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Wie Verfügbarkeit und Preis den Lebensalltag in der DDR prägten

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In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war der Einkauf mehr als nur das Besorgen von Lebensmitteln. Er war eine tägliche Lektion in Improvisation, Geduld und Wertschätzung. Während die Preise für Grundnahrungsmittel oft erstaunlich niedrig waren, prägte die Verfügbarkeit – oder eben deren Mangel – den Alltag und die Lebensweise der Menschen tiefgreifend. Ein Blick in den Einkaufswagen von damals offenbart ein System, in dem selbst das Selbstverständlichste einen besonderen Stellenwert besaß.

Die Pfeiler der Versorgung: Günstig und stets präsent
Bestimmte Güter waren omnipräsent und bildeten das Rückgrat der DDR-Ernährung. Ein Kilogramm Roggenmischbrot kostete lediglich 52 Pfennig und galt nicht als Lifestyle-Produkt, sondern als schlichtes „Überlebensmittel“. Es duftete nach Heimat und wurde oft noch warm im Konsum gekauft, zu Hause geschnitten, und selbst alte Reste fanden als Paniermehl oder Knödelbasis wieder Verwendung – ein Zeichen der Sparsamkeit und Ressourcennutzung. Ähnlich verhielt es sich mit Brötchen für fünf Pfennig, die morgens vom Bäcker kamen und schnell vergriffen waren; aus hart gewordenen Exemplaren wurden kurzerhand Brötchenknödel.

Milch, für 70 Pfennig pro Liter in Glasflaschen oder Plastikbeuteln erhältlich, war „ein Stück Alltag, das nie fehlte“ und gehörte selbstverständlich dazu. Kartoffeln für 85 Pfennig pro fünf Kilogramm waren „Alltag, Pflicht und Rettung zugleich“, wurden als Vorrat im Keller gestapelt und sicherten die Sättigung der Bevölkerung. Auch Weizenmehl für eine Mark pro Kilogramm war weniger ein Produkt als ein „Werkzeug“, das Selbstversorgung ermöglichte und den Stolz widerspiegelte, aus wenig viel zu machen. Speisesalz, für 88 Pfennig pro Kilogramm, war ein „stiller Hintergrundheld“, der nicht nur zum Kochen, sondern auch zum Einlegen, Putzen und Spülen verwendet wurde – ein unersetzlicher Bestandteil jedes DDR-Küchenschranks.

Das Besondere und das Rar gewordene: Luxus im Mangel
Andere Güter wiederum waren rar und daher umso begehrter. Butter, ein Viertelstück für zwei Mark, war etwas Besonderes. Wer sie im Regal fand, hatte Glück, und sie wurde für das Sonntagsfrühstück oder Besuch aufgehoben, da Margarine meist die Alternative war. Butter war nicht nur ein Produkt, sondern „Vertrauen in einen Moment, der zählte“.

Speiseöl war „rar wie Westgeld“ und für 1,90 Mark pro 450 Gramm oft gar nicht zu bekommen. Sein Preis war nebensächlich, wenn es fehlte; dann behalf man sich mit Riebschwarte. Es war der „stille Motor der Küche“, ein kostbarer, unsichtbarer Schatz. Eier für 4,80 Mark pro Dutzend waren ebenfalls „Werkzeug“ für die Küche. Wer Hühner hatte, war „König“, alle anderen standen Schlange, und an Ostern hatten sie ihren „großen Auftritt“.

Fleisch war oft ein Festtags- oder Sonntagsgut. Ein Kilogramm Schweinekotelett für acht Mark war „Feierabend mit Ansage“ und stand für ein gemeinsames, rituelles Essen. Hackepeter, rohes Hackfleisch für 7,60 Mark pro Kilogramm, war kein Alltagsessen, sondern ein „Ereignis“ für Betriebsfeiern oder Geburtstage, das Gemeinschaft symbolisierte.

Und dann gab es noch den Bohnenkaffee Rondo. Mit 70 Mark pro Kilogramm war er ein echtes „Ereignis“, das nur für Besuch oder Feiertage aufgebrüht wurde; im Alltag trank man Malzkaffee. Rondo duftete kräftig und erinnerte daran, „dass es auch im Mangel Momente gab, die nach Fülle schmeckten“.

Die verlässlichen Helfer: Pragmatismus im Alltag
Wo Knappheit herrschte, entstanden verlässliche Alternativen und Alltagshelfer. Margarine für 1,30 Mark war „das Fett des Volkes“ und immer verfügbar, ein pragmatischer Ersatz für Butter, der „funktionierte“. Jagdwurst für 68 Pfennig pro 100 Gramm war „Gesetz“ und „robust, verlässlich und irgendwie ehrlich“, eine Standardwurst für Schulbrot und Abendbrottisch. Landleberwurst für 62 Pfennig pro 100 Gramm war „ehrliche Wurst“, die satt machte und Ruhe in den Magen brachte.

Eierteigwaren und Nudeln, eine halbe Tüte Sättigung für 1,80 Mark, fühlten sich oft wie Luxus an, besonders wenn es Eierteigwaren waren, und waren ein schneller Trost nach einem langen Tag. Tomatenketchup für eine Mark pro 215 Gramm war „Rettung in Flaschen“, ein Klex davon machte vieles besser und wurde oft verdünnt, um länger zu halten. Selbst Fruchteis für 15 Pfennig war ein Stück „Feriengefühl“, die erste „Freiheit am Stiel“, die man sich selbst kaufen durfte.

Insgesamt prägten die Verfügbarkeit und die Preisstruktur der Güter den Alltag in der DDR maßgeblich. Sie lehrten die Menschen, Vorräte anzulegen, kreativ zu improvisieren und selbst scheinbar banale Dinge zu schätzen. Das Leben war geprägt von Verlässlichkeit bei Grundnahrungsmitteln und der gleichzeitigen Jagd nach den besonderen, knappen Gütern, die Momente der Freude und des Genusses in den oft entbehrungsreichen Alltag brachten.

Ralf Heine: Legende des Fußballs und Überlebenskünstler der DDR

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Ralf Heine gilt in Leipzig als eine wahre Legende des Fußballs, unvergessen als „Flieger“ im Tor der BSG Chemie Leipzig. Doch sein Werdegang als Torhüter war nicht nur von sportlichen Erfolgen geprägt, sondern auch von politischen Gegebenheiten, die ihn in der DDR stark beeinträchtigten. Er hätte möglicherweise im Auswahltor hinter dem legendären Jürgen Croy eine bedeutende Rolle spielen können, doch die politischen Umstände ließen dies nicht zu.

In den Jahren Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre gehörte Ralf Heine zu den besten Torhütern der Oberliga, aber plötzlich war er aus dem Fußballgeschehen verschwunden. Es spricht für seinen Charakter und seine Stärke, dass er trotz dieser schwierigen Umstände sein Leben gemeistert hat. „Ich war mit mir sehr zufrieden, dass ich keine Depression bekommen habe. Keine Gedanken daran, mich von irgendwohin zu verabschieden“, erinnert sich Heine. Diese Resilienz prägte seinen sportlichen und persönlichen Werdegang.

