Das Interview mit Erich Honecker: Ein Blick in die Gedankenwelt eines starrsinnigen Ideologen

Erich Honecker - ARD-Interview 1991 Moskau (43 Min.)

Das Interview mit Erich Honecker, dem ehemaligen Staats- und Parteichef der DDR, das 1991 in Moskau geführt wurde, bietet einen faszinierenden Einblick in die Gedankenwelt eines Mannes, der bis zum Schluss von den Idealen des Sozialismus überzeugt war. Trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustands präsentiert sich Honecker als unbeirrbarer Verfechter seiner Politik und der DDR. Dieses Interview ist nicht nur ein Dokument seiner Überzeugungen, sondern auch ein eindringliches Zeugnis einer Ära, die sich dem Ende zuneigte.

Honecker rechtfertigt die DDR-Vergangenheit, indem er die Schuld am Untergang der DDR nicht in der eigenen Politik sucht, sondern die Sowjetunion unter Gorbatschow dafür verantwortlich macht. Diese Abkehr von der eigenen Verantwortung ist charakteristisch für seine Denkweise. Die Grenzschließung von 1961, die zur dramatischen Flucht von vielen Bürgern führte, betrachtet er als notwendige Maßnahme, um den Frieden zu sichern und die DDR vor weiterer Abwanderung zu schützen. Die Soldaten, die auf Flüchtlinge geschossen haben, hätten seiner Meinung nach lediglich ihre Pflicht erfüllt. Hier wird deutlich, dass Honecker die tragischen Folgen dieser Entscheidungen entweder nicht wahrhaben kann oder willentlich ignoriert.

Ein weiterer Punkt, den Honecker anführt, ist die Rolle der Stasi. Er räumt zwar ein, dass die Stasi ein staatliches Organ gewesen sei, übernimmt jedoch keine Verantwortung für deren Übergriffe und die Bespitzelung der Bevölkerung. Stattdessen behauptet er, die Stasi habe ihre Kompetenzen überschritten. Diese Verteidigung seiner Politik zeugt von einer grundlegenden Unfähigkeit, die eigene Rolle in der Geschichte zu reflektieren und die Verantwortung für die Taten des Regimes zu übernehmen.

In der Auseinandersetzung mit den Vorwürfen, er habe Reformen in der DDR blockiert, weist Honecker diese zurück. Seiner Meinung nach sei es notwendig gewesen, die Konterrevolution zu bekämpfen. Diese Vorstellung ist symptomatisch für sein Weltbild und seine Unbeweglichkeit. Er sieht sich selbst nicht als den Hauptverantwortlichen für die stagnierenden Verhältnisse in der DDR, sondern schiebt die Schuld auf andere Funktionäre ab, insbesondere auf Erich Mielke, den ehemaligen Chef der Stasi. Dies zeigt, wie Honecker in seinem Denken verhaftet bleibt und nicht bereit ist, Fehler einzugestehen.

Des Weiteren behauptet Honecker, die DDR habe Andersdenkende nicht unterdrückt, sondern sei immer zum Dialog bereit gewesen. Diese Aussage wirkt in Anbetracht der zahlreichen Repressionen, die in der DDR stattfanden, grotesk. Die Realität, in der Dissidenten verfolgt und inhaftiert wurden, scheint in seinem Gedächtnis verzerrt oder völlig ausgeblendet zu sein. An die Behauptung, er habe von den Machenschaften der Stasi, wie der Unterbringung von RAF-Terroristen in der DDR, nichts gewusst, glaubt Honecker selbst nicht. Dies wirft die Frage auf, wie sehr er die Informationsflüsse innerhalb seines eigenen Regimes wirklich kontrollierte oder ob er in einem System lebte, das ihn vor unangenehmen Wahrheiten schützte.

Honeckers Weltbild ist stark von der sozialistischen Idee geprägt. Er klammert sich an das, was er als Bestätigung für den Fortbestand des Sozialismus ansieht, wie etwa die Länder China, Vietnam und Kuba. Diese Länder dienen ihm als Beispiele dafür, dass der Sozialismus nicht tot ist und weiterhin eine Alternative darstellt. Die Wiedervereinigung Deutschlands betrachtet er als Annexion der DDR durch die Bundesrepublik, was seine Unfähigkeit zeigt, die Realität nach dem Mauerfall zu akzeptieren.

Darüber hinaus gibt Honecker an, zurücktreten zu wollen, sollte die SED dem Wendebeschluss zustimmen. Diese Aussage verdeutlicht seine Weigerung, die DDR-Politik zu reformieren, und sein festes Festhalten an den eigenen Überzeugungen. Es zeigt auch, wie wenig er bereit ist, auf die Forderungen der Bürger einzugehen und die Situation der DDR grundlegend zu hinterfragen.

Insgesamt zeigt das Interview Honecker als starrsinnigen Ideologen, der nicht bereit ist, Fehler einzugestehen oder die Realität der späten DDR anzuerkennen. Er präsentiert sich als Opfer einer Intrige und sucht die Schuld für den Untergang der DDR bei anderen. Diese Haltung hinterlässt den Eindruck eines Mannes, der in seiner eigenen Welt lebt und die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat oder nicht erkennen wollte. Seine Entschlossenheit, an den Idealen festzuhalten, die letztlich zur Isolation und zum Verfall des Staates führten, macht das Interview zu einem eindringlichen Zeugnis eines gescheiterten Regimes und seiner Führer.

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