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Angela Merkel im Gespräch über ihr Buch Freiheit

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In ihrem neuen Buch Freiheit gibt Angela Merkel spannende Einblicke in ihre 16 Jahre als Bundeskanzlerin sowie ihr Leben vor der politischen Karriere in der DDR. Das Werk beleuchtet sowohl politische Entscheidungen als auch persönliche Erfahrungen, die sie geprägt haben. Im dazugehörigen Interview spricht Merkel offen über ihre Beweggründe, die Herausforderungen während ihrer Amtszeit und ihre Gedanken zu den drängenden Fragen unserer Zeit.

Merkel reflektiert zentrale Ereignisse ihrer Kanzlerschaft, wie die Flüchtlingskrise 2015, die Corona-Pandemie und die Klimapolitik. Sie erklärt, dass sie das Buch schreiben wollte, um ihre Motive zu erläutern und die Werte zu verteidigen, die ihr in diesen Krisen wichtig waren. Ehrlichkeit und Authentizität waren ihr dabei ein großes Anliegen – ebenso wie der Versuch, einen Blick hinter die Kulissen der Macht zu gewähren.

Die ehemalige Kanzlerin spricht auch über ihre persönliche Entwicklung, etwa ihre späte Einsicht, wie wichtig der Feminismus ist, und ihre Überzeugung, dass sie mit ihrer Politik Frauen und Mädchen Mut machen konnte. Ihre Erfahrungen in der DDR, wo Freiheit keine Selbstverständlichkeit war, prägen ihren Blick auf gesellschaftliche Werte und die Bedeutung demokratischer Prinzipien bis heute.

Neben politischen Themen beleuchtet das Buch auch Merkels menschliche Seite: ihre Vorliebe für Hausmannskost, ihr Wunsch, mit Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren, und ihr Bedürfnis nach einem geschützten Privatleben. Sie gibt zu, dass sie sich oft zurücknehmen musste, um Konflikte zu vermeiden, und hofft, dass sie im Ruhestand mehr Raum für persönliche Dinge haben wird.

Ein weiteres zentrales Thema ist ihr Verhältnis zu Russland und Wladimir Putin, dessen Verhalten sie kritisch bewertet. Merkel schildert, wie sich die geopolitische Landschaft in Europa durch den Ukraine-Krieg verändert hat, und betont die Notwendigkeit, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Gleichzeitig unterstreicht sie die Wichtigkeit, die freiheitlichen Werte Europas zu bewahren.

Das Buch Freiheit ist mehr als eine politische Rückschau – es zeigt eine Kanzlerin, die nicht nur auf ihre Erfolge, sondern auch auf Herausforderungen und Fehler blickt. Es ist ein Appell, Freiheit, Respekt und Demokratie in einer zunehmend polarisierten Welt zu bewahren. Mit diesem Werk lädt Merkel dazu ein, ihre Perspektiven nachzuvollziehen und über die großen Fragen unserer Zeit nachzudenken.

Cottbus 2025 – DDR-Propaganda oder alternative Zukunftsvision?

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In einem Beitrag, der an den rhetorisch überzeugenden Stil der DDR-Medien anknüpft, wird ein Bild einer fortbestehenden, idealisierten DDR gezeichnet – mit Cottbus als pulsierendem Zentrum militärischer Disziplin und wirtschaftlichen Fortschritts. Der Text präsentiert die Nationale Volksarmee (NVA) als untrennbaren Bestandteil eines sozialistischen Systems, das in enger Zusammenarbeit mit der sowjetischen Militärkoalition agiert.

Eine inszenierte Garnisonsstadt
Der Beitrag rückt Cottbus in den Fokus – nicht nur als Garnisonsstadt, sondern als „Großstadt der DDR“. Dabei werden traditionelle Elemente der DDR-Propaganda aufgegriffen:

  • Heldenverehrung und Symbolkraft:
    Die Figur Paul Hornig, einst Arbeiter, Aktivist und antifaschistischer Kämpfer, erhält neuen Glanz als Namensgeber eines Panzerregiments. Diese Verknüpfung von persönlicher Opferbereitschaft und militärischer Stärke soll den Geist vergangener Kämpfe gegen den Faschismus als Fundament der heutigen Ordnung idealisieren.
  • Militärische Disziplin und Kameradschaft:
    Der Beitrag hebt die enge Verbindung zwischen den NVA-Soldaten und ihren sowjetischen „Waffenbrüdern“ hervor. Gemeinsame taktische Übungen und der tägliche Einsatz – auch in anstrengenden Nachtmissionen – stehen symbolisch für die unerschütterliche Solidarität und den kollektiven Willen, den sozialen Frieden zu sichern.

Wirtschaftliche Perspektiven im sozialistischen Kontext
Neben der militärischen Dimension wird Cottbus als wirtschaftlicher Motor dargestellt. Mit der täglichen Förderung von 80.000 Tonnen Braunkohle, die 46 % des Energiebedarfs der DDR deckt, wird die Stadt als unverzichtbarer Energieträger und Industriezentrum inszeniert. Dieses Bild von Fortschritt und Wohlstand, das zugleich alte Industriezweige und moderne Rekultivierungsmaßnahmen umfasst, zielt darauf ab, den Erfolg der sozialistischen Wirtschaftsordnung zu unterstreichen.