Ralf Heines Karriere begann vor 70 Jahren am Stadtrand von Leipzig bei der BSG Stahl Nordwest. Schon früh zeigte sich sein Talent, was ihn zu einem Wechsel zu Vorwärts Leipzig führte, einem damaligen Zweitligisten. Dort schaffte er es bis in die Nachwuchsauswahl der DDR, spielte in Dänemark, Schweden und sogar in Afrika. 1967 folgte der Wechsel zum Halleschen FC, wo er schnell als Stammkeeper etabliert wurde. Doch im Jahr 1970 kam das abrupte Ende seiner vielversprechenden Karriere in der DDR-Oberliga: Politisch war er plötzlich nicht mehr tragbar, da seine Schwester mit einem Schlauchboot über die Ostsee geflohen war.

„Ich habe sie bewundert, muss ich sagen. So eine Leistung, da haben sie Glück gehabt“, reflektiert Heine. Die Staatsmacht sah in seiner Schwester eine Bedrohung und damit auch in ihm. Man forderte von ihm, sich von seiner Schwester zu distanzieren, was die Widersprüche und die Willkür des SED-Regimes verdeutlichte. Trotz dieser politischen Verfolgung erhielt Ralf Heine bei Chemie Leipzig eine zweite Chance und hatte maßgeblichen Anteil an der Rückkehr des Vereins in die DDR-Oberliga.

Im darauffolgenden Jahr trug er aktiv zum Klassenerhalt des Vereins bei. Nach einem entscheidenden 1:1 gegen Jena erhielt Heine sogar die seltene Höchstnote 10 von einem Fußballfachblatt. Mit seiner leidenschaftlichen Spielweise und seinen Fähigkeiten im Tor wurde er schnell zum Publikumsliebling. „Wenn ich ins Stadion lief, bekam ich Gänsehaut. Wenn ich dann noch im Sturm spielen musste, wo der Block hinten war, riefen 15.000 bis 20.000 Zuschauer meinen Namen. Das war ein unglaubliches Gefühl“, beschreibt Heine die Euphorie, die ihn begleitete.

Im Sommer 1973 wurde Ralf Heine jedoch ein zweites Mal aussortiert – ein harter Schlag für den talentierten Torhüter. Doch damit nicht genug: Als er 1976 mit Chemie Böhlen den Aufstieg in die Oberliga schaffte, traf ihn die Sippenhaft erneut. „Ich habe viele Interviews geben müssen, und immer wieder wurde gefragt, was mit mir gemacht wurde. Aber wie es mir geht, hat nie einer gefragt. Das ist verwunderlich“, erzählt Heine.

Trotz dieser Rückschläge fand Ralf Heine einen wichtigen Halt bei seinem Heimatverein. Seit 1973 war er dort ununterbrochen tätig, eine Beständigkeit, die ihm half, die Herausforderungen der politischen Situation zu meistern. In diesen Tagen feierte Ralf Heine seinen 80. Geburtstag und führt beim SV Nordwest weiterhin die Geschäfte. Sein unermüdlicher Einsatz und seine Liebe zum Fußball sind bis heute ungebrochen.

Ralf Heines Lebensgeschichte ist nicht nur die eines talentierten Sportlers, sondern auch die eines Menschen, der gegen Widrigkeiten ankämpfen musste. Seine Erfahrungen spiegeln die Realität vieler Menschen wider, die in der DDR lebten und für ihre Freiheit und Würde kämpften. Auch heute noch inspiriert seine Geschichte junge Sportler und Menschen, die mit Herausforderungen und Ungerechtigkeiten konfrontiert sind. Sein Name wird in Leipzig weiterhin als Symbol für Durchhaltevermögen und Lebenswillen in Erinnerung bleiben.

„Schwerter zu Pflugscharen“ – Die Friedensbewegung in der DDR

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Die Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ war eine bedeutende soziale und politische Bewegung in der DDR, die ihren Höhepunkt in den 1980er Jahren erreichte. Sie symbolisierte den Wunsch vieler DDR-Bürger nach Frieden und Abrüstung in einem Land, das stark von militärischer Präsenz und Propaganda geprägt war.

Ursprung und Symbolik
Der Name „Schwerter zu Pflugscharen“ leitet sich von einer biblischen Metapher aus dem Buch Micha 4:3 ab, die eine Vision des Friedens und der Umwandlung von Waffen in Werkzeuge des Friedens beschreibt. Das Symbol der Bewegung, ein stilisiertes Schwert, das in einen Pflug umgeschmiedet wird, wurde durch einen Linolschnitt des Künstlers Fritz Cremer populär gemacht und fand weite Verbreitung auf Bannern, Plakaten und Aufnähern.

Entstehung und Entwicklung
Die Bewegung entstand in den späten 1970er Jahren, inspiriert durch den weltweiten Ruf nach Abrüstung und Friedenssicherung, insbesondere im Kontext des Kalten Krieges und der zunehmenden atomaren Bedrohung. Die Evangelische Kirche in der DDR spielte eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Friedensbotschaft und bot der Bewegung einen Raum für Diskussion und Organisation.

Ein Schlüsselmoment war der Ökumenische Kirchentag 1982 in Dresden, bei dem das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ erstmals prominent gezeigt wurde. Die Bewegung fand vor allem unter Jugendlichen und kirchlichen Gruppen großen Anklang und bot eine Plattform für gewaltfreien Protest und zivilen Ungehorsam.

Widerstand und Repression
Obwohl die DDR offiziell eine Friedenspolitik propagierte, sah das Regime in der Friedensbewegung eine Bedrohung. Die Regierung reagierte mit Repressionen, indem sie Versammlungen verbot, Teilnehmer verhaftete und das Tragen des Symbols kriminalisierte. Schulen und Arbeitsplätze wurden genutzt, um Druck auf Anhänger der Bewegung auszuüben.

Dennoch wuchs die Bewegung weiter und erhielt zunehmend Unterstützung von Menschen, die den repressiven Charakter des Regimes und die wachsende Militarisierung ablehnten. Die Friedensgebete, die regelmäßig in Kirchen stattfanden, wurden zu wichtigen Treffpunkten und boten einen geschützten Raum für Austausch und Organisation.

Einfluss auf die politische Landschaft
Die Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ trug maßgeblich zur Politisierung und Mobilisierung vieler DDR-Bürger bei und bereitete den Boden für die größeren Protestbewegungen der späten 1980er Jahre, die letztlich zum Fall der Mauer und dem Ende der DDR führten. Sie zeigte, dass selbst in einem repressiven Staat gewaltfreier Protest und ziviler Widerstand möglich waren und Veränderungen bewirken konnten.

Vermächtnis
Heute wird die Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ als ein Symbol des gewaltfreien Widerstands und des Friedenswillens in der DDR erinnert. Sie bleibt ein wichtiges Beispiel dafür, wie zivile Bewegungen zur Demokratisierung und zum politischen Wandel beitragen können. Das Symbol hat auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands seine Bedeutung behalten und steht weiterhin für den Wunsch nach Frieden und Abrüstung weltweit.

