Als die D-Mark kam: Hoffnung, Chaos und der harte Weg in die Marktwirtschaft

Der Fall der Mauer brachte nicht nur Reisefreiheit, sondern auch einen Ansturm auf Banken und Wechselstuben. Jeder wollte jetzt D-Mark haben. Die Umtauschkurse kletterten in die Höhe, und der Schwarzmarkt florierte. Im Mai 1990 wurde klar: Die D-Mark sollte offizielles Zahlungsmittel in der DDR werden. Kurz darauf rollten über 25 Milliarden D-Mark in den Osten – der größte Geldtransport der Geschichte.

Die Einführung der westdeutschen Währung markierte das Ende der DDR-Mark, einer Binnenwährung, die von 1948 bis 1990 nur innerhalb der Landesgrenzen gültig war und deren Ein- und Ausfuhr streng verboten war. Das ökonomische System der DDR war eine Planwirtschaft, in der die Preise vom Staat festgesetzt und nicht über den Markt gebildet wurden. Diese Festpreise waren in der gesamten DDR und meist über Jahre hinweg gültig. Preisvergleiche brauchte man in der DDR nicht; Grundnahrungsmittel, Mieten oder Fahrkarten waren subventioniert und somit extrem günstig. Steigende Nettolöhne konnten nicht durch höhere Preise aufgefressen werden. Allerdings spiegelte sich der Wert aufgrund der staatlichen Steuerung nicht im Preis wider. Eine halb Zimmer Wohnung im Plattenbau kostete zwischen 50 und 80 Mark. Ein Farbfernseher lag dagegen bei mindestens 4100 Mark – dafür musste ein Industriearbeiter fünfeinhalb Monate hart arbeiten.

Den DDR-Bürgern fiel es zunehmend schwer, ihr Geld auszugeben. Von der einen Ware gab es zu viel, eine andere war zu teuer, und wieder andere Dinge waren schlicht nicht verfügbar. Dies schuf eine perfekte Grundlage für einen blühenden Schwarzmarkt und Tauschhandel. Manchmal wurden sogar Waren wie Sparkäse als „Zugabe“ verwendet, um beispielsweise Lkw-Ersatzteile zu bekommen. Seltene Waren gab es oft nur im Intershop, wo gegen harte Währung Alkohol, Kaffee, Jeans oder Schmuck erhältlich waren. Seit 1974 durften DDR-Bürger D-Mark-Bestände besitzen, doch nicht jeder hatte sie.

Anfang der 80er Jahre war die DDR fast pleite, die Auslandsschulden stiegen. Im Februar 1990 war sie zahlungsunfähig. Hans Modrow, der Regierungschef der DDR, bat Bundeskanzler Helmut Kohl um 15 Milliarden D-Mark Soforthilfe. Helmut Kohl knüpfte dies an eine Bedingung: Geld gebe es erst nach freien Wahlen. Diese Bedingung wurde als „richtig“ empfunden. Gesagt, getan: Die ersten freien Wahlen kamen im März 1990. Das Ergebnis war eindeutig – die Mehrheit wollte die D-Mark und die Marktwirtschaft. Die Öffnung der Grenze hatte die Binnenwährung zu diesem Zeitpunkt fast wertlos gemacht.

Am 1. Juli 1990 war es soweit: Die Währungsunion trat in Kraft. Die D-Mark wurde in der DDR ausgezahlt. Doch zunächst herrschte großer Andrang, beispielsweise am Alexanderplatz in Berlin. Die Nerven lagen blank, die Volkspolizei war vom Ansturm überrumpelt. Viele Menschen wollten so schnell wie möglich das neue Geld, um sich ihre Träume verwirklichen zu können. Gehälter, Mieten und Renten wurden eins zu eins getauscht. Dies entsprach dem Wunsch der Bevölkerung, war aber unumstritten.

Die Umstellung der Löhne belastete die Betriebe. Hinzu kam westdeutsche und internationale Konkurrenz. Besonders hart traf es die Ostprodukte. Niemand wollte mehr, was jahrelang das einzige Angebot war, und schon gar nicht zu den neuen Preisen. Ein Bürger berichtete vom Preis für 500g Gehacktes und 300g Salami, der nun 20 Mark betrug, wo er vor der Währungsunion vielleicht 6-7 Mark bezahlt hätte – „Wahnsinn“.

Mit der D-Mark begann auch die Marktwirtschaft. Es entstand die Ellenbogengesellschaft – jeder musste zusehen, wie er weiterkommt. Wettbewerb und Marketing wurden zu den Vokabeln der neuen Zeit. Bunte Werbetafeln bestimmten das Straßenbild. Das Handeln und Schacher wurde schnell gelernt. Nicht alle Betriebe überlebten. Eine Schlachterei mit 60 Mann wurde von Investoren übernommen und in einen Fleischmarkt mit nur vier Angestellten umgewandelt, der Billigpreise bot und massenhaft Einnahmen generierte.

Die schnelle Einführung der D-Mark hatte einen Preis. Die Wirtschaft litt nachhaltig. Selbst Jahre später lag die Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer noch hinter dem westdeutschen Durchschnitt.