Ideologie und historische Narrative als Zukunftsvision
Der Beitrag verbindet geschickt historische Erinnerung mit einer propagandistischen Zukunftsvision. Die Erinnerung an sowjetische Opfer im Kampf gegen den Faschismus wird als Fundament der gegenwärtigen Errungenschaften dargestellt. So soll der kontinuierliche Glaube an den gemeinsamen Erfolg und an die ideologische Überlegenheit des sozialistischen Systems den Bürgern ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit vermitteln.

Ob als bewusste Fortführung klassischer DDR-Propaganda oder als fiktive Zukunftsvision – der Beitrag schafft es, historische Narrative und ideologische Rhetorik zu einem Bild zu verweben, das sowohl die militärische als auch die wirtschaftliche Stärke einer idealisierten DDR hervorhebt. Cottbus 2025 wird so zu einem Symbol: einer Stadt, in der Vergangenheit und Zukunft miteinander verschmelzen und in der die Erinnerung an heroische Taten den Weg in eine vermeintlich stabile und prosperierende Zukunft ebnet.

Diese inszenierte Darstellung regt zum Nachdenken an: Wie viel Wahrheit steckt in solchen propagandistischen Visionen, und inwiefern werden historische Ereignisse neu interpretiert, um den Glanz einer idealisierten Zukunft zu beflügeln? Die Debatte darüber bleibt spannend – und zeigt, wie eng Vergangenheit, Erinnerung und Zukunft in politischen Narrativen miteinander verknüpft sein können.

Ulbrichts Traum vom Wirtschaftswunder – Als die DDR auf Technik als Heilmittel setzte

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Ein Rückblick auf die technikeuphorische DDR der 1960er Jahre – zwischen Kybernetik, Lochkarten und sozialistischen Utopien.

Als der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin 1961 als erster Mensch ins All flog, war das nicht nur ein Meilenstein für die Raumfahrt. Für die DDR wurde dieser Moment zum Startschuss eines regelrechten Technikfiebers. Angetrieben vom sowjetischen Fortschritt und getrieben von der Idee, den Westen wirtschaftlich und technologisch zu überholen, entwarf Walter Ulbricht, Vorsitzender des Staatsrats, seine Vision eines sozialistischen Wirtschaftswunders – mit Wissenschaft und Technik als Motoren einer besseren Zukunft.

Die technologische Offensive
„Überholen, ohne einzuholen“ – dieses paradoxe Mantra bestimmte fortan die wirtschaftliche Strategie der DDR. Mit dem „Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung“ (NÖS), das 1963 vorgestellt wurde, wollte man die erstarrte Planwirtschaft modernisieren. Betriebe erhielten etwas mehr Eigenverantwortung, Leistung wurde durch Prämien belohnt, und erstmals durfte auch über Gewinne gesprochen werden – innerhalb sozialistischer Grenzen, versteht sich.

Kybernetik, zuvor als bourgeoise Spinnerei abgetan, wurde plötzlich als Wunderwaffe gefeiert. Sie sollte helfen, den Sozialismus effizient zu steuern – mit Hilfe von Rechenmaschinen, Lochkarten und Algorithmen. Der Computer „Robotron 300“ wurde zum Vorzeigeprojekt, neue Ausbildungsberufe wie „Facharbeiter für Datenverarbeitung“ etabliert. In den Büros surrten Rechenmaschinen, in Klassenzimmern träumten Schüler von Weltraumspaziergängen.

Technik als Zukunftsversprechen
Die technikverliebte Propaganda machte auch vor der Kultur nicht halt. Science-Fiction-Filme und -Literatur malten eine glorreiche Zukunft aus, in der Maschinen das Leben erleichtern und der Mensch, befreit von Not und Ausbeutung, seiner kreativen Arbeit nachgehen konnte. Technik war in der DDR kein bloßes Mittel – sie wurde zum Versprechen einer besseren, kommunistischen Welt.

Und tatsächlich: In den 60er Jahren verbesserten sich vielerorts die Lebensbedingungen. Die Regale in den Geschäften füllten sich, die Infrastruktur wuchs, Renten und Urlaubszeiten stiegen. Vorzeigestädte wie Eisenhüttenstadt sollten zeigen, dass der Sozialismus nicht nur funktionierte, sondern auch modern war.

Ein Traum mit Rissen
Doch die Euphorie hielt nicht lange. Trotz aller Reformversuche blieb das System unfrei – Preise wurden weiter zentral bestimmt, Betriebe litten unter Rohstoffmangel, insbesondere nach dem Rückgang sowjetischer Erdöllieferungen. Mit dem mysteriösen Tod des Reformarchitekten Erich Apel 1965 verlor das NÖS seinen wichtigsten Vordenker. Die Reformen stockten, und bald zeigte sich: Ein bisschen Markt im Sozialismus macht noch keinen Fortschritt.

Was folgte, war ein Rückzug. 1971 übernahm Erich Honecker die Führung, Ulbricht wurde abgesetzt, das NÖS abgeschafft. Statt technologischem Aufbruch setzte die neue Linie auf soziale Wohltaten, finanziert durch westliche Kredite – ein fragiles System mit Ablaufdatum.