Ein Traum aus Leidenschaft – Die Europapokalsaison 1980/81 des FC Carl Zeiss Jena

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Die Saison 1980/81 gehört zu den glorreichen Kapiteln der Fußballgeschichte des FC Carl Zeiss Jena. In einem Jahr, das von spektakulären Wendungen, unerschütterlichem Teamgeist und dem unbändigen Willen, sich gegen übermächtige Gegner zu behaupten, geprägt war, schrieb die Mannschaft aus Jena Geschichte – trotz des schmerzlichen Endes im Finale.

Ein denkwürdiger Auftakt und das Pokalfinale im Sommer 1980
Die Erfolgsgeschichte begann bereits im Sommer 1980, als im legendären Finale des DDR-Pokals erstmals ein Thüringen-Derby ausgetragen wurde. Vor rund 50.000 begeisterten Zuschauern im Stadion der Weltjugend setzte sich der FC Carl Zeiss Jena gegen Rot-Weiß Erfurt durch. Tore von Lothar Kurpieweid und Dietmar Sengewald sicherten den verdienten Sieg, der die Zeiss-Elf ins europäische Rampenlicht katapultierte und die Qualifikation für den Europacup der Pokalsieger ermöglichte.

Die Begegnung gegen AS Rom – Ein Spiel der Extreme
Im September 1980 reiste die Jenaer Mannschaft als Außenseiter in die italienische Hauptstadt, wo sie im Olympiastadion auf den prestigeträchtigen AS Rom traf. Bereits in der fünften Minute erzielte Pruzzo das erste Tor – umstritten und von vielen als Handspiel interpretiert. Trotz intensiver Bemühungen blieb das Spiel zunächst zugunsten der Römer, die mit 0:3 gewannen. Die erste Begegnung hinterließ einen bitteren Nachgeschmack und sollte zunächst als aussichtsloser Rückschlag gewertet werden.

Doch das Schicksal hatte noch eine Überraschung parat. In einer mitreißenden Rückspielpartie verwandelte sich die Stimmung innerhalb der Mannschaft. Entschlossen, das Unmögliche möglich zu machen, starteten die Thüringer mit ungebrochener Energie. Bereits in der 26. Minute fiel das erlösende Tor durch Andreas Krause, und nach einem mutigen Wechsel brachte der 21-jährige Neuzugang Andreas Bielau – bislang in der Oberliga eher unauffällig – mit seiner ersten Berührung das 3:0. Nur wenige Minuten später gelang ihm der zweite Treffer. Der fulminante 4:0-Ausgleich ließ nicht nur AS Rom sprachlos zurück, sondern verhalf der Mannschaft auch zu einem historischen Sieg, der in den Annalen des europäischen Fußballs als Sensation verankert ist.

Mut, Taktik und der Kampfgeist gegen Valencia und Newport County
Den Erfolg gegen AS Rom folgte eine weitere Herausforderung. Im nächsten Duell wartete der Titelverteidiger FC Valencia, beflügelt von Superstar Mario Kempes. Vor heimischer Kulisse überzeugte die Jenaer Mannschaft mit einem souveränen Auftakt und einem frühen Führungstreffer von Diekmar Sengewald. Trotz der späten Führungstreffer der Gäste gelang es Jena, mit einer geschlossenen Defensivleistung – allen voran der heldenhafte Torwart Hans-Ulrich Grapentin – den knappen Rückstand zu verkürzen und die Sensation fortzusetzen.

Auch im Viertelfinale sollte sich der Kampfgeist der Mannschaft erneut beweisen. Gegen Newport County, einen Drittligisten aus Südwales, der den walisischen Pokal gewonnen hatte, drohte der Traum zu zerplatzen. Nach einem spannenden Hinspiel, das in den letzten Minuten dramatisch zugunsten des Ausgleichs endete, musste die Mannschaft im Rückspiel in Wales alles geben. Mit beeindruckenden Paraden und klugen Zweikämpfen, vor allem vom Torwart Hans-Ulrich „Sprotte“ Krapentin, gelang es Jena, in einem harten Kampf das Halbfinale zu erreichen.

Das Halbfinale und der bittere Abschied im Finale
Im Halbfinale traf die Mannschaft erneut auf starke Gegner – diesmal Benfica Lissabon. Bereits im ersten Spiel setzte Andreas Bielau früh das Zeichen und ebnete den Weg für einen 2:0-Erfolg, der die Hoffnungen auf einen historischen Europapokal-Triumph weiter nährte. Im Rückspiel in Lissabon, das zu einer regelrechten Abwehrschlacht mutierte, sicherte sich Jena trotz intensiver Angriffe den knappen Vorsprung und zog ins Finale ein.

Das große Finale am 13. Mai 1981 in Düsseldorf, ein Duell zweier Ostblock-Mannschaften – FC Carl Zeiss Jena gegen Dynamo Tbilisi – sollte den Traum jedoch abrupt beenden. Trotz dominanter Phasen und taktischer Disziplin gelang es den Tbilisianern, in der Verlängerung den entscheidenden Treffer zu erzielen. Das 1:2 im Endspiel schmerzte, doch der Weg dorthin, geprägt von historischen Siegen und dem unerschütterlichen Glauben an den eigenen Erfolg, bleibt unvergessen.

Hans Meyer und die Helden von Jena
Hinter diesem Erfolg stand Trainer Hans Meyer, der die Mannschaft seit 1971 prägte und zu einem der bedeutendsten Persönlichkeiten des DDR-Fußballs wurde. Spieler wie Lothar Kurpieweid, Jürgen Raab, Andreas Bielau und Torhüter Hans-Ulrich Krapentin wurden zu Helden, deren Namen noch heute in Jena mit Stolz genannt werden. Die Leistungen dieser Saison zeigten, dass Glaube, Mut und der Zusammenhalt einer Mannschaft auch die scheinbar unüberwindbaren Hürden der europäischen Elite überwinden können.

Ein Vermächtnis, das weiterlebt
Die Europapokalsaison 1980/81 bleibt ein leuchtendes Beispiel für die Ambition und den unerschütterlichen Willen des FC Carl Zeiss Jena. Auch wenn der erhoffte Pokal triumphierend ausblieb, so ist die Erinnerung an diese außergewöhnliche Saison – die Sensationen gegen AS Rom, FC Valencia und die nervenaufreibenden Duelle in Wales – bis heute lebendig. Bei einem Jubiläumstreffen 35 Jahre später wurde den Helden jener Zeit eine späte, aber längst überfällige Ehrung zuteil, die das Vermächtnis dieser denkwürdigen Ära weiterträgt.

Die kuriose und innovative Welt der Konsumgüterproduktion in der DDR

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In der Deutschen Demokratischen Republik war chronische Mangelwirtschaft Alltag – ein Umstand, der zu ungewöhnlichen Produktionsstrategien führte. Um das knappe Warenangebot zu erweitern, ordnete die Staatsführung an, dass große Industriekombinate fünf Prozent ihrer Kapazitäten für Konsumgüter einsetzen sollten. Diese Maßnahme sollte zwar primär die Bedürfnisse der Bevölkerung decken, entwickelte sich aber bald zu einem Balanceakt zwischen wirtschaftlicher Logik und pragmatischer Improvisation.

