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Die Geburt der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands

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Berlin – In einem beispiellosen Akt der Einigkeit schmiedeten Sozialdemokraten und Kommunisten im Frühjahr 1946 die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Diese Vereinigung, getragen von der Überzeugung, dass „nur die Einheit stark macht“, markierte einen Wendepunkt in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands und wurde als „Akt der inneren Reinigung und inneren politischen Wiedergutmachung“ gefeiert.

Die Wurzeln dieser Bewegung reichen tief in die Geschichte der Arbeiterbewegung zurück. Bereits in Gotha, der Geburtsstätte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Schauplatz des berühmten Einigungskongresses im Mai 1875, spürte man den Ruf nach Einheit.

Veteranen wie Otto Geitner von der KPD und die Sozialdemokratin Mathilde Möhring, persönliche Freunde von August Bebel und Friedrich Engels, berichteten von den damaligen Bemühungen. Zahlreiche Männer und Frauen, die an den Vorbereitungen der Vereinigung von SPD und KPD in Gotha beteiligt waren, hatten wie der alte Genosse Geitner politische Verfolgung erlitten und erkannten, dass die Einheit der Weg ist. Einstimmig wurde in Gotha nach den Vorträgen von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl die Einheit der beiden Parteien für Thüringen beschlossen.

Der Gedanke der Einigung, der einst aus dem gemeinsamen Leid in Kerkern geboren wurde, zündete in der wieder aufblühenden Industriestadt Gotha mit mächtiger Kraft. Überall in den Städten und auf dem Land wuchs der Einheitsgedanke.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern entsandten Vertreter aus Stadt und Land Delegierte zur Vereinigung der Kräfte, die sich der großen Verantwortung für die Ernährung des Volkes bewusst waren. Einhellig wurden auch hier Beschlüsse gefasst, und Schwerin gestaltete inmitten seiner historischen Bauten die Geschichte eines neuen demokratischen Deutschlands mit.

In Sachsen, insbesondere in Dresden, wo der Krieg tiefe Wunden hinterlassen hatte, begann die Stadt mit bewundernswertem Eifer ihr neues Leben. Gemeinsame Arbeit und Hoffnung führten auch hier zum gemeinsamen politischen Weg. Am 6. April fand der letzte Landestag der KPD Sachsen statt, wo Hermann Matern und Wilhelm Koenen den entscheidenden Schritt zur Verschmelzung beider Arbeiterparteien vorschlugen. Die Delegierten stimmten wie ein Mann für die Einheit. Zur gleichen Stunde trafen sich in Dresden die Delegierten der SPD zur entscheidenden Landeskonferenz. Max Fechner betonte in seiner richtungsweisenden Rede, dass nur die geeinte deutsche Arbeiterbewegung die sichere Gewähr biete, dass in Deutschland die Mächte des Kapitals und des Militarismus nicht wieder zur politischen Herrschaft gelangen könnten. Otto Buchwitz, ein alter Vorkämpfer des Vereinigungsgedankens, sprach zum letzten Mal für die Sozialdemokratie Sachsens. Insgesamt vertraten 1250 Delegierte nicht weniger als eine halbe Million Parteimitglieder. Am Folgetag versammelten sich über 70.000 Menschen vor dem Opernhaus in Dresden, um diesen geschichtlichen Augenblick mitzuerleben, bewegt von den Worten „Lassen wir endlich das Wirklichkeit werden, was wir jahrelang getrennt gesungen haben: Brüder in eins nun die Hände!“.

In Berlin, wo die Gegensätze am stärksten aufeinanderprallten, versuchten Reaktionäre durch Lügen und Gerüchte von Zwang und Gewalt die demokratische und sozialistische Entwicklung zu behindern. Doch die Werktätigen versammelten sich in machtvollen Kundgebungen. Deutsches Theater, Varieté Palast und Staatsoper wurden zu Schauplätzen eindrucksvoller Versammlungen. Besonders hervorzuheben ist das Engagement der Frauen, die das Gebot der Stunde erkannten: Elli Schmidt und Käthe Kern sprachen als führende Mitglieder des zentralen Frauenausschusses zu Tausenden parteiloser Frauen und Parteimitglieder. Eine unvergessliche Demonstration gegen den Geist der Uneinigkeit fand im Straßenbahnhof Charlottenburg statt, wo Grotewohl und Pieck begeisternde Reden hielten und die Gefahr einer erneuten Spaltung klar benannten.

Der SPD-Bezirkstag im Schiffbauerdammtheater in Berlin war ein weiterer Meilenstein. Max Fechner begrüßte die Delegierten als „Vertrauensmänner der Mitgliedschaft“ und betonte die Notwendigkeit, die Demokratie als Staatsform fest zu verankern und die Sache des Sozialismus voranzutreiben. Otto Grotewohl überbrachte die Grüße und Wünsche der Einheitspartei aus den anderen Bundesländern und richtete den Blick auf Berlin: „Wir haben das Werk vollbracht, wir haben die Einheit geschlossen und wir blicken nun mehr auf euch Genossen in Berlin“.

Am Deutschen Theater trat die KPD zu ihrer Berliner Bezirkskonferenz zusammen, die den Abschluss einer großen Epoche bildete. Hermann Matern eröffnete die Ansprachen. Alle Delegierten stimmten für die Verschmelzung der KPD mit der SPD. Gleichzeitig fand der SPD-Parteitag statt, von dem Max Fechner als Gast kam und die mit Jubel aufgenommene Botschaft überbrachte, dass auch die sozialdemokratische Konferenz die Verschmelzung der beiden Arbeiterparteien beschlossen habe. Damit war die entscheidende Voraussetzung für einen hoffnungsvollen Beginn der deutschen Arbeiterbewegung erreicht.

Auf dem Gründungsparteitag der Sozialistischen Einheitspartei in Berlin erklang die Botschaft: „Wir gehen ineinander auf und schließen uns zu einer Einheit zusammen, die Höheres und Besseres schaffen soll“. Nach einer Abstimmung, die die Einheit in Berlin bestätigte, wurde die Einheit geschmiedet. Auf den Trümmern des Krieges entsteht in gemeinsamer Arbeit eine neue Welt. „Möge die Saat der Einheit gedeihen und uns tausendfältige Frucht bringen“.

Rostock: Tiefbau für neues Volkstheater nimmt Fahrt auf – Eröffnung 2028

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Rostock – Mitten im Herzen Rostocks entsteht derzeit eines der wichtigsten Bauprojekte Deutschlands: Das neue Volkstheater Rostock. Am 11. Juni informierte der Bauherr, der Eigenbetrieb kommunale Objektbewirtschaftung und Entwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock (KOE), Medienvertreter über den aktuellen Baufortschritt. Nach den Erschließungsarbeiten geht es nun sprichwörtlich in die Tiefe: Die Baugrube für das zukünftige Kulturzentrum wird ausgehoben.

Das zukünftige Volkstheater soll ein großes Auditorium für 650 Besucher und einen kleinen Saal für 200 Personen beherbergen. Ergänzt werden diese durch Büroräume, eine Kantine, Gastronomie und ein Foyer, das auch für Ausstellungen und andere Veranstaltungen genutzt werden kann.

Anspruchsvoller Spezialtiefbau in sensibler Lage
Die Arbeiten an der Baugrube, deren Fertigstellung bis zum Jahresende erwartet wird, sind komplex und erstrecken sich über eine Gesamtbauzeit von 14 Monaten. „Wir sind mitten im Herstellen der Baugrube“, hieß es vor Ort. Nach dem Ausheben des großen Loches – wofür über 5.000 LKW-Fahrten nötig sein werden – soll ab Frühjahr 2026 nahtlos mit dem erweiterten Rohbau begonnen werden. Die Eröffnung des neuen Volkstheaters ist für das Jahr 2028 anvisiert.