Rückblick auf eine technikbesessene Utopie
Heute wirkt die technikeuphorische DDR der 60er Jahre wie ein Relikt aus einer alternativen Zukunft – ein Ort, an dem Planwirtschaft und Computer, Sozialismus und Science-Fiction, Maschinen und Marx Hand in Hand gehen sollten. Es war ein Traum von der Überlegenheit des Fortschritts, geboren aus Hoffnung, Ideologie und einer gehörigen Portion Größenwahn. Doch am Ende blieb davon nur ein Stapel Lochkarten, einige Science-Fiction-Romane – und die Erkenntnis, dass selbst die modernste Technik keinen Systemfehler aushebeln kann.

Fischland-Darß um 1965: Eine kleine Welt zwischen Ostsee und Bodden

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Das Fischland-Darß, eine langgestreckte Halbinsel an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns, war um 1965 ein einzigartiger Mikrokosmos. Hier, zwischen dem endlosen Blau der Ostsee und den stillen Gewässern des Boddens, fand sich eine Mischung aus unberührter Natur, traditionellem Handwerk und aufkeimendem Tourismus, die den besonderen Reiz dieser Region ausmachte.

Prerow: Ein Naturparadies im Wandel
Prerow, eingebettet in den Darßer Wald und bekannt für seinen kilometerlangen Sandstrand, war um 1965 ein beschauliches Ostseebad. Die Strandpromenade, damals noch wenig erschlossen, zog vor allem naturnahen Tourismus an. Urlauber kamen, um die frische Ostseeluft zu genießen und in einfachen Ferienunterkünften zu entspannen. Der Darßer Ort, die nordwestlichste Spitze des Darßes, lockte Naturliebhaber mit seinen wilden Küsten und der Vogelwelt. Die Fischerei spielte weiterhin eine zentrale Rolle im Ort, doch auch der Tourismus begann sich langsam als Einnahmequelle zu etablieren.

Zingst: Zwischen Tradition und Moderne
Zingst war um diese Zeit ein Ort im Umbruch. Die kleine Gemeinde, gelegen zwischen Ostsee und Zingster Strom, lebte von der Landwirtschaft, der Fischerei und zunehmend auch vom Tourismus. Die DDR-Regierung förderte den Ausbau von Ferienheimen für Werktätige, was dem Ort eine neue wirtschaftliche Perspektive gab. Dennoch blieb Zingst stark mit seinen Traditionen verbunden. Die typischen Rohrdachhäuser und das Leben in der Gemeinschaft prägten das Dorf, das von der Weite der umliegenden Salzwiesen eingerahmt war.

Ahrenshoop: Die Künstlerkolonie am Hohen Ufer
Ahrenshoop war bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts als Künstlerkolonie bekannt. Auch 1965 lebte der Ort von seiner besonderen Aura. Das Hohe Ufer, eine imposante Steilküste, bot Malern und Fotografen eine unvergleichliche Kulisse. Der Ort zog kreative Köpfe aus der DDR an, die in den reetgedeckten Häusern Inspiration fanden. Gleichzeitig war Ahrenshoop ein Magnet für Individualreisende, die den Charme dieses Küstendorfs suchten. Trotz der politischen Restriktionen jener Zeit blieb Ahrenshoop ein Ort, an dem sich Künstler frei entfalten konnten – zumindest im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten.

Wustrow: Ein Ostseebad mit maritimer Seele
Das Ostseebad Wustrow, am Übergang vom Fischland zum Darß gelegen, war um 1965 ein traditionelles Fischerdorf, das sich behutsam dem Tourismus öffnete. Der alte Hafen und die Schifferkirche erzählten von der langen Seefahrertradition des Ortes. Viele Familien hatten Verbindungen zur Seefahrt, und die maritime Kultur prägte das Leben. Wustrow war beliebt bei Familien, die Ruhe und Erholung suchten. Der Strand, von Kiefern gesäumt, bot ein idyllisches Umfeld für unbeschwerte Urlaubstage.

Ribnitz-Damgarten: Die Torstadt zur Halbinsel
Die Kreisstadt Ribnitz-Damgarten, das „Tor zum Fischland“, war das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region. Bekannt als „Bernsteinstadt“, war sie ein bedeutender Standort für die Verarbeitung des „Golds der Ostsee“. Das Deutsche Bernsteinmuseum, damals noch in den Anfängen seiner heutigen Bedeutung, zog erste Interessierte an. Ribnitz-Damgarten war zudem ein Verkehrsknotenpunkt, von dem aus Besucher die Halbinsel erkunden konnten. Die Stadt lebte von einer Mischung aus traditionellem Handwerk und moderner Industrie, die in der DDR systematisch ausgebaut wurde.

Alltag und Lebenswelt auf Fischland-Darß
Das Leben auf Fischland-Darß um 1965 war geprägt von der natürlichen Umgebung und den Bedingungen der DDR. Viele Einwohner lebten von der Fischerei, der Landwirtschaft oder arbeiteten in den kleinen Manufakturen und Betrieben. Der aufkommende Tourismus brachte erste Veränderungen, doch der große Boom lag noch in der Zukunft. Die Menschen lebten einfach, aber eng mit der Natur verbunden. Kinder spielten am Strand oder in den Wäldern, während Erwachsene bei der Arbeit oder in der Dorfgemeinschaft eingebunden waren. Die Abgeschiedenheit der Region war einerseits eine Herausforderung, bot andererseits aber auch Schutz vor den Einflüssen der politischen Spannungen jener Zeit.