Plüschtiere statt Kohle
Ein besonders verblüffendes Beispiel liefert das Braunkohlenwerk Weltsow. Zwischen 1984 und 1989 nähten ehemalige Bergleute im Tagebau Plüschtiere – Hasen, Katzen, Elefanten und mehr. Für den anfangs skeptischen Produktionsdirektor, dessen Expertise in der Kohleförderung lag, war dies ein radikaler Kurswechsel. Doch was als Notlösung begann, erwies sich als willkommene Alternative zur anstrengenden Schichtarbeit im Bergbau und trug zudem zur Exportbilanz der DDR bei. Täglich entstanden rund 6.000 Plüschtiere, von denen ein Drittel in den Westen und ein weiteres Drittel in sozialistische Partnerstaaten wie die Sowjetunion exportiert wurde.

Kreativität in der Schwerindustrie
Auch in anderen Industriezweigen blühte eine unerwartete Kreativität auf. So wurden im Eisenhüttenkombinat Ost Metallregale, Kerzenhalter, Kannenwärmer und sogar Ersatzteile für den ostdeutschen Wartburg 353 gefertigt. Die 5-Prozent-Bestimmung führte in vielen Betrieben zu einer kuriosen Vermischung von traditioneller Schwerindustrie und Konsumgüterproduktion. Im Schiffbau etwa, wo trotz wirtschaftlicher Unvernunft Hollywoodschaukeln und Heimwerkerwerkbänke hergestellt wurden, wurde klar: Es ging nicht immer um Effizienz, sondern um das Überleben der Volkswirtschaft.

Technik und Taktik – Der Kühlautomat 320
Ein weiteres Highlight war der Dreitemperaturzonen-Kühlschrank „Kühlautomat 320“ des VEB Kühlautomat in Berlin. Ursprünglich spezialisiert auf industrielle Kälteanlagen für Hochseeschiffe, setzte man hier auf westliche Konkurrenzanalysen, um ein technologisch fortschrittlicheres Gerät zu entwickeln. Auch wenn das Projekt letztlich kostenintensiv blieb, zeigt es den Innovationsgeist in einem System, das ständig an den Grenzen seiner Möglichkeiten operierte.

Zwischen Erfolg und Scheitern
Die Konsumgüterproduktion in der DDR war ein Spiegelbild der Widersprüche der Planwirtschaft. Auf der einen Seite zeigten zahlreiche Projekte, wie die Produktion von Stahlrohrmöbeln, dass Improvisation und Engagement zu nachhaltigen Erfolgen führen konnten. Auf der anderen Seite offenbarten Produkte wie der „Biogrill“ oder überzählige Handbohrmaschinen, dass Fehlplanungen und Missverständnisse in der Bedarfseinschätzung nicht die Ausnahme waren.

Das Erbe einer vergangenen Ära
Mit der Wende endete auch das kuriose Experiment der Konsumgüterproduktion in den DDR-Kombinaten abrupt. Viele der eigens mit großem Aufwand hergestellten Artikel verloren ihren Marktwert. Heute erleben jedoch manche dieser Produkte – von Hähnchenbechern bis zu Designmöbeln – eine Renaissance. Sie sind nicht nur Erinnerungsstücke an eine vergangene Zeit, sondern auch Symbole für die Kreativität und den Überlebenswillen der DDR-Wirtschaft inmitten der Unzulänglichkeiten der sozialistischen Planwirtschaft.

Die Geschichte der Konsumgüterproduktion in der DDR bleibt ein faszinierendes Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte – ein Zeugnis davon, wie Notwendigkeit oft zu ungewöhnlichen, aber auch innovativen Lösungen führte.

Bernburg an der Saale – ein Portrait der früheren Residenzstadt im Wandel

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Bernburg an der Saale, eingebettet zwischen den sanften Hügeln des Harzvorlandes und den weiten Auen der Saale, präsentiert sich heute als ein lebendiger Mix aus historischer Pracht und modernem Leben. Nur einen knappen Kilometer von der nächsten Autobahnabfahrt entfernt, empfängt die „Krone Anhalts“ Reisende aus Niedersachsen, dem Berliner Raum und dem Leipziger Dreieck gleichermaßen: Schloss Bernburg, majestätisch auf einem Sandsteinplateau thronend, ist nicht nur ein Wahrzeichen, sondern auch Ursprung eines facettenreichen Stadtbildes, dessen Wurzeln bis ins Jahr 961 zurückreichen.

Schon im 12. Jahrhundert erneuerte Albrecht der Bär das Schloss nach einer verheerenden Brandschatzung und legte damit den Grundstein für die spätere Residenz der Fürsten von Anhalt-Bernburg. In den Renaissance-Umbauten des 16. Jahrhunderts manifestierte sich die aufstrebende Macht der Askanier – gut sichtbar an der monumentalen Schaufassade mit allegorischen Darstellungen von Hoffnung, Tapferkeit und Vertrauen. Unter Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen entstand ab 1538 der 57 Meter lange Westflügel, der das Schloss zu einem der bedeutendsten Renaissanceschlösser Mitteldeutschlands erheben sollte.

Mit seinen vier Türmen zeugt das Ensemble heute von verschiedenen Baustilen: vom romanischen Bergfried, dem sogenannten Eulenspiegelturm, über barocke Erweiterungen bis hin zum Neorenaissance‑Christiansbau. Ein besonderes Erlebnis verspricht der Aufstieg zu den 147 Stufen des Eulenspiegelturms. Oben angekommen, begegnet der Besucher einer fast lebensgroßen Darstellung des fahrenden Gaukler Till Eulenspiegel, der im 14. Jahrhundert hier als Turmbläser beim Anhalt-Bernburger Hof angestellt gewesen sein soll.

Seit 1893 beherbergt das alte und das „krumme Haus“ samt blauem Turm das Museum Schloss Bernburg. In wechselnden Ausstellungen wird die Entwicklung der Region von der Ur- und Frühgeschichte bis zur frühen Industrie im Saaletal nachgezeichnet. Besonders eindrücklich sind die Räume mit Fürstenmöbeln und Porzellan ebenso wie der gotische Keller, in dem die dunklen Kapitel der Hexenprozesse vor dem Hintergrund zeitgenössischer Rechtsauffassungen thematisiert werden.

Doch Bernburg lebt nicht nur von seiner Vergangenheit. Im direkten Anschluss an die Schlossterrasse lädt die Musikschule Bernburg Musikliebhaber aller Altersklassen zu Konzerten und Workshops. Direkt nebenan bereichert seit 2013 die Kunsthalle das Stadtbild mit Ausstellungen zeitgenössischer Künstler. Und wer hinter die Fassaden des alten Marstalls blickt, findet ein reich verziertes Beispiel des Art déco inmitten eines weitgehend unversehrten Schlossensembles.

Vom Schloss geht es nur wenige Gassen weiter zum Rathaus, dessen prächtige Neorenaissance-Fassade aus dem Jahr 1895 mit gleich zwei außergewöhnlichen Uhren aufwartet: einer Blumenuhr, die seit 1938 zur halben und vollen Stunde das Volkslied „An der Saale hellem Strande“ erklingen lässt, und einer astronomisch-geografischen Kunstuhr von Ignaz Fuchs – eines von nur zwei Exemplaren weltweit.

