktuell liegen diese im Schnitt bei etwa 3 € pro Quadratmeter, wovon 1,60 € pro Quadratmeter auf Heizung und Warmwasser entfallen. Mit steigenden Energiepreisen droht hier soziale Sprengkraft, warnen die Verbände. Die Entwicklung der Betriebskosten könne auf dem aktuellen Niveau (ähnlich 2023 und 2024) nicht bleiben, insbesondere mit Blick in die Zukunft (2025, 2026), wo Energiepreise und andere Unwägbarkeiten, die Vermieter nicht in der Hand haben, sich auf diese „zweite Miete“ niederschlagen werden.

Positiv sei hingegen der Fortschritt bei der Energieeffizienz der Gebäude. Die Bestände hätten bereits einen sehr guten energetischen Rahmen, die „schlechtesten Gebäude“, von denen oft die Rede ist, seien kaum noch vorhanden. Dennoch bestehe die Herausforderung, hier noch mehr zu tun. Eine wichtige Förderung des Landes hierfür sei aktuell wegen des noch nicht feststehenden Haushalts pausiert, die Branche hofft jedoch auf eine baldige Wiederaufnahme.

Gespannt und optimistisch blickt die Branche auf die neue Bundesregierung. Das „Hin und Her“ auf Bundesebene in den vergangenen Jahren sei für die Immobilienbranche schwer zu verkraften gewesen. Man sehe jedoch, dass es gerade beim Koalitionsvertrag in die richtige Richtung gehe. Jetzt müsse allerdings auch „geliefert werden“.

Klar ist: Die soziale Wohnungswirtschaft braucht neue Wege und endlich politische Verlässlichkeit, sonst wird bezahlbares Wohnen zur Ausnahme statt zur Regel.

Berlin sucht Windkraft-Standorte: Naturidyll in Gatow im Visier

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Berlin steht vor der Herausforderung, Flächen für Windenergie auszuweisen. Das sieht ein Bundesgesetz vor, dem der Senat nachkommen muss. Im Rahmen dieser Verpflichtung wurden insgesamt acht potenzielle Standorte identifiziert. Einer dieser Standorte sorgt bereits für Diskussionen: die Rieselfelder Karolinenhöhe in Gatow.

Das Gebiet gilt als Landschaftsschutzgebiet und wird als „Idylle pur“ für Mensch und Tier beschrieben. Doch gerade hier könnten in Zukunft Windräder entstehen, die bis zu 230 Meter hoch aufragen würden.

Die Pläne stoßen bei Anwohnern auf geteilte Meinungen. Heike Baldauf und Renate Dullek zeigen sich wenig begeistert, räumen aber die Notwendigkeit ein. „Wenn es direkt bei uns wäre, würde ich es nicht schön finden“, sagt Renate Dullek, fügt aber hinzu: „Na ja, ich finde es nicht gut, aber wir brauchen es halt. Irgendwoher muss ja der Strom kommen. Und wir können ja nicht einfach sagen: aus der Steckdose!“. Urs-Vuyo Frese, der bewusst ins Grüne gezogen ist, äußert sich ebenfalls kritisch: „Ich bin tatsächlich so egoistisch… dass ich keine Lust darauf hätte, direkt aus dem Fenster darauf zu gucken. Ich würde schon lieber auf die Natur schauen.“.

Pragmatischer sieht das Ralph Schmidt von der Laubenkolonie Sonnental. Er betont, dass es sich noch um eine Diskussion handelt und noch keine Beschlüsse gefasst wurden. Zudem sei der Prozess in Berlin oft langwierig, und vielleicht gebe es bis dahin schon andere Alternativen zur Windkraft.

Im Abgeordnetenhaus versucht man zu beschwichtigen. Es wird klargestellt, dass die Auswahl der Standorte eine erste Vorauswahl sei und lange nicht bedeute, dass am Ende wirklich gebaut werde. Zwar gebe es eine bundesrechtliche Vorgabe zur Flächenausweisung, doch ein ausgewiesenes Gebiet erhalte nicht automatisch eine Genehmigung. Es könne immer noch festgestellt werden, dass eine Realisierung nicht möglich ist.

Gleichwohl sei das Verfahren notwendig. Würde Berlin diese Schritte nicht unternehmen, könnte laut Bundesgesetz ganz Berlin auf einmal als geeignete Fläche gelten – etwas, das niemand wolle.

Ob auf den Rieselfeldern in Gatow tatsächlich Windräder aufgestellt werden können, soll spätestens in zwei Jahren geklärt sein. Bis dahin bleibt die Zukunft des Naturgebiets und anderer potenzieller Standorte ungewiss.