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Schöneweide: Wo das NS-Zwangsarbeitslager Teil des Alltags war

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Berlin-Schöneweide – Inmitten eines Berliner Wohnbezirks, wo man es vielleicht nicht direkt erwarten würde, befindet sich ein entscheidender Ort der deutschen Erinnerungskultur: das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. Unter der Leitung von Christine Klein bietet das Zentrum auf dem historischen Gelände eines ehemaligen Zwangsarbeitslagers tiefgreifende Einblicke in ein oft vergessenes Kapitel der NS-Geschichte.
Das Gelände in Schöneweide war kein abgelegener Ort, sondern Teil des städtischen Lebens, eine Tatsache, die für fast alle NS-Zwangsarbeitslager zutrifft. Hier waren während des Zweiten Weltkriegs unterschiedliche Gruppen von Menschen untergebracht, die vom NS-Regime zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Dazu gehörten zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die aus den besetzten Gebieten Europas nach Berlin verschleppt wurden, sowie italienische Militärinternierte – Kriegsgefangene – und weibliche KZ-Häftlinge.

Diese Menschen mussten unter extrem harten Bedingungen in verschiedenen Betrieben arbeiten. Während die Rüstungsindustrie, darunter Großunternehmen wie AEG, das Reichsbahn-Ausbesserungswerk oder die Batteriefabrik Pertrix, Hauptprofiteur der Zwangsarbeit war, reichte die Ausbeutung weit über diesen Sektor hinaus. Auch die Bäckerei um die Ecke, Handwerksbetriebe, Gärtnereien, Kirchen und sogar Privathaushalte profitierten von der Zwangsarbeit. Das Dokumentationszentrum erinnert an das „lange vergessene Schicksal Millionen von Männern, Frauen und Kindern“, die während des Zweiten Weltkriegs für das NS-Regime Zwangsarbeit leisten mussten.

Besucher des Dokumentationszentrums können sich umfassend über die Geschichte der NS-Zwangsarbeit informieren. Das Zentrum bietet dazu verschiedene Dauerausstellungen, wie zum Beispiel die Ausstellung „Alltag Zwangsarbeit“. Eine weitere wichtige Dauerausstellung, „Zwischen allen Stühlen“, widmet sich der spezifischen Geschichte der italienischen Militärinternierten.

Neben den Ausstellungen gibt es ein breites Angebot an Bildungs- und Vermittlungsmöglichkeiten. Dazu gehören:
• Führungen
• Workshops
• Seminare
• Möglichkeiten zur Beteiligung an internationalen Jugend- oder Erwachsenenbegegnungen

Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit lädt alle Interessierten ein, diesen wichtigen Ort zu besuchen und sich mit der Geschichte der Zwangsarbeit und ihren Opfern auseinanderzusetzen.

Die Katastrophe von Langenweddingen: Eine Fahrt ins Ferienlager wird zum Inferno

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Der 6. Juli 1967 sollte ein Tag der Freude sein. In der damaligen DDR hatten die Sommerferien gerade begonnen, und die ersten Ferienzüge rollten in den Harz. Für viele Kinder, darunter die Schwestern Jutta (12), Christine (13) und Evelyn Hamann (10) aus Möser im Bezirk Magdeburg, ging es ins Ferienlager. Es war eine Zeit voller Vorfreude auf Vergnügen im Freibad, lange Nachtwanderungen und vielleicht die erste große Liebe – Spaß ohne Eltern, eine Fahrt ins Kinderglück. Doch diese Reise sollte für viele zu einer Reise ohne Wiederkehr werden.

Die Schwestern Hamann waren im ersten Waggon untergebracht, der voller Kinder war. Christines Wunsch, lieber schon als Erzieherin mitgefahren zu sein, da sie bereits 13 Jahre alt war, zeigte die unbeschwerte Stimmung kurz vor der Katastrophe. Die Fahrt bis zum Bahnübergang Langenweddingen sollte etwa zwanzig Minuten dauern, wobei die Bahnstrecke die stark befahrene Fernverkehrsstraße Magdeburg-Halberstadt kreuzt.

Ein bekanntes Problem wird zur Todesfalle
Das Unglück ereignete sich gegen 8 Uhr morgens am Bahnübergang Langenweddingen. Das Problem: Die Schranke verhakte sich immer wieder mit einem Postkabel, das über den Bahnübergang gespannt war, besonders bei Hitze. An diesem Tag war es heiß, und das Problem war den Verantwortlichen bekannt.

Kurz vor 7:52 Uhr hatte der Fahrdienstleiter die Meldung erhalten, dass der Ferienzug Dodendorf durchfahren hatte und gab die Strecke frei, was bedeutete: Schranke zu. Doch die Schranke blieb in den Kabeln hängen. Währenddessen näherte sich dem Bahnübergang ein Lastwagen mit zwei Tanklastern, die 15.000 Liter leichtes Benzin geladen hatten. Der Fahrdienstleiter konnte einen LKW-Fahrer per Signalfarbe stoppen, doch den Tanklaster übersah er.

Die fatale Kollision und das Inferno
Eine Minute vor der Schranke gab der Fahrer des Tankwagens Gas. Nichts konnte den Zug jetzt noch aufhalten. Die Kinder im Zug hatten Spaß, hörten noch ihre Lieblingslieder. Dann kam ein „herrischer Knall“. Die Fensterscheiben zersplitterten, und eine schreckliche Stimmung breitete sich im Zug aus.

Der Tanklaster wurde vom Zug mitgerissen, es gab eine Explosion, und 15.000 Liter leichtes Benzin ergossen sich über die Doppelstockwagen. Zeugen sahen Flammen und Rauch aufsteigen. Im Inneren des Zuges stiegen die Temperaturen bis auf 800 Grad Celsius. Benzin hatte sich durch geborstene und geöffnete Scheiben über alle Sitzbänke ergossen. Für viele gab es kein Entrinnen; einzelne Abteiltüren waren womöglich sogar verschlossen.

Juttas Kampf ums Überleben und die selbstlose Hilfe
Jutta Hamann erlitt schwere Brandverletzungen. Ihre erste Sorge galt ihren Schwestern. Sie wollte zurück in den Zug, um sie zu holen, doch der Lagerleiter hielt sie zurück und versicherte, er würde nach ihnen sehen. Jutta wurde widerwillig auf einen LKW gebracht und ins Krankenhaus gefahren. Dort erfuhr sie, dass sie zu 70 Prozent verbrannt war. Ärzte und Eltern verschwiegen ihr, dass ihre Schwestern das Unglück nicht überlebt hatten – sie sollte leben.

Jutta wurde zur Behandlung in die Medizinische Akademie nach Magdeburg gebracht, wo ein langer Kampf zurück ins Leben begann. Eine junge Medizinstudentin namens Kristel Glaß wuchs in diesen schweren Stunden über sich hinaus und stand Jutta zur Seite. Die Behandlung, insbesondere der tägliche Verbandswechsel, bei dem abgestorbene Haut entfernt werden musste, war trotz Betäubungsmittel eine Qual und Juttas größte Angst. Kristel versuchte, Jutta abzulenken und zu trösten, schenkte ihr sogar eine sprechende Puppe.