Kulturelles Leben pulsiert auch im einstigen Residenztheater von Herzog Alexius (1827): Moderne Bühnentechnik trifft hier auf klassizistische Architektur. Während einst Größen wie Wagner und Paganini den Zuschauerraum füllten, stehen heute Inszenierungen lokaler und nationaler Ensembles auf dem Programm.

Ein Spaziergang durch die Talstadt führt vorbei an der Marienkirche (1228 erstmals erwähnt), einem gotischen Hallenbau, in dem einst das erste evangelische Abendmahl gefeiert wurde, und weiter zur Nikolaikirche und der historischen Flutbrücke. Auch das Kloster der Marienknechte, heute als Ort studentischer Begegnung und Kulturveranstaltungen genutzt, sowie die romanische Kirche St. Stephani mit ihrem quadratischen Chor und dem wuchtigen Westturm gehören zur „Straße der Romanik“.

Für Besucher, die Erholung suchen, hält Bernburg gleich mehrere Anlaufpunkte bereit: den weitläufigen Kurpark mit Jugendstil- und Historismus-Architektur, einen 12 Meter hohen Springbrunnen und die parkartige Anlage samt Parkeisenbahn; den Tiergarten mit 1.000 Tieren aus fünf Kontinenten; die Bären- und Wolfsanlage – eine der modernsten Deutschlands – und nicht zuletzt das Erlebnisbad Saaleperle mit Riesenrutschen, Strömungskanal und beheizter Wasserhalle.

Höhepunkte im Jahreslauf sind das historische Erntefest Ende August, das Stadt- und Rosenfest, das Tiergartenfest sowie der Hele Christmarkt, Sachsens ältester Weihnachtsmarkt. Im August erinnert der Weinmarkt an die Tradition des Mönchsanbaus im Saaletal seit 973: Winzer aus allen deutschen Anbaugebieten präsentieren dann regionale Spitzenweine – darunter die Rarität „Blauer Bernburger“.

Ob Kulturreisender, Familienausflug oder Wochenendtrip: Bernburg an der Saale vereint Geschichte und Gegenwart auf kompakte Weise. Mit seinem reichen Angebot aus Museen, Kirchen, Theatern, Festen und Naturschönheiten schafft die Stadt eine ungewöhnliche Mischung aus Residenzpracht und ländlicher Gelassenheit. Viele Geheimnisse warten hinter Mauern und Fassaden – und doch ist Bernburg so nah und unkompliziert erreichbar, dass es jederzeit eine Reise wert bleibt.

Trockenheit in Sicht? Forschende warnen vor Dürrejahr in Osteuropa und Deutschland

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Weite Teile Mitteleuropas und Osteuropas zeigen eine ungewöhnlich hohe Anomalie der Bodenfeuchte. Besonders stark ausgeprägt ist die Abweichung von den vieljährigen Verhältnissen in der Ukraine, Belarus und Polen, aber auch Deutschland sind regional hohe Abweichung zu erkennen. © Clim4Cast
Weite Teile Mitteleuropas und Osteuropas zeigen eine ungewöhnlich hohe Anomalie der Bodenfeuchte. Besonders stark ausgeprägt ist die Abweichung von den vieljährigen Verhältnissen in der Ukraine, Belarus und Polen, aber auch Deutschland sind regional hohe Abweichung zu erkennen. © Clim4Cast

Eine anhaltende Trockenperiode könnte die landwirtschaftliche Produktion in Osteuropa und Teilen Deutschlands erheblich beeinträchtigen. Neue Klimamodellrechnungen des europäischen Dienstes Clim4Cast zeigen eine außergewöhnlich starke Abweichung der Bodenfeuchte von den langjährigen Mittelwerten in weiten Teilen Osteuropas. Insbesondere Polen, Belarus und die Ukraine sind betroffen – Regionen, die zu den produktivsten Getreideanbaugebieten der Welt zählen.

„Ein extrem trockener Winter konnte die ausgetrockneten Böden des letzten Sommers nicht regenerieren“, warnt Prof. Dr. Claas Nendel vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Die Folgen könnten gravierend sein: Eine ausfallende Getreidesaison in diesen Gebieten würde nicht nur die regionale Landwirtschaft hart treffen, sondern auch spürbare Auswirkungen auf den globalen Getreidemarkt haben.

Auch in Deutschland ist die Lage angespannt. Der März 2025 war laut Deutschem Wetterdienst (DWD) mit nur 21 Prozent des üblichen Niederschlags der sechsttrockenste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. Besonders der Norden des Landes zeigt stark unterdurchschnittliche Bodenfeuchtewerte – zum Teil sogar unter dem Niveau von 2018, einem der bisher trockensten Jahre. In einigen Regionen wurde bereits die zweithöchste Waldbrandgefahrenstufe ausgerufen.

Die Prognosen für die kommenden Wochen versprechen kaum Entlastung. Bis Mitte April rechnet der DWD in nahezu ganz Deutschland mit weiter sinkender Bodenfeuchte – nur im Süden Bayerns könnten sich die Bedingungen etwas entspannen. Für den Sommer deuten saisonale Klimamodelle auf eine moderate Wahrscheinlichkeit für wärmeres und trockenes Wetter hin, vor allem in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Teilen Norddeutschlands.

Die Herausforderungen für die Landwirtschaft sind enorm. „Landwirtinnen und Landwirte müssen jetzt flexibel auf die sich verschärfende Trockenlage reagieren“, so Nendel. Insbesondere die Wahl des richtigen Aussaatzeitpunkts für Sommerungen wie Mais oder Zuckerrüben wird entscheidend sein. Der DWD empfiehlt, regelmäßig den Bodenfeuchte-Viewer zu nutzen, um sich aktuell über die Bedingungen zu informieren.

Ob das Jahr 2025 zu einem weiteren Dürrejahr wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Sicher ist schon jetzt: Die Auswirkungen des Klimawandels sind längst Realität – auf den Feldern, in den Wäldern und bald wohl auch in den Supermarktregalen.

Volkmar Krosigks Suche nach dem schönsten Coupé des Sozialismus

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Ebersberg/Eisenach. Für Volkmar Krosigk war es nie geplant, doch heute ist er stolzer Besitzer von 63 Fahrzeugen, von denen fast alle aus dem Automobilwerk Eisenach stammen. Eine Leidenschaft, die 40 Jahre währte und ihren Höhepunkt in einem ganz besonderen Stück Garagengold fand: einem Wartburg Sport 313/1 Baujahr 1958. Ein Auto, das er als seinen persönlichen Traum bezeichnet und für das er unermüdlich suchte.

Die Geschichte begann für Volkmar mit einem Skoda Octavia, gefolgt von einem grünen Wartburg 1.1.1, den er liebevoll „Laubfrosch mit Glatzen“ nannte. Mit diesem „Laubfrosch“ fuhr er über 250.000 Kilometer und verliebte sich in ihn. Doch der Wartburg Sport 313/1 ist für ihn das wichtigste Auto der Eisenacher Nachkriegsproduktion und ein absoluter Glückstreffer. Er ist überzeugt, dass es der schönste Sportwagen ist, der jemals im Sozialismus gebaut wurde und leider viel zu unbekannt ist.

