Schausteller in der DDR: Mischung aus Freiheit, Tradition und harter Arbeit

Leben als Schausteller | DDR, 1987 🎡🎄✨

Volksfeste, Weihnachts- und Jahrmärkte waren aus der DDR nicht wegzudenken. Jährlich fanden über 5.200 solcher Veranstaltungen statt, die das gesellschaftliche Leben bereicherten und für eine Ablenkung vom Alltag sorgten. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen standen die Schausteller, die mit ihren Spiel- und Fahrgeschäften, Losbuden und Tombolas von Ort zu Ort zogen. Ihr Leben war jedoch weit mehr als ein reines Vergnügen – es war ein harter, entbehrungsreicher Alltag, der dennoch von Tradition, Stolz und einer unerschütterlichen Leidenschaft geprägt war.

Ein Leben auf Achse
Die Schausteller waren im wahrsten Sinne des Wortes immer in Bewegung. Zehn Monate im Jahr verbrachten sie auf Reisen, zogen mit ihren Wohnwagen, Karussells und anderen Fahrgeschäften durch die Lande. Dabei waren sie ständig gefordert, sich an neue Bedingungen anzupassen. Auf- und Abbau, Organisation und das Lösen technischer Probleme bestimmten ihren Alltag. Die Wohnwagen wurden zum Lebensmittelpunkt: Hier wurde gelebt, geliebt und gearbeitet. Kinder von Schaustellern wurden oft in Wohnwagen geboren, und ihre Erziehung fand auf Reisen statt.

Schule auf Zeit
Die Kinder der Schausteller besuchten an jedem neuen Standort eine andere Schule, manchmal nur für wenige Wochen. Dieses ständige Wechseln stellte für die Familien eine Herausforderung dar. Dennoch entwickelten viele Schaustellerkinder eine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. Trotz der ständigen Ortswechsel führte der enge Zusammenhalt in den Familien dazu, dass die Kinder oft selbst Schausteller wurden und die Tradition fortsetzten.

Tradition und Familienbetrieb
Schaustellerbetriebe wurden in der DDR meist über Generationen hinweg innerhalb der Familie weitergegeben. Horst Müller, Besitzer eines der wenigen verbliebenen Riesenräder, hatte das Fahrgeschäft von seinem Vater übernommen, das 1926 gebaut worden war. Sein Sohn Thomas arbeitete bereits am Steuerpult und sollte das Geschäft eines Tages übernehmen. Diese Form des familiären Zusammenhalts war die Grundlage für die Kontinuität und den Erfolg der Schausteller.

Die große Freiheit und ihre Schattenseiten
Viele Schausteller betonten, dass ihr Beruf zwar hart sei, aber auch eine große Freiheit biete. Das unabhängige Leben, die ständige Abwechslung und die Freude, anderen Menschen Glück zu bringen, wurden als unschätzbare Werte empfunden. Dennoch war das Leben alles andere als einfach. Die wirtschaftlichen Bedingungen in der DDR erschwerten das Schaustellerleben erheblich. Es gab keine Betriebe, die neue Fahrgeschäfte herstellten oder Ersatzteile lieferten. Reparaturen mussten die Schausteller selbst organisieren, oft mit improvisierten Mitteln.

Herausforderungen der DDR-Wirtschaft
In den 1980er-Jahren wurde die Situation für Schausteller immer schwieriger. Während die Zahl der Volksfeste stieg, nahm die Zahl der Fahrgeschäfte ab. Viele Attraktionen wie Achterbahnen oder Kosmosgondeln verschwanden aus dem privaten Schaustellerwesen, weil es schlicht keine Ersatzteile mehr gab. Die Schausteller mussten ihre alten Anlagen mühsam instand halten, oft mit großem persönlichem Einsatz.

Gemeinschaft und Zusammenhalt
Trotz aller Probleme war der Zusammenhalt innerhalb der Schausteller ein zentraler Aspekt ihres Lebens. Die Familien halfen einander, teilten Werkzeuge, Ersatzteile und Wissen. Auf den Volksfesten herrschte eine besondere Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung. Diese Gemeinschaft war es, die vielen Schaustellern half, die harten Bedingungen zu meistern.

Ein Ende und ein Neuanfang
Die Schausteller arbeiteten hart, um bis Weihnachten alles abzubauen und die Feiertage im Kreise der Familie zu verbringen. Doch kaum war das Jahr vorbei, begann bereits die Planung für die neue Saison. Anfang März zogen die Schausteller wieder los, um ihre Fahrgeschäfte aufzubauen und die Menschen zu erfreuen. Dabei blieb die Frage, wie lange diese Tradition in der DDR noch Bestand haben würde, immer präsent. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der technische Fortschritt stellten das traditionelle Schaustellerwesen zunehmend infrage.

Das Leben als Schausteller in der DDR war eine einzigartige Mischung aus Freiheit, Tradition und harter Arbeit. Es war ein Leben, das von der Liebe zu den Menschen und dem Wunsch, Freude zu schenken, getragen wurde. Doch es war auch ein Leben voller Herausforderungen, geprägt von wirtschaftlichen Engpässen und der ständigen Notwendigkeit, sich anzupassen. Trotzdem gelang es den Schaustellern, ihre Traditionen zu bewahren und einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt der DDR zu leisten. Ihr Leben ist ein eindrucksvolles Beispiel für den Willen und die Fähigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen zu bestehen.

Redakteur/Autor: Arne Petrich

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