Für die anspruchsvollen Spezialtiefbauarbeiten in den schwierigen Baugrundverhältnissen wurde das erfahrene Unternehmen Weiß und Freitag beauftragt, das europaweit tätig ist. Im ersten Schritt werden ringsherum Schlitzwände errichtet, die anschließend sukzessive den Boden aushalten. Parallel dazu beginnen die Ankerarbeiten. Die Baugrube befindet sich in einem städtebaulich sensiblen Bereich; weder die umgebende Infrastruktur wie Fußwege, Straßen und Straßenbahn noch angrenzende Bauten wie das Haus der Schiffahrt dürfen in Mitleidenschaft gezogen werden. Zu diesem Zweck wird die Schlitzwand mit rund 800 Ankern, teilweise auf vier Ebenen, im Boden verankert. Die Anker, hergestellt aus Zementsuspension und einem Stahlträger, werden mit einem Spezialbohrgerät gesetzt und nach etwa einer Woche auf eine Zugkraft von ca. 70 Tonnen (700 kN) gespannt. Eine „verrohrte Bohrung“ schützt das Bohrloch zu jedem Zeitpunkt, sodass selbst unter laufendem Straßenverkehr gearbeitet werden kann, ohne dass Setzungen erfolgen.

Kosten im Griff und kulturelles Signal
Die Kosten für die Baugrube sind vom KOE mit insgesamt 22 Millionen Euro veranschlagt. Das gesamte Theaterneubauprojekt schlägt mit 208 Millionen Euro zu Buche. Die Finanzierung wird durch Förderungen von Bund und Land sowie den Verkauf städtischer Immobilien gesichert, was die Belastung für die Hanse- und Universitätsstadt überschaubar hält. Aktuell zeigen sich die Verantwortlichen zufrieden mit der finanziellen Entwicklung: „Die Baugrube ist mit über 10 Millionen unter dem Planansatz geblieben, sodass wir insgesamt noch einen Puffer haben zu den Plankosten von 15 Millionen“, heißt es. Zudem wurden die geplanten 1,2 Millionen Euro für den Munitionsbergungsdienst, die in den Gesamtkosten enthalten waren, vom Land zusätzlich zu den ohnehin zugesagten 51 Millionen Euro übernommen. Die KOE betont ihr verantwortungsvolles Vorgehen mit öffentlichen Geldern, inklusive quartalsweiser Berichterstattung und Überwachung durch den Betriebsausschuss. Derzeit sei die Baustelle „perfekt funktionierend sowohl zeitlich als auch finanziell“.

Ein Sehnsuchtsort für 260 Mitarbeiter und die Stadt
Für den Theaterintendanten ist jeder Baufortschritt ein Grund zum Feiern. Das heutige Theater, das nach der Zerstörung des alten Hauses im Jahr 1942 in einem Provisorium eingerichtet wurde, bietet hinter den Kulissen oft schwierige Arbeitsbedingungen. Mit dem Neubau werden sich die Arbeits- und Auftrittsbedingungen für die 260 Mitarbeiter entscheidend verbessern. „Es ist ein sehr tolles Gefühl, es wird sehr konkret, man kriegt ein Gefühl, wie der Raum ist, wo man reingeht, wie das alles werden könnte“, äußerte sich der Intendant, sichtlich berührt und beeindruckt. Das Theater ist eng in fachliche Fragen des Bauprojekts eingebunden und agiert beratend.

Der Neubau des Volkstheaters ist nicht nur ein Bauwerk, sondern ein starkes kulturelles Signal für die Stadt, das Land und die gesamte Bundesrepublik.

Rechter Terror im Osten: Wenn alternative Räume zur Zielscheibe werden

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Eine beunruhigende Entwicklung prägt die gesellschaftliche Landschaft Deutschlands: Die Zahl rechter Angriffe gegen sogenannte politische Gegnerinnen und Gegner hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Besonders der Osten Deutschlands ist immer wieder Schauplatz dieser Aggressionen, die zunehmend an die sogenannten „Baseballschlägerjahre“ der 1990er-Jahre erinnern. Von Brandschlägen auf Jugendclubs bis hin zu gewalttätigen Übergriffen auf Menschen – Rechtsextremismus stellt die größte Gefahr für die Demokratie dar.

Serie von Angriffen in Ostdeutschland
Ein prominentes Beispiel der jüngsten Zeit ist der Angriff auf das autonome Zentrum „Kim Hubert“ in Salzwedel, Sachsen-Anhalt, am 16. Februar 2025. Gegen 0:45 Uhr trat eine Gruppe von zunächst drei Neonazis die Tür des Zentrums ein und bewarf die Anwesenden sofort aggressiv mit Flaschen, offenbar mit der Absicht, Menschen zu verletzen. Die Polizei stufte den Vorfall als rechtspolitisch motivierte Gewalttat ein. Dieses Zentrum ist ein Ort, an dem sich junge Menschen selbstverwaltet und unabhängig treffen, diskutieren und linke sowie antifaschistische Politik betreiben. Es ist für Rechtsextreme und Neonazis ein Symbol der Provokation und wird daher gezielt angegriffen. Bereits 2018 drangen vermummte und bewaffnete Personen in die Räume des Zentrums ein.

Doch der Angriff in Salzwedel ist kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine lange Liste von Attacken auf „alternative Räume“ im Osten:

• Im Oktober 2022 zündeten zwei junge Erwachsene in Seehausen, knapp 40 km von Salzwedel entfernt, ein Bahnhofsgebäude an, das von Klimaaktivisten genutzt wurde.
• Im Oktober 2023 brannte der „Kultberg“, ein Kulturhaus im südbrandenburgischen Altdöbern, nieder. Ermittlungen zufolge soll die rechtsextreme Gruppierung „Letzte Verteidigungswelle“ dafür verantwortlich sein.
• Am 1. März 2024 griffen mutmaßlich Rechtsextreme den Jugendclub „Cham“ in Senftenberg an.
• Am 24. Mai 2024 wurde das Hausprojekt „Zelle 79“ in Cottbus mutmaßlich von Rechtsextremen attackiert.

Diese Angriffe sind laut Quellen „Botschaftstaten“. Die dahinterstehende Botschaft ist klar: Es gibt keine sicheren Räume für Menschen, die sich der rechten Hegemonie oder dem rechtsextremen Weltbild nicht beugen wollen; es gibt keine Sicherheit vor dieser Gewalt und der Gewaltandrohung.

Motive und Täterprofile
Während Rassismus nach wie vor das vorherrschende Motiv bei rechter Gewalt ist, gab es im letzten Jahr einen Anstieg von zwei Dritteln bei Angriffen auf „politische Gegnerinnen und Gegner“ – der größte Anstieg in den Motivgruppen. Dazu zählen für die extreme Rechte alle, die als links, antifaschistisch oder einfach nur als alternativ und nicht rechts abgestempelt werden. Dies wird als ausreichend empfunden, um angegriffen zu werden, nur weil man sich in bestimmten Räumlichkeiten aufhält oder eine bestimmte Art von Kultur oder Musik unterstützt.

Die Täter sind oft junge Extremisten, die in sozialen Medien aktiv sind und sich vernetzen. Sie marschieren gegen CSD-Paraden auf, hetzen gegen queere Menschen und Andersdenkende und greifen gewaltsam an. Ein Beispiel, das die Brutalität und die ideologische Verankerung der Täter verdeutlicht, ist der Brandanschlag auf den Jugend- und Kulturraum „Die Friese“ in Bremen im Februar 2020. Fünf Jahre nach der Tat wurden drei Männer vor Gericht gestellt, die über Jahre in rechtsextremen und neonazistischen Kreisen unterwegs waren und bei einem von ihnen zahllose Nazidevotionalien gefunden wurden. Der Hauptangeklagte wurde wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Das Tatmotiv, Hass und Verachtung gegenüber politisch Andersdenkenden, spielte eine zentrale Rolle.

Rückkehr der „Baseballschlägerjahre“?
Die Gewalt, die sich derzeit manifestiert, erinnert viele stark an die 1990er Jahre. Zwischen 2023 und 2024 hat sich die Zahl der Brandanschläge verdoppelt. Diese Anschläge treffen nicht nur linke Zentren, sondern auch Geflüchtetenunterkünfte, Wohnungen von Migranten oder Häuser, die zu Unterkünften werden sollen.