Der Wartburg Sport 313/1: Ein Meisterwerk mit begrenzter Auflage
Der Wartburg Sport 313, Baujahr 1958, war seinerzeit das Topmodell des Sozialismus, getragen vom Slogan „BMW in Eisenach ist Geschichte, Wartburg die Zukunft“. Dieses eigenentwickelte Ost-Coupé wurde innerhalb von nur sechs Monaten für die Leipziger Messe 1957 auf die Beine gestellt und führte die Tradition der BMW-Sportwagen fort. Der entscheidende Unterschied: Statt eines Sechszylinder-Reihenmotors besaß der 313 einen Dreizylinder-Zweitaktmotor, der oberhalb der Leerlaufdrehzahl sehr ruhig und ausgeglichen lief. Bemerkenswert ist, dass das Konzept des kleinen, kompakten Dreizylindermotors heute sogar von Herstellern wie BMW wieder aufgegriffen wird.

Trotz seiner Schönheit und fortschrittlichen Technik war der 313 kein kommerzieller Erfolg. Die Nachfrage für den Export war zu gering und die Produktionskosten zu hoch. So wurden lediglich 469 Fahrzeuge produziert, was es heute nahezu unmöglich macht, ein Exemplar zu finden. Ein gut erhaltener Wartburg 313 Sport kann heute einen Kostenpunkt von 100.000 Euro erreichen.

Die Herausforderungen einer Rarität
Für Volkmar war die Suche nach diesem Auto eine 40-jährige Odyssee. Er fand sein Exemplar schließlich am Bodensee bei einem anderen Sammler, doch der Zustand war eher bescheiden, beschrieben als „3 bis 5“. Die Restaurierung gestaltete sich als immens aufwendig und kostete das Dreifache des ursprünglichen Fahrzeugpreises. Besonders Karosserieteile sind extrem schwer zu finden. Trotzdem gelang es, das Auto in einen sehr schönen und möglichst originalen Zustand zu versetzen, worauf Volkmar sehr stolz ist.

Das Fahren des Oldtimers erfordert einige Gewöhnung: Das Fahrzeug verfügt über einen Freilauf in allen vier Gängen, was bedeutet, dass es bei Loslassen des Gaspedals mit konstanter Geschwindigkeit weiterrollt, da keine Motorbremse vorhanden ist. Dies ist zwar angenehm für einen Zweitakter, aber gewöhnungsbedürftig. Die Trommelbremsen haben zudem eine Verzögerung, die nicht mit modernen Fahrzeugen vergleichbar ist, weshalb ein größerer Abstand zum Vordermann ratsam ist. Trotz dieser Eigenheiten fährt sich der Wagen sehr gut und liegt stabil auf der Straße. Mit 50 PS erreicht der Wartburg eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h.

Die Instandhaltung des Motors ist hingegen erfreulich unkompliziert, da Ersatzteile gut erhältlich sind. Auch in puncto Komfort und Funktionalität überrascht der 313 mit durchdachten Details. Die Türgriffe lassen sich beispielsweise so bedienen, dass die Fingernägel nicht verkratzen, und der Kofferraum lässt sich per Fernbedienung öffnen und rastet selbstständig ein, wobei er eine tiefe Ladekante und viel Stauraum bietet. Auch der von innen zu betätigende Tankverschluss, der vor Benzindiebstahl schützt, zeugt von „Super Technik der 50er Jahre“.

Eine Sammlung als Zeugnis der Geschichte
Volkmar Krosigks Sammlung ist mehr als nur eine Ansammlung von Autos. Sie ist der Versuch, die Geschichte eines „gestorbenen“ Fahrzeugwerks zu präsentieren. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Meilensteine der Entwicklung aus dem Eisenacher Werk zusammenzutragen, auch wenn er sich nicht mit jedem Modell geschmacklich anfreunden kann. Das Besondere daran ist, die Entwicklung förmlich spüren zu können, indem er beispielsweise an einem Tag einen BMW 320, einen A4, den 313 und einen modernen Sportwagen fährt und so einen „Zeitsprung“ nachvollzieht.

Die Geschichte des Automobilwerks Eisenach endete tragisch. Nach fast 100 Jahren Automobilproduktion wurde das Werk am Geburtstag von Volkmar Krosigk geschlossen. Über 7.000 Menschen verloren von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz, eine Entscheidung, die bis heute nachwirkt. Zeitzeugen in Eisenach empfinden noch immer Traurigkeit, wenngleich mittlerweile auch ein gewisser Optimismus spürbar ist, da die Technologie damals tatsächlich nicht mehr haltbar war.

Das Werk in Eisenach mag tot sein, aber die Fahrzeuge und ihre Geschichte leben weiter. Dank Menschen wie Volkmar Krosigk, der diese automobile Historie in Ebersberg bewahrt, bleibt der Wartburg Sport 313/1 – das wohl schönste Coupé des Sozialismus – unvergessen.

Eine Reise durch vergessene DDR-Küchenschätze

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Berlin/Leipzig – Wer dachte, alle Klassiker der DDR-Küche zu kennen, der irrt sich gewaltig. Jenseits von Soljanka und Broiler gab es eine Fülle an Gerichten, die nicht nur den Gaumen verwöhnten, sondern ganze Generationen prägten und Geschichten von Erfindungsgeist, Zusammenhalt und dem Gefühl von Zuhause erzählen. Diese kulinarischen Schätze, oft aus der Not geboren, aber stets mit viel Herz zubereitet, waren weit mehr als bloße Nahrung – sie waren ein Spiegel der Zeit und der Menschen, die sie aßen.

Herzhaftes für Leib und Seele: Hauptgerichte mit Charakter
Ein Sonntags-Highlight, das trotz seines Namens keine tierischen Spuren aufwies, war der „Falsche Hase“. Dieser Hackbraten, innen zart und außen knusprig, barg oft eine Überraschung: ein leuchtendes, hart gekochtes Ei im Inneren. Mit alten Brötchen, Senf, Zwiebeln und viel Gefühl von Hand geformt, war er ein Versprechen, dass man auch aus wenig etwas machen konnte, das nach viel schmeckte. Er roch immer nach Zuhause.

In Thüringen duftete der Sommer nach Bier, Rauch und gebratenem Fleisch. Das „Thüringer Rostbrätel“, ein über Nacht in einer Marinade aus Bier, Knoblauch und Kümmel eingelegter Schweinenacken, wurde auf echtem Feuer gegrillt, nicht auf einem Gasgrill. Die mitgegrillten Zwiebeln karamellisierten und klebten später wie „goldene Medaillen“ am Brötchen. Es war mehr als nur Essen; es war ein Gefühl von Glut, Fleisch, Freunden und einem Stück DDR, das nie ganz verschwand.

Ein Festmahl, das sich leise anschlich, war das „Sächsische Zwiebelfleisch“. Scharf angebratenes Schweinefleisch, bedeckt mit so vielen Zwiebeln, dass sie die Hauptrolle spielten, wurde geschmort, bis alles zart war. Dazu gab es Salzkartoffeln und manchmal einen Klecks Senf. Es roch nach Heimat, Geduld und Mühe und galt als „Sonntagsbekenntnis“. Kein Fertiggericht konnte es ersetzen, und aufgewärmt schmeckte es am nächsten Tag noch besser – ein echtes Familienessen für Regentage.