Fazit: Eine besondere Zeit
Das Fischland-Darß um 1965 war eine kleine Welt für sich. Zwischen Tradition und Wandel bewahrte die Region ihren unverwechselbaren Charakter. Die Mischung aus beeindruckender Natur, kultureller Vielfalt und den Eigenheiten des Lebens in der DDR machten die Halbinsel zu einem einzigartigen Ort. Heute erinnert vieles an diese Zeit, doch die Spuren von damals verblassen allmählich, während sich Fischland-Darß zu einer der beliebtesten Ferienregionen Deutschlands entwickelt hat.

Bansin 1961: Verlorenes Ferienparadies hinter Stacheldraht

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Hinter Stacheldraht und Grenzbarrieren liegt unerreichbar das Ferienland vergangener Tage. Eine Reise nach Rügen oder Usedom, nach Swinemünde oder Bansin, ist im Jahr 1961 ein unerfüllbarer Wunsch geworden. Bansin, einst ein beliebtes Familienbad auf der Insel Usedom, ist nun von der SED-Führung als „Bad der Werktätigen“ proklamiert worden.

Wie an der gesamten Ostseeküste hat der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) die Kontrolle übernommen. Hotels wurden enteignet und in gewerkschaftseigene Heime umgewandelt. Die vertrauten Namen von einst – Meeresruh, Strandhaus und Bansiner Hof – sind verschwunden, an ihrer Stelle prangen nun Parteiparolen und sozialistische Losungen. Rund 90 Prozent aller Ostseebesucher verbringen ihren Urlaub in organisierten Gruppen. Der FDGB plant die Reise, bestimmt den Aufenthaltsort, das Hotel und die Dauer des Urlaubs. Gemeinsame Mahlzeiten, kollektive Badegänge und Gruppenbesuche in den neu errichteten Kulturpalästen prägen das Bild der einst so freien Erholungsorte.

Beim Anblick des weiten, weißen Strandes, der Sandburgen und Strandkörbe fühlt es sich an, als würde sich das Rad der Zeit zurückdrehen. Erinnerungen werden wach an jene Jahre, als noch die Züge vom Stettiner Bahnhof zur Ostsee rollten. Am Wochenende fuhren Sonderzüge aus Hamburg und Berlin an die Küste, um Strohwitwer zu ihren Familien zu bringen. Damals waren freie, ungebundene Ferien eine Selbstverständlichkeit. Nun aber unterliegt sogar der Urlaub der Planwirtschaft und dem Kollektivwillen der SED. Eine spontane Reise von Ort zu Ort, von Hotel zu Hotel ist nicht mehr möglich. Ständig wird das Organisationssystem des Feriendienstes ausgebaut. Bis 1965 sollen entlang der Ostseeküste standardisierte Bettenhäuser und Großverpflegungsanstalten entstehen.

Doch die landschaftliche Schönheit der Ostseeküste bleibt unverändert. Das Rauschen des Meeres, der weiße Sand und der strahlende Sonnenschein bewahren ihren Zauber und vermitteln auch heute noch ein Gefühl von Ferienstimmung. Am Rande von Bansin leben weiterhin die Fischer, die einst als freie, selbstständige Menschen hinaus auf das Meer fuhren. Doch auch ihnen wurde die Selbstbestimmung genommen. Sie mussten den staatlichen Fischkombinaten beitreten und ihren Fang den Fischverwertungsgenossenschaften überlassen. Ihre Sollerfüllung bestimmt nun den Tagesablauf, so wie es bei den Bauern und Kaufleuten der DDR ebenfalls der Fall ist.

Der Ostseestrand bleibt in der Erinnerung lebendig, ebenso wie der Traum von der Freiheit. Wann werden die Grenzbarrieren fallen, und wann wird es westdeutschen Bürgern wieder möglich sein, die Bäder von Usedom, Rügen und der pommerschen Küste ungehindert zu besuchen?

Der Beitrag bezieht sich auf das oben eingefügte Video! Beschreibung: „1961 besucht ein Team des SFB den deutschen Osten und betrauert, was in der „Zone“ vor sich geht. Im Ostseebad Bansin hat sich seit dem Mauerbau viel verändert, das beliebte Familienbad von einst ist nun das Bad der Werktätigen unter Organisation der SED. Zwar stehen weiterhin die Strandkörbe am weißen Strand, werden Sandburgen gebaut und das Meer rauscht. Aber die Hotels wurden enteignet, um in gewerkschaftseigene Heime umgewandelt zu werden. Die SFB-Crew berichtet, dass 90 % der Urlaube in der DDR der FDGB (Freie Deutsche Gewerkschaftsbund) zentral plant. Auch die Ferienzeit ist dem Kollektivwillen unterworfen, der Staat teilt zu, die Einzelnen ordnen sich unter. Bis 1965 sollen an der Ostsee viele weitere Bettenhäuser und Großverpflegungsanstalten für den ostdeutschen Urlaub entstehen. Die Besucher aus dem Westen fangen Bansin in schönen Aufnahmen ein, wünschen sich dabei aber ein Fallen von Stacheldraht, Grenzbarrieren und kommunistischer Zentralverwaltung.“

Warnowquerung: Vom umstrittenen Megaprojekt zur Erfolgsgeschichte

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Rostock, die größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns, ist heute ohne die Warnowquerung kaum mehr vorstellbar. Der 2003 eröffnete Tunnel unter der Warnow hat sich längst etabliert – sowohl für Anwohner und Pendler als auch für Industrie und Tourismus. Doch der Weg dahin war nicht immer einfach.