Die AfD trägt durch ihre „Politik der Provokation“ seit Jahren maßgeblich dazu bei, die gesellschaftliche Stimmung nach rechts zu verschieben. Sie schlägt in dieselbe Kerbe wie junge Neonazis, die gegen CSD-Paraden hetzen oder auf Demonstrationen gegen Transmenschen polemisieren. Wenn die Gesellschaft keine entschlossene Antwort auf die AfD und ihre „neonazistischen Vorfeldorganisationen“ findet, könnte das, was wir gerade erleben, der Anfang von „neuen Baseballschlägerjahren“ sein. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Neonazis den nächsten Anschlag auf Menschen verüben, die ihnen nicht „deutsch genug aussehen“, nicht rechts sein wollen oder auf Räume, die von Geflüchteten oder Linken genutzt werden.

Widerstand und die Botschaft der Einschüchterung
Die Angriffe sollen einschüchtern, verunsichern und ängstlich machen. Doch sie treiben die Menschen auch an und geben ihnen Kraft. Linke Aktivistinnen und Aktivisten wollen den Rechten das Feld nicht überlassen, was sich beispielsweise in Gegendemonstrationen zeigt. Sie sehen es als ihr Ziel, die „Zielscheibe woanders hinzurichten“, um rassistisch marginalisierte Menschen auf der Straße vor Angriffen zu schützen.

Die Lehren aus den „Baseballschlägerjahren“ sind vor allem schnelle und effektive Strafverfolgung, die klare Benennung der Tatmotive sowie Solidarität mit den Angegriffenen, auch durch politisch Verantwortliche. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass diese Forderungen dringender denn je sind.

Die anhaltende Magie der DDR-Kinderbücher: Mehr als nur Staatsdoktrin

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Kinderbücher aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit und werden wieder viel gelesen. Ein Blick zurück zeigt, dass diese Bücher nicht nur günstig und weit verbreitet waren, sondern oft auch eine überraschende künstlerische Tiefe besaßen, die über die staatlich verordnete Ideologie hinausging.

Günstig und pädagogisch motiviert Einer der Gründe für die weite Verbreitung der Kinderbücher in der DDR war ihr niedriger Preis. Sie waren staatlich subventioniert, um einem kulturpolitischen und pädagogischen Anspruch gerecht zu werden. So kosteten beispielsweise die bekannten Trompeterbücher, zu denen auch der „Kleine Trompeter“ von Holtz-Baumert gehörte, lediglich 1,75 Mark. Obwohl der „Kleine Trompeter“ als ausgesprochene Geschichtspropaganda der SED galt, war dies nicht unbedingt typisch für die gesamte Reihe.

Widerspruch zwischen Zensur und Kreativität Trotz der politischen Vorgaben und der Zensur gab es eine Fülle pädagogisch und künstlerisch wertvoller Kinderbücher. Dies erklärt sich durch einen bemerkenswerten Widerspruch: Viele Illustratoren, Verlagsleute und Lektoren nutzten den Bereich der Kinderbücher als eine Art Zufluchtsort. Sie versuchten, subversive oder aufsässige Gedanken auf subtile Weise zu platzieren und an die junge Generation weiterzugeben. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Benno Pludra, ein bekannter Schriftsteller, der seit den 1950er-Jahren viele schöne Kinderbücher verfasste. Pludra hatte permanent Schwierigkeiten mit der Zensur und der Kulturpolitik der SED, zog sich aber auf vollkommen unpolitische Kinderbücher zurück, in denen es um die Schönheit der Illustrationen und die Poesie ging. Solche Bücher wurden beispielsweise von Renate Totzke-Israel illustriert, wie das Beispiel „Windmühle, Windmühle, nimm uns mit“ zeigt.

Völkerfreundschaft und Humanismus Ein weiteres Ziel der Kinderliteratur war es, die heranwachsende Generation im Geiste der Völkerfreundschaft, des Friedens und des Humanismus zu erziehen. Dies spiegelte sich stark in den literarischen Programmen der Verlage wider, insbesondere durch eine große Anzahl von Märchenbüchern aus aller Herren Länder. Titel wie „Indische Sagen und Märchen“ oder „Östlich der Sonne, westlich vom Mond – Volksmärchen aus allen Ländern“ waren weit verbreitet.

Über Generationen hinweg beliebt Viele der einstigen DDR-Kinderbücher werden heute neu aufgelegt und gerne gekauft, insbesondere von Großeltern, die diese Bücher selbst gelesen oder ihren Kindern vorgelesen haben. Dr. Wolle, ein ehemaliger Buchhändler in der DDR, erinnert sich, wie gerne er in der Kinderbuchabteilung gearbeitet hat und wie ein breites Spektrum an Büchern existierte. Eines seiner persönlichen Lieblingsbücher, das er seinen Kindern ständig vorgelesen hat, ist „Hirsch Heinrich“. Dieses Buch, mit den wunderschönen Illustrationen von Professor Werner Klemke – einem der Hauptbuchillustratoren der DDR – kann er heute noch fast auswendig.

Diese Bücher haben überlebt und erfreuen auch heute noch weitere Generationen, was die bleibende Qualität und den emotionalen Wert dieser Werke unterstreicht.

Die faszinierende Medienlandschaft der DDR

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Leipzig. Die Deutsche Demokratische Republik, ein relativ kleines Land, verfügte über eine bemerkenswert hohe Zeitungsdichte. Mit rund 40 Tageszeitungen und zahlreichen Zeitschriften prägten Printmedien das Alltagsleben der Bürger. Doch wie funktionierte dieses System, das einerseits von strenger Uniformität geprägt war und andererseits auf überraschend hohe Leserzahlen stieß? Professor Hans Jörg Stieler, Dozent für empirische Kommunikations- und Medienforschung an der Universität Leipzig, gibt Einblicke in die vielschichtige Welt der DDR-Printmedien.

Allgegenwärtige Präsenz und überraschende Akzeptanz
Stieler, der vor seiner Berufung 1993 am Zentralinstitut für Jugendforschung unter anderem die Zeitungsnutzung in der DDR untersuchte, betont die „außerordentlich hohe Uniformität“ des Zeitungssystems. Trotz des einheitlichen Charakters wurden die Zeitungen gelesen. „Offensichtlich müssen ja Zeitungen in irgendeiner Weise zur Lebensbewältigung oder Lebenshilfe beigetragen haben“, so Stieler. Im Durchschnitt fanden sich in DDR-Haushalten mindestens zwei bis drei Tageszeitungen, die auch von jungen Leuten mitgelesen wurden.

Gerade für Jugendliche war der Zugang zu Printmedien aus zwei Gründen unkompliziert: Erstens waren Zeitungen in den Haushalten vorhanden. Obwohl sie oft sehr dünn waren und schnell durchgelesen werden konnten, waren sie präsent. Zweitens wurde in den Schulen intensiv mit Zeitungen gearbeitet. Zudem wurden junge Menschen aktiv für die Zeitungslektüre geworben, was angesichts der niedrigen Preise finanziell unproblematisch war. Speziell für junge Leser gab es die Tageszeitung „Junge Welt“ sowie populäre Magazine wie „neues Leben“.

„neues Leben“ und Papierknappheit als Steuerungsinstrument
Das Monatsmagazin „neues Leben“ war besonders populär. Es hatte einen typischen Magazincharakter, der eine Mischung aus Staatspolitik – mal mehr, mal weniger gut für junge Leute aufbereitet – und Themen wie Lebensweise, Pop, Rock und Partnerschaft bot. Die Beliebtheit führte dazu, dass es im Handel oft nicht erhältlich war, da die Abonnements limitiert waren. Professor Stieler schätzt, dass man sicherlich mehr als die damals gedruckten 600.000 bis 700.000 Exemplare hätte drucken können. Ähnliches galt für die beliebte Comic-Zeitschrift „Mosaik“.

Die knappe Verfügbarkeit dieser begehrten Titel war kein Zufall. „Papier war knapp“, erklärt Stieler, „und deswegen sind eine ganze Reihe von populären Dingen auch nur in limitierten Auflagen gedruckt worden“. Diese Papierknappheit diente Partei und Staatsführung oder dem Kulturministerium als direktes Steuerungsinstrument: Selbst zugelassene Bücher, die nicht massenhaft gelesen werden sollten, erhielten nur eine geringe Auflage. Dies ermöglichte „feine Steuerungsmechanismen“.