Die Eltern versuchten, ihrem Kind Kraft zu geben, was nicht immer leicht war angesichts der schweren Verletzungen. Juttas Vater fiel beim Anblick ihrer Verbrennungen sogar in Ohnmacht. Ihre Mutter verbot ihr das Sprechen. Jutta fragte immer wieder nach ihren Schwestern, doch man sagte ihr, sie seien auf der Toilette oder hätten das Krankenhaus verlassen.

Die tragische Bilanz und die bleibende Erinnerung
Das Inferno von Langenweddingen war nach mehreren Stunden vorbei. Noch am selben Tag begannen die Aufräumarbeiten, und bereits am nächsten Tag wurde die Strecke für den Zugverkehr wieder freigegeben. Doch es war die schwerste Zugkatastrophe der DDR.

Rund 200 erwachsene Reisende und viele Kinder waren im Zug. Die Feuerwehren aus Langenweddingen und andere Helfer des Deutschen Roten Kreuzes kämpften selbstlos um jedes Menschenleben. Löschwasser musste aus dem Dorfsee herangeleitet werden, was die Löscharbeiten verzögerte. Viele der Betroffenen kamen mit rußgeschwärzten Gesichtern und Kleidung, verbrannt und entstellt, aus dem Zug. Für viele gab es jedoch keine Rettung mehr.

Insgesamt forderte die Katastrophe 96 Todesopfer. Für Juttas Schwestern war es die letzte Fahrt. Erst ein halbes Jahr später erfuhr Jutta die Wahrheit über den Tod ihrer Schwestern. Sie war wütend auf ihre Eltern, die doch nur ihr Bestes wollten, hat ihnen aber längst verziehen.

Kristel Glaß, die junge Medizinstudentin, begann einen Monat nach dem Unglück ihre Facharztausbildung. Sie legte für Jutta ein Sparbuch an und sammelte bei ihren Kommilitonen Spenden, insgesamt 5.000 Mark, die Jutta mit 18 Jahren erhielt. Viele Jahre später trafen sich Jutta und Kristel als Kinderärztin und Patientin wieder. Aus der größten Notstunde entstand eine lebenslange Freundschaft.

Auch wenn Züge noch immer zu den sichersten Verkehrsmitteln gehören, bleibt die Erinnerung an das Zugunglück von Langenweddingen ein schmerzhaftes Kapitel der Geschichte.

Leipzigs dunkles Erbe: Wie 75.000 Zwangsarbeiter die Rüstungsproduktion antrieben

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Leipzig war während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs ein bedeutender Rüstungsstandort. In dieser Periode waren hier mehr als 200 große und kleine Betriebe ansässig, die Rüstungsgüter, insbesondere Flugzeuge, produzierten. Die Kehrseite dieses industriellen Zentrums ist eine düstere, oft übersehene Realität: Mindestens 75.000 Menschen wurden nach Leipzig gebracht, um Zwangsarbeit zu leisten. Die Verbrechen der Zwangsarbeit fanden direkt vor der eigenen Haustür statt, doch ihre Spuren sind heute nur noch schwer sichtbar, viele Orte sind überbaut und nichts mehr existent.

Um diese „Gras über die Sache wachsen lassen“-Mentalität zu durchbrechen und die Erinnerung wachzuhalten, wurde im Jahr 2001 die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig eröffnet. Diese Gründung erfolgte auf Druck von Überlebenden, durch Spenden von UFZ-Mitarbeiterinnen und kommunalen Betrieben sowie mit dem Willen des Stadtrats. Sie ist die einzige Einrichtung in Sachsen, die sich speziell mit dem Thema Zwangsarbeit beschäftigt. Getragen wird die Gedenkstätte vom Verein „Erinnern an den Zwangsarbeitsverbrechen in Leipzig e.V.“.
Die Gedenkstätte befindet sich auf dem ehemaligen Firmengelände der Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG), dem seinerzeit größten Rüstungsbetrieb in Sachsen. Das ehemalige Verwaltungsgebäude der HASAG ist das letzte noch stehende Gebäude auf diesem Gelände und ein zentraler Punkt der angebotenen Führungen.

Die Arbeit der Gedenkstätte basiert auf mehreren wichtigen Säulen:
• Die Klärung von Schicksalen sowie die Erteilung von Auskünften an Angehörige und Nachfahren.
• Ein großer Bestandteil ist die Bildungsarbeit und Vermittlung, um das Thema einem breiten Publikum näherzubringen.
• Das Erinnern und Gedenken, was auch die Durchführung von Gedenkveranstaltungen einschließt.
• Die Gedenkstätte bringt ihre Expertise in die Stadtpolitik ein und vertritt die Interessen der Nachfahren, um das Thema stets präsent zu halten.

Um ihre Ziele zu erreichen, bietet die Gedenkstätte ein vielfältiges Programm an:
• Kostenlose, öffentliche Führungen über das ehemalige Gelände, für die keine vorherige Anmeldung nötig ist.
• Stadtteilrundgänge, um die dezentrale Natur der Zwangsarbeit zu verdeutlichen.
• Zeitzeugengespräche, um die persönlichen Geschichten der Betroffenen hörbar zu machen.
• Workshops und Bildungsprogramme für verschiedene Zielgruppen, insbesondere Schulklassen.
• Abendveranstaltungen zu spezifischen Themen.

Trotz ihrer wichtigen Rolle steht die Gedenkstätte für Zwangsarbeit vor großen Herausforderungen. Der Druck auf die Einrichtung und ihre Mitarbeiterinnen wächst, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Situation. Die Gedenkstätte ist vom Landeshaushalt abhängig, und es gibt Bedenken hinsichtlich potenzieller Kürzungen im Kulturbereich, die sie direkt betreffen würden.

Ein weiteres drängendes Anliegen ist der Mangel an räumlicher Kapazität. Die Gedenkstätte sitzt derzeit auf nur 50 Quadratmetern, was es ihr erschwert, einen Bruchteil der verfügbaren Geschichten zu erzählen und ganztägig mit Schulklassen zu arbeiten. Daher wird aktiv nach einem neuen Standort gesucht, der ebenfalls einen Bezug zur NS-Zwangsarbeit hat, aber zentraler gelegen ist und mehr Platz bietet.

Der dringende Wunsch der Gedenkstätte für die Erinnerungsarbeit ist eine nachhaltige Finanzierung und Stärkung des Sektors. Es wird gehofft, dass Gedenkstätten in einen Zustand versetzt werden können, in dem sie ihre Arbeit strukturell ausführen können, ohne sich jedes Jahr um die Finanzierung ihrer Angestellten sorgen zu müssen. Ziel ist es, dass die Aufarbeitung der NS-Geschichte in Leipzig dadurch viel mehr Aufmerksamkeit in der Stadt bekommt.

Wer sich engagieren oder informieren möchte, kann an den kostenlosen öffentlichen Führungen teilnehmen oder die Webseite der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig oder der SLAG besuchen, um sich über das Thema zu informieren oder auf einer digitalen Karte nach Orten der Zwangsarbeit in der eigenen Umgebung zu suchen.