Ein mutiger Schritt in die Zukunft
Bereits zur Jahrtausendwende war klar: Die wachsende Stadt braucht eine direkte Verbindung zwischen beiden Ufern der Warnow. Die Idee eines Tunnels stand schnell im Raum – doch es gab eine Besonderheit: Die Finanzierung erfolgte nicht durch den Staat, sondern privat. Damit war die Warnowquerung das erste mautpflichtige Infrastrukturprojekt in Deutschland, das ohne öffentliche Gelder realisiert wurde. Eine Entscheidung, die anfangs auf Skepsis stieß.

Von der Baustelle zur Lebensader
1999 fiel der Startschuss für den Bau des 790 Meter langen Tunnels. In elf Bauphasen errichtete ein internationales Team aus Ingenieuren und Spezialisten die Untertunnelung der Warnow. Die Bauzeit von dreieinhalb Jahren war ehrgeizig, doch die Herausforderung wurde gemeistert: 2003 rollten die ersten Fahrzeuge unter der Warnow hindurch.

Die anfängliche Zurückhaltung der Bevölkerung gegenüber der Maut wich allmählich der Akzeptanz. Heute nutzen täglich rund 13.000 Fahrzeuge den Tunnel – ein klares Zeichen für den Erfolg des Projekts. Der 87-millionste Fahrer passierte die Warnowquerung am 10. Januar 2025.

Ein Vorzeigeprojekt der Ingenieurskunst
Der Bau der Warnowquerung war eine ingenieurstechnische Meisterleistung. Das Rostocker Bauunternehmen Groth & Co. war von Anfang an maßgeblich beteiligt. „Für uns war das Projekt eine spannende Herausforderung, die unser Know-how im Tiefbau auf die Probe stellte“, sagt ein Unternehmenssprecher. Regelmäßige Prüfungen nach DIN 1076 bestätigen bis heute die hohe Bauqualität des Tunnels.

Maut als Modell für die Zukunft?
Die Warnowquerung hat bewiesen, dass privat finanzierte Infrastrukturprojekte funktionieren können – zumindest unter bestimmten Bedingungen. Doch bleibt die Frage, ob dieses Modell auch auf andere Verkehrsprojekte in Deutschland übertragbar ist. Kritiker warnen vor sozialer Ungerechtigkeit durch Mautgebühren, während Befürworter auf die Entlastung öffentlicher Haushalte verweisen.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Stadt
Mehr als 20 Jahre nach der Eröffnung ist die Warnowquerung aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Die schnelle Verbindung zwischen beiden Ufern der Warnow hat Rostock verkehrstechnisch auf eine neue Stufe gehoben. Trotz anfänglicher Skepsis hat sich das Projekt als Erfolg erwiesen – für die Stadt, ihre Bewohner und die regionale Wirtschaft.

Neue Spuren zum verlorenen Nazischatz

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Ende April 1945: Die Rote Armee steht kurz vor der Einnahme Berlins. Im Bunker der Reichskanzlei herrscht Götterdämmerung. Hitler und das Dritte Reich stehen unmittelbar vor der Kapitulation. Angesichts der aussichtslosen Lage befiehlt Hitler seinem Führungsstab, den Bunker der Reichskanzlei zu verlassen und sich in Richtung Alpenfestung zu begeben. Mehrere Maschinen des Typs JU 352 sollen Personen und Material von Berlin nach Süden auf den Obersalzberg bringen. Auch hochgeheimes Material, verpackt in mehreren Kisten, wird in eine der Maschinen verladen.

Alle Maschinen erreichen ihr Ziel, den Flughafen Ainring bei Salzburg. Doch von einer Maschine mit dem erfahrenen Piloten Major Gundelfinger und der hochgeheimen Fracht fehlt jede Landemeldung in Berlin. Die Nachricht über den Absturz des Flugzeugs südlich von Dresden bei Börnersdorf, das in Flammen aufging, erreicht Hitler und versetzt ihn in Rage. Nur zwei Personen überleben den Absturz, Teile der Ladung verbrennen. Mehrere Kisten mit der geheimnisvollen Fracht werden aus der Maschine geschleudert. Sie können von einer SS-Einheit geborgen und an ihr Ziel nach Berchtesgaden transportiert werden. Allerdings nicht auf den Obersalzberg, sondern in den „Alpenhof“ nach Hintersee, wohin sich Hitlers Führungsstab kurz vor der Bombardierung des Obersalzbergs zurückgezogen hatte.

Der Sohn des damaligen Besitzers des „Alpenhofs“ erinnert sich genau an das Eintreffen der geheimen Ladung und an die letzten Tage des untergehenden Dritten Reichs, die er als kleiner Junge zusammen mit Hitlers engstem Führungsstab im Gasthof seines Vaters erlebte. In einem eindrucksvollen Interview schildert er präzise die Ereignisse zwischen dem 25. April und dem 2. Mai 1945: die Flucht von NS-Größen und den Verbleib der geheimnisvollen Kisten aus der Führermaschine. Durch sein Wissen kann erstmals ein Zusammenhang zwischen der abgestürzten Führermaschine bei Börnersdorf und der letzten Kommandozentrale des Dritten Reichs, dem „Alpenhof“ am Hintersee, hergestellt werden.