Die „Postzeitungsliste“ und der heimliche West-Import
Ein weiteres Kontrollinstrument war die sogenannte „Postzeitungsliste“. Alle in der DDR verfügbaren Zeitungen und Zeitschriften waren darauf verzeichnet. Was nicht auf dieser Liste stand, durfte nicht eingeführt werden. Professor Stieler erinnert sich an ein Beispiel aus seiner eigenen Familie: Ein „Spiegel“-Magazin, das sein Vater aus Prag mitbrachte, wurde an der Grenze konfisziert, weil es nicht auf der Liste stand.

Trotz dieser strikten Kontrollen kursierten westliche Medien im Land. Die „Bravo“ beispielsweise wurde unter Jugendlichen weitergegeben, und sogar fünf Jahre alte Hefte wurden noch gelesen. Rentner, die in den Westen reisen durften, brachten oft Zeitschriften mit, die nicht lückenlos aussortiert werden konnten. Auch über die Post gelangte Material trotz aller Kontrollen ins Land. Diese Zeitschriften zirkulierten dann als „alltägliches Lesen oder als heimliches Lesen“, wobei die Heimlichkeit oft relativ war, da die Weitergabe im Freundes- und Bekanntenkreis bekannt war.

Die Medienlandschaft der DDR war somit ein komplexes Geflecht aus staatlicher Kontrolle, breiter, wenn auch uniformer, Verfügbarkeit und einem faszinierenden Untergrundmarkt für begehrte, nicht genehmigte westliche Publikationen.

Eine kulinarische Reise durch die DDR-Küche

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Gerüche und Geschmäcker haben die einzigartige Kraft, uns in Sekunden zurückzuversetzen – an den Küchentisch der Kindheit, an Omas Herd oder an das Mittagessen nach der Schule. In der ehemaligen DDR waren Gerichte oft mehr als nur Sättigung; sie waren ein Stück Zuhause, geprägt von einfachen Zutaten, viel Liebe und Erinnerungen, die bis heute bleiben. Begleiten Sie uns auf eine besondere Reise in die kulinarische Vergangenheit Ostdeutschlands, die bodenständige Küche und den Einfallsreichtum einer Ära widerspiegelt.

Deftige Klassiker und Hausmannskost
Die DDR-Küche war bekannt für ihre herzhaften und sättigenden Gerichte, die oft mit wenigen Mitteln viel Geschmack boten. Ein solcher Klassiker waren die Königsberger Klopse, obwohl sie ursprünglich aus Ostpreußen stammen. Diese Fleischklöße aus Hackfleisch, eingeweichtem Brötchen, Zwiebeln und Sardellen wurden in einer weißen, sämigen Soße mit Kapern serviert – eine Mischung aus mild und würzig, die viele liebten. Dazu gab es meist Salzkartoffeln oder Kartoffelpüree.

Ein echtes Alltagsgericht waren die Eier in Senfsoße – einfach, günstig und schnell gemacht. Die hartgekochten Eier schwammen in einer cremigen Soße aus Butter, Mehl, Milch und mittelscharfem Senf, deren Geschmack angenehm würzig, leicht süßlich und mild war. Traditionell wurden sie mit Salzkartoffeln oder Kartoffelpüree, oft mit etwas Petersilie, serviert und bedeuteten für viele ein Stück Heimat.

Der Stramme Max war ein deftiger und sättigender Brotkklassiker. Eine Scheibe kräftiges Misch- oder Roggenbrot wurde mit Schinken oder Wurst belegt und mit einem Spiegelei gekrönt, manchmal ergänzt durch Gewürzgurken oder Senf. Seine schnelle Zubereitung und die wenigen Zutaten machten ihn ideal für den Feierabend oder als deftiges Frühstück und spiegelten die bodenständige Küche der DDR wider. Bis heute wird der Stramme Max in vielen Küchen als nostalgisches Lieblingsgericht zubereitet.

Ein Gericht mit makabrem Namen, aber geschätztem Geschmack, war die Tote Oma. Dahinter verbarg sich gebratene Blutwurst, oft mit Zwiebeln verfeinert, serviert mit Kartoffelpüree und Sauerkraut. Besonders in den östlichen Regionen Deutschlands beliebt, galt es als deftige Hausmannskost.

Die Fettbemme, auch Speckfettbemme genannt, war ein einfacher, aber sättigender Brotzeitklassiker. Eine dicke Scheibe Roggen- oder Mischbrot wurde großzügig mit Schweineschmalz oder ausgelassenem Speckfett bestrichen, oft belegt mit Röstzwiebeln oder frischen Zwiebelringen und am besten begleitet von einer sauren Gurke. Sie war ein schnelles Abendbrot oder eine Stärkung auf dem Feld und symbolisiert heute die ehrliche, rustikale DDR-Küche.

Das Jägerschnitzel der DDR unterschied sich vom westdeutschen Pendant: Es bestand aus panierter Jagdwurst, serviert mit Tomatensoße und Nudeln. Es war eine kreative Lösung in Zeiten knapper Ressourcen und ein beliebtes Gericht in Schulkantinen und Betriebsküchen.

Die DDR-Fast-Food-Szene: Imbisse und Schnellgerichte
Auch in der DDR gab es beliebte Optionen für den schnellen Hunger unterwegs oder als Imbiss. Würzfleisch, ein Ragout aus Schweine- oder Geflügelfleisch in würziger Soße, mit Käse überbacken und oft mit Zitrone serviert, war ein beliebter Snack in Gaststätten. Es war die DDR-Variante des französischen Ragout Fin, jedoch meist aus Schweinefleisch.

Die Krusta, die DDR-Version der Pizza, war eine Entwicklung eines Jugendkollektivs aus dem Jahr 1976. Der Hefeteigboden, der oft Weizen- und Roggenmehl enthielt, wurde mit Käse, Wurst oder Gemüse belegt und in Bäckereien oder Imbissen angeboten. Beliebte Varianten waren die Geflügelkrusta und die Spreewaldkrusta mit Sauerkraut und Hackfleisch.

Die Karlsbader Schnitte war ein echter Fast-Food-Klassiker: Eine dicke Scheibe Toastbrot, großzügig mit Schinken und Käse, manchmal auch Tomaten oder Gurken, belegt und im Ofen überbacken. Schnell zubereitet, sättigend und preiswert, war sie perfekt für den kleinen Hunger zwischendurch. Trotz des wohlklingenden Namens hatte sie wenig mit der tschechischen Stadt zu tun.

Der Broiler, das Brathähnchen der DDR, war ein kulinarisches Highlight, das ab den 60er Jahren in speziellen Broiler-Gaststätten serviert wurde. Knusprig gegrillt und saftig im Inneren, war er ein Symbol für den Aufschwung der Geflügelproduktion und ein fester Bestandteil der DDR-Esskultur. Die ersten Broiler-Gaststätten eröffneten 1967 in Ostberlin und waren sofort ein großer Erfolg.

Die Ketwurst, ein Hotdog mit DDR-Charme, wurde Ende der 70er Jahre entwickelt, um die Versorgung großer Menschenmengen am Alexanderplatz zu verbessern. Eine Brühwurst wurde in ein aufgespießtes Brötchen gesteckt, das zuvor durch einen heißen Metallstab ausgehöhlt wurde, und mit einer speziellen Tomatenwürzsoße übergossen.

Die Grilletta war die ostdeutsche Antwort auf den Hamburger. Ein gegrillter Schweinefleischklops im knusprigen Brötchen, garniert mit Zwiebeln und einer würzigen Soße, wurde 1979 entwickelt, ebenfalls zur Bewältigung des Besucheransturms am Alexanderplatz. Statt eines weichen Burgerbrötchens kam ein Sauerteigbrötchen zum Einsatz, und wegen Mangels an Ketchup oft ein selbstgemachtes Chutney.

Die einfache Kombination aus Bockwurst mit Schrippe (einem knusprigen Brötchen) war ein klassischer Imbiss, der schnell und sättigend war und besonders bei Arbeitern und Schülern beliebt war.

Süße Verführungen und internationale Akzente
Die DDR-Küche bot auch eine Vielfalt an süßen Speisen und zeigte sich offen für internationale Einflüsse. Die Quarkkeulchen, hergestellt aus einer Mischung von Quark, gekochten Kartoffeln, Eiern, Mehl und Zucker, wurden zu kleinen Fladen geformt und goldbraun gebraten. Oft mit Zimt und Zucker bestreut oder mit Apfelmus serviert, erinnerten sie viele an die Küche ihrer Großmütter.