Ikarus 250 und Setra S 215 HD: Als Ost und West auf der Straße ein neues Zeitalter einläuteten

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In den 1970er und 1980er Jahren erlebten zwei Busmodelle ihre Hoch-Zeit und prägten den Reiseverkehr auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs maßgeblich: der ungarische Ikarus 250 und der deutsche Setra S 215 HD. Obwohl sie auf den ersten Blick ein „ungleiches Paar“ schienen, waren sie „Geschwister im Herzen“, die jeweils eine neue Ära im Omnibusbau einläuteten. Ein im Juni 2019 gedrehter Film, in dem ein Ikarus 250 des Oldtimer Bus Verein Berlin (OBVB) und ein Setra S 215 HD aus der Fahrzeugsammlung von Daimler Buses direkt verglichen wurden, beleuchtet ihre Besonderheiten und gemeinsamen Fortschritte.

Der Ikarus 250: Das „Hammerwerk“ des Ostens
Der Ikarus 250 zeichnete sich durch sein sehr klares, kantiges und modernes Design aus, das in Osteuropa und der DDR eine neue Omnibus-Ära begründete. Er galt als der „größte Omnibushersteller der Welt überhaupt“, der jährlich über 25.000 Busse und insgesamt mehr als 200.000 Einheiten der 200er-Baureihe produzierte. Ikarus war der einzige Omnibushersteller für den gesamten Ostblock und lieferte Busse sogar nach Kuba und bis nach Los Angeles in die Vereinigten Staaten.

Technisch war der Ikarus 250 für seine Verhältnisse ein „Quantensprung“. Er verfügte über eine „russische Klimaanlage“, die sich durch Dachluken und Querstrommotoren auszeichnete, welche Außenluft in den Fahrgastraum brachten. Diese Belüftung wurde von heutigen Fahrgästen oft als besser empfunden als eine punktuell wirkende Klimaanlage, da sie das ganze Auto „komplett“ belüftete. Für den Ganzjahresbetrieb besaß der Ikarus eine Thermalheizung, die mit Diesel lief und das gesamte Wasser im Bus sowie den Motor vorheizen konnte, um diesen bei 80°C zu starten. Das Fahrzeug war mit zwei Tanks ausgestattet, die zusammen 500 Liter Kraftstoff fassten.

Ein besonderes Merkmal des Ikarus 250 war seine vier Batterien umfassende Stromversorgung, wovon ein zweiter Batteriesatz für einen 220-Volt-Umwandler vorgesehen war, um Geräte wie Kühlschrank oder Kaffeemaschine unabhängig vom Starterstrom betreiben zu können. Obwohl dieses spezifische Fahrzeug keine Toilette oder Küche hatte, konnten solche Ausstattungen vom Kunden bestellt werden. Das Fahrzeug wurde von einem ungarischen Raber Lizenzmotor angetrieben, da Mercedes die hohe Stückzahl an benötigten Motoren nicht liefern konnte. Trotz seiner vorderen Starrachse und Trommelbremsen rundum, zeigte der Ikarus im Fahrbetrieb ein „super“ Verhalten, war innen „wesentlich angenehmer“ als Vorgängermodelle und verhielt sich selbst auf der Kreisbahn ohne Assistenzsysteme „spektakulär gut“.

Der Setra S 215 HD: Der Pionier der selbsttragenden Karosserie
Der Setra S 215 HD repräsentierte die Innovationskraft des westdeutschen Busbaus. Der Name „Setra“ steht für „selbsttragende Karosse“, ein Konzept, das Kässbohrer bereits Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre (1951) als „Quantensprung weltweit“ einführte. Diese Integralbauweise machte das Unternehmen unabhängig von externen Chassis-Zulieferern wie Hanomag, Opel oder Mercedes. Der Ikarus übernahm dieses revolutionäre Bauprinzip drei Jahre später für seine 250er-Baureihe und wurde dadurch „genauso geschmeidig in Kurven“ wie der Setra.
Der Setra S 215 HD (Teil der Baureihe 200) führte ein völlig neues Heizungs- und Lüftungssystem ein, die sogenannte Querstrombelüftung, bei der die Fahrgäste quasi mit Luft „geduscht“ wurden. Er war zudem der erste Reisebus weltweit, dessen Fenster verklebt waren, was anfangs für Irritationen sorgte, da Passagiere es gewohnt waren, Fenster zu öffnen.

In puncto Fahrwerk setzte der Setra auf moderne Standards: Beide Busse waren luftgefedert. Der Setra verfügte über eine Einzelradaufhängung vorne, die bereits bei der Baureihe 100 eingeführt wurde und seither bei Setra Serie war. Er war mit Scheibenbremsen vorne und Trommelbremsen hinten ausgestattet und besaß zusätzlich eine verschleißfreie Wirbelstrombremse von Telma sowie eine Motorbremse, die durch leichtes Antippen des Bremspedals aktiviert wurde. Angetrieben wurde der Setra von einem 10-Zylinder-V8-Motor von Mercedes mit 320 PS und 16 Litern Hubraum, der einen „sehr gewaltigen Eindruck“ machte. Das Fahrverhalten wurde als „super“ beschrieben, mit einer „butterweichen“ 6-Gang-Schaltung.

Begegnungen auf der Straße: Ost trifft West
Trotz der ideologischen Trennung gab es zwischen den Fahrern aus Ost und West auf den Parkplätzen der Reiserouten Begegnungen. Man traf sich, tauschte sich aus und bot sich gegenseitig eine kalte Cola an. Westdeutsche Fahrer waren sich der enormen Größe des Ikarus-Werks bewusst, das damals weit mehr Busse produzierte als Setra in Ulm.

Ein direkter Bremsentest im ADAC Fahrsicherheitszentrum Linte zeigte die damaligen Grenzen auf. Während der Ikarus 250 Schwierigkeiten hatte, 80 km/h zu erreichen (er schaffte nur 76 km/h), erreichte der Setra S 215 HD die 80 km/h, benötigte aber für eine Vollbremsung immer noch 42,9 Meter – rund 10 Meter mehr als moderne Reisebusse.

Im Komfort für Fahrgäste bot der Setra Vorteile durch eine angenehmere Geräuschdämmung, Stoffboden und einen ruhigeren Motorlauf, was ihn auf langen Fahrten „etwas angenehmer“ machte. Die Sitze beider Busse waren verstellbar, wobei die Ikarus-Sitze als „etwas hart“ empfunden wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl der Ikarus 250 als auch der Setra S 215 HD in ihrer jeweiligen Zeit wegweisende Fahrzeuge waren, die Komfort, Technik und Design im Busbau maßgeblich voranbrachten. Sie stehen als Symbole einer Ära, in der Mobilität und Fortschritt in Ost und West auf unterschiedlichen, doch letztlich ähnlichen Wegen vorangetrieben wurden.

Die Berliner Mauer: Fünf Mythen im Faktencheck

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Berlin, Deutschland – Die Berliner Mauer, die 28 Jahre lang die Stadt teilte, ist das prägnanteste Symbol des Kalten Krieges und der deutschen Teilung. Doch über ihre Entstehung und Auswirkungen kursieren viele Annahmen, die einem genauen Faktencheck nicht standhalten. Eine aktuelle Analyse räumt mit gängigen Mythen auf und beleuchtet die komplexen Hintergründe dieses historischen Bauwerks.

