Neue Visionen für Dessaus historisches Mausoleum

Dessau – Das Stadtbild von Dessau, nicht reich an Türmen und Kuppeln, birgt ein verstecktes Juwel: die Kuppel des Mausoleums, ein fester Bestandteil der Stadtsilhouette. Eingebettet im östlichen Teil des Georgiums, umgeben vom belebten Tierpark, schlummert hier die einstige Grablege des anhaltischen Fürstenhauses. Doch trotz seiner historischen Bedeutung und architektonischen Eleganz sucht dieser monumentale Bau, einst ein Ort der Ruhe und des Gedenkens, noch immer nach einer sinnvollen Neunutzung.

Von der Fürstengruft zum „Dornröschenschlaf“
Die Geschichte des Dessauer Mausoleums beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Da die Marienkirche, die seit 1554 als Grablege diente, mit sechs Fürstengrüften überfüllt war, reifte mit dem Regierungsantritt Herzog Friedrichs I. im Jahr 1871 die Idee einer neuen Fürstengruft. Geplant als Mausoleum und Gedächtniskapelle zugleich, wurde der östliche Georgengarten als würdiger Ort ausgewählt. Der Berliner Architekt Franz Schwechten, der bereits das Dessauer Bahnhofsgebäude entworfen hatte, wurde mit der Planung beauftragt. Sein Entwurf, ein Zentralbau in klassizistischer Palladio-Tradition, zeichnet sich durch „wohltuende Einfachheit und zeitlose Eleganz“ aus, ohne die Überladung, die man etwa beim Berliner Dom findet. Zwischen 1894 und 1898 wurde der Bau unter Hofbaurat Bötger, Gartendirektor Hof und Bauleiter Täubner realisiert. Er besteht aus einem Unterbau aus rheinischem Basalt und dem eigentlichen Gebäude aus hellem sächsischem Sandstein, verziert mit Skulpturen der askanischen Bären von Kalandrelli und Hüllweck.

Die Innenausstattung war schlicht und gediegen, geprägt von Ticino-Marmor aus dem französischen Jura, Glasmosaiken und schweren Metallarbeiten, die im Kontrast zu den klaren, glatten Wand- und Kuppelflächen standen. Über zwei seitliche Treppen gelangt man in die eigentliche Gruft, die von starken Säulen und flachen Gewölben gegliedert wird. Bis 1952 beherbergte sie die Sarkophage von Herzog Friedrich I. und seiner Frau, Herzog Friedrich II. und seiner Frau, Herzog Eduard, sowie der Prinzen Aribert und Wolfgang. Auch die Sarkophage des Erbprinzen Leopold und der Kinder Prinzessin Friederike Margarete und Prinz Leopold Friedrich wurden aus der Marienkirche hierher überführt. Besonders pompös war die Beisetzung von Prinz Aribert im Dezember 1933.

Den Zweiten Weltkrieg überstand das Mausoleum weitgehend unbeschadet, doch die Nachkriegszeit brachte Einbrüche und Plünderungen, bei denen die Sarkophage gewaltsam geöffnet wurden. Auf Klagen aus der Bevölkerung hin ordnete die Oberbürgermeisterin Maria Dank am 17. März 1952 die Überführung der sterblichen Überreste zum Friedhof 1 an. Danach verfiel das Mausoleum in einen „Dornröschenschlaf“.

Suche nach einer neuen Bestimmung
Zahlreiche Versuche der Stadt Dessau, das Gebäude einer sinnvollen Nutzung zuzuführen, scheiterten. Ironischerweise schützte der um das Mausoleum entstandene Tierpark die Anlage vor vollständiger Verwahrlosung. Nach 1989 bekundete das Haus Anhalt Interesse am Gebäude, insbesondere an der Verfügbarkeit der Gruft. Notwendige Reparaturen am Dach, die bereits in den 1980er Jahren begonnen hatten, wurden an den Fassaden fortgeführt. Doch bis heute konnten verschiedene Nutzungskonzepte der Stadt, die Eigentümerin des Gebäudes ist, nicht verwirklicht werden. Auch drei Jahre nach der Erstellung des Films im Jahr 2004 (Stand 2007) war wenig für den Erhalt und die Nutzung des Mausoleums geschehen. Erst mit der Gründung eines Fördervereins Mausoleum Anfang 2007 kamen neue Aktivitäten zur Nutzung des Baus ins Gespräch.