Was in den geheimnisvollen Kisten verpackt war, ist bis heute ein Rätsel. Die Vermutungen reichen von Goldbarren über Geheimdokumente bis hin zu einem mysteriösen Nazi-Schatz. Diese außerordentlich informative Dokumentation enthält zahlreiche Interviews und teilweise bisher unveröffentlichtes Film- und Fotomaterial.

Die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs in Europa sind ein in vielerlei Hinsicht chaotisches Kapitel der Geschichte. Während sich die Alliierten unaufhaltsam vorwärtsbewegten, versuchten die verbliebenen NS-Führungskader, sich der drohenden Verhaftung oder gar der direkten Vergeltung zu entziehen. Wichtige Dokumente, Wertgegenstände und geheime Unterlagen wurden auf dem schnellsten Weg aus Berlin herausgeschafft. Es gibt viele Hinweise darauf, dass unter den transportierten Materialien nicht nur persönliche Besitztümer oder Vermögen der NS-Führung waren, sondern auch strategisch bedeutsame Dokumente. Manche Historiker spekulieren, dass es sich dabei um Material zu geheimen Forschungsprojekten, Waffenplänen oder gar um brisante Beweise für Kriegsverbrechen gehandelt haben könnte.

Der Absturz der JU 352 nahe Börnersdorf ist eines der wenigen bekannten Ereignisse, bei denen ein solch geheimer Transport nicht sein Ziel erreichte. Die beiden Überlebenden des Absturzes, deren Namen in den offiziellen Akten nie auftauchten, sollen laut Augenzeugenberichten sofort von der SS in Empfang genommen worden sein. Das Schicksal dieser Männer bleibt bis heute ungeklärt, ebenso wie der exakte Inhalt der geborgenen Kisten.

Was genau mit den geheimen Kisten nach ihrer Ankunft im „Alpenhof“ geschah, bleibt im Dunkeln. Berichte von US-Militaristen deuten darauf hin, dass in den Wochen nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 intensive Durchsuchungen der Region um Berchtesgaden stattfanden. Während vieles von dem, was die Alliierten fanden, später in Archiven dokumentiert wurde, fehlen bis heute eindeutige Hinweise auf die Kisten aus der JU 352. Es bleibt daher unklar, ob ihr Inhalt jemals geborgen oder ob er in den letzten Kriegstagen endgültig verloren ging.

Die Geschichte des Absturzes und der verschwundenen Kisten bleibt ein faszinierendes Rätsel. War es lediglich ein Versuch, Reichtümer und persönliche Dokumente der NS-Führung in Sicherheit zu bringen? Oder befand sich an Bord der Maschine wirklich ein letzter großer Geheimschatz des Dritten Reiches? So lange es keine abschließenden Beweise gibt, wird die Legende weiterleben.

Rolands „Gemuseum“: Eine Reise in die DDR durch seltene Erinnerungsstücke

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Im Herzen der DDR-Geschichte, genauer gesagt in der persönlichen Sammlung von Roland, verbirgt sich eine lebendige Begegnungsstätte für „DDR-Enthusiasten“. Diese umfangreiche Ausstellung, die der Besitzer selbst liebevoll als sein „Gemuseum“ bezeichnet, ist weit mehr als nur eine Ansammlung von Objekten; sie ist Rolands persönliches Leben, dokumentiert von der Schulzeit über die Lehre bis heute. Jeder Ausstellungsgegenstand hat eine Geschichte, die eng mit seiner Person verbunden ist.

Im Mittelpunkt der Sammlung stehen zahlreiche Fahrzeuge aus DDR-Zeiten, insbesondere Trabants. Mit 22 Trabants besitzt Roland so gut wie jedes Modell, das jemals gebaut wurde, einschließlich Prototypen. Ein besonderes Highlight ist ein Prototyp eines Dreiachs-Wohnmobils der DDR. Ein weiteres extrem seltenes Stück ist ein Carat Tremp, von dem angeblich nur 62 Stück gebaut wurden, und Rolands Exemplar ist die Nummer 60. Dieses Fahrzeug, ursprünglich als Spaßauto für Urlauber in Spanien genutzt, wurde über einen Bierdeckel-Deal auf Mallorca erworben und auf abenteuerlichen Wegen nach Deutschland gebracht. Auch ein Prototyp eines Mini-Transporters namens „Quicktrans“ ist Teil der Sammlung. Dieser wurde für Gewerbetreibende entworfen, scheiterte aber am hohen Preis von 12.000 Mark. Rolands Exemplar, das von einem Förderverein wieder aufgebaut wird, hat eine eigene bewegende Geschichte und wurde unvollendet nach dem Tod seines Erbauers erworben.
Die Ausstellung beschränkt sich jedoch nicht nur auf Fahrzeuge. Sie bietet einen umfassenden Einblick in den Alltag der DDR:

• Kleidung (wie die beliebte Kittelstürze oder die Dreiecksbadehose).
• Haushaltsgegenstände und Nahrungsmittel (wie Atta, Pulax, Blanca Blink).
• Medizinische Abteilung mit originalen Mitteln, einschließlich Schnäpsen wie „Krumfusel“.
• Das legendär robuste Rührgerät RG28, über dessen Langlebigkeit es sogar einen MDR-Spielfilm gibt („Kommen Rührgeräte in den Himmel“).
• Spielzeug und Unterhaltung (TV-Spiel Pingpong, Modellautos).
• Politische und gesellschaftliche Symbole (Wappen der DDR, Fahnen von FDGB und Kampfgruppe, GSD – Gesellschaft für Sport und Technik).
• Militärische Erinnerungsstücke und ein umstrittenes Gelöbnis.
• Auszeichnungen und Orden, inklusive Stücke von der Staatssicherheit wie einer goldenen Glashütte-Uhr.
• Kunst (Womaka Bilder).
• Eine Nachbildung des Palast der Republik Clubraums, inklusive einer Lampe von dort.