Der Kalte Hund war ein beliebter Kühlschrankkuchen, der ohne Backen zubereitet wurde. Er bestand aus abwechselnden Schichten Butterkekse und einer kakaohaltigen Fettglasur und war bei Kindern besonders beliebt – ein Klassiker auf Geburtstagen oder Feiern.

Die Arme Ritter waren eine einfache und kostengünstige Speise aus altbackenem Brot, das in einer Mischung aus Milch und Eiern getränkt, gebraten und mit Zucker bestreut wurde. Oft mit Marmelade oder Apfelmus serviert, waren sie eine süße Alternative zu herzhaften Mahlzeiten.
Der Seltkuchen verdankte seinen Namen dem verwendeten Mineralwasser mit Kohlensäure, das dem Teig eine besondere Lockerheit verlieh. Oft mit Zitrone oder Kakao verfeinert und mit Puderzucker bestäubt, war er ein häufiger Gast auf Kaffeetafeln und Kindergeburtstagen.

Internationale Gerichte fanden ebenfalls ihren Weg in die DDR-Küchen. Letscho, ein Paprikagemüse, das ursprünglich aus der ungarischen Küche stammt, war in der DDR sehr beliebt. Es wurde als Beilage zu Fleischgerichten oder als Soße verwendet und brachte einen Hauch von Internationalität in die heimische Küche. Die Soljanka, eine würzige Suppe mit Wurzeln in der russischen und ukrainischen Küche, war ebenfalls sehr populär. Mit verschiedenen Fleischsorten, Wurst, sauren Gurken, Tomatenmark und Gewürzen zubereitet, war sie bekannt für ihren säuerlich-scharfen Geschmack.

Grillkultur und bleibende Erinnerungen
Das Rostbrätel, ein mariniertes Schweinekotelett, das über Holzkohle gegrillt wurde, stand sinnbildlich für die Grillkultur der DDR. Die Marinade, oft aus Zwiebeln, Senf, Bier und Gewürzen, verlieh dem Fleisch ein besonders würziges Aroma. Es war besonders am Wochenende oder zu Feiertagen ein Highlight und wird bis heute in den neuen Bundesländern als beliebtes Grillgericht mit Kultstatus gefeiert.

Diese Gerichte erzählen eine Geschichte von einfacheren Zeiten, von Zusammenhalt und bodenständiger Küche. Sie waren nicht nur Nahrung, sondern ein fester Bestandteil des Alltags und wecken bei vielen Ostdeutschen bis heute Kindheitserinnerungen und ein Gefühl von Heimat. Viele dieser traditionellen Speisen leben in Familienrezepten weiter und werden als nostalgische Lieblingsgerichte geschätzt.

Leipzigs legendäre Fußballschlachten

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Das Leipziger Zentralstadion war über Jahrzehnte hinweg die Bühne für unvergessliche Momente des DDR-Fußballs. Mit einer Kapazität von fast 100.000 Zuschauern und der Übertragung durch sechs europäische Fernsehstationen bot es stets eine eindrucksvolle Kulisse für die Nationalmannschaft der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Blick zurück auf einige der legendärsten Begegnungen zeigt Triumphe, knappe Niederlagen und die Entwicklung einer Mannschaft, die stets um die Herzen ihrer Fans kämpfte.

Historische Duelle und knappe Entscheidungen
Eines der wohl geschichtsträchtigsten Spiele fand im Jahr des 100-jährigen englischen Fußballjubiläums statt. Die DDR-Auswahl empfing die hochkarätige englische Nationalmannschaft in einem als außerordentlich fair und gut beschriebenen Spiel. Trotz des beeindruckenden 1:1-Ausgleichs durch den damaligen „besten Spieler der DDR-Mannschaft zwischen 1955 und 1957“, Telfum Lösstal Tröger, musste sich die DDR am Ende mit 1:2 geschlagen geben, nachdem Bobby Charlton das entscheidende Tor für England erzielt hatte. Ein anderes Länderspiel gegen England endete mit einem 1:1-Unentschieden und festigte eine beeindruckende Serie von 13 Spielen, in denen die DDR-Auswahl ungeschlagen blieb.

Doch nicht immer lief es nach Wunsch. Eine „kalte Dusche“ gab es früh im Spiel gegen Österreich, als man kurz vor der Pause ein 0:1 hinnehmen musste. Auch gegen Holland musste sich die DDR-Auswahl in einem dramatischen Spiel mit 1:2 geschlagen geben, obwohl Schluckhase bereits in der 17. Minute die Führung erzielt hatte; Tyson von Holland gelang das Siegtor erst in den Nachspielsekunden.

Comebacks und entscheidende Tore
Die Mannschaft zeigte jedoch auch beeindruckende Comeback-Qualitäten. In einem EM-Spiel von 1979 gegen Polen lag die DDR ebenfalls mit 0:1 zurück, drehte das Spiel aber noch zu einem 2:1-Sieg, wobei Streich der entscheidende Torschütze war. Ein weiterer Triumph gegen Polen wurde in der 50. Minute durch einen Treffer von Streich nach Vorarbeit von Häfner und Dörner gesichert, was ebenfalls zu einem 2:1-Sieg führte.

Besondere Höhepunkte waren die Tore wichtiger Spielerpersönlichkeiten. So erzielte Löwe in der 51. Minute den 1:1-Ausgleich gegen die Türkei nach sehr guter Vorarbeit von Schade. Jürgen Nöldner glänzte mit einer „sauberen Aktion“, und Peter Ducke zeigte eine „Klasse“ im Spiel. Rainer Ernst erzielte ein verdientes 1:0 gegen einen Europameister, wobei sein „Klassesolo“ an vier Franzosen vorbei, auch wenn es nicht zum „i-Punkt“ führte, als selbstbewusstes Angriffsspiel gewertet wurde.

Unvergessliche Siege und beeindruckende Fans
Einen historischen Sieg feierte die DDR-Nationalmannschaft, als sie die „vierfachen EM- und Weltmeisterschafts-Italiener“ zum ersten Mal mit 1:0 besiegte. Hause, ein 26-jähriger Vorwärtsspieler aus Frankfurt/Oder, erzielte in der 20. Minute das entscheidende Kopfballtor, das international Aufsehen erregte. Etwa 70.000 begeisterte Zuschauer feierten diesen Erfolg im Zentralstadion.

Auch wenn es gegen Belgien eine 1:2-Niederlage gab, bei der Streich der einzige Spieler war, der Torwart und Abwehr in Gefahr brachte, zeigte sich eine „junge DDR Mannschaft“ gegen einen Europameister mit „reißendem Fußball“ und „selbstbewusstem Angriffsfußball“. Andreas Thom leitete das 2:0 über Ulf Kirsten ein, und Matthias Liebers eröffnete Ronald Kreer den Weg zum entscheidenden Treffer.

Das Leipziger Zentralstadion war somit mehr als nur ein Fußballfeld; es war ein Ort, an dem die Nationalmannschaft der DDR Geschichte schrieb, sich bewährte und die Herzen der fast 100.000 Zuschauer und Millionen Fernsehgeräte-Zuschauer immer wieder begeisterte.

Der Bogensee: Wo die Macht tanzen und die Jugend marschieren lernte

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Versteckt 30 Kilometer nördlich von Berlin, nahe Wandlitz, liegt ein abgeschiedenes Gewässer: der Bogensee. Seine Ufer säumen keine belebten Badestrände oder auffälligen Gebäude, doch die Gegend birgt geheimnisvolle Geschichten von Macht und Einfluss. Hier, wo Reichspropagandaminister Joseph Goebbels einst seine düsteren Pläne schmiedete, entstand später eine Kaderschmiede der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die Jugendschule „Wilhelm Pieck“ – ein Ort, an dem zwei gegensätzliche politische Systeme ihre deutlichen Spuren hinterließen.