Die „Gefüllten Paprikaschoten“ waren ein kleines Ereignis. Prall gefüllt mit Hack, Zwiebeln, Gewürzen und manchmal Reis, schwammen sie in einer blubbernden Tomatensoße, deren Duft Wärme versprach. Sie standen oft wie „kleine Soldaten mit rotem Helm“ im Bräter und erinnerten an Nachmittage bei der Oma – vertraut, geborgen, wohlgefällig. Ähnlich viel Geduld und Gefühl steckten in den „Krautrulladen“. Blanchierter Kohl, gefüllt mit Hackfleisch, Zwiebeln und altbackenem Brötchen, wurde geduldig eingerollt, angebraten und geschmort. Es war „Slowfood mit Herz“, das satt und stolz auf das machte, was man mit den eigenen Händen schaffen konnte.

Die „Leber Berliner Art“ war eine „Kindheitsprüfung“. Kurz gebratene Leber mit süßen Apfelscheiben, glasigen Zwiebelringen und Kartoffelpüree bot ein Kontrastprogramm aus herzhaft und fruchtig, bitter und weich. Sie war „streng, herb, nahrhaft“ und für viele ein Charaktertest auf dem Teller. Auch das Leberagu war kein Lieblingsessen, sondern „ein Statement“. Gewürfelte Leber, scharf angebraten mit süßlichen Zwiebeln in einer sämigen Soße, war „ernst gemeinte Nahrung“. Viele Kinder verzogen das Gesicht, doch Erwachsene aßen es aus Überzeugung. Es schmeckte „nach früher und nach einem Land, das nichts verschwendet hat“.

Für kalte Tage gab es den „Rosenkohl-Kartoffeleintopf“. Er dampfte auf dem Herd, während draußen Matschwetter herrschte. Mit zerfallenden Kartoffeln, Rosenkohl und kleinen Wurststückchen war er ein Gericht, das „bis in die Zehen wärmte“ und das Gefühl gab: „Drinnen war es gut“. Der „Gebackene Blumenkohl“ hingegen war eine Überraschung. Goldbraun und knusprig paniert, schmeckte er „wie Schnitzel“ und bewies, dass aus wenig viel werden konnte, wenn man es richtig anpackte.

Snacks und einfache Genüsse: Für den schnellen Hunger unterwegs
Die „Kettwurst“ war „heiß, rot, Kult“. Kein Hotdog, sondern „Ostgenialität im Brötchen“. Eine wurstlose Wurst, mit dickem, würzigem Ketchup überzogen, wurde in ein senkrecht ausgestochenes Brötchen geschoben. Entwickelt im DDR-Gastroinstitut, wurde sie mit Stolz im Stehen gegessen und schmeckte „nach Stadt, nach Freiheit, nach was Eigenem“.

Der ostdeutsche Gegenentwurf zum Hamburger war die „Grilletter“. Eine saftige Frikadelle aus Schweinehack in einem festen Brötchen, dazu Ketchup oder Tomatensoße, manchmal Kraut. Sie war ein Versprechen auf „Geschmack mit Haltung“.

Eine einfache, aber nahrhafte Mahlzeit war die „Bratstulle mit Pilzen“. Eine dicke Scheibe Brot, in Butter gebraten und mit einer dampfenden, würzigen Pilzpfanne belegt, transportierte den Esser kurz in den Spreewald im Herbst. Sie war ein „Abendessen, wenn die Zeit knapp war“, das satt machte und für einen Moment alles gut erscheinen ließ.

Die „Bockwurst mit Brötchen“ war „einfach, aber niemals egal“. Heiß aus dem Wasser gezogen, mit knackender Pelle, einem frischen Brötchen und einem ordentlichen Klecks Senf. Sie war der „stille Held jeder Mittagspause“ und ein „Begleiterin durchs Leben – verlässlich und immer genau richtig“.

Puren Hunger stillte die „Schmalzstulle“. Eine dicke Scheibe Brot, bestrichen mit weißem Schweineschmalz, manchmal mit Grieben oder Zwiebelringen und einem Hauch Pfeffer. Sie fand sich in Schulbrotdosen und auf Baustellen und sagte: „Du brauchst nicht viel, nur ein bisschen Fett, Brot und Zeit“.

Ein Dauerbrenner in Betriebsküchen und Schulspeisungen war die „Graupensuppe“. Mit Graupen, Gemüse und manchmal Wurst oder Speck kochte sie lange und war ein verlässliches, ehrliches Gericht, das satt machte und mit jedem Löffel wärmer wurde.

Süße Erinnerungen: Kuchen und Desserts für besondere Momente
Der „Schneewittchenkuchen“ sah aus „wie ein Märchen und schmeckte wie Kindheit“. Mit einem dunklen Schokoladenboden, einer dicken Schicht Vanillepudding, roten Kirschen und einem glänzenden Schokokuss-Überzug (manchmal mit Fett gestreckt, damit er reichte), war er ein kleines Fest in Kastenform – Pflicht auf Geburtstagen und sonntags.

Der „Huckelkuchen“, auch Prophetenkuchen genannt, war ein „Meisterstück“, obwohl er „wie ein Unfall“ aussah. Mit goldbraunen Hügeln, unperfekt und ehrlich, wurde der weiche Teig einfach mit Löffeln Quarkmasse bekleckert, bevor er beim Backen eine süße Landschaft bildete. Er war „nie hübsch, aber immer gut“ und deshalb so geliebt.

Der „LPG-Kuchen“ war „groß, schlicht und nie allein“. Gebacken für die Gemeinschaft auf Blechen, belegt mit Gartenfrüchten wie Äpfeln, Pflaumen oder Rhabarber, schmeckte er nach Nachbarschaft, Festzelt und Dorfnachmittag mit Filterkaffee. Er war mehr als nur ein Kuchen; er war „gelebte Gemeinschaft in Zucker und Teig gebacken“.

Klein, aber voller Weihnachtsgefühl war der „Quarkstollen“. Quark, Mehl, Backpulver, Rosinen, Mandeln, Zitronat und ein Hauch Rumaroma wurden zu einem Teig verknetet, geformt und gebacken. Außen knusprig, innen saftig und dick in Puderzucker gehüllt, kündigte er oft schon vor dem ersten Advent die Weihnachtszeit an.

Ein absolutes Highlight in der Eisdiele war der „Schwedeneisbecher“. Drei Kugeln Vanilleeis, Apfelmus, ein ordentlicher Schuss Eierlikör und überquellende Sahne – serviert im hohen Glas – waren „ein Erlebnis“. Er schmeckte nach Sonntag, Ausflug und „Heute war ein guter Tag“.

Auch das „Drei Farben Halbgefrorenes“ war „bunt, eiskalt und heimlich ein kleiner Star“. Schicht für Schicht aus Schokolade, Frucht und Vanille mit Mandeln, alles aus geschlagener Sahne und im Imalgefäß eingefroren. Wenn man es anschnitt, leuchteten die Farben, und jeder am Tisch schwieg einen Moment, denn es war klar: „Heute gibt’s was Besonderes“.