Roland teilt in dem Gespräch auch persönliche Reflexionen und positive Erinnerungen an die DDR. Er hebt hervor, dass das Soziale anders war, spricht von super Kinderbetreuung, gesicherter und gut bezahlter Arbeit sowie Möglichkeiten für Hobbys und gesellschaftliche Beteiligung. Besonders am Herzen liegt ihm die Jugendarbeit, wie sie bei der GSD stattfand, die seiner Meinung nach verhinderte, dass Jugendliche „auf dumme Gedanken gekommen“ sind. Er kontrastiert dies mit Problemen, die er bei der heutigen Jugend wahrnimmt („Lunger nicht oder Kneiprum oder stechen sich“) und meint, im Osten habe man in dieser Hinsicht „was gekonnt“. Kritisch äußert er sich zur heutigen Haltung, dass alles Deutsche „egal ist“, und bedauert den Abriss des Palast der Republik, den er als bewusste Verhinderung positiver Erinnerungen an den Sozialismus sieht.

Der Besuch bei Roland ist kein normales Museumserlebnis mit festen Öffnungszeiten. Da Roland auch ein zweites Anwesen an der Ostsee hat und viel „rumpinselt“, ist die Sammlung nach Absprache zugänglich, ideal für kleine Gruppen oder Firmenausflüge. Eine besonders gute, aber auch sehr belebte Gelegenheit zum Besuch sind die Trabant-Treffen in Bodelwitz, bei denen Roland natürlich vor Ort ist. Viele Besucher kommen immer wieder, da es unzählige kleine Details zu entdecken gibt und die Ausstellung viele Erinnerungen weckt. Die Sammlung lebt, und Besucher bringen oft selbst noch Ausstellungsstücke mit. Es ist ein sehr persönlicher Ort, der mit viel Energie gestaltet wurde und die Möglichkeit bietet, sich „in die Zeit zurückversetzen“ zu lassen.

Psychische Folter in der Isolationshaft: Die unbarmherzige Taktik der Stasi

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Edda Schönherz, 30 Jahre alt, befand sich in der Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Hohenschönhausen. Ihre „Straftat“ war der Besuch der Bundesdeutschen Botschaft in Budapest, um Informationen über Ausreisemöglichkeiten zu erhalten. Dieser Besuch wurde von der Stasi als staatsfeindliche Verbindung interpretiert.

Die Haftbedingungen in Hohenschönhausen waren besonders grausam. Edda Schönherz wurde aus ihrer gewohnten Umgebung herausgeholt, in den frühen Morgenstunden abgeholt und in einem unmarkierten Auto, das die Stasi zur geheimen Personenbeförderung nutzte, transportiert. Das Versteck der Haftanstalt war auf keiner Landkarte verzeichnet, und selbst die Gefangenen wussten nicht, wo sie sich befanden.

In der Haftanstalt angekommen, wurde Edda in eine kleine Zelle gebracht. Sie musste sich vollständig ausziehen und sich vor den uniformierten Wachleuten entkleiden und in verschiedene Körperöffnungen untersuchen lassen. Diese erniedrigenden Prozeduren waren Teil der psychischen Folter, die die Stasi praktizierte, um ihre Gefangenen zu brechen.

Edda Schönherz war zuvor Moderatorin und Ansagerin im DDR-Fernsehen, eine Position, die im Widerspruch zur politischen Ausrichtung des Staates stand. Obwohl sie versuchte, ihre innere Verfassung zu verbergen, war der psychische Druck enorm. Die Stasi verhörte sie nicht nur direkt, sondern versuchte auch, in ihren Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis vorzudringen. Durch Lügen, Verleumdungen und fingierte Telefonanrufe versuchte man, ihre Psyche weiter zu zerstören.

Die Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen hatte auch ein Haftkrankenhaus, das jedoch nur in extremen Fällen aufgesucht werden konnte. Die Bedingungen für die Gefangenen waren so hart, dass eine medizinische Notversorgung nur im äußersten Notfall in Betracht gezogen wurde. In der gesamten DDR waren mehr als 250.000 politische Gefangene registriert, während in Hohenschönhausen etwa 11.000 Personen gleichzeitig inhaftiert waren.

Edda Schönherz wurde schließlich in einem Viehtransport zu einer anderen Haftanstalt gebracht. Dieser Transport dauerte drei Tage und war eine weitere Form der Erniedrigung und psychischen Folter. Die Stasi wollte durch solche Maßnahmen den Gefangenen deutlich machen, dass sie in den Augen des Regimes nichts wert waren.

Die psychische Folter in der Isolationshaft war eine brutale Taktik der Stasi, um ihre Gefangenen zu brechen und sie in ihrem Kampf gegen das autoritäre Regime der DDR zu demütigen. Edda Schönherz‘ Bericht bietet einen eindrucksvollen Einblick in die grausamen Methoden der politischen Verfolgung in der DDR.