Goebbels‘ Refugium und der „Totale Krieg“
Die Geschichte des Bogensees als Schauplatz der Macht beginnt in der Zeit des Nationalsozialismus. 1936 erhielt Joseph Goebbels, Gauleiter von Berlin und Reichspropagandaminister, von der Stadt Berlin den Bogensee und eine kleine Hütte als Geschenk zum Geburtstag. Goebbels empfand diesen Ort als Refugium, einen Rückzugsort zum Denken, Arbeiten und Lesen. Doch seine Eitelkeit und sein Repräsentationsbedürfnis als Propagandachef ließen ihn nicht bei einer Blockhütte bleiben. Er ließ sich eine pompöse Landvilla mit 30 privaten Zimmern, einem Filmsaal und 40 Diensträumen bauen, finanziert durch die Ufa, für 2,3 Millionen Reichsmark. 1939 war die Villa bezugsfertig. Goebbels nutzte sie nicht nur für repräsentative Zwecke, sondern auch für amouröse Abenteuer, darunter eine Affäre mit der tschechischen Schauspielerin Lída Baarová. Adolf Hitler selbst beendete diese Liaison, da er einen verliebten Propagandachef ablehnte und stattdessen eine deutsche Vorzeigefamilie benötigte.

So zog Magda Goebbels mit den sechs gemeinsamen Kindern an den Bogensee, wo Joseph Goebbels seine Propagandaauftritte plante, Artikel und Reden verfasste, darunter seine berüchtigte Sportpalastrede, in der er den „totalen Krieg“ forderte. Als Berlin im April 1945 in der Apokalypse versank, zog Goebbels mit seiner Familie in den Führerbunker und beging am 1. Mai 1945 Selbstmord, nachdem er seine Kinder vergiftet hatte. Seine Villa am Bogensee fiel unbeschädigt in die Hände der Roten Armee und diente einige Monate als Lazarett, bevor das gesamte Areal der FDJ übergeben wurde.

Von der demokratischen Jugendbewegung zur Kaderschmiede der SED
Die Vorgeschichte der FDJ-Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ begann im Frühjahr 1946. Erich Honecker, damals frisch gewählter Vorsitzender der am 7. März 1946 gegründeten Freien Deutschen Jugend, und sein Freund Heinz Keßler, späterer DDR-Verteidigungsminister, suchten nach einem Domizil für eine Jugendschule. Sie fanden die leerstehende Goebbels-Villa, die ihnen von der sowjetischen Militärverwaltung übergeben wurde. Anfänglich herrschte eine lockere Atmosphäre, in der Diskussionen frei geführt werden konnten, und die FDJ war noch eine demokratische Organisation, in der Christen, Kommunisten und Sozialdemokraten gleichberechtigt zusammenarbeiteten. Zeitungen aller Parteien standen zur Lektüre bereit, und die Schüler, durchschnittlich 19 Jahre alt, hatten sich in der Jugendarbeit bewährt und ein gewisses Bildungsniveau nachgewiesen.

Doch nach der Gründung der DDR 1949 änderte sich der Ton. Christen wurden aus der FDJ gedrängt, und fortan galt einzig die SED-Ideologie. Die kleine, nette Schule wandelte sich zu einem „reglementierten Zentrum“, einer Parteijugend der SED, die stalinisiert wurde. Am 14. September 1950 erhielt die Schule den Namen des ersten DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck.

Der Bau der Jugendschule entwickelte sich zu einem der aufwendigsten und teuersten Bauvorhaben der frühen DDR. Obwohl Stararchitekt Hermann Henselmann sich eine in die Natur eingebettete Waldschule aus Holz vorstellte, griff Parteichef Walter Ulbricht massiv in die Planungen ein. Er verlangte ein „Denkmal des Sozialismus“ im Maßstab der Sowjetunion, mit der Stalinallee in Berlin als Vorbild. Die Kosten für die monumentale Architektur liefen aus dem Ruder, doch Mitte der 1950er Jahre waren mehrere Bettenhäuser, eine große Mensa und ein Lektionsgebäude entstanden, die über 500 Studenten pro Jahr aufnehmen konnten. Der Bogensee wurde zum Sprungbrett für FDJ-Karrieren, da viele den Wunsch hegten, in höhere Funktionen oder sogar zum ersten Sekretär einer Kreisleitung aufzusteigen.

Das „Rote Kloster“ und seine internationalen Schüler
Die Jugendhochschule am Bogensee entwickelte sich zur höchsten Kaderschmiede der FDJ, auch bekannt als „Rotes Kloster“. Hier sollten nur die besten FDJler studieren; Linientreue war eine Grundvoraussetzung. Die Studenten, oft ein Jahr lang dort, absolvierten politische Vorlesungen und Schulungen, und die meisten waren Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Ab den 1960er Jahren erhielt die Schule einen internationalen Anstrich, wenn auch innerhalb klar umrissener propagandistischer Grenzen. Junge ausländische Studenten, vorwiegend aus der Dritten Welt, sollten hier politisch geschult werden. Sie kamen aus sozialistischen und befreundeten Staaten, und kommunistische Parteien Westeuropas entsandten Kader. Auch Aktivisten aus Befreiungsbewegungen aus aller Welt, etwa Sandinisten aus Nicaragua oder Kämpfer aus Südafrika, wurden konspirativ in die DDR geschickt. Ab den 1970er Jahren drückten junge Leute aus der ganzen Welt gemeinsam mit DDR-Studenten die Schulbank, paukelten Marxismus-Leninismus, politische Ökonomie des Kapitalismus und Philosophie. Highlights waren Prominentenbesuche, wie die des amerikanischen Sängers Dean Reed oder des DDR-Kosmonauten Sigmund Jähn.

Trotz der strengen ideologischen Ausrichtung genossen die Studenten innerhalb des eingezäunten und von Volkspolizisten bewachten Areals eine bemerkenswerte Freizügigkeit. Sie aßen zusammen, feierten und tanzten in der Mensa, die zu einem der internationalsten Orte der DDR wurde. Es entstanden Freundschaften, Lieben und sogar Kinder. Ehemalige Studenten und Lehrer wie Helmut Steinbach, der bereits in den 50er Jahren Philosophie lehrte, erinnern sich gerne an die Zeit des Aufbruchs und des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg, an die Suche nach einer neuen Identität für Deutschland.

Doch es gab auch Einschränkungen und Merkwürdigkeiten. Die Schule vergab kein Diplom, sondern ein Zertifikat – ein „Etikettenschwindel“, wie Dagma Enkelmann, die bis 1985 Geschichte lehrte, es nannte. Weststudenten, wie Adrian Geiges, der in geheimer Mission zur Ausbildung geschickt wurde, stießen auf DDR-Rituale wie Aufmärsche und die „Spalierbildung“ für hochrangige SED-Politiker wie Egon Krenz, die ihnen aus ihren antiautoritären Traditionen im Westen fremd waren. Auch enge Beziehungen zu westlichen Studenten waren unerwünscht, um eine Rückkehr der Weststudenten in ihre Heimatländer und den Kampf für den Kommunismus dort nicht zu gefährden. Viele Studenten, wie der junge Guerillero Héctor Martínez aus Nicaragua, träumten von einer besseren Welt und sind noch heute in ihren Heimatländern in einflussreichen Positionen tätig. Das Zusammenleben mit dem internationalen Lehrgang wird von vielen Absolventen als ihr prägendstes Erlebnis am Bogensee beschrieben.

Feuerproben und ein Bundeskanzlerbesuch
Die Studenten der FDJ-Schule waren längst zur „Kampfreserve der SED“ mutiert. Eine besondere Feuerprobe kam im Juni 1953, als die SED nach der Niederschlagung der Arbeiterunruhen die Studenten vom Bogensee zur Stabilisierung ihrer Macht bei organisierten Gegendemonstrationen einsetzte.