Diese Gerichte waren nicht nur ein Teil des Alltags in der DDR, sondern auch Ausdruck einer Mentalität, die aus wenig viel machte und den Wert von Gemeinschaft und Familie hochhielt. Sie sind heute vielleicht fast vergessen, doch die Erinnerungen an ihren Duft und Geschmack berühren auch heute noch und erzählen, „wer wir waren“.

Antisemitische Vorfälle in Sachsen-Anhalt erreichen alarmierendes Niveau

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Magdeburg. Der aktuelle Jahresbericht der Meldestelle Antisemitismus RIAS Sachsen-Anhalt für das Jahr 2024 zeigt einen besorgniserregenden Anstieg und eine „Verhärtung der Einstellungen“ antisemitischer Vorfälle im Land. Die Präsentation in der Magdeburger Synagoge, moderiert von Elisa Kiro von OFFEK e.V., dem Träger der Meldestelle, hob die weitreichenden Folgen für jüdinnen und Juden hervor und unterstrich die Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Reaktion.

Insgesamt wurden RIAS Sachsen-Anhalt im Jahr 2024 landesweit 202 antisemitische Vorfälle bekannt, was einer Zunahme von 13 Prozent im Vergleich zu den 178 dokumentierten Fällen im Vorjahr 2023 entspricht. Besonders alarmierend ist, dass der Anstieg primär durch gewalttätigere Vorfallsarten wie gezielte Sachbeschädigungen, Bedrohungen und Angriffe begründet ist.

Dr. Wolfgang Schneiß, Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, beschrieb die Ergebnisse als „Panoptikum der Scheußlichkeiten“ und betonte, dass die Landesregierung die Situation nicht ignorieren werde. Er hob hervor, dass Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus damit beginnen müssten, ihn zu erkennen und sichtbar zu machen, und kündigte eine Aufstockung der Mittel für RIAS Sachsen-Anhalt an, um deren Präsenz im Flächenland zu stärken.

Marina Chernivsky, Geschäftsführerin von OFFEK e.V., sprach von „tektonischen Verschiebungen“ im Sicherheitsempfinden jüdischer Menschen. Sie betonte, dass jeder antisemitische Vorfall ein Angriff auf die Integrität, Identität und Zukunftsperspektiven der Betroffenen sei und ein Symbol für tiefere gesellschaftliche Strukturen. OFFEK, die Beratungsstelle für Betroffene antisemitischer Gewalt und Diskriminierung, hat im ersten Jahr nach den Massakern vom 7. Oktober 2023 rund 1900 Fälle bundesweit beraten, davon 100 in Sachsen-Anhalt. Chernivsky unterstrich, dass diese hohe Zahl die Überwindung einer „sehr hohen Schwelle“ durch die Ratsuchenden zeige.

Erscheinungsformen und Täterprofile
Der Bericht identifiziert verschiedene Erscheinungsformen des Antisemitismus. Der Post-Shoah-Antisemitismus hat sich im Vergleich zu 2023 fast verdoppelt und ist mit 87 Fällen die am häufigsten erfasste Form. Dazu gehören Angriffe auf die Erinnerung an die Shoah, Verharmlosung oder Leugnung sowie antisemitische Verherrlichung des Nationalsozialismus. Besonders auffällig waren hier Vorfälle um wichtige Gedenktage wie den 7. Oktober, 9. Oktober und 9. November, bei denen Stolpersteine gestohlen oder beschädigt und Gedenkveranstaltungen gestört wurden.

Der Israelbezogene Antisemitismus blieb im Jahr 2024 auf hohem Niveau und zeigt sich vermehrt auf Versammlungen (28 im Jahr 2024 gegenüber 11 in 2023). Ein neues Phänomen ist der Anti-israelische Aktivismus, der 2024 erstmals mit 25 Vorfällen auftrat und insbesondere im Umfeld von Universitäten und Hochschulen in den Großstädten etabliert ist. Diese Gruppen nutzen Demonstrationen, Kundgebungen und Flugblätter zur Verbreitung antisemitischer Aussagen, einschließlich der Delegitimierung und Dämonisierung Israels sowie der Glorifizierung terroristischer Handlungen gegen Israel.

Die Verfasser des Berichts, Marie-Christin Batz und Dr. Michael Schüssler von RIAS Sachsen-Anhalt, wiesen darauf hin, dass Antisemitismus in allen Lebensbereichen stattfindet: am häufigsten im öffentlichen Raum wie Straßen und Nahverkehr, aber auch zunehmend in Bildungseinrichtungen, Kultureinrichtungen und im persönlichen Nahbereich wie dem Wohnumfeld und am Arbeitsplatz.

Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft
Inesa Mislitzerka, Vorsitzende des Landesverbands jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, schilderte die zutiefst erschütternden Erfahrungen der jüdischen Gemeinschaft. Sie berichtete von persönlichen Erlebnissen wie zertrampelten Blumen am Denkmal der zerstörten Synagoge nach einer Gedenkfeier zur Pogromnacht und einem angezündeten Mesusa am Haus des Rabbiners. Solche Vorfälle führten zu großer Sorge und dem Gefühl, dass der Schutz nicht aus der Gesellschaft komme. Jüdinnen und Juden seien gezwungen, ihre jüdische Identität und Symbole zu verbergen, um Angriffen zu entgehen.

„Nach dem 7. Oktober wissen jüdinnen und Juden in Deutschland, wo sie leben und woran sie sind“, erklärte Marina Chernivsky. Die Zunahme der Gewaltbereitschaft sei eine Realität, die das jüdische Leben in allen Bereichen durchdringe und die Teilhabe einschränke.

Forderungen und Ausblick
Die Sprecher appellierten an die Gesellschaft, eine klare Haltung einzunehmen, die Bildung zu verbessern und eine konsequente Strafverfolgung sicherzustellen. Dr. Schneiß betonte, dass Antisemitismus auch ein „Türöffner für andere Feindlichkeiten und Radikalisierungen“ sei und in Deutschland eine besondere Verpflichtung bestehe, ihm entgegenzutreten.

Der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt setzt auf Bildungsarbeit, beispielsweise durch Führungen in der neuen Magdeburger Synagoge, um Vorurteile abzubauen und ein wahrhaftiges Bild des Judentums zu vermitteln. Zudem werden Präventionsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Polizei angeboten, um Gemeindemitgliedern Strategien zum Umgang mit antisemitischen Übergriffen zu vermitteln.

Die Meldestelle RIAS Sachsen-Anhalt, die unabhängig von politischen Weisungen arbeitet, kooperiert eng mit jüdischen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Beratungsnetzwerken. Sie agiert dabei streng betroffenenorientiert und gibt gemeldete Straftaten nicht automatisch an die Polizei weiter, sondern nur im Auftrag der Ratsuchenden und nach Abwägung der individuellen Situation. Diese Herangehensweise schafft Vertrauen und ermöglicht es Betroffenen, ihre Erfahrungen sicher zu teilen.

Obwohl die Zahlen des RIAS-Berichts erschütternd sind, betonen die Experten, dass sie nur einen Teil des Gesamtbildes widerspiegeln. Das wahre Ausmaß von Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen zeige sich auch in Studien, Beratungsfällen und dem veränderten gesellschaftlichen Klima, das mehr Bedrohungspotenziale schaffe.