Wie kommunistisch war die DDR? Ein Blick hinter die offizielle Rhetorik

Die DDR – ein Staat, der in seiner Selbstdarstellung nie offen als „kommunistisch“ tituliert wurde. Dr. Stefan Wolle beleuchtet in einem Interview, wie ein Zusammenspiel von Tradition, politischer Pragmatik und Sprachkultur den Diskurs prägte.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit stand die politische Neuordnung Deutschlands vor einer Herausforderung: Wie sollten unterschiedliche linke Kräfte – Kommunisten und Sozialdemokraten – unter einem gemeinsamen Banner zusammengeführt werden? In der sowjetischen Besatzungszone führte man diese Diskussion letztlich mit der Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) am 21. April 1946. Dabei wurde bewusst auf den expliziten Begriff „kommunistisch“ verzichtet, um den Interessen beider Lager gerecht zu werden.

Die Symbiose von Sozialdemokratie und Kommunismus
Dr. Stefan Wolle weist darauf hin, dass der Zusammenschluss von KPD und SPD in der Besatzungszone nicht lediglich ein politisches Manöver war, sondern ein notwendiges Puzzleteil im Aufbau eines neuen, sozialistischen Staates. Die DDR verstand sich als Produkt dieser Fusion – ein Kompromiss, der es erlaubte, beide politischen Erben zu vereinen. Interessanterweise bewahrte sich in Westdeutschland die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ihren traditionellen Namen, auch wenn sie politisch marginalisiert blieb. Somit zeigte sich, dass der Begriff „kommunistisch“ in unterschiedlichen Kontexten sehr unterschiedliche Assoziationen weckte.

Zwischen Ideologie und Sprachkultur
Während in Ländern wie Polen, Ungarn oder der Tschechoslowakei von einer klar kommunistischen Diktatur gesprochen wird, zeichnet sich in der DDR eine besondere Ambivalenz ab. „Die DDR nannte sich selbst nie explizit als kommunistisch – vielmehr sprach man vom SED-Regime“, erklärt Wolle. Diese sprachliche Zurückhaltung war nicht nur ein politischer Kalkül, sondern spiegelte auch tief verwurzelte psychologische und kulturelle Assoziationen wider. In Deutschland hat der Begriff „Kommunist“ oft positive Konnotationen, die an Heldentum, Fortschritt und gesellschaftliche Errungenschaften erinnern.

Die Frage der Selbstbezeichnung
Ein weiteres Spannungsfeld bildete die offizielle Selbstbezeichnung der Herrscherpartei. So blieb der Begriff „Kommunismus“ im offiziellen Diskurs weitestgehend aus – ein bewusster Schritt, um die Verbindung zwischen dem revolutionären Ideal der klassenlosen Gesellschaft und der tatsächlichen Staatsorganisation zu verwischen. Gleichzeitig wurde auch der Terminus der Nachfolgepartei, die später als Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) und heute als Teil der Linkspartei firmiert, genutzt, um eine Distanzierung von der kommunistischen Vergangenheit zu suggerieren.

Eine Politik im Spannungsfeld
Der Beitrag von Dr. Stefan Wolle zeigt eindrucksvoll, wie vielschichtig und widersprüchlich die Beurteilung der DDR als „kommunistisch“ sein kann. Einerseits beruhte das System auf einer klar marxistisch-leninistischen Ideologie, andererseits bestimmte der pragmatische Zusammenschluss von Sozialdemokraten und Kommunisten, dass offizielle Bezeichnungen und Sprachgewohnheiten andere Bilder vermittelten. Das Erbe der DDR ist somit nicht nur politisch, sondern auch sprachlich und kulturell ambivalent – ein Erbe, das auch Jahrzehnte nach der Wende noch immer in der öffentlichen Debatte nachhallt.

Während die Diskussion über die Natur des DDR-Regimes weiterhin kontrovers geführt wird, bleibt eines klar: Die Frage, wie „kommunistisch“ die DDR wirklich war, lässt sich nicht in einfachen Kategorien fassen – sie ist vielmehr Ausdruck eines komplexen Zusammenspiels von Ideologie, Politik und Rhetorik.