Ein weiteres Schlüsselereignis war der geplante Besuch des Bundeskanzlers Helmut Schmidt in der DDR im Sommer 1980, der sich auf der Jugendhochschule in Bogensee präsentieren sollte. Die Schule verfügte über die größte Simultandolmetscheranlage der DDR und lag abgeschieden im Wald, fernab der Bevölkerung und neugieriger Journalisten. Da die Schule sich jedoch in einem katastrophalen Zustand befand, wurden innerhalb weniger Wochen 11 Millionen Mark investiert, um sie für den Westbesuch vorzeigbar zu machen – eine Art „Potemkinsches Dorf“. Ein weiteres Problem war ein geheimes militärisches Objekt in unmittelbarer Nachbarschaft: Honeckers Führungsbunker für den Atomkrieg. Die Vorstellung, dass der Bundeskanzler des „Klassenfeindes“ mit Hunderten von Journalisten quasi nebenan einfallen würde, war ein Albtraum für die geheimen Genossen im Bunker. Dennoch kam es im Dezember 1981 zum Besuch. Zimmer für Schmidt und Honecker wurden vorbereitet, Mensa und Lektionsgebäude umgebaut, Fernsehstudios eingerichtet. Der internationale Lehrgang musste verlegt werden, um keine unerwünschten Kontakte der Journalisten zu ermöglichen. Am 13. Dezember fand die Pressekonferenz statt, allerdings ohne Honecker.

Niedergang und ungewisse Zukunft
Nach dem Großereignis kehrte der Alltag an den Bogensee zurück. Bis zum Ende der DDR wurde die reine Lehre des Sozialismus verkündet, Ereignisse außerhalb der umzäunten Welt blieben ausgeblendet. Im September 1989 begann noch wie geplant ein neuer Lehrgang, und am 6. Oktober fuhren die Studenten als „Jubelkommando“ zu einem Fackelumzug nach Berlin – ihr letzter großer Einsatz. Mit dem baldigen Ende der DDR folgten das Aus für die FDJ und die Schule am Bogensee. Am 31. März 1990 zogen die letzten Volkspolizisten ab, Lehrgänge wurden abgebrochen, Mitarbeiter entlassen.

Der Internationale Bund für Sozialarbeit übernahm die Gebäude, investierte und verwandelte sie in Tagungsräume, Hotels und Gaststätten, bildete bis 1999 Jugendliche aus. Doch diese Pläne scheiterten, als das Land Berlin das Areal zurückerhielt und sich nicht über die Pachtsumme einigen konnte. Seit Jahren wird der gesamte Komplex erfolglos zum Verkauf angeboten.

Heute ist das Gelände verlassen und verwaist. Nur Hausmeister Roberto Müller, der schon zu DDR-Zeiten als Techniker an der Jugendhochschule arbeitete, kämpft allein gegen Schimmel, Rost und Regenwasser – ein aussichtsloser Kampf. Der Zustand der Gebäude bereitet ihm schlafloose Nächte; er fühlt sich verantwortlich und denkt gern an die DDR-Zeit zurück, als hier noch voller Leben war. Wie ihm geht es vielen ehemaligen Studenten und Lehrern, die sich gern an die Zeit der Jugendhochschule erinnern.

Das riesige Areal steht unter Denkmalschutz, doch es verfällt zusehends. Ein finanzstarker Investor ist nicht in Sicht, und allein für den Erhalt wären jährlich Millionen aufzubringen. Für ein Museum ist die Anlage zu groß und vielleicht zu abgelegen. Doch ein Nutzer ist geblieben, der auf die Abgeschiedenheit setzt: In die Wirtschaftsgebäude von Goebbels‘ ehemaligem Anwesen zog vor einigen Jahren die Waldschule des Berliner Forsts ein, wo Kindergruppen und Schulklassen die Natur erleben können.

Der Bogensee und das umgebende Areal kehren langsam zu ihren Ursprüngen zurück: ein verschwiegenes Naturparadies. Doch es bleibt auch ein verborgener Ort, an dem wie fast nirgendwo sonst in Deutschland zwei politische Systeme ihre deutlichen Spuren hinterlassen haben.

Der größte Skandal im Ost-Fußball: Als Hütte und Pumpe zu Bauernopfern wurden

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Im Sommer 1970 erschütterte ein beispielloser Skandal den Fußball der DDR. Die Betriebssportgemeinschaft (BSG) Stahl Eisenhüttenstadt, damals erstklassig und sogar mit Ambitionen auf den Europapokal, wurde mitten in der laufenden Saison eine Spielklasse tiefer versetzt. Der Vorwurf: Profifußball – „kapitalistische Anwendungen“ wurden dem Verein unterstellt. Ein ähnliches Schicksal ereilte die BSG Aktivist Schwarze Pumpe aus Hoyerswerda. Was im Westen hellhörig machte, sollte in der DDR möglichst geheim gehalten werden, obwohl die Öffentlichkeit trotz ausführlicher Urteilsbegründung kaum Einzelheiten erfuhr.

Amateur-Ideal trifft Profi-Realität Der DDR-Fußball um 1970 war eine seltsame Mischung aus sozialistischer Sportgemeinschaft und Profisport „nach Vorschrift“. Offiziell galten die Kicker von Aue bis Rostock als Amateure, die außerhalb ihrer Arbeitszeit zu trainieren hatten. Zwar waren Freistellungen für Oberligaspieler von 20 Stunden pro Woche und für Ligaspieler von fünf Stunden genehmigt, doch in der Realität entwickelte sich längst profiähnliche Strukturen. Der damalige Vorsitzende des Turn- und Sportbundes, Rudi Hellmann, gab offen zu: „Ich habe zu groß hier gedacht. Ich war so ein bisschen Bayern-München-Präsident. Das vorgeschriebene Amateur-Tun außer Kraft gesetzt“.

Eisenhüttenstadt und die Verlockungen des Geldes Eisenhüttenstadt, 1950 als erste sozialistische Großstadt der DDR am Reißbrett entworfen und zunächst Stalinstadt genannt, diente primär als Wohnstadt für die Arbeiter des Eisenhütten-Kombinats Ost (EKO), einem 16.000 Mann Betrieb. Um die Belegschaft zu unterhalten, gab es eine Fußballmannschaft. Die BSG Stahl war 1969 in die höchste Spielklasse aufgestiegen und wollte sich verstärken.

Siegfried Noffke, der erst Mannschaftsleiter und später Sektionsleiter war, agierte nebenbei als eine Art „Chefeinkäufer“ – eine Funktion, die es im sozialistischen Ost-Fußball eigentlich gar nicht gab. Er bot neuen Spielern Anreize, die weit über das Übliche hinausgingen: „Die erste Wohnung, eine Gage, neue Gardinen, die Frauen haben immer gesagt, ich muss ja der neue Laden kaufen und der Teppich passt auch nicht mehr. Das konnte ich alles bieten, aber kein Handgeld, das war mir streng verboten“. Auch DDR-Nationalspieler Hans-Jürgen Kreische wurde kontaktiert und erinnert sich an die „Summen“, die genannt wurden. Es war bekannt, dass in Eisenhüttenstadt „es nur über Geld“ ging, wie der einstige Abwehrspieler Hermann Müller, der von Wismut Aue wechselte, bestätigte.

Hoyerswerda und die „Sportler-Brigade“ Ähnliche Zustände herrschten im Lausitzer Braunkohlerevier in Hoyerswerda, bei der BSG Aktivist Schwarze Pumpe, der Betriebssportgemeinschaft des gleichnamigen Gaskombinats. Obwohl gerade erst in die zweithöchste Spielklasse aufgestiegen, boten sie erstklassige Bedingungen: „Wir haben auf den Sportplatz gearbeitet als so genannte Sportler Brigade und konnten in dieser Zeit auf alle Fälle nachmittags trainieren, teilweise auch vor gedacht. Also so gesehen haben wir schon recht ordentliche Verhältnisse gehabt“.

Im gesamten DDR-Spitzenfußball war es ein offenes Geheimnis, dass fast überall deutlich mehr als die vorgeschriebenen 800 bis 1200 Mark gezahlt wurden, besonders bei den gerade eigenständig gewordenen Fußballclubs.

Das Urteil unter Druck Im Sommer 1970 gerieten die „verkappten Profistrukturen“ ins Visier der Staatsführung. Spione des Turn- und Sportbundes wurden ausgeschickt, um den Trainingsalltag der Vereine penibel zu dokumentieren und festzustellen, ob während der Arbeitszeit trainiert wurde. Brandenburg, der damalige BDST-Vorsitzende, soll sogar persönlich Trainings beobachtet haben.

Der Verband stand unter enormem Druck. Der drohende Protest der Niederländer, die zufällig in der EM-Qualifikation auf die DDR trafen, zwang den Ost-Verband zu schnellem Handeln. Das Hauptziel war, die angestrebte Medaille der „Staatsamateure“ bei den Olympischen Spielen 1972 nicht zu gefährden.

