Jena 1987: Der Wunsch nach Veränderung und die Entstehung unabhängiger Bewegungen

DDR 1987 Jugendliche aus Jena -Ein Film von Peter Wensierski

Ende März 1980 fand in Erlangen ein bedeutendes Ereignis statt: die vierte deutsch-deutsche Städtepartnerschaft sollte ratifiziert werden. An der Spitze der Ehrengäste aus Jena war der Bürgermeister, der angesichts der angekündigten Teilnahme ehemaliger ausgewiesener Jenaer an der Feierlichkeiten seine Bedenken äußerte. Er verbat sich jeden störenden Kontakt und drohte mit seiner Abreise, sollte die Situation nicht seinen Vorstellungen entsprechen. Die Erlanger Stadtväter zeigten sich bereitwillig, seinem Wunsch nachzukommen, was auf die nach wie vor sensiblen Themen der deutschen Teilung und der politischen Verhältnisse hinweist.

Während sich die kommunalen Politiker in Erlangen um ein harmonisches Fest bemühten, war die Situation in der DDR jedoch von tiefgreifenden Veränderungen geprägt. Die Hoffnungen der Menschen richteten sich nicht nur auf den Austausch von Funktionären, sondern auch auf den Dialog und die Begegnung zwischen Bürgern beider deutscher Staaten ohne Ausgrenzung. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das Bedürfnis nach Kommunikation und Verständnis über politische Grenzen hinweg in der Bevölkerung stark ausgeprägt war.

Zur gleichen Zeit, in Berlin-Kreuzberg, trafen sich junge Menschen aus Jena, die gerade aus der DDR geflohen waren. In der neuen Umgebung fühlten sie sich nicht einmal völlig fremd, da bereits einige Hundert ihrer Landsleute zwischen Türken und Westdeutschen lebten. Es war bereits die dritte Generation von DDR-Bürgern, die emigrierte. Die ersten waren in den 1970er Jahren nach der Biermann-Aussweisung geflohen, die nächsten in den frühen 1980er Jahren, als ihre friedlichen Aktivitäten nicht länger toleriert wurden.

In Jena, das gerade sein 750-jähriges Stadtjubiläum gefeiert hatte, waren die staatlichen Behörden unnachgiebig gegenüber der nicht angepassten Jugend. Private Amateuraufnahmen aus den 1970er Jahren zeigen eine lebendige Szene, die versuchte, sich der staatlichen Reglementierung zu entziehen. Jugendliche entwickelten eigene Vorstellungen von Kleidung, Musik, Politik und Lebensstil, was zu Treffen in der Stadt und Wanderungen mit bis zu 300 Personen führte. Diese Aktivitäten versetzten die Behörden in Panik, und viele erlebten die Härte der Ordnungshüter am eigenen Leib.

Besonders tragisch ist der Fall von Matthias Domaschk, der nach einem Verhör durch die Staatssicherheit zu Tode kam. Sein Tod löste landesweite Proteste aus, die bis heute nachwirken, ohne dass die genauen Umstände geklärt wurden. Friedensaktivitäten wurden gewaltsam unterbunden, und viele Beteiligte wurden zur Ausreise gedrängt. Roland Jahn beispielsweise wurde sogar zwangsabgeschoben. Für die nächste Generation, die damals noch zur Schule ging, war all dies Geschichte. Doch die Entscheidung, die DDR zu verlassen, war geprägt von den Erfahrungen ihrer Vorgänger, die mit ihren politischen Hoffnungen gescheitert waren.

Die Jugendlichen, die nun in Kreuzberg lebten, erlebten die starren Strukturen der DDR, die seit Generationen bestehen. Sie hatten die Aufgabe, ihren eigenen Weg zu finden und Freiräume zu entdecken, die im sozialistischen System oft nicht vorhanden waren. Aus diesen Versuchen entwickelten sich zahlreiche Aktionen, die zunächst unpolitisch waren, aber dennoch die Möglichkeit boten, außerhalb der staatlichen Kontrolle zu agieren.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Floßfahrt auf der Saale, die von einer Gruppe junger Leute organisiert wurde. Sie hatten ein einfaches Floß aus Fässern gebaut und unternahmen eine dreitägige Fahrt von Jena bis Weißendorf. Trotz der primitiven Bauweise war das Erlebnis für alle Beteiligten ein großer Spaß. Leider dauerte es nicht lange, bis die Behörden einschritten und das Floß konfiszierten. Die Jugendlichen wurden von der Staatssicherheit verhört und mit Strafen bedroht, sollten sie erneut ähnliche Aktivitäten durchführen. Solche Aktionen verdeutlichen den ständigen Konflikt zwischen dem Drang nach Freiheit und den repressiven Maßnahmen des Staates.