Vielfältige Visionen – Das Potential der Erinnerung
Verschiedene Vorschläge wurden im Laufe der Jahre unterbreitet, „vom Kolumbarium bis zur Ruhmeshalle“. Ein ursprünglicher Vorschlag, eine jüdische Einrichtung in der Tradition der jüdischen Bürger Dessaus und Anhalts zu schaffen, die auch eine multikulturelle oder überkonfessionelle Begegnungsstätte umfassen könnte, wurde nicht diskutiert. Der Förderverein erwog die Einrichtung einer Ehrenhalle, einer Art Walhalla für verdienstvolle Bürger Anhalts, deren Spendengelder zum Erhalt oder für kulturelle und künstlerische Veranstaltungen verwendet werden könnten. Auch eine museale Nutzung als Lapidarium oder eine Plattform für Bildhauer und Aktionskünstler wurde in Betracht gezogen, um Ausstellungen, Symposien und künstlerische Darstellungen zu ermöglichen.

Als vielversprechendste Option wird nach wie vor eine interkonfessionelle Nutzung angesehen, insbesondere im Hinblick auf die reiche Tradition des Judentums in Anhalt und die multikulturelle Entwicklung. Die ideelle Verpflichtung gegenüber Namen wie Kohen-Oppenheim, Mendelssohn und Weil, die der Stadt reiche Vermächtnisse in Form von Kindergärten, Schulen und Sozialeinrichtungen beschert haben, untermauert diese Absicht. Der Vorschlag ist, das Mausoleum zum Mittelpunkt eines landesweit agierenden Zentrums für überkonfessionelle kulturelle Zusammenarbeit zu machen. Dieses für ganz Sachsen-Anhalt zuständige Institut könnte als Sammelbecken für Vereine und Institutionen dienen, die sich mit Migration und Integration befassen. Im ehemaligen Sakralbau könnten – getrennt nach Konfessionen – Gebets- und Versammlungsräume entstehen, wobei in den Kuppelraum eingefügte Unterteilungen den historischen Bestand nicht antasten würden und eine Nutzung über mehrere Etagen ermöglichten.

Weitere Nutzungsmöglichkeiten, die zur Diskussion stehen, sind eine Erweiterung der Präsentationsfläche der Anhaltischen Gemäldegalerie oder die Ansiedlung des Museums für Naturkunde und Vorgeschichte. Die Verlegung des Museums ins Mausoleum könnte das Museum aus seiner Isolation befreien und von der Popularität des umliegenden Tierparks profitieren. Das dann frei werdende Museumsgebäude könnte wiederum zur Belebung der Innenstadt beitragen, etwa als Präsentationsort für das Biosphärenreservat und das Gartenreich.

Das Dessauer Mausoleum, vom Stadtzentrum und Bahnhof bequem zu erreichen, ist eine „Chance“. Die Schönheit des Gebäudes legt eine seiner ursprünglichen Nutzung entsprechende, artverwandte Umwidmung nahe. Der Bau ist gleichermaßen „Last und Verpflichtung“. In einer Zeit, in der Ausschreitungen gegen ethnische Minderheiten weiterhin zu beobachten sind und Sachsen-Anhalt unter diesem Ruf leidet, könnte die Umwandlung des Mausoleums in ein Zeichen der Versöhnung und Toleranz ein wichtiges Signal setzen – für die Gleichberechtigung aller Lebensarten und Religionen im Sinne bester anhaltischer Traditionen. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidung die Zukunft für dieses bedeutsame Denkmal bereithält.