Im September 1970, nach dem zweiten Spieltag, fiel das Urteil: Über Nacht wurden Pumpe und Eisenhüttenstadt herabgestuft. Die Vorwürfe gegen beide Vereine lauteten annähernd gleich: „Finanzielle Fonds ihrer Trägerbetriebe für sportfremde Zwecke verausgabt, ungerechtfertigte Zuwendungen gezahlt und die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen gröblichst missachtet zu haben“.

Bauernopfer und das Erbe Hütte und Pumpe wurden zu „Bauernopfern“. Die etablierten Clubs, in deren Reihen sich Nationalspieler befanden, durften weitermachen. Eine Bestrafung aller Vereine war für die Führung offenbar keine Alternative, denn „dann hätte man den DDR-Fußball zu schließen müssen“. So aber klappte es mit der Olympia-Teilnahme und der angestrebten Medaille: Der Dresdner Kreische schoss die DDR-Auswahl 1972 zu Bronze.

Heute heißt der Nachfolgeverein der BSG Stahl FC Eisenhüttenstadt und kämpft in der Brandenburg-Liga gegen den Abstieg in Liga sieben. Gespielt und trainiert wird ausschließlich nach Feierabend – alles echte Amateure.

Erich Mielke: Vom „Meister der Angst“ auf die Anklagebank

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Berlin – Jahrzehntelang stand er an der Spitze des gefürchtetsten Geheimdienstes der Deutschen Demokratischen Republik: Erich Mielke, der „Meister der Angst“. Seine Handschrift trug die systematische Überwachung der DDR-Bürger. Doch nach dem Fall der Mauer fand sich der einstige Machtmensch, der als ältester Häftling Deutschlands galt, auf der Anklagebank des Landgerichts Berlin wieder. Ein tiefer Fall für den Mann, der 32 Jahre lang Minister für Staatssicherheit war.

Kindheit und politisches Erwachen Geboren am 28. Dezember 1907 im Berliner Wedding, wuchs Erich Mielke in beengten Verhältnissen auf und schämte sich für sein Zuhause. Er beschrieb sich selbst als einen ängstlichen, überempfindlichen Jungen, geprägt von Kontaktmangel und Selbstunsicherheit. Seine Eltern traten bereits 1919 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei, und Mielke selbst wurde mit 14 Mitglied im Kommunistischen Jugendverband. Er wollte die Verhältnisse der Weimarer Republik verändern und die Unterdrückung der Arbeiterklasse beenden.

Seine wahre Bestimmung fand Mielke im Parteiselbstschutz, einer paramilitärischen Gruppe der KPD. Dort radikalisierte er sich schnell. Am 9. August 1931 war Mielke zusammen mit Erich Ziemer mutmaßlich an der Ermordung zweier Polizisten am Bülowplatz beteiligt. Die Attentäter gaben aus nächster Nähe Schüsse auf die Beamten Franz Lenck und Paul Willig ab. Mielke brüstete sich später in seinem Stammlokal mit den Morden und zeigte die Tatwaffe, was ihm den Spitznamen „Pistolen-Erich“ einbrachte. Von manchen wurde er als „trivialer Mörder“ wahrgenommen, der sich hinter Ideologien versteckte. Nach der Tat floh Mielke nach Moskau, wo er die Internationale Lenin-Schule besuchte und unter dem Decknamen Paul Bach lernte. Sein großes Vorbild war Stalin, den er als „Lehrer“ und „Vater“ verehrte.

Der Architekt der Angst: Mielkes Stasi-System Nach seiner Rückkehr ins zerstörte Berlin 1945 machte Mielke in der sowjetischen Besatzungszone schnell Karriere in der Volkspolizei und später in der neu entstehenden Staatssicherheit. Er knüpfte Kontakte zu den Mächtigen wie Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht und genoss die Anerkennung, nach der er sich so lange gesehnt hatte. Als Minister für Staatssicherheit etablierte Mielke ein umfassendes System der Überwachung. Die Stasi schürte bewusst Angst, um Unsicherheit zu verbreiten und den Bürgern das Gefühl zu geben, verfolgt zu werden. Mielke repräsentierte dieses System, von den hauptamtlichen Offizieren bis zu den inoffiziellen Mitarbeitern (IM). Sein Misstrauen gegenüber dem eigenen Volk war immens, doch gleichzeitig sehnte er sich nach dessen Liebe – eine Paranoia, die er unter dem Mantel der Volksnähe verbarg.

Mielke war ein Mann mit einem starken Willen zur Macht, geprägt von den Kämpfen der 1920er und 30er Jahre. Er lebte asketisch, rauchte und trank nicht und war der Partei bis zu seiner Haft treu ergeben. Sein Kontrollzwang reichte bis in den Sport, wo er Fußballmannschaften abhören und Schiedsrichter bestechen ließ. Er sah die Welt in Freunden, Feinden und Verrätern, wobei er die „Verräter“ am meisten hasste. Unter seiner Führung entwickelte sich die Stasi sogar zu einer härteren Kontrollinstanz als der sowjetische KGB. Mielke war überzeugt, dass Angst die wirkungsvollste Triebfeder menschlichen Handelns sei, „stärker als Ehrgeiz, als Hoffnung und alles zusammen“.

Der Fall des Ministers: 1989 und das Ende der DDR In den späten 1980er Jahren geriet Mielkes System ins Wanken. Er widersetzte sich vehement den Reformen Michael Gorbatschows in der Sowjetunion, die er als „Anfang vom Ende des Sozialismus“ betrachtete. Die Kommunalwahlen im Mai 1989, die traditionell mit Zustimmungswerten von bis zu 99 Prozent endeten, wurden zu einem Wendepunkt. Trotz Mielkes anfänglicher Anweisung, „keine Manipulation“, wurden die Ergebnisse massiv gefälscht, um eine höhere Zustimmung vorzugaukeln.

Die Fälschungen führten zu wachsendem Protest und Demonstrationen. Mielke, der die Massenproteste als „neue Phase des Klassenkampfes“ sah, forderte drastische Maßnahmen, wie die Verhaftung von fast 14.000 „staatsgefährdenden Elementen“. Er verglich die Situation mit dem Mauerbau 1961, doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Sowjetunion, einstiger „Waffenbruder“, erklärte, die DDR nicht mehr schützen zu können. Dies war ein „Verrat“, der Mielke und viele Genossen tief traf.

Mielkes Macht schwand zusehends. Wenige Tage nach dem 40. Jahrestag der DDR war er maßgeblich an der Absetzung Erich Honeckers beteiligt. Doch auch Honeckers Nachfolger, Egon Krenz, hörte nicht mehr auf Mielkes Ratschläge. Der „Meister der Angst“ erteilte schließlich den Befehl zur Aktenvernichtung, um die operativen Methoden der Stasi vor dem „Klassenfeind“ zu verbergen. Seine letzte Rede vor der Volkskammer wurde mit Lachen quittiert – ein Symbol für das Ende seiner Ära und die Überwindung der Angst durch die Bevölkerung.

Der Prozess und das Erbe Nach der Wende wurde Erich Mielke inhaftiert. Er sah sich als Märtyrer, der sein ganzes Leben lang die DDR gegen „Klassenfeinde“ verteidigt hatte, und gab an, wenn es nach seinem Willen gegangen wäre, gäbe es die DDR noch heute. Im Gerichtssaal schwieg er oft stundenlang. Mediziner stellten seine Haftfähigkeit fest.

Im Jahr 1993 wurde Erich Mielke wegen des Doppelmordes an den Polizisten im Jahr 1931 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Alle weiteren Verfahren gegen ihn als Minister für Staatssicherheit der DDR wurden wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Ende 1995 wurde er auf Bewährung entlassen.

Mielkes Leben ist untrennbar mit dem System der DDR-Staatssicherheit verbunden. Er glaubte fest an die Überlegenheit seiner Methoden, doch am Ende scheiterte er an der Entschlossenheit der Bürger, die sich von der Angst befreiten und friedlich auf die Straße gingen. Seine Geschichte ist eine Mahnung an die zerstörerische Kraft der Angst und die Möglichkeit, sie zu überwinden.