In der DDR war es für die Jugend zunehmend schwierig, ihre Kreativität und Spontaneität auszuleben. Der Druck der Behörden war allgegenwärtig, und viele junge Menschen zogen es vor, sich in den Hintergrund zurückzuziehen, um Problemen mit den Ordnungshütern zu entgehen. Doch der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Gemeinschaft blieb. Spontane Aktionen, wie das erste Open-Air-Frühstück in Jena, fanden großen Anklang bei der Bevölkerung. Die Jugendlichen hatten Tische eingedeckt, Musik gemacht und die Freude am gemeinsamen Essen und Feiern geteilt. Doch auch diese Freiheit wurde schnell von der Polizei unterbunden, die die Versammlung auflöste und die Teilnehmer mit Ordnungsstrafen belegte.

Die repressiven Maßnahmen der DDR führten dazu, dass viele Jugendliche sich diskriminiert und eingeschränkt fühlten. Es war nicht nur eine Frage des Ausweises, sondern auch eine Frage der persönlichen Freiheit und der Möglichkeit, ihre Ideen und Träume zu verwirklichen. Die Hoffnung auf eine Veränderung der politischen Verhältnisse blieb, und der Wunsch, mehr Freiräume zu schaffen, wurde laut.

Es wurde immer klarer, dass die Jugendarbeit und die Eigeninitiative der Jugendlichen von den Funktionären der DDR nicht verstanden oder toleriert wurden. Die Bürokratie erstickte oft die Spontaneität, die für die Entwicklung einer lebendigen Gesellschaft notwendig ist. Die persönlichen Erfahrungen und das Streben nach Veränderung prägten das Bewusstsein einer ganzen Generation und führten letztendlich zur Frage, wie es mit der DDR weitergehen sollte. Die Entstehung von unabhängigen Gruppen und Bewegungen war ein Zeichen für den wachsenden Wunsch nach Veränderung und einem Leben jenseits der staatlichen Kontrolle.

Diese Entwicklungen in Jena und der gesamten DDR waren Teil eines umfassenden Wandels, der in den folgenden Jahren zur Wende und schließlich zur Wiedervereinigung Deutschlands führte. Die Kämpfe der Jugendlichen und die Entbehrungen, die sie durchlebten, sind wichtige Kapitel in der Geschichte der deutschen Teilung und des Aufbruchs in eine neue Zukunft.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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1 Kommentar

  1. BLUES UND ROCK IN DER DDR

    Eine kleine musikalische Zeitreise

    In den Fünfzigern kam der Rock’n’Roll,
    was Eltern schockte, fanden Teenies toll.
    Die Sechziger brachten die Beatmusik,
    Flower-Power führte ins Hippie-Glück.

    Es war’n die wilden Siebziger Jahre,
    als wir noch hatten allzuviel Haare.
    Blueser und Tramper, immer auf dem Pfad,
    Hippies im Arbeiter – und Bauernstaat.

    Jesuslatschen oder Kletterschuhe,
    Blue Jeans, Parka und immer die Ruhe.
    So ging’s am Wochenende in die Spur,
    Musik und Freiheit das Ziel jeder Tour.

    Man lauschte intensiv Freygang bis Renft,
    die Plätze vor der Bühne stets umkämpft.
    Der Alkohol war immer mit im Spiel,
    man rauchte Karo und trank viel zu viel.

    Im Osten war die Musik Klassenkampf,
    man machte Rockgruppen gehörig Dampf.
    Sie galten als westliche Sendboten,
    Restriktionen und Auflösung drohten.

    Auch Ost-Hippies verehrten Blues und Rock,
    blickten sehnsüchtig aufs ferne Woodstock.
    Stets im Visier von Stasi und Staatsmacht,
    pflegte man auch hier Liedgut und Haarpracht.

    Man besorgte sich eine Gitarre,
    wollte niemals tragen eine Knarre,
    hasste Uniform und Kasernenmief –
    Give Peace a Chance war immer Leitmotiv.

    Urige Songs von den Doors bis Neil Young
    setzten Lust und Endorphine in Gang.
    Wir sahen Modesünden, manchen Tick,
    was bleiben wird, ist die feine Musik.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus der Skatstadt

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