Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), ist eine Person, die polarisiert. Sein abruptes Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 2018, gefolgt von einer tiefgreifenden politischen Neuorientierung und der Gründung der Partei Werteunion, wirft Schlaglichter auf das Selbstverständnis deutscher Institutionen, die Rolle der Medien und die Grenzen der Meinungsfreiheit. In einem ausführlichen Gespräch bietet Maaßen Einblicke in seine damalige Amtszeit, die Arbeitsweise des Inlandsgeheimdienstes und seine scharfe Kritik an der aktuellen politischen und medialen Landschaft Deutschlands.
Der Chemnitz-Skandal: Eine „vorsätzliche Falschinformation“?
Maaßens Absetzung als Präsident des Verfassungsschutzes im Jahr 2018 war eine Zäsur, die er als „Einschnitt mit Ansage“ beschreibt. Der Auslöser war seine öffentliche Aussage gegenüber der Bildzeitung, dass es nach Erkenntnissen seiner Behörde keine „Hetzjagden“ in Chemnitz gegeben habe, entgegen der Darstellung der damaligen Bundesregierung unter Angela Merkel und großer Teile der deutschen und internationalen Presse. Maaßen spricht von einer „mutmaßlich vorsätzlichen Falschinformation mit einer Absicht, nämlich die Öffentlichkeit fehlzuleiten und die Öffentlichkeit zu täuschen“. Er kritisiert, dass dieses Narrativ, unterfüttert durch ein „Hase bleib hier“-Video, das fälschlicherweise als „Menschenjagd“ betitelt wurde, von der Antifa gestreut und von ARD und der Bundeskanzlerin aufgegriffen wurde.
Für Maaßen war dies eine zweite Zäsur in seinem Leben – die erste war der Verlust seines Amtes, die zweite die Erkenntnis, „dass es möglich ist in Deutschland aus der Wahrheit eine Lüge zu machen und aus der Lüge eine Wahrheit“. Er betont, dass seine Äußerung mit dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer abgestimmt war und er die „vornehmste Pflicht“ eines Beamten erfüllt habe: zu widersprechen, wenn etwas rechtswidrig oder nicht rechtens ist. Dies sei im Bundesbeamtengesetz verankert und gelte für jeden Beamten, nicht nur für den Präsidenten des Verfassungsschutzes.
Der Verfassungsschutz: Ein „zahnloser Tiger“ ohne Polizeibefugnisse?
Maaßen beschreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz als deutschen Inlandsgeheimdienst, dessen Modell auf dem britischen MI5 basiert. Im Gegensatz zur Gestapo, die Polizei mit geheimdienstlichen Befugnissen war, besitzt der Verfassungsschutz keine polizeilichen Gewaltbefugnisse wie Festnahmen, Hausdurchsuchungen oder Vernehmungen. Seine Hauptaufgabe sei das Sammeln und Auswerten von Informationen – offen (Ocent), menschlich (Humint) und technisch (Sigint).
Informationen, insbesondere zur Telekommunikationsüberwachung (wie E-Mails, WhatsApp, Telefonverkehr), bedürfen der Genehmigung der G10-Kommission des Bundestages, eines geheim tagenden Gremiums. Der Verfassungsschutz arbeitet dabei mit der „Harpune“, zielt also auf bekannte Personen mit konkreten Hinweisen, während ausländische Dienste wie der BND im Ausland mit dem „Schleppnetz“ arbeiten und strategische Überwachung betreiben können. Nach einer Telekommunikationsüberwachung müssen die Betroffenen grundsätzlich darüber informiert werden.
Kritik an der politischen Beobachtung und die „Delegitimierung“ des Amtes
Ein zentraler Kritikpunkt Maaßens ist die Beobachtung politischer Parteien durch den Verfassungsschutz, insbesondere der AfD. Er vergleicht die Situation mit dem Watergate-Skandal in den USA, wo bereits die Ausforschung einer konkurrierenden Partei zum Rücktritt des Präsidenten führte. Maaßen argumentiert, es fehle ein „Unrechtsbewusstsein“, wenn ein Geheimdienst genutzt werde, um Informationen aus einer Oppositionspartei zu generieren. Die rechtliche Hürde für Telekommunikationsüberwachung sei durch die Herabsetzung des Maßstabs (Einbeziehung der „Volksverhetzung“ nach Paragraph 130 StGB) erheblich gesenkt worden.
Maaßen selbst wird vom Verfassungsschutz beobachtet und als „Rechtsextremist“ eingestuft, was er als „perfide Technik“ und „Scheinargumentation“ der Behörde bezeichnet. Er klagt gegen diese Beobachtung. Für ihn ist die Beobachtung unbescholtener Bürger und neuer Parteien eine „Delegitimierung“ des Verfassungsschutzes, da er seine eigentliche Aufgabe vernachlässige und Extremismus verharmlose.
Werteunion: Eine neue politische Kraft für bürgerlich-konservative Werte
Nach seinem Ausscheiden aus dem BfV und dem Scheitern des Versuchs, die CDU von innen heraus zu reformieren, gründete Maaßen mit der Werteunion eine eigene Partei. Er sieht die CDU als „scheinkonservative Partei“, die das Gegenteil dessen tut, was sie verspricht, und die Massenmigration nach Deutschland „eröffnet“ hat. Die Werteunion positioniert sich als Alternative für klassische CDU- und CSU-Wähler und verfolgt eine Politik des „Rückbaus des Staates“ und einer „vernünftigen Migrationspolitik“ mit „klarem Schutz der Grenzen“.
Maaßen betont, dass die Werteunion nicht die AfD kannibalisieren wolle, sondern auf die Wähler der Union ziele. Er sieht seine Partei jedoch mit einer „Schweigemauer“ der Massenmedien konfrontiert, die über die AfD zwar negativ, aber immerhin berichten, die Werteunion aber totzuschweigen versuchen. Dies sei eine „bewusste Unterwanderung“ und ein „Aktivismus“ des Journalismus, der nicht mehr informieren, sondern „propagieren und agitieren“ wolle.
Ausblick: Geduld im „freien Fall“ und Hoffnung auf die Zukunft
Maaßen sieht Deutschland im „freien Fall“, angetrieben durch wirtschaftlichen Niedergang und Massenmigration. Er hofft auf einen „politisch-gesellschaftlichen Rückenwind“ für Parteien „auf der freien Seite der Brandmauer“. Obwohl er nicht davon ausgeht, dass die CDU mit der AfD koalieren wird, sieht er die Notwendigkeit einer parlamentarischen Mehrheit für eine Politikwende, die voraussichtlich Jahre dauern wird.
Insbesondere die Bürger im Osten Deutschlands, die eine „Diktaturerfahrung“ haben, seien kritischer und weniger „autoritätsgläubig“ als die im Westen, wo das Vertrauen in Medien und Autoritäten noch stark sei. Maaßen ist überzeugt, dass die persönliche Erfahrung vieler Bürger mit den Problemen des Landes irgendwann die mediale Täuschung durchbrechen wird.
Für die Werteunion stehen als nächste Schritte die Landtagswahlen 2025, beginnend in Baden-Württemberg, im Fokus, um in die Landesparlamente einzuziehen. Trotz der Herausforderungen bleibt Hans-Georg Maaßen zuversichtlich, dass Deutschland das „Schiff schon wieder flott machen“ kann, auch wenn es ein langer und schwieriger Weg werden wird.