ZDF 1972–2025: Der Blick auf Ost-Berlin und den Wandel eines Senders

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„Berlin-Ost heute.“ So beginnt die erste ZDF-Reportage über den Ostteil der deutschen Hauptstadt aus dem Jahr 1972. Der Kommentar: nüchtern, sachlich, aber auch unterschwellig kritisch. Es ist ein Fernsehblick aus der Ferne – zehn Jahre nach dem Mauerbau, 27 Jahre nach Kriegsende. Ost-Berlin, im westdeutschen Sprachgebrauch der „Ostsektor“, wird beschrieben als sozialistische Realität, von der Verfassung der DDR bestätigt, von westlicher Seite nur bedingt anerkannt.

Die Reportage zeichnet ein Bild der Stadt, das zwischen dokumentarischer Präzision und ideologischer Distanz pendelt. Sie benennt nüchtern Fakten: acht Bezirke, 1,1 Millionen Einwohner, überwiegend protestantisch. Sie zeigt das neue Stadtbild: die Karl-Marx-Allee als steinernes Zeugnis stalinistischer Architektur, den neu errichteten Fernsehturm als Symbol technischen Fortschritts und staatlichen Stolzes. Und sie weist auf Einschränkungen hin – auf Mediengleichschaltung, begrenzte Meinungsvielfalt und internationale Zeitungen, die nur in Hotel-Lobbys für Touristen ausliegen.

Dennoch vermeidet die Reportage offene Polemik. Die Sprache ist zurückhaltend, fast analytisch. Der Westen blickt auf den Osten – durch eine Scheibe, nicht durch ein Fernglas.

Zwischen Beton und Bewegung: Die Ambivalenz der DDR-Berichterstattung
Die Reportage von 1972 steht exemplarisch für den damaligen Umgang des ZDF mit der DDR: Beobachtend, distanziert, bemüht um Fakten – aber nie ganz frei von ideologischer Färbung. Die DDR wird nicht verteufelt, aber auch nicht verklärt. Die Bürger Ost-Berlins erscheinen als pragmatische Menschen, die sich mit dem System arrangieren. Der Staat als Verwaltungsapparat – hart, aber effizient. Der Fortschritt als sichtbare Realität, doch stets unter dem Vorbehalt fehlender Freiheit.

So entsteht eine merkwürdige Doppelperspektive: Einerseits Respekt vor dem Geleisteten – etwa dem Aufbau der Stadt „unter schweren Bedingungen, ohne Kredite, auf Kosten des Lebensstandards“ – andererseits eine klare westliche Skepsis gegenüber System, Ideologie und Medienkontrolle.

Es ist ein Spiegel der Zeit: Die Bundesrepublik, geprägt von westlicher Demokratie und wirtschaftlichem Aufschwung, beobachtet ihren östlichen Nachbarn mit einer Mischung aus Neugier, Misstrauen und Verwunderung. Das ZDF als junger Sender mittendrin – 1961 gegründet, damals gerade einmal elf Jahre alt.

Vom Beobachter zum Erzähler: Die Wandlung des ZDF
Doch wie hat sich das ZDF seitdem verändert? Wie wandelte sich der Blick auf Ostdeutschland – und der eigene journalistische Anspruch?

In den 1970er-Jahren dominierte die politische Sachberichterstattung. Formate wie Kennzeichen D näherten sich der DDR vorsichtig, meist mit Fokus auf politische Strukturen. Die Menschen blieben oft im Hintergrund, der Systemvergleich stand im Vordergrund.

In den 1980er-Jahren kamen erste Brüche. Die DDR-Opposition, Umweltbewegungen, Ausreiseantragsteller rückten ins Blickfeld. Das ZDF begann, Gesichter zu zeigen – nicht nur Funktionäre, sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die das System in Frage stellten.

Nach dem Mauerfall 1989 wandelte sich der Blick erneut. Nun ging es nicht mehr um Beobachtung, sondern um Einordnung. Dokus wie Die DDR – Eine deutsche Geschichte oder Spielfilme wie Der Turm erzählten die Geschichte des anderen Deutschlands vielschichtig, mit all ihren Widersprüchen.

Heute, über 50 Jahre nach der Reportage von 1972, ist das ZDF längst selbst Teil der gesamtdeutschen Medienlandschaft. Die Perspektive ist breiter geworden, die Stimmen vielfältiger. Ostdeutschland ist kein Objekt mehr, sondern Subjekt: Teil eines gemeinsamen Erinnerns – aber auch eines fortwährenden Diskurses über Identität, Gerechtigkeit und Integration.

Vom starren Blick zur offenen Erzählung
Die ZDF-Reportage von 1972 ist ein beeindruckendes historisches Dokument. Sie zeigt nicht nur, wie sich Ost-Berlin verändert hat – sie zeigt auch, wie ein westdeutscher Fernsehsender den Osten sah: analytisch, vorsichtig, manchmal mit skeptischem Unterton.

Heute wäre eine solche Reportage anders. Die Sprache wäre offener, die Menschen stünden stärker im Zentrum, die Perspektive wäre komplexer. Das ZDF hat sich gewandelt – von der distanzierten Beobachterrolle hin zu einem Erzähler der gemeinsamen Geschichte.

Und doch bleibt etwas gleich: der Anspruch, mehr zu zeigen als nur Bilder. Nämlich Zusammenhänge. Und vielleicht auch: Verständnis.