Aktuelle Stunde im Jenaer Stadtrat zum Öffentlichen Nahverkehr in Jena

Die Aktuelle Stunde im Stadtrat widmete sich der angespannten Lage des Jenaer Nahverkehrs (JeNah), die durch Personalmangel, einen hohen Krankenstand und strukturelle Herausforderungen geprägt ist. Die Fraktion Die Linke hatte die Debatte beantragt, um auf die Probleme der Beschäftigten sowie die daraus resultierenden Einschränkungen im Fahrplan aufmerksam zu machen. Verschiedene Vertreter der Fraktionen und der Stadtverwaltung schilderten in der Diskussion ihre Sichtweisen und Lösungsansätze.

Jens Thomas von der Fraktion Die Linke führte die Problematik auf mehrere Faktoren zurück, die teils strukturell bedingt und teils auf akute Entwicklungen zurückzuführen seien. In Rücksprache mit dem Betriebsrat des JeNah identifizierte er unbesetzte Stellen und eine unzureichende Finanzierung im Wirtschaftsplan als Kernprobleme. Der Mangel an qualifiziertem Personal im öffentlichen Nahverkehr sei ein Symptom eines größeren Fachkräftemangels, während die Überlastung des verbleibenden Fahrpersonals durch unrealistische Fahrzeitprofile und den Wegfall von Wendezeiten verschärft werde. Darüber hinaus nannte er die zunehmende Angst vor Aggressionen und Gewalt gegenüber dem Fahrpersonal, eine Überlastung durch die Ausweitung des Nahverkehrsplans ohne entsprechendes Personal sowie eine mangelnde Priorisierung des ÖPNV im Straßenverkehr. Weitere kritische Punkte betrafen die fehlenden Investitionen in Infrastruktur und neue Busse, erschöpfte Reservekapazitäten in Werkstatt und Verwaltung sowie ungeliebte Diensteinteilungen, bei denen lange Pausen zwischen den Schichten die Attraktivität des Berufs zusätzlich minderten. Vorschläge des Betriebsrats zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen würden aus Kostengründen nur zögerlich umgesetzt. Thomas appellierte an Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche und den Aufsichtsrat der Stadtwerke Holding, ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und Fahrgästen gerecht zu werden und die Probleme ernsthaft anzugehen.

Denny Jankowski von der AfD betonte, dass die chaotischen und unregelmäßigen Arbeitszeiten ein Hauptgrund für den Personalmangel seien. Die wechselnden Schichtdienste schrecken seiner Meinung nach viele potenzielle Bewerber ab. Zudem kritisierte er eine verschlafene Personalplanung in den letzten Jahren, die zu einer ungesunden Altersstruktur im Fahrpersonal geführt habe. Der Wegfall der Wehrpflicht im Jahr 2011 habe zusätzlich einen wichtigen Pool an möglichen Fahrern mit der notwendigen Fahrerlaubnis eliminiert. Jankowski bemängelte außerdem, dass der Aufsichtsrat des JeNah nicht rechtzeitig auf die Probleme reagiert und die Geschäftsführung nicht zum Handeln bewegt habe.

Christian Gerlitz, Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt von der SPD, verteidigte die Bemühungen der Stadtverwaltung, die Situation zu verbessern. Er hob hervor, dass der Schülerverkehr bei den Fahrplaneinschränkungen oberste Priorität habe. Weiterhin verwies er auf Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie auf einen drastischen Tarifschritt, der die Gehälter erheblich erhöht habe, um den Beruf attraktiver zu machen. Gerlitz widersprach der These, dass der Personalmangel zu einer gestiegenen Belastung für das verbleibende Personal geführt habe, und präsentierte Zahlen, die zeigen, dass die Fahrleistung trotz der Personalengpässe nicht gestiegen sei.

Herr Beyer von der FDP schloss sich Gerlitz an und lenkte den Blick auf den allgemeinen Fachkräftemangel, der auch den Jenaer Nahverkehr betreffe. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viel in den Nahverkehr investiert und die Gehaltserhöhungen mitgetragen, um die Attraktivität des Berufs zu steigern. Dennoch seien die hohen Kosten für den Erwerb eines Busführerscheins ein erhebliches Hindernis, das auf Landesebene angegangen werden müsse. Beyer betonte, dass der Stadtrat die Herausforderungen des Nahverkehrs ernst nehme und weiterhin an Lösungen arbeite.

Vincent Leonhardi von der Fraktion Die Linke hob die Systemrelevanz des Nahverkehrs hervor und unterstrich die Bedeutung der Arbeit der Beschäftigten. Er wies darauf hin, dass ähnliche Probleme in vielen Städten auftreten und unter anderem durch saisonale Krankheitswellen, den Fachkräftemangel und die psychischen Belastungen der Fahrer verschärft werden. Laut Leonardi ergreife die Geschäftsführung verschiedene Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung, Qualifizierung und zur Verbesserung der psychischen Belastungen, etwa durch ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Gleichzeitig forderte er den Stadtrat auf, sich stärker auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen zu konzentrieren, anstatt die operativen Probleme des Nahverkehrs zu „mikromanagen“.

Herr Vietze von der SPD sah die Situation weniger dramatisch und betonte, dass mittlerweile alle offenen Stellen im Fahrpersonal besetzt seien. Der hohe Krankenstand sei das eigentliche Problem, der durch die aktuelle Erkältungswelle verstärkt werde. Er hob hervor, dass die Linieneinschränkungen bereits zurückgenommen worden seien und sich die Situation normalisiert habe. Herr Whydra von der CDU schloss sich dieser Einschätzung an und sprach den Beschäftigten seinen Dank aus. Er betonte, dass der Beruf des Fahrers schwierig sei und entsprechend vergütet werden müsse, um attraktiv zu bleiben. Er kritisierte die Linke dafür, die Situation zu überzeichnen und damit Unruhe bei Beschäftigten und Fahrgästen zu stiften.

Jürgen Häkanson-Hall von der Bürgerinitiative „Bürger für Jena“ kritisierte die schlechte Außendarstellung des Nahverkehrs. Häufige Berichte über ausgefallene Bahnen und reduzierte Linien schadeten dem Image. Ein funktionierender Nahverkehr sei jedoch essentiell für das Ziel einer autofreien Stadt. Häkanson-Hall sah die Geschäftsführung in der Verantwortung, die Motivation der Beschäftigten zu fördern und die Probleme nach außen besser zu kommunizieren.

Zusammenfassend zeigte die Aktuelle Stunde, dass die Probleme des Jenaer Nahverkehrs vielschichtig sind und sich sowohl auf strukturelle als auch auf kurzfristige Faktoren zurückführen lassen. Während Die Linke die Probleme der Beschäftigten und die strukturellen Defizite in den Vordergrund stellte, betonten Vertreter anderer Fraktionen die Bemühungen der Stadt, die Situation zu entschärfen, sowie die allgemeinen Herausforderungen des Fachkräftemangels. Alle Beteiligten waren sich einig, dass der Nahverkehr systemrelevant ist und dringend nachhaltige Lösungen gefunden werden müssen, um das Vertrauen der Fahrgäste und die Motivation der Beschäftigten zurückzugewinnen.

Redakteur/Autor: Arne Petrich

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Weitere aktuelle Beiträge