Vom Ochsenplatz zum Hotspot: Die Denkmale des Berliner Alexanderplatzes

Berlin. Im Mittelalter lag die heutige Nordostecke des Alexanderplatzes jenseits der Berliner Stadtmauer, direkt vor dem Georgentor. Auf der weiten Fläche handelten Bauern ihr Vieh – Rinder, Schweine, Schafe. „Ochsenplatz“ nannten die Berliner den Ort, an dem später Wollmanufakturen, Gasthäuser und das berüchtigte Arbeitshaus von 1758 (heute in der Grundfläche das Alexa-Einkaufszentrum) entstanden.

Spätbarocker Prunk und preußisches Selbstbewusstsein
1780 errichtete man die Königskolonnaden – zwei spätbarocke Säulengänge aus Seehauser Sandstein –, die den repräsentativen Eingang ins Stadtzentrum zierten. 1909 wurden sie abgebaut und im heutigen Kleistpark in Schöneberg wieder aufgebaut, um auf dem Alexanderplatz Platz für das neue Warenhaus Wertheimer zu schaffen. Heute laden sie mit ihrer strengen Symmetrie zum Flanieren ein.

Zwischen Hochhäusern und Verkehrsknotenpunkten
Anfang des 20. Jahrhunderts verkehrten hier elektrische Straßenbahnen, das Warenhaus Tietz errichtete 1905 mit 250 m Fassadenlänge einen Weltrekord, und 1913 öffnete der U-Bahnhof. Für Stadtbaurat Martin Wagner war der Alex die moderne Verkehrsschleuse: Kreisverkehr, Fußgängertunnels und Hochhäuser sollten das Stadtbild erneuern. Realisiert wurden 1931/32 nur Peter Behrens’ zwei Stahlbeton-Bauten – das Alexanderhaus und das Hochhaus am Lehrter Stadtbahnhof.

Zerstörung und archäologische Schichten
Der Zweite Weltkrieg hinterließ tiefe Narben: Luftschutzsuchende flüchteten in die S-Bahntunnel, die erbitterten Kämpfe gruben Bombentrichter in den Platz. Archäologen bargen über 1.000 Gräber, Reste der Georgenkirche und ein mit Einschusslöchern versehenes Straßenschild der Neuen Königstraße. Jede neue Baustelle bringt wieder neue Zeugnisse ans Licht.

Prestigeobjekt DDR-Moderne
In den 1960er Jahren inszenierte die SED den Alex als sozialistisches Schaufenster: breite Aufmarschflächen, autofreie Fußgängerzonen und monumentale Bauten wie das Haus des Lehrers mit Womacker-Relief oder das Haus des Reisens. Die Weltzeituhr von 1969, entworfen von Erich John, wurde in nur neun Monaten gefertigt – mit einem Trabant-Getriebe und Feierabendbrigaden. Im Film-Interview verrät John, wie er die Uhr trotz Planwirtschaft und Materialknappheit zur „Uhr für alle Zeiten“ formte.

Wiedervereinigung und Denkmalschutz
Nach 1989 galten viele DDR-Bauten als störend, Abrisspläne für zehn Hochhäuser scheiterten 1993 an Investorenmangel. Heute stehen das Haus des Reisens, der Berliner Verlag und der Park-Inn-Tower unter Denkmalschutz – ebenso wie die Weltzeituhr, die alle zehn Jahre gewartet und deren Tafeln je nach Weltlage angepasst werden.

Ein Platz in Bewegung
Ob Pop-up-Events, temporäre Bauten oder neue Hochhauspläne – der Alexanderplatz bleibt unvollendet. Mit täglich über 350.000 Menschen ist er Bühne, Arbeitsweg und Treffpunkt zugleich. Jeder Blick enthüllt eine neue Schicht: mittelalterliche Gräber, barocken Stein, sozialistische Mosaike. Wer genau hinsieht – im Film oder vor Ort – erlebt den Alex als lebendiges Geschichtsbuch Berlins.

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