Mythos 1: Berlin war schon vor dem Mauerbau eine geteilte Stadt. Falsch! Obwohl die innerdeutsche Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR bereits 1961 existierte und weitgehend geschlossen war, genoss Berlin einen Sonderstatus und blieb jahrelang weitestgehend offen. Die Stadt war in Besatzungszonen der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs aufgeteilt: Die Sowjets besetzten Ost-Berlin, während die Franzosen, Amerikaner und Engländer in West-Berlin residierten. Trotz unterschiedlicher politischer Systeme und Währungen blieb die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin offen, worauf sich die Alliierten geeinigt hatten. Schätzungsweise eine halbe Million Berliner überquerten täglich die Grenze, um zu arbeiten, einzukaufen oder Freunde und Familie zu besuchen. Dies ermöglichte es auch vielen Flüchtlingen, das „Schlupfloch“ Berlin zu nutzen, um sich in die Bundesrepublik abzusetzen – etwa zwei Drittel der fast drei Millionen Flüchtlinge bis 1961 entkamen auf diesem Weg.

Mythos 2: Niemand wusste vom Mauerbau. Stimmt nicht ganz! Der Westen erhielt tatsächlich Warnungen. Die Planung des Mauerbaus, unter dem Decknamen „Rose“, sollte unter strengster Geheimhaltung erfolgen. Dennoch verfasste der westdeutsche Bundesnachrichtendienst (BND) bereits zwei Tage vor dem Mauerbau ein geheimes Fernschreiben mit dem Betreff „Schließung der Sektorengrenzen“, um den nicht mehr kontrollierbaren Flüchtlingsstrom zu unterbinden. Diese Information stammte telefonisch von einer Quelle in Ost-Berlin, wurde jedoch nicht ernst genommen. Auch die amerikanischen Geheimdienste waren im Bilde; sie fingen am 9. August 1961 eine Nachricht der Staatspartei SED ab, die Pläne zur Sperrung von Grenzübergängen für Fußgänger in Berlin enthielt. Diese Warnung wurde jedoch ihrem Präsidenten nicht weitergeleitet. Es hätte wahrscheinlich auch nicht viel geändert, da US-Präsident Kennedy und Chruschtschow im Juni 1961 bereits die Interessensphären zwischen den Großmächten abgesteckt hatten. Die USA begrüßten die Grenzschließung nicht, waren aber bereit, sie hinzunehmen, um eine Zuspitzung des Kalten Krieges zu verhindern und da jede Besatzungsmacht in ihrer Zone autonom war.

Mythos 3: Die Mauer wurde nur wegen der steigenden Flüchtlingszahlen gebaut. Stimmt, aber nicht nur! Die offene Stadt brachte der DDR erhebliche Nachteile, die von der Führung propagandistisch übertrieben wurden. West-Berlin mit seiner offenen Grenze kostete die DDR über 30 Milliarden Mark, zuzüglich nicht bezifferbarer Verluste.

• Grenzgänger: Ein Hauptärgernis waren die „Grenzgänger“ – 63.000 Ost-Berliner, die im Westen arbeiteten, und 12.000, die täglich nach Ost-Berlin pendelten. Das Problem war, dass Westgeld viermal so viel wert war wie Ostgeld, was zu Neid führte. Die DDR reagierte mit einer Kampagne gegen Grenzgänger.
• Westliche Kultur und Konsum: Das westliche Kulturangebot war der SED ein Dorn im Auge. Ost-Berliner besuchten gerne westliche Kinos, deren Eintrittspreise von der Bundesregierung subventioniert wurden. Dies ermöglichte es ihnen, für zwei Ostmark Filme wie John Wayne im Westen anzusehen. Auch das Einführen westlicher Druckerzeugnisse, Schallplatten und elektronischer Geräte in den Osten war verboten.
• Wirtschaftlicher Schaden: Viele West-Berliner kauften im Osten der Stadt ein, da Lebensmittel und Konsumgüter in der DDR subventioniert waren. Wer West-Mark auf dem Schwarzmarkt tauschte, konnte sich in Ost-Berlin günstig eindecken, was die DDR als „Egoismus, Gewinnsucht, Eigennutz auf Kosten anderer“ anprangerte.
• Fluchtwelle: Der größte Schmerzpunkt war der Verlust der Menschen. Allein im Juli 1961 flohen über 30.000 Menschen, mit stark steigender Tendenz; kurz vor dem 13. August nahmen die Fluchtbewegungen „hysterische Ausmaße“ an. Die DDR sah sich gezwungen zu reagieren.

Mythos 4: Die Mauer wurde über Nacht gebaut. Falsch! Die Mauer entstand über einen längeren Zeitraum hinweg. Zunächst plante die DDR die Abriegelung am 13. August 1961 mit provisorischen Mitteln. Es wurden Tonnen von Stacheldraht, Bindedraht, Holz und Betonsäulen benötigt, um die Grenze schnell dicht zu machen und die Reaktion des Westens abzuwarten. Materialansammlungen blieben im Verborgenen.

Die Mauer wurde Tag für Tag weiter ausgebaut. Was als provisorische Absperrung mit Stacheldraht und einigen Grenzern begann, entwickelte sich schrittweise weiter: Ein Holzzaun wurde errichtet, dann abgerissen und durch einen doppelten Stacheldrahtzaun ersetzt, hinzu kamen grelle Lampen. Die erste provisorische Steinmauer stand erst Tage später und wurde permanent umgebaut, erweitert und perfektioniert. Allein bis 1970 summierten sich die Kosten in Berlin auf 100 Millionen DDR-Mark. Ihr endgültiges Gesicht mit Grenzstreifen und Wachtürmen erhielt die Mauer erst ab Mitte der 1970er Jahre. Eine geplante „Hightech-Mauer 2000“ kam ein Jahr vor dem Mauerfall nicht mehr zum Einsatz.

Mythos 5: Nach dem 13. August kam keiner mehr rüber. Falsch! Allein bis zum Nachmittag des 13. August flohen noch Hunderte in den Westen. Besonders dramatisch war die Situation an der Bernauer Straße, wo die Häuser zum Osten, der Bürgersteig davor aber zum Westen gehörten. Die Fenster dieser Häuser, die zum Westen zeigten, mussten zugemauert werden, was Tage dauerte. Während die Grenzer anrückten, flohen einige Bewohner noch durch die Fenster. So versuchte eine 77-jährige Rentnerin in der Bernauer Straße 29 aus dem ersten Stock zu springen, wo die Feuerwehr ein Sprungtuch gespannt hatte.

Auch andere Teile der Grenze waren in den ersten Tagen noch „undicht“. Viele Menschen flohen durch Schlupflöcher im Stacheldrahtzaun, wie Manfred Roseneit, der damals Anfang 20 war und durch einen hochgebogenen Drahtzaun kriechen konnte, um in West-Berlin in Freiheit zu gelangen, während seine Familie im Osten zurückblieb. Dieses Schicksal teilten Tausende. Bis zum Mauerfall 1989 gelang noch mehr als 5.000 Menschen die Flucht über die Berliner Mauer, wobei 140 ihr Leben verloren.

Die Geschichte der Berliner Mauer ist somit weit komplexer als oft angenommen. Sie war nicht nur ein plötzliches Ereignis, sondern das Ergebnis jahrelanger Spannungen, wirtschaftlicher Probleme und dem verzweifelten Versuch der DDR, ihre Bevölkerung am Verlassen des Landes zu hindern. Ihre Errichtung und Entwicklung zeigen eine schrittweise Perfektionierung eines Kontrollsystems, das trotz seiner scheinbaren Undurchdringlichkeit für Tausende von Menschen überwindbar blieb, wenn auch unter höchstem Risiko.

Schwenk Zement Bernburg: Eine Vision schafft „Aufschwung Ost“

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Bernburg, Januar 1990 – In einer Zeit, die von Unsicherheit und dem Abschied von alten Strukturen geprägt war, bot sich im ostdeutschen Bernburg eine einzigartige Chance für Pioniergeist und das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland. Das Zementwerk Bernburg, eines von vier ehemaligen volkseigenen Zementwerken (neben Rüdersdorf, Beuna und Karsdorf), die von der Treuhand zum Verkauf angeboten wurden, sollte zum Mittelpunkt einer gewaltigen Unternehmensstrategie werden.

Die alten Werke, teils um die Jahrhundertwende entstanden, teils um 1960 erbaut und „restlos veraltet“, stellten eine Herausforderung dar. Für Dr. Eberhard Schleicher, den Seniorchef des Hauses Schwenk, war die Begegnung mit dem Zementwerk Bernburg jedoch mehr als nur eine Herausforderung – sie war „eine Provokation und eine Vision zugleich“. Seine Überzeugung: „Auf diesem Platz muss ein neues Werk mit modernster Technik entstehen“.

Diese Vision mündete in eine gewaltige Investition, die die Zukunft einer ganzen Region bestimmen sollte. Eine entscheidende Strategie war dabei, die Baustoffe für das neue Werk direkt in der alten Zementfabrik Bernburg zu produzieren. Begünstigt wurde diese Entscheidung durch die reichen Vorkommen der Basisrohstoffe für Zement – Kalkstein und Tonerde – in unmittelbarer Nähe. Mit dieser Strategie wurde ein wichtiger Beitrag zum „Aufschwung Ost“ geleistet.

Der Übergang vom Alten zum Neuen erforderte auch einen Abschied. Während die alten Öfen ausgedient hatten und demontiert wurden, verringerte sich die Belegschaft zunächst auf ein Fünftel. Doch Schwenk Zement gestaltete diesen Personalabbau sozialverträglich: Eine Vielzahl von Firmen, die auf der neuen Großbaustelle tätig wurden, waren verpflichtet, ihren Personalbedarf überwiegend aus freigesetzten Zementwerkern zu decken.

Was einst wie ein Labyrinth aus veralteten Anlagen erschien, hat sich zu einem hochmodernen Industriekomplex entwickelt. Türme und Silos stehen heute vor der Vollendung. Die gewaltigen Bauelemente des Bernburger Werkes wurden aus dem Stoff hergestellt, den das fertige Werk in Zukunft selbst produzieren sollte: Zement. Mit modernster Technik werden Materialproben analysiert, und diese Produktionskontrolle garantiert „höchste Qualitätsansprüche“ als Endergebnis.

Die Vision von Dr. Eberhard Schleicher ist Wirklichkeit geworden. Das neue Zementwerk Bernburg markiert ein neues Kapitel in der Firmen- und Familiengeschichte von Schwenk, in der es „immer darauf ankam, was man daraus machte“. Es steht als leuchtendes Beispiel für gelungene Transformation und nachhaltige Investition im Rahmen des ostdeutschen Aufschwungs.

Archäologen legen Zwangsarbeiterlager der Henschel-Flugzeugwerke frei

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Schönefeld, Brandenburg – Jahrzehntelang lag die Vergangenheit unter einer Decke des Vergessens, verborgen durch Grenzanlagen und ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis der DDR-Führung. Doch nun, 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, fördert die jüngste Disziplin archäologischer Forschung in Schönefeld Zeugnisse eines brutalen und menschenverachtenden Zwangssystems zutage: die Überreste der ehemaligen Zwangsarbeiterlager der Henschel-Flugzeugwerke.

Auf dem weitläufigen Gelände zwischen Diepensee, dem heutigen Flughafen Schönefeld und der Waltersdorfer Chaussee, entstand ab 1934 das damals modernste Flugzeugwerk der Welt. In zwei modernen Produktionshallen fertigten 16.000 Menschen Sturzkampf- und Langstreckenbomber für Hitler-Deutschland. Eine streng geheime Lufterprobungsstelle in Diepensee testete zudem Vorläufer späterer Marschflugkörper. Zur Aufrechterhaltung dieser Rüstungsindustrie wurden bis 1943 allein in Schönefeld sieben Lager für zahllose Zwangsarbeiter errichtet, deren genaue Standorte bisher nur lückenhaft bekannt waren.

Ein Raum des Vergessens wird zurückgewonnen Die Bauarbeiten für die Grenzanlagen der DDR zu Westberlin und zum hermetisch abgeriegelten Flughafen Schönefeld zerstörten nach dem Krieg wichtige Zeugnisse aus der NS-Zeit. Oberirdisch ist von den Lagern nichts mehr erhalten geblieben. Erst durch den Oberbodenabtrag können Archäologen nun die Reste des ehemaligen Lagers 5 freilegen. Dieses Lager, eines der größten, beherbergte schätzungsweise 3.600 bis 5.000 Menschen und umfasste 81 Baracken. Auf dem Areal befanden sich zudem Luftschutzbunker, eine Leichenhalle, Kantinen und Sanitärgebäude.

Die freigelegten Betonteile liefern ein wichtiges Datum: den 1. März 1943, die Hochzeit des von Hitler-Deutschland entfesselten Weltkrieges. Genau hier wurden die Angriffswaffen für diesen Krieg gebaut.

Archäologische Befunde erzählen Geschichten Die Archäologen um Christoph Kunz haben erste konkrete Spuren gefunden, die Hinweise auf die ausgebeuteten Männer und Frauen aus ganz Europa geben, die an diesen Ort verschleppt wurden. Zu den Fundstücken, die das Lagerleben dokumentieren, gehören unter anderem:

• Stacheldraht, der die Umfriedung und Einzäunung des Geländes belegt.
• Diverse Barackenbestandteile, wie ein Blitzableiter.
• Ein Schild von einer Baracke mit kyrillischer Aufschrift „für Frauen“, was darauf hindeutet, dass es sich um eine Frauenbaracke handelte.
• Mehrere Zeltringe, die darauf schließen lassen, dass Kriegsgefangene und andere Gefangene auch in Zelten untergebracht waren. Dies war oft provisorisch notwendig, nachdem Baracken durch Bombardierungen – insbesondere durch Stabbrandbomben, die mit Phosphor gefüllt waren – abgebrannt waren.

Die Baracken selbst besaßen keine Betonfundamente, sondern wurden in einer Pfostenbauweise errichtet. Typische Befunde sind Pfostengruben und Pfostenstandspuren. Die Archäologen finden verkohlte Pfosten, die deutlich zeigen, dass die Gebäude abgebrannt sind. Im kalten Winter nach dem Krieg, als es an Baumaterial mangelte, wurden die abgebrannten Baracken komplett abgerissen.

Licht ins Dunkel bringen Obwohl es viele schriftliche Aufzeichnungen, Fotos und Filme aus dieser Zeit gibt, bleiben viele Fragen ungeklärt. Die archäologischen Grabungen können hier „Licht ins Dunkel bringen“ und fehlende Puzzleteile zur Geschichte der Zwangsarbeit und der NS-Rüstungsindustrie liefern. Die Archäologie des 21. Jahrhunderts hat bereits viele Erinnerungslücken geschlossen, und angesichts schwindender Zeitzeugen wird dieser gesellschaftliche Aspekt immer bedeutsamer. Die Funde in Schönefeld sind ein weiteres Zeugnis dafür, was alles möglich ist, um die Vergangenheit sichtbar zu machen und an die Opfer eines dunklen Kapitels der Geschichte zu erinnern.

Scharfe Kritik im Landtag: Professor Homburg bemängelt „Überreaktion“ der Corona-Politik

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In einer Anhörung im Landtag hat Professor Stefan Homburg von der Leibnitz Universität Hannover eine grundlegende Kritik an der deutschen Corona-Politik geäußert. Der Experte, der seit über 30 Jahren als Sachverständiger für Bundestag und Landtage tätig ist, vertritt die Kernthese, dass in der Coronakrise „zu viel“ getan wurde. Seiner Meinung nach lag die Ursache des Fehlers darin, dass klinische Messwerte über drei Jahre hinweg in der politischen Diskussion ignoriert wurden. Stattdessen habe sich die Politik an Labordaten, wie PCR-Werten, und an Computersimulationen orientiert, anstatt an tatsächlichen Messwerten, was zu einer Überreaktion führte.

Homburg untermauert seine These mit vier zentralen Belegen:

• Belegung der Intensivbetten: Daten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zeigen, dass die Intensivstationen in Deutschland von 2021 bis 2025 stets zu etwa 85% belegt waren, was den Empfehlungen entspricht. Auffällig sei eine Unterbelegung im Jahr 2020, als Operationen politisch untersagt wurden, was viele Kliniken in Not brachte und ein milliardenschweres Subventionsprogramm erforderte. Homburg hebt hervor, dass die oft gezeigte „dramatische“ gepunktete Linie der PCR-positiven Patienten, die sowohl an Covid Erkrankte als auch z.B. Unfallopfer umfasste, nie mit der klinisch relevanten Linie der tatsächlichen Intensivbelegung verglichen wurde, die stabil verlief.

• Sterblichkeitsentwicklung: Die Grafik der wöchentlichen Todesfälle in Deutschland seit 2008 zeigt ein auffälliges Wellenmuster mit mehr Todesfällen im Winter. Homburg betont, dass die von der WHO definierte Pandemiezone (orange markiert) visuell nichts Besonderes darstellt, wenn man die Farbe wegließe. Eine höhere Sterblichkeit gab es Ende 2022 und insbesondere im März 2018 während einer starken Grippewelle, die die Sterblichkeit Ende 2020 (Coronawelle) übertraf.

• Zulassungsstudie von Pfizer: Homburg kritisiert die Fehlinterpretation der Ergebnisse dieser riesigen Studie mit 43.000 Patienten. Er legt dar, dass der Impfstoff zwar signifikant vor einem positiven PCR-Test plus Erkältungssymptom schützte (die oft zitierten 90-95%). Jedoch wurde ein Schutz vor Übertragung überhaupt nicht getestet. Homburg betont dies als besonders erwähnenswert, da Maßnahmen wie 2G/3G, einrichtungsbezogene Impfpflicht und die knapp gescheiterte allgemeine Impfpflicht ausschließlich auf der Behauptung basierten, der Impfstoff biete Schutz vor Übertragung, was nie bewiesen wurde. Der Schutz vor schwerer Erkrankung war in der Studie nicht signifikant, und es gab in der Impfgruppe mehr Tote als in der Kontrollgruppe sowie gehäuft Myokarditis-Nebenwirkungen. Das Experiment sei im Grunde gescheitert, doch die Politik habe eine Notzulassung erteilt, den Hersteller von der Haftung ausgeschlossen und die Studie entblindet, was sie de facto zerstört habe.

• Wirksamkeit der Maßnahmen im internationalen Vergleich: Unter Bezugnahme auf eine WHO-Studie, die in Nature veröffentlicht wurde, verglich Homburg die Übersterblichkeit in etwa 100 Ländern. Er hob hervor, dass Schweden, wo es nie einen Lockdown, kaum Kitaschließungen, wenig Schulschließungen (nur in oberen Klassen) und keine Maskenpflicht gab, wesentlich besser abschnitt. Dies widerlege die Annahme, Deutschland sei nur wegen der Maßnahmen glimpflich davongekommen.

Wie es besser gemacht werden kann – Homburgs Empfehlungen:

Homburg gab konkrete Ratschläge für die Zukunft, um eine Wiederholung solcher Fehler zu vermeiden:

1. Keine Politik nach Laborwerten: Er zeigte auf, wie winzige PCR-Wellen zu drastischen Maßnahmen wie dem ersten Lockdown oder der Bundesnotbremse führten, während viel höhere Inzidenzen im Sommer 2022 ohne Konsequenzen blieben.

2. Transparenz schaffen: Die Coronakrise sei eine Geschichte von „Löschen, Pimpen und Canceln“ von Daten. Als Beispiel nannte er die Stadt Weimar, die 2021 aufhörte, die Zahl der geimpften Klinikpatienten anzugeben, mit der Begründung, dies „verzerrt die Realität“ und spiele „Coronaleugnern in die Hände“.

3. Keine politische Willkür: Interne RKI-Protokolle, die durch einen Whistleblower bekannt wurden, belegen, dass Risikobewertungen des RKI auf politischen Weisungen beruhten und nicht auf fachlichem Rat. Beispiele sind die politische Ablehnung einer Reduzierung des Risikos im Hochsommer 2020 und im Februar 2022, oder dass das RKI die Beendigung der Pandemie durch den Minister aus der Zeitung erfuhr.

4. Fake News ignorieren: Homburg widerlegte die „Bergamo-Geschichte“ von Lastwagen voller Leichen als Legende, die selbst vom bayerischen Rundfunk widerlegt wurde. Es handelte sich um 13 Särge, die zu einem Krematorium gefahren wurden, da in Italien die Verbrennung unüblich ist und die Kapazitäten in Bergamo damals überlastet waren. Er wies darauf hin, dass die Aussage, eine weltweite Pandemie führe zu vielen Toten in nur einer Stadt, widersprüchlich sei.

5. Pandemieplan beachten: Homburg appellierte an die Abgeordneten, den Nationalen Pandemieplan Teil 1 zu beachten, der medizinisches Wissen aus Jahrzehnten enthält und vom RKI veröffentlicht wurde, aber komplett ignoriert wurde. Begriffe wie Schulschließungen, Ausgangssperren oder Lockdown stünden darin nicht und seien auch nicht medizinisch empfohlen oder in WHO-Leitlinien oder Lehrbüchern zu finden gewesen, sondern von der Politik „oktroyiert“ worden. Er ermutigte Brandenburg, sich zukünftig nicht politisch in Berlin „anklemmen“ zu lassen, sondern auf eigenes Urteilsvermögen zu setzen.

Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen aus Sicht der Krankenhäuser:

Abschließend ging Homburg auf das zentrale Thema der Verhältnismäßigkeit ein und bezog sich dabei auf Ausführungen eines Vorredners:

• Schließung ambulanter Praxen: Diese schlossen aus Angst, befeuert durch das „Schockpapier“ des Bundesinnenministeriums, das von Nichtmedizinern verfasst wurde und z.B. beschrieb, dass Kinder ihre Eltern töten könnten. Dies sei ein erstes Beispiel für Unverhältnismäßigkeit.

• „Freihaltung“ von Betten: Die politische Entscheidung, Operationen monatelang nicht zuzulassen, obwohl keine Patienten kamen, führte zu Problemen in den Kliniken, die durch Milliarden vom Bund abgefedert werden mussten, war aber unverhältnismäßig.

• Kinderbetreuung: Kitaschließungen waren für die Mitarbeiter der Krankenhäuser extrem problematisch und absolut unverhältnismäßig.

• Verlust von Mitarbeitern: Auch die Politik, symptomlos positiv getestete Mitarbeiter vom Dienst auszuschließen, war unverhältnismäßig.
Homburg schloss mit der Feststellung, dass es den Krankenhäusern und indirekt auch den Patienten insgesamt besser gegangen wäre, wenn die Politik verhältnismäßiger reagiert hätte.

Das vergessene Inferno von Dannenwalde: Ein Staatsgeheimnis explodiert

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Dannenwalde, 14. August 1977. Ein warmer, sonniger Sonntagnachmittag. Doch die Ruhe trügt. Gegen 13:30 Uhr zieht ein ungewöhnliches Gewitter aus nordöstlicher Richtung auf. Was dann geschieht, wird zum DDR-Staatsgeheimnis und prägt das Leben vieler Menschen nachhaltig: Das riesige Munitionslager der Sowjetarmee, tief im Wald versteckt, geht in die Luft. Ein einziger Blitzschlag in einen draußen gelagerten Raketenstapel löst die Katastrophe aus.

Hunderte Raketen vom Typ „Katjuscha“ mit leuchtenden Feuerschwänzen schlagen in den umliegenden Orten ein, zerstören Autos, treffen Häuser. Die Raketen fliegen in jede Richtung. Zeugen berichten von einem „Schwefelgeruch“, die Luft war kaum noch zu atmen. In Minutenschnelle ist Dannenwalde menschenleer, Panik ergreift die Bevölkerung, die Hals über Kopf ihre Häuser verlässt.

Die geheime „Muna“ und ihr brisanter Inhalt Das Munitionslager, von Einheimischen „Muna“ genannt, hat eine lange Geschichte. Sie begann 1938 mit dem Bau durch zivile Betriebe für die deutsche Luftwaffe. Nach 1945 wurde das Gelände von der Roten Armee übernommen und zu einem gigantischen Militärkomplex ausgebaut, mit Wohnhäusern, einer Raketentechnik-Basis, einem Chemielager und einem Munitionsdepot. Für DDR-Bürger war es eine absolute Sperrzone.

Brisant ist jedoch ein „Sonderlager“, nur 200 Meter vom Detonationsort entfernt. Hier lagerte die Sowjetarmee wahrscheinlich Kernwaffen. Hinweise darauf fand Dirk Heuschkel, ehemaliger Oberstleutnant der NVA, bei seinen Forschungen: Halterungen für Heliumflaschen, die zum Kühlen von Kernsprengköpfen benötigt werden, sowie zusätzliche Messfühler, die in normalen Bunkern nicht vorhanden sind.

Ignorierte Warnungen und beunruhigende Beobachtungen Schon vor dem Unglück gab es Warnsignale. Der damalige Kommandeur von Dannenwalde äußerte gegenüber einem Jagdbekannten, dass „wenn hier was in Dannenwalde passiert, alles ringsrum kaputt“ sei. Auch Erich Opitz, Stabschef Zivilverteidigung im Kreis Gransee, beobachtete seltsames Verhalten sowjetischer Posten und meldete seine Beobachtungen. Diese gelangten sogar auf den Tisch von Erich Mielke, doch es wurde nichts unternommen – Kritik am Regime der „Waffenbrüder“ wagte niemand.

Chaos und Heldentaten Als die Katastrophe beginnt, sind die ersten, die reagieren, oft einfache Bürger. Ulrich Helm, Fahrdienstleiter am Bahnhof Dannenwalde, sperrt geistesgegenwärtig alle Gleise. Ein Munitionszug, gerade erst ins Lager rangiert, muss schnellstens in Sicherheit gebracht werden. Trotz der sowjetischen Ablehnung von Hilfe, nähert sich Kurt Cruse, Feuerwerker und Eisenbahnspezialist, mit zwei Helfern den voll beladenen Waggons und zieht sie aus dem Gefahrenbereich.

Im Inneren des Lagers kämpfen sowjetische Soldaten einen Himmelfahrtskommando-Einsatz: Mit Räumpanzern schieben sie brennende Raketenstapel auseinander, um die Explosionskette zu stoppen. In einer riskanten Aktion werden sogar mehrere riesige Mittelstreckenraketen mit Sprengköpfen aus der unmittelbaren Gefahrenzone gefahren und Richtung Eichholz transportiert. Gegen 19:45 Uhr verstummen die Explosionen allmählich.

Die verschwiegene Wahrheit der Opfer Die Anzahl der Opfer unter den Soldaten der Roten Armee bleibt bis heute Staatsgeheimnis. Gerüchte kursierten, von 50 über 100 bis zu 300 sowjetischen Soldaten, die ums Leben gekommen sein sollen. Informelle Mitarbeiter der Stasi horchten entsprechende Gerüchte ab. Tatsächlich wurden tote sowjetische Soldaten in Zinksärgen in die Heimat überführt. Eine ungefähre Zahl von etwa 70 toten Soldaten wird angenommen. Die genaue Zahl kennen nur die russischen Militärs, denn die Dannenwalder Ereignisse unterlagen 40 Jahre lang strengster Geheimhaltung.

Nachwirkungen und die Vertuschung Die DDR verschwieg das Ereignis komplett. Keine Zeitung berichtete, kein Fernsehen, kein Rundfunk. Die Stasi öffnete wochenlang Briefe aus den Unglücksorten, führte Listen über „Gerüchteverbreiter“ und vernichtete jeden Brief, der das Explosionsunglück erwähnte. Alles wurde getan, um den „Raketensonntag“ aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen.

Die Aufräumarbeiten waren langwierig und gefährlich. Viele Geschosse flogen kilometerweit ins Land. Bei der Bergung fanden sich nicht nur ungefährliche Raketenhülsen, sondern auch eine vermutlich chemische Granate, eine Waffe, die sich offiziell gar nicht in der DDR befinden durfte. Die beschädigten Raketen wurden tagelang in Transportern durch Dannenwalde und den kleinen Ort Barsdorf gefahren und auf einem sowjetischen Übungsgelände gesprengt. Diese Sprengungen führten zu gewaltigen Druckverhältnissen, die erhebliche Schäden an Gebäuden und elektrischen Geräten in der Umgebung verursachten.

Erst nach dem Abzug der Roten Armee 1992 kam Manches ans Tageslicht. Bis heute ist der Wald rund um die ehemalige Muna nicht frei von gefährlicher Munition. Karlheinz Grunske, ein Augenzeuge, führt noch heute Munitionsbergungstrupps zu verdächtigen Stellen, um Überreste wie die 3 Meter lange M21-Rakete zu bergen. Die Frage, ob tatsächlich ein Blitzeinschlag die Kettenreaktion auslöste, bleibt bis heute ein Geheimnis.

Dirk Heuschkel und der militärhistorische Verein Nordbrandenburg setzen sich heute gemeinsam mit den Dannenwaldern dafür ein, an den 14. August 1977 und die hier ums Leben gekommenen Soldaten zu erinnern. Ein kleines Denkmal soll an dieses vergessene Geschehen erinnern.

Karbidfabrik Schkopau: Ein Kampf zwischen Tradition, Fortschritt und Staub

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Im Oktober 1987 war die Karbidfabrik innerhalb des VEB Chemische Werke in Schkopau ein lebendiges Zeugnis des komplexen Zusammenspiels von Tradition, Fortschritt und harter Realität. Diese 50 Jahre alte Anlage, strategisch entscheidend für die Produktion von Kunststoffen, Chemiefasern und sogar Autoreifen, stellte Karbid her, indem Kohle und Kalkstein bei extremen Temperaturen von rund 2000 Grad Celsius geschmolzen wurden.

Strategische Bedeutung und ökonomisches Paradox
Siegfried Richter, Leiter der Karbidproduktion, hob die strategische Entscheidung hervor, organische Kohlenwasserstoffe für Buna auf Karbid- statt Erdölbasis zu erzeugen. Dieser Ansatz sicherte die Unabhängigkeit von entscheidenden Rohstoffimporten und nutzte heimische Ressourcen, was angesichts der jährlich für fünf bis sechs Millionen Tonnen Erdölimporte ausgegebenen Millionen von Dollar eine erhebliche wirtschaftliche Entlastung bedeutete. Richter räumte jedoch ein, dass diese Produktionsweise nicht unbedingt ökonomisch sinnvoll war.

Hochdruckproduktion und herausfordernde Bedingungen
Die Fabrik arbeitete rund um die Uhr in 12-Stunden-Schichten, wobei zwölf Öfen jährlich etwa eine Million Tonnen Karbid produzierten. Dieser immense Ausstoß benötigte mehr als das Zwölffache des Energieverbrauchs der Stadt Halle. Die Arbeit war berüchtigt schwer, was sich im Sprichwort „Wer einen Sommer im Karbid durchhält, der bleibt“ widerspiegelte. Erfahrene Arbeiter wie Franz Assakes, ein gelernter Schlosser mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Fabrik, verglichen die Arbeit am Ofen mit der Nähe zu einem Vulkan und waren einfach froh, gesund nach Hause zu kommen. Jüngere Arbeiter wie Olaf und Siebert, ausgebildete Chemiefacharbeiter und Jugendbrigadiere, bedienten bereits modernere, vollgeschlossene Öfen.

Investitionsstau und Umweltbedenken
Nachdem die Fabrik in den 1960er und 70er Jahren „auf Verschleiß gefahren“ wurde, da Erdöl zum primären Rohstoff der chemischen Industrie aufstieg, stand sie nun vor dringenden Investitionsnotwendigkeiten. Ein langfristiger Entwicklungsplan für die Karbidproduktion über das Jahr 2000 hinaus existierte, doch die Kosten waren immens; der Bau nur eines neuen Ofens würde 150 Millionen Mark kosten.

Die Umweltbelastung war ein drängendes Problem. Die Staubbelastung für die Arbeiter an den Öfen war „abnormal“ und betraf nicht nur sie, sondern auch Passanten an Bushaltestellen. Obwohl bereits eine Schwadenleitung zur Entstaubung installiert war, sollte eine für 1993 geplante Filteranlage eine deutliche Reduzierung der Umweltbelastungen bewirken. Eine wirksame biologische Kläranlage war in Betrieb, aber weitere Maßnahmen zum Schutz des Saale-Wassers waren erforderlich. Modernisierungsversuche, wie eine automatische Abstichvorrichtung, hatten sich als unzuverlässig erwiesen, und erhebliche Investitionen wurden immer wieder verschoben. Die Fabrik hinkte bei der Anwendung von Schlüsseltechnologien für die Produktherstellung deutlich hinterher.

Der Mensch im Mittelpunkt
Ein großes Problem war der Arbeitskräftemangel, der zu umfangreichen Überstunden führte. Der allgemeine Rückgang der Arbeitskräfte in der DDR, gepaart mit dem Versäumnis, frühzeitig auf personalintensivere, automatisierte Technologien umzustellen, schuf eine schwierige Situation für die Werksleitung.

Arbeiter wie Olaf und Siebert sahen sich anspruchsvollen Quoten gegenüber, mit 22 Abstichen pro Schicht. Es war schwierig, den eigenen Beitrag zum Gesamtergebnis innerhalb eines so großen Betriebs zu erkennen, und zahlreiche „Störgrößen“ beeinflussten ihre Arbeit. Die Leitung betonte die Bedeutung des individuellen Einfallsreichtums zur Überwindung dieser Hindernisse und erklärte: „Wenn das nämlich nicht so wäre, dann könnten wir Roboter einsetzen.“ Viele Arbeiter kamen aus verschiedenen Berufen zur Karbidfabrik, und Franz Assakes bemerkte, dass viele, denen die Arbeit am Abstich zu schwer war, schnell wieder gingen. Diejenigen, die blieben, waren stolz auf ihre anspruchsvolle Arbeit.

Trotz des Wunsches nach technologischen Verbesserungen herrschte Frustration über langsame Veränderungen und unzureichende Schulung, um die größeren Zusammenhänge ihrer Arbeit zu verstehen. Diskussionen drehten sich oft darum, wie Mitarbeiter ihre Anliegen vorbringen konnten, insbesondere in Anwesenheit von Parteifunktionären.

Zukunftsperspektiven und persönliche Entscheidungen
Trotz aller Härten zeigte sich eine tiefe Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Werk. Siegfried Richter, der Abteilungsleiter, der ursprünglich nur zwei Jahre bleiben wollte, hat sich schließlich für seine Karriere entschieden und erklärte: „Ich bleibe hier, bis sie mich mal im Sarg wegfahren oder rausschmeißen.“ Die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, einschließlich einer größeren Wohnung und eines zweiten Kindes für ein junges Paar, das aus Halle Neustadt hierher gezogen war, verdeutlichten die persönlichen Einsätze trotz der unsicheren Aussichten.

Die Karbidfabrik in Schkopau blieb somit ein ergreifendes Beispiel für die komplexe Beziehung zwischen Ökonomie, Ökologie und wissenschaftlich-technischem Fortschritt. Es war ein Ort, an dem die Forderung nach zielgerichteten Investitionen auf die Möglichkeiten einer schnellen Realisierung traf und wo trotz aller Widrigkeiten Männer ihre schwere tägliche Arbeit verrichteten, im ständigen Kampf mit Staub, Hitze und der